Protocol of the Session on February 21, 2001

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Caroli.

(Abg. Deuschle REP: Will der sich auch verab- schieden?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Herzlichkeit des Abschieds von Herrn Göbel kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Fraktion der CDU und die Fraktion der FDP/DVP gegen die Sturheit des Ministerpräsidenten in dieser Frage nicht durchgesetzt haben. Die Bezirksstellen für Naturschutz, die nach dem Willen der Koalitionsregierung zerschlagen werden sollen,

(Abg. Göbel CDU: Nicht zerschlagen, Herr Caroli, getrennt bleiben!)

sind nichts anderes, sind nicht mehr und nicht weniger als moderne Verwaltungsstellen, in denen Expertenwissen gebündelt ist, in denen es keine Schnittstellen gibt und in denen eine einheitliche Beratung durch alle Ansprechpartner gesichert ist. Es ist hier also genau das bereits realisiert, was man eigentlich unter Verwaltungsreform versteht.

Die Schwächung der Bezirksstellen ist Unsinn. Dies sagen alle Fachleute,

(Zurufe von den Republikanern)

und eigentlich wissen Sie – einschließlich Herrn Göbel – selbst genau, dass dies Unsinn ist.

(Abg. Schmiedel SPD: Er macht es trotzdem!)

Kein Wunder, dass unter denen, die von der Sache etwas verstehen, Unmut und auch Betroffenheit aufgekommen sind.

Meine Damen und Herren, die jetzt anstehenden Änderungen sind vor dem Hintergrund der deutlich veränderten Rahmenbedingungen für die Naturschutzverwaltung völlig unverständlich. Dazu einige Beispiele.

Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, kurz FFH-Richtlinie, und die Vogelschutzrichtlinie der EU wurden 1998 durch das neue Bundesnaturschutzgesetz umgesetzt. Dies bringt den Ländern doch neue Aufgaben mit weit reichenden Konsequenzen, die landesweit bearbeitet werden müssen. Die FFH-Richtlinie muss bei allen großen Infrastrukturvorhaben einbezogen werden. Eine Verträglichkeitsprüfung ist bei allen Vorhaben in diesen Gebieten oder ihrem Umfeld durchzuführen. Eine solche Prüfung ist vom Umfang und der Erhebungstiefe her deutlich anspruchsvoller als die bisherige Eingriffsbeurteilung.

Wenn das Bundesnaturschutzgesetz novelliert und die Verbandsklage eingeführt ist, kommen wiederum neue Aufgaben auf die Bezirksstellen zu.

(Zuruf des Abg. Göbel CDU)

Darüber hinaus enthält der Entwurf des Bundesnaturschutzgesetzes einen Biotopverbund von 10 % der Fläche der Bundesrepublik Deutschland. Hierfür müssen auch in unserem Land Kerngebiete ausgewiesen werden, die miteinander verbunden werden müssen. All dies erfordert Arbeiten, die von den Bezirksstellen wahrzunehmen sind.

Denken wir auch an die Vergabe von Bundes- und EUMitteln

(Abg. Göbel CDU: Wir haben dann mehr Perso- nal! Tun Sie doch nicht so, als ob Sie das nicht be- greifen!)

zur Kofinanzierung von Pflege- und Extensivierungsverträgen, die an Vorgaben und Kontrollen gebunden sind. Auch die zunehmende Förderung von Projekten zum Schutz von Natur und Kulturlandschaft mit Bundes- und EU-Mitteln setzt qualifizierte Projektträgerschaften und Projektbetreuer voraus. Wenn wir wollen, dass Bundesmittel in unser Land fließen, dass EU-Mittel in die einzelnen Raumschaften fließen, dann muss dies fachlich qualifiziert, landesweit einheitlich begleitet werden.

Wir wissen doch auch, dass die EU-Landwirtschaftspolitik künftig verstärkt auf landschaftspflegerische, naturschutzrelevante Leistungen setzt. Auch hier, meine Damen und Herren, wird es notwendig sein, entsprechende Vorgaben und Erfolgskontrollen gegenüber der EU zu erbringen.

Es darf doch wohl nicht wahr sein, dass man die Instanz, die zur Erfüllung der genannten umfangreichen Aufgaben bestens geeignet ist, nun um 22 Stellen reduziert.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Du musst auch sagen, wie viel es insgesamt sind! – Zuruf des Abg. Göbel CDU)

Dies, meine Damen und Herren, ist keine Stärkung des Naturschutzes, wie von der Landesregierung propagiert, sondern eine eindeutige Schwächung.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: So ist es! – Abg. Schmiedel SPD: Klare Worte!)

Überdies ist die Abschaffung des Devolutivrechts beim Naturschutz eine schallende Ohrfeige für die ehrenamtlich arbeitenden Naturschutzbeauftragten vor Ort, weil sie in Konfliktfällen nicht mehr in der Lage sein werden, sich an die nächsthöhere Instanz zu wenden, um damit ihrem Einspruch Nachdruck zu verleihen.

(Zuruf des Abg. Göbel CDU)

Es ist eine krasse Fehlentscheidung, die nicht nur demotiviert, sondern auch der Bereitschaft zum Engagement als ehrenamtlicher Naturschutzbeauftragter abträglich sein wird.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Schmiedel SPD: Genau!)

Meine Damen und Herren, das Dissensverfahren hat sich auch beim Denkmalschutz voll bewährt und sollte daher nicht geändert werden. Allein dadurch, dass es einen Zwang zum Einvernehmen gab, kam es auch nur bei 0,76 % aller Fälle zu keinem Einvernehmen.

Meine Damen und Herren, das Denkmalschutzgesetz hat sich voll bewährt. Die Herstellung des Einvernehmens zwischen der unteren Denkmalschutzbehörde und dem Landesdenkmalamt war in der Regel nicht durch Konflikte getrübt. Wir sollten uns vor Augen führen, dass beispielsweise überregional tätige Baugesellschaften wirtschaftlichen Druck auf Kommunen ausüben können, dem man kaum etwas entgegensetzen kann. Machen wir uns doch nichts vor: Wenn Finanznot besteht und Arbeitsplätze geschaffen werden, kann man gegenüber attraktiven Angeboten oft nicht widerstehen und nimmt den Abriss von Kulturdenkmalen in Kauf. Ich befürchte, dass die Abschaffung des Devolutiveffektes dazu führt, dass die Instandhaltung von Kulturdenkmalen wegen der mangelnden Wirtschaftlichkeit erheblich eingeschränkt wird.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir meinen, dass es bei der Vielfalt unterschiedlicher unterer Denkmalschutzbehörden eines funktionierenden Verfahrenskorrektivs bedarf, das die Belange der Denkmalpflege wahrt und Ungleichbehandlungen verhindert.

Wir von der SPD-Fraktion haben kein Verständnis dafür, dass Sie, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP/DVP, sich wider besseres Wissen dazu entschlossen haben, das Gesetz jetzt noch durchzupeitschen. Sie haben den Sachverstand aller Fachleute in den Wind geschlagen, sich jeglicher Aufklärung widersetzt. Wir werden im Falle

der Regierungsübernahme einen Weg finden, diese üble Strategie der Deregulierung zu durchbrechen

(Zuruf des Abg. Göbel CDU)

und das Anliegen des Natur- und Denkmalschutzes, Herr Göbel, in unserem Lande wieder zu stärken.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort erhält Herr Abg. Kretschmann.

In Artikel 3 c unserer Landesverfasssung heißt es:

Die Landschaft sowie die Denkmale der Kunst, der Geschichte und der Natur genießen öffentlichen Schutz und die Pflege des Staates und der Gemeinden.

Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen verweigern diesen Verfassungsauftrag,

(Abg. Hauk CDU: Na, erhöhen Sie das nicht so!)

im Gegenteil: Dieser Gesetzentwurf – es ist ja nicht daran zu zweifeln, dass er heute eine Mehrheit findet –

(Zuruf von der CDU: Wollen Sie eine Verfas- sungsänderung oder eine Gesetzesänderung?)

wird diesen Auftrag, den uns die Verfassung gibt, weiter entscheidend schwächen.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: So ist es!)

Dies habe ich in der letzten Lesung schon für den Naturschutz dargestellt. Aber auch für den Denkmalschutz, der denselben Verfassungsrang hat, wird dieser Auftrag geschwächt, indem der Devolutiveffekt abgeschafft wird. Man muss sich einmal vor Augen halten: Wir bauen gerade ein Haus der Geschichte in der Größenordnung von 80 Millionen DM, aber der Erhalt unserer archäologischen und Kulturdenkmale wird durch diesen Gesetzentwurf entschieden geschwächt. Im Ausschuss waren Sie auch nicht in der Lage, darzulegen, inwiefern Ihr Gesetz eine Stärkung dieses Auftrages sein soll. Nur dies kann ja bei dieser Verfassungslage geboten sein.

Sie schwächen also die gesetzlichen ordnungspolitischen Grundlagen im Denkmal- und Naturschutz. Zugleich werden die Mittel zurückgefahren. Die Mittel im Denkmalschutz haben sich in den letzten zehn Jahren wie folgt entwickelt: In den Jahren 1990 bis 1993 waren es jährlich rund 50 Millionen DM, im Jahre 1994 rund 60 Millionen DM, ebenso 1995; dann gibt es in den Jahren 1996 und 1997 einen dramatischen Einbruch von 47 Millionen DM auf 30 Millionen DM; dann lagen wir bei 30 Millionen DM, 29 Millionen DM und 33 Millionen DM, und im letzten Haushalt sind 39 Millionen DM eingestellt.

(Abg. Göbel CDU: Es geht doch wieder aufwärts!)

Das heißt, Sie schwächen das Ordnungsrecht, und zugleich sind die Mittel zurückgefahren worden – und das bei den bekannten Preissteigerungen in der Baubranche. Man sieht

also ganz klar: Sie haben mit Denkmalpflege nichts im Sinn, und das, obwohl der Erhalt dieser Kulturdenkmale unsere Städte und Gemeinden attraktiver macht und damit – neben dem Erhalt unseres Kulturgutes – einen wichtigen so genannten weichen Wirtschaftsstandortfaktor darstellt und eine außerordentlich hohe Wertschöpfung für die kleinen und mittleren Betriebe beinhaltet; denn ausschließlich diese arbeiten im Denkmalschutz. Das, was Sie tun, geht im Naturschutz also voll gegen das Ehrenamt und im Denkmalschutz voll gegen den Mittelstand. Das ist Ihre Politik in diesem Bereich.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)