Protocol of the Session on January 31, 2001

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Große Anfrage ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Die negativen wirtschaftspolitischen Auswirkungen des geplanten Betriebsverfassungsgesetzes auf den Mittelstand, das Handwerk und die freien Berufe in Baden-Württemberg – beantragt von der Fraktion der FDP/DVP

Es gelten die üblichen Redezeiten: 50 Minuten Gesamtdauer, worauf die Redezeit der Regierung nicht angerechnet wird, fünf Minuten für die Redner in der ersten Runde und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.

Ich darf darauf hinweisen, dass nach der Geschäftsordnung die Aktuelle Debatte in freier Rede zu führen ist.

Das Wort erteile ich Frau Abg. Fauser.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Bürokratie in unserem Land wächst exponentiell, seit die rot-grüne Regierung in Berlin an der Macht ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Hofer FDP/DVP: Sehr gut! – Widerspruch bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Jesses Maria!)

Der Mittelstand im Würgegriff der Politiker, anders kann man dies nicht ausdrücken.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Deswegen haben die Grünen den Mittelstandspreis bekom- men! Keine Ahnung!)

Ich überlege mir derzeit, ob bei den 8 Millionen DM Wahlkampfhilfe der Gewerkschaften an die SPD das neue Betriebsverfassungsgesetz bereits eingeschlossen war.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Freie Rede bei der Aktuellen Debatte!)

Meine Damen und Herren, statt mehr Flexibilität mehr Reglementierung, mehr Kosten, eine Verlangsamung der Arbeitsabläufe. Man könnte sagen: Denn sie wissen nicht, was sie tun.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Aber man hat ja SPD und Grüne nicht gewählt, weil sie von der Wirtschaft eine Ahnung haben. Es besteht nur die Gefahr, dass unsere armen Bürger ausbaden müssen, was hier angerichtet wird.

(Abg. Nagel SPD: Mir kommen gleich die Trä- nen!)

Sie wissen, in Baden-Württemberg haben wir 55 000 Selbstständige, Unternehmen, Handwerker, die in den nächsten Jahren ihren Betrieb weitergeben wollen. Ich möchte Sie fragen, wer eigentlich noch Lust hat, in diesem Land der Reglementierung ein Unternehmen zu übernehmen.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Wer hat denn die Rede geschrieben? Freie Rede in der Ak- tuellen Debatte!)

Es ist im Grunde genommen schon ein gutes Zeichen, dass Wirtschaftsminister Müller betont, dass dieses neue Betriebsverfassungsgesetz Kosten verursache, dass es teuer und völlig überzogen sei. Aber Minister Müller scheint in Berlin nur mehr zu Dekorationszwecken zu fungieren.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Bis auf weiteres!)

Ich habe manchmal den Eindruck, er sitzt in Berlin seine Rente ab und hofft, dass er damit irgendwie davonkommt. Er ist nicht einmal mehr ein Feigenblatt in Ihrer Regierung.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Entweder er macht zu viel Bürokratie, oder er macht nichts! Was jetzt?)

Meine Damen und Herren, ein Selbstständiger, ein Unternehmer darf in Zukunft fast nur noch darüber bestimmen, wie er sein Kapital einsetzt. Wie es nachher ausgegeben wird, darüber bestimmt dann der Betriebsrat.

Es ist eine ungeheuerliche Tatsache, dass in Zukunft bereits bei Unternehmen mit fünf Mitarbeitern – das heißt keineswegs Vollzeitmitarbeiter, sondern es können auch Leasingmitarbeiter sein, die länger als ein Vierteljahr in dem Betrieb arbeiten, es können auch Teilzeitmitarbeiter sein – diese Personen darüber bestimmen können, wie Investitionsabläufe gestaltet werden.

Das Handwerk schätzt eine Kostenbelastung von 4,4 Milliarden DM,

(Abg. Hofer FDP/DVP: Hört, hört!)

die auf die Unternehmen und die Selbstständigen zukommt. Die Bürokratiekosten pro Unternehmen, pro Arbeitnehmer und pro Jahr betragen derzeit 4 000 DM, und diese sind im Steigen begriffen.

Meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, sind Betriebsräte unkündbar, und bei fünf Mitarbeitern sind dann zwei Betriebsräte unkündbar.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Das ist wie bei der FDP, dass jeder ein Pöstchen hat!)

Das ist also eine bedeutende Erweiterung des Kündigungsschutzes.

(Zuruf)

Herr Nagel, Sie sollten es nachher einmal durchlesen.

Meine Damen und Herren, ich zitiere:

Nach dem Entwurf soll in Betrieben mit bis zu 50 Mitarbeitern der Betriebsrat in einer Wahlversammlung gewählt werden können. Die Wahlvorschläge können auf dieser Versammlung auf Zuruf erfolgen. Zudem soll der Wahlvorstand, der die Betriebsratswahl vorbereiten und organisieren soll, in betriebsratslosen Betrieben ebenfalls erst in dieser Wahlversammlung gewählt werden.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Abg. Fauser, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Haas?

Die Briefwahl ist bei solchen Wahlen ausgeschlossen.

Meine Damen und Herren, es ist ein Gesetz, das über die Köpfe auch der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen hinweggeht. Im Grunde genommen wird die Vernunft im Zweifel ausgeschlossen.

Die Erhöhung der Zahl der Betriebsräte ab 101 Mitarbeitern bzw. die Erhöhung der Zahl der Betriebsräte bei 101 Mitarbeitern auf sieben statt bisher fünf Betriebsräte verursacht einen erheblichen weiteren Kostenschub, da diese Betriebsräte Freistellungen in Anspruch nehmen können. Wie gesagt: Ein Betrieb, der viele Teilzeitarbeiter hat, ist schnell in diesem Bereich von 100 Mitarbeitern.

Der Entwurf sieht darüber hinaus massiv erweiterte Mitwirkungs-, Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte vor, die Mitbestimmung bei der Änderung von Arbeitsplätzen, von Arbeitsabläufen und Arbeitsumgebungen. Was bisher ein korrigierendes Mittel war, wird nun ein massiver Eingriff. Er verlangsamt Arbeitsprozesse, und man kann sich nur wundern, wer auf solche Ideen überhaupt kommt.

Eine besondere Belastung stellt auch der § 89 Abs. 1 dar. Dort wird der Arbeitgeber verpflichtet – ich zitiere –, „den Betriebsrat bei allen im Zusammenhang mit dem betrieblichen Umweltschutz stehenden Maßnahmen hinzuzuzie

hen.“ Welche Auswirkungen hat dies im Falle einer geänderten Produktionsmaßnahme?

Überdies sollen auch Umweltfragen zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten im Sinne von § 106 gerechnet werden, die vom Wirtschaftsausschuss mit dem Unternehmer beraten werden.

Meine Damen und Herren, die Investitionen hier in der Bundesrepublik werden zurückgehen. Darauf dürfen Sie wetten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kurz.

(Abg. Nagel SPD: Der Chef von den Sozialaus- schüssen! Die haben alle Redeverbot!)

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Betriebsverfassungsgesetz hat sich meines Erachtens in den letzten 30 Jahren auch bewährt.

(Minister Dr. Repnik: Das hört sich einmal gut an!)

Auch das soll man in dieser Runde sagen. Es hat den ehrlichen Interessenausgleich zwischen Kapital und Arbeit zur Grundlage.