Das Zweite: Das Gesetz ermöglicht natürlich jedem Bewohner oder jeder Mieterinitiative, einen Antrag zu stellen. Dieser kann nicht einfach angenommen oder abgelehnt werden. Das heißt, es wird ganz zwangsläufig zu einem Anwachsen der Bürokratie bei gleichzeitigem Rückgang der Einnahmen kommen. Die Regierung selber rechnet nur noch mit 15 Millionen DM Einnahmen gegenüber 29 Millionen DM. Wenn man diesen den wachsenden bürokratischen Aufwand gegenüberstellt und gleichzeitig diese Negativwirkung der Stigmatisierung berücksichtigt, wobei der Begriff der Fehlabgabe immer noch unterstellt, dass jemand fehl am Platz ist, dann muss man wie wir zu der Überzeugung kommen, dass nach einer angemessenen Übergangsfrist das Gesetz in Baden-Württemberg auslaufen sollte.
Sie wissen, dass die neuen Bundesländer von der Fehlbelegungsabgabe überhaupt nicht Gebrauch gemacht haben. Sie wissen, dass Schleswig-Holstein einen solchen Beschluss gefasst hat und dass es möglich ist, landeseinheitlich auszusteigen. Die Fehlbelegungsabgabe in die Souveränität der Kommune zu geben, was wir auch befürwortet hätten, ist nicht möglich. Deshalb, wie gesagt, schlagen wir vor, nach einer angemessenen Übergangsfrist auszusteigen.
Es ist natürlich sinnvoll, wenn man sagt, dass auch Familien mit höheren Einkommen in den Sozialwohnungen bleiben sollen, dann die Frage zu beantworten: Warum soll denn die öffentliche Hand die Sanierung, die Aufwertung dieser Wohnungen weiter finanzieren? Deshalb kommen wir zu dem Ergebnis, dass es sinnvoll ist, diese Wohnungen dann an diesen Personenkreis auch zu verkaufen.
Wir lehnen uns da an das an, was die Bundesregierung in ihrer Wohnungsbauförderung als Ziel vorgibt, nämlich die Förderung von Veräußerungen aus dem Bestand an Mieter zur Selbstnutzung. Dies wollen wir fördern. Die Förderung der Privatisierung an irgendjemanden lehnen wir ab. Das ist überflüssig und unnötig. Wenn eine Wohnungsbaugesellschaft privatisiert, dann soll sie das ohne öffentliche Förderung machen. Öffentliche Förderung ist dann angesagt, wenn wir eine ausgewogene Mieter- und Bewohnerstruktur wollen. Dazu gehört auch, dass es ein ausgewogenes Verhältnis von Mietern und Eigentümern in diesen Quartieren gibt. Eigentümer heißt aber, dass dieser auch dort wohnt und nicht der Eigentümer irgendeine Wohnung gekauft hat und der Mieter Mieter bleibt.
Deshalb empfehlen wir Ihnen, unserem Antrag zuzustimmen, denn nur dann erfüllt die Förderung des Landes die Anrechenbarkeit auf den Eigenbeitrag des Landes bei der Inanspruchnahme von Bundesförderung. Das ist auch in sich vernünftig begründet.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Die Fehlbelegungsabgabe ist ins Gerede gekommen. In großen Sozialwohnungsgebieten der Siebziger- und Achtzigerjahre führt sie zu Problemen. Die soziale Stabilität dieser Stadtteile ist in Gefahr, weil gut verdienende Mieter, die den Stadtteil stabilisieren, die Fehlbelegungsabgabe als Vertreibungsabgabe begreifen und dadurch Probleme entstehen, die wir nicht wollen.
Die SPD sagt daher: „Die negativen Effekte dieser Abgabe überwiegen. Wir sollten sie zeitverzögert ganz abschaffen.“ Wir können uns dieser Meinung nicht anschließen. Wir halten die Fehlbelegungsabgabe insgesamt für ein Element, das etwas mehr Gerechtigkeit im Bereich der Wohnungsversorgung schafft; denn Sozialwohnungen sind knapp und sollten daher vorrangig für bedürftige Haushalte zur Verfügung stehen.
Die Fehlbelegungsabgabe ist ein finanzielles Steuerungsinstrument, um diesem Ziel näher zu kommen. Dieses Instrument ist nicht perfekt, und wir müssen über Änderungen nachdenken. Aber den Grundsatz, dass man eingreifen muss, wenn jemand, der gut verdient und somit nicht bedürftig ist, eine Sozialwohnung belegt, die mit hohem Aufwand gefördert wurde, halten wir für gerechtfertigt.
Es gibt durchaus, Herr Schmiedel, unterschiedliche Regionen und unterschiedliche Kommunen, und nicht in allen ist es so, dass die Fehlbelegungsabgabe gleich zu einer Vertreibungsabgabe wird. Deshalb sagen wir: Wir müssen die Fehlbelegungsabgabe reformieren und an die aktuellen Entwicklungen anpassen. Dem dient ja auch dieser Gesetzentwurf. Lassen Sie uns in zwei oder drei Jahren darüber reden, inwieweit sich Ihre Bedenken tatsächlich als gerechtfertigt herausstellen. Aber zum jetzigen Zeitpunkt sagen wir: Die Fehlbelegungsabgabe bedarf einer Änderung – dazu bildet dieser Gesetzentwurf eine gute Grundlage –, aber wir wollen sie nicht ganz abschaffen.
Die Eingriffsschwelle für die Erhebung soll angehoben werden. Das ist angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskosten gerechtfertigt.
Zum Zweiten sollen Gemeinden verstärkt das Recht erhalten, einzelne Gebiete oder Wohnungen von der Pflicht zur Fehlbelegungsabgabe auszunehmen. Damit können die Gemeinden mögliche problematische soziale Entwicklungen bzw. die Entwicklung einer bestimmten Sozialstruktur frühzeitig verhindern oder diesen Entwicklungen entgegensteuern, indem sie die Fehlbelegungsabgabe aussetzen, sodass Haushalte, die diese Quartiere stabilisieren, nicht mit einer Fehlbelegungsabgabe belegt werden. Dies führt dann dazu, dass diese Haushalte in den Stadtteilen verbleiben. Dieser Punkt wird sicherlich von uns allen geteilt.
Dritter Punkt, den dieser Gesetzentwurf aufgreift: Die Mittel, die durch die Fehlbelegungsabgabe aufgebracht werden, sollen für weitere Zwecke zur Verfügung stehen. Dies unterstützen wir. Insbesondere möchte ich hier die Möglichkeit nennen, Belegungsbindungen für Sozialwohnungen zu erwerben. Denn bei einer Sozialwohnung muss es sich ja nicht immer um einen Neubau handeln, sondern wir müssen verstärkt dafür votieren, dass vorhandene Sozialwohnungen eine dauerhafte Belegungsbindung erhalten. Ein Neubau ist nämlich immer mit einem Umweltverbrauch verbunden. Unser Ziel muss es aber sein, auf Dauer einen sozialen Wohnungsbestand zu erhalten.
Es gibt noch einen anderen Ansatz, um diese Quartiere zu stärken. Das ist der, den Mietern, die nicht vertrieben werden sollten, die Möglichkeit zu geben, ihre Wohnung zu erwerben, damit sie als Eigentümer in diesen Quartieren bleiben. Diesen Ansatz wollen wir durchaus mit verfolgen.
Wir haben daher zusammen mit der Fraktion der SPD einen Änderungsantrag zum Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP eingebracht. Hierbei handelt es sich um einen Prüfungsantrag. Es soll geprüft werden, wie man es ermöglichen kann, dass die Wohnungen von den Mietern erworben werden können.
(Abg. Brechtken SPD: Jetzt ist die Koalition wie- der richtig! Jetzt stimmt die Koalition wieder! – Zuruf des Abg. Fleischer CDU)
Ich darf dabei aber betonen, Herr Fleischer: Der Verkauf von Mietwohnungen darf nicht als Plünderung einer Sparkasse verstanden werden, bei der das Geld irgendwo anders hinwandern kann,
sondern wir werden darauf achten, dass der Erlös aus dem Verkauf von Sozialwohnungen wieder für Sozialwohnungen oder für den Erwerb von Belegungsbindungen zur Verfügung steht. Dann können wir durchaus positiv darüber diskutieren.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Brechtken SPD: Wenn wir Zeit gehabt hätten, hät- ten wir auch einmal geklatscht! Wir wollten klat- schen, aber wir hatten keine Chance! – Abg. Beb- ber SPD: An einer Stelle wollten wir auch klat- schen!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Gesetz wird die Fehlbelegungsabgabe maßvoll zurückgeführt. Die Gemeinden erhalten die gewünschte zusätzliche Flexibilität. Das Schöne daran ist, dass wir uns hier in diesem Hause alle über diesen Grundsatz einig sind.
Die Anhörung hat gezeigt, dass die kommunalen Landesverbände im Wesentlichen zustimmen und dass auch die Wohnungswirtschaft zustimmt. Die erste Lesung hat keinen großen Dissens gebracht und die Beratung im Wirtschaftsausschuss auch nicht.
Sie haben Recht, Herr Schmiedel: Der Wohnungsmarkt hat sich geändert. Die Zuteilung und Verteilung von früher ist eigentlich mehr der Hauptaufgabe gewichen, diesen Altbaubestand zu pflegen und zu modernisieren. Das ist eine Aufgabe, die sicherlich genauso wichtig ist wie der Neubau. Da hat sich das Thema Fehlbelegungsabgabe nun eben entsprechend mit verändert.
Es wäre uns allen lieber gewesen – ich stelle immer noch Übereinstimmung fest –, wenn man gesagt hätte, die Kommunen sollten selbst entscheiden, wann sie – auch unter dem Gesichtspunkt der sozialen Durchmischung – eine Fehlbelegungsabgabe erheben oder nicht. Das geht gesetzlich nicht, solange ein Bundesgesetz den Grundsatz vorschreibt, dass eine Fehlbelegungsabgabe zu erheben ist. Da
kann man nicht einfach sagen: Dann überlassen wir das den Kommunen. Meine Beschäftigung mit der Juristerei liegt lange zurück, aber ich würde einmal sagen, das lernt man in den Semestern 1 bis 3.
Mit der jetzt vorgesehenen Ausnahmeregelung, die zugegebenermaßen an einen sehr weiten, unbestimmten Gesetzesbegriff anknüpft, indem gesagt wird: „wenn es sozial gemischten Belegungsstrukturen dient“ – sehr viel weiter kann man in der Formulierung nicht gehen –, wird den Kommunen nun im Grunde nahezu das Gleiche gegeben. Die Damen und Herren Gemeinderäte und die Bürgermeister und Oberbürgermeister – einige von Ihnen haben ja auch kommunale Verantwortung getragen; deshalb werden Sie das freundlicherweise ableiten – sind durchaus in der Lage, das auch durchzuführen, ohne weiter vom Landtag an die Hand genommen zu werden.
Ich will einfach noch einmal zu den Zusatzanträgen kommen. Unser Antrag sieht vor, durch eine entsprechende Landesförderung die sozial verträgliche Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen – mit einem Vorzugsangebot an die bisherigen Mieter – zu unterstützen. Ich glaube, die wenigsten wissen, wo eigentlich der Unterschied zwischen ihrem und unserem Antrag liegt. Möglicherweise haben sie sich an unserem Antrag ausgerichtet, aber unser Antrag ist, wie immer, etwas weiter führend.
Unser Antrag geht nämlich dahin, dass der Wohnungskauf nicht ausschließlich nur den Mietern anzubieten ist.
Ich halte das auch für ganz richtig. Wenn zum Beispiel eine junge Familie da ist, die die Wohnung viel dringender braucht, dann muss diese nicht an den bisherigen Mieter, sondern kann selbstverständlich auch an die junge Familie verkauft werden. Ich denke, da kann es eigentlich keinen Widerspruch geben.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Schmiedel SPD: Die bisherigen Mie- ter fliegen raus, ja! Entmietung heißt das!)
Der letzte Punkt: Wenn in dem Antrag der SPD gefordert wird, dass die Fehlbelegungsabgabe nach einer dreijährigen Übergangsfrist außer Kraft tritt,
dann ist das, glaube ich, mehr colorandi causa formuliert; denn eines ist klar: Solange wir eine bundesgesetzliche Rahmengesetzgebung haben, wonach die Fehlbelegungsabgabe als solche noch existiert, muss man erst einmal die Rahmengesetzgebung ändern,
(Abg. Fleischer CDU: Genau so ist es! Natürlich! – Abg. Schmiedel SPD: Nein, das Land kann! Aber ihr drückt euch wieder mal, wie gehabt!)
bevor hier der Landesgesetzgeber tätig wird. Aber wir haben ja noch drei Jahre Zeit. Vielleicht tut sich da noch etwas. Wir brauchen das heute nicht zu entscheiden. Heute geht es darum, dass wir dem Gesetz zustimmen. Ich denke, das werden wir auch tun.