Protocol of the Session on January 31, 2001

Hier stellt sich natürlich auch eine Grundsatzfrage: Wie klappt es mit der einheitlichen Verwaltungsstruktur in Baden-Württemberg? Wir haben nämlich unterschiedliche Gebiete. Ich denke an die Großräume – Region Stuttgart, Mannheim/Ludwigshafen, Raum Freiburg, Raum Karlsruhe –, die andere Entwicklungs- und Strukturprobleme als die übrigen Räume haben. Zum Beispiel haben wir in den Großräumen so etwas wie eine Überentwicklung, wir haben ein Zusammenwachsen von Städten und Gemeinden zu Agglomerationen. Da stellt sich auch die Frage, ob die bisherige Einteilung nach dem zentralen Ortesystem – Kleinzentrum, Unterzentrum, Großzentrum – in solchen urbanen Gebieten eigentlich noch Sinn macht. Meines Erachtens wird sie in Großräumen immer weniger brauchbar. Hinzu kommt noch, dass die Entwicklung des S-Bahn-Netzes den Trend zu diesen Agglomerationen eher verstärkt.

Die aus Sicht von uns Republikanern erste Folgerung daraus ist, dass die bisherige Verwaltungseinteilung in Kreise, Kommunen usw. in den Großräumen nicht mehr alle Zukunftsprobleme lösen kann. Andererseits ist in vielen ländlichen Teilen Baden-Württembergs die Verwaltungsstruktur mit Kreisen noch völlig ausreichend und zukunftsträchtig.

Daraus resultiert dann auch die zweite Folgerung: Die Landesplanung muss flexiblere Strukturen bekommen, um diesen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel zu gestalten.

Nun komme ich zur Beurteilung des Gesetzentwurfs im Einzelnen. Ich möchte hier vier Punkte konkret ansprechen und Sie, Herr Staatssekretär, auch einiges fragen.

Erstens: In § 8 Abs. 3 soll ja die Verpflichtung der Regionalverbände zur gebietsscharfen Ausweisung von Standorten für den regionalbedeutsamen großflächigen Einzelhandel geregelt werden. Hier soll der zum Teil zerstörerische Wettbewerb der einzelnen Kommunen unterbunden werden und der innerörtliche Einzelhandel, für den viele Kommunen sehr viel Geld ausgegeben haben, etwas unterstützt werden. Ich möchte Sie, Herr Staatssekretär, fragen, ob die Definition, dass die Regionalbedeutsamkeit eines Vorhabens ab einer Verkaufsfläche von ca. 5 000 Quadratmetern gegeben ist – ich verweise auf Seite 15 der Gesetzesbegründung –, sinnvoll ist. Wir haben es nämlich immer mehr mit der Tatsache zu tun, dass das fachbezogene Sortiment eines Einzelhandels in jeweils spezialisierten Fachmärkten angeboten wird, deren Verkaufsflächen weit unter der Grenze von diesen 5 000 Quadratmetern liegen und die auch ein sehr großes Einzugsgebiet haben. Ich möchte Sie auch darauf hinweisen, dass bei Fachmärkten, zum Beispiel für Sportartikel, für Medien und Computer, eine Regionalbedeutsamkeit eigentlich schon bei 1 500 oder bei 2 000 Quadratmetern gegeben ist. Deswegen fordern wir auch, diese 5 000 Quadratmeter wenigstens aus der Begründung des Gesetzentwurfs herauszunehmen. Vielleicht könnten Sie dazu Stellung nehmen, Herr Staatssekretär.

Zweiter Punkt: Die Reduzierung des Beteiligungsverfahrens für die Änderung des Regionalplans von zwei Stufen auf eine Stufe oder auch die Delegation des Zielabweichungsverfahrens vom Wirtschaftsministerium auf das Regierungspräsidium ist sinnvoll und wird von uns auch mit

getragen. Das ist gar keine Frage. Wir tragen ja immer vernünftige Punkte mit.

(Heiterkeit des Abg. Brechtken SPD)

Dritter Punkt: Hinsichtlich der in § 15 b des Landesplanungsgesetzes vorgesehenen Einschränkung der Klagebefugnis ist dies eben nicht der Fall, und da frage ich Sie, Herr Staatssekretär – Herr Hofer hat ja eine ähnliche Frage gestellt –, warum Sie die Klagebefugnis nur für solche Verwaltungsakte zulassen wollen, die die Errichtung eines Einkaufszentrums betreffen. Diese Klagebefugnis könnte ja durchaus auch einmal für die Einhaltung eines regionalen Grünzugs interessant sein. Da ist die sachliche Frage: Warum ist es nicht gelungen, das in diesen Gesetzentwurf einzubringen? Ging das nur auf Koalitionsfragen zurück – so etwas soll ja vorkommen –, oder gab es einen sachlichen Grund für die Einschränkung dieser Klagebefugnis?

In einem vierten und zentralen Punkt möchte ich auf die Öffnungsklausel eingehen. Es ist richtig, dass die Diskussionen über die regionalen Entwicklungen in Baden-Württemberg sehr unterschiedlich gelaufen sind. Die Auffassungen haben von „am besten gar nichts ändern“ bis zur Übernahme der Struktur des Verbandes Region Stuttgart gereicht.

Ich möchte auch an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es gerade unsere Fraktion war, die 1994 als Alternative zum Verbandsgesetz die Gründung von Zweckverbänden – wir nannten sie damals Pflichtverbände – in die Diskussion gebracht hat. Wir hatten uns überlegt, dass man Pflichtverbände für Abfall, für ÖPNV und Ähnliches konstruieren könnte. Diese Überlegung haben wir auch im Landtag vertreten.

Nach sechs Jahren Erfahrungen mit der Regionalpolitik hat sich aber wohl gezeigt, dass für eine erfolgreiche regionale Entwicklung mehr erforderlich ist als das administrative Abwickeln von Aufgaben, wie man es wohl auch mit diesen Zweckverbänden machen zu können meint. Es hat sich gezeigt, dass für eine erfolgreiche Regionalpolitik die Organisation der kreativen Potenziale in der ganzen Region benötigt wird, und zwar, wenn möglich, über Netzwerke. So haben sich – das hat Herr Schmiedel zu Recht festgestellt – in der Region Stuttgart neben der Regionalversammlung und der Regionalverwaltung zahlreiche regionale Initiativen gebildet, zum Beispiel im sportlichen, im kulturellen, aber auch im politischen Bereich, die schon so etwas wie Anzeichen einer eigenen regionalen Identität entwickelt haben.

Ich glaube, das beachten die Kolleginnen und Kollegen aus anderen Landesteilen nicht. Sie sehen das mehr als eine technokratische Abwicklung und haben vielleicht noch nicht zur Kenntnis genommen, dass sich um diesen Nukleus herum etwas gebildet hat, was darüber hinausgeht. Man sollte auch in anderen Regionen froh sein, wenn sich so etwas mit der Zeit entwickelt. Aber vielleicht brauchen andere Regionen dafür länger.

Ich weiß natürlich auch, dass die Machtbasis der CDU im ländlichen Raum die Landratsämter sind und dass sie selbst Probleme hat, diese Machtbasis abzubauen, noch dazu vor

Wahlen. Das ist mir schon klar, aber das kann natürlich nicht das Entscheidende sein, wenn man sich über die Weiterentwicklung in Baden-Württemberg Gedanken macht.

Dass die demokratische Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger nicht unwichtig ist, das brauche ich hier hoffentlich nicht zu sagen. Dadurch erreicht man auch in den Regionen mehr Bewegung, mehr Entwicklung und mehr Gestaltungswillen, und dazu braucht man einfach die Bürgerinnen und Bürger.

Ich komme nun zur Gesamtbeurteilung.

Erstens: Manches an diesem Gesetzentwurf ist vernünftig, und das wird von uns mitgetragen; das ist gar keine Frage.

Zweitens: Der Gesetzentwurf beruht wohl auf einem Kompromiss zwischen der FDP/DVP und der CDU, zwischen den vorwärts strebenden Kräften und den Kräften der Beharrung. Das muss man auch anerkennen. Er ist sicher nicht ausreichend.

Wir werden Ihnen deshalb im Ausschuss Gelegenheit geben, den Gesetzentwurf zu verbessern. Es sollte im Interesse des Landes Baden-Württemberg sein, dass dieser Gesetzentwurf eine breite demokratische Mehrheit bekommt. Dazu werden wir Republikaner im Ausschuss konstruktive Vorschläge machen, die Sie bei dem einen oder anderen Punkt kaum werden ablehnen können, Herr Staatssekretär.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner)

Das Wort erhält Herr Abg. List.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Einleitend und grundsätzlich möchte ich sagen, dass ich es erfreulich finde, dass der Regionalgedanke und die Notwendigkeit, Probleme regional zu lösen, inzwischen einen breiten Grundkonsens in diesem hohen Haus gefunden haben. Ich denke, man darf vor die Klammer ziehen, dass hier ein großes Maß an Übereinstimmung besteht.

Nun stellt sich aber die Frage – lassen Sie mich deshalb noch einige Aspekte beleuchten und auf einige Ausführungen von Sprechern der Opposition eingehen –, ob man dem gesamten Land das Modell Verband Region Stuttgart überstülpen soll oder ob man den regionalen Besonderheiten, den unterschiedlichen regionalen Strukturen entsprechend – das ist schon mehrfach gesagt worden – maßgeschneiderte Lösungen anbieten soll. Ich meine, dass die zweite Möglichkeit auf jeden Fall die bessere ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Hofer FDP/DVP)

Wir haben den Verband Region Stuttgart vor kurzer Zeit mit weiteren Kompetenzen ausgestattet. Ich darf daran erinnern, dass wir vor allem ein Klagerecht eingeführt haben. Das war aufgrund konkreter Vorgänge sehr wichtig. Das Klagerecht ist auch aus der Notwendigkeit heraus eingeführt worden, Fehlentwicklungen zu vermeiden und regionalplanerischen Zielsetzungen zum Durchbruch zu verhelfen.

Nun sagen wir: Auch andere Regionen sollen die Möglichkeit erhalten, regionalplanerische Zielsetzungen durchzusetzen oder Fehlentwicklungen zu verhindern. Dazu bedarf es nicht unbedingt der Direktwahl der Mitglieder der Regionalversammlung, Herr Kollege Schmiedel. Wenn Sie Ihre Aussage ernst meinen, die Direktwahl sei der Auslöser dafür gewesen, dass die Parteien endlich eigene Regionalprogramme entwickelt hätten, dann stellen Sie denjenigen, die beim Verband Region Stuttgart damals eine qualifizierte Arbeit geleistet haben – auch der Kollege Brechtken gehört dazu –, ein schlechtes Zeugnis aus. Wenn Sie sagen, die Regionalversammlung und der Verband Region Stuttgart hätten damals keine erkennbaren regionalplanerischen Ziele gehabt, würden Sie damit deren Arbeit nicht gerecht werden.

Wir meinen, dass es richtig ist, Teile dessen, was wir dem Verband Region Stuttgart gegeben haben, auch den anderen Regionen anzubieten. Dabei muss aber die notwendige Flexibilität erhalten bleiben.

Wenn Sie sagen, es müsste noch einen Schritt weitergehen, dass wir letztlich doch in die vierte Verwaltungsebene hineingehen, indem wir ihr das gesamte Raumordnungsverfahren und weitere Maßnahmen übertragen, dann müssen Sie mit sich einmal ins Reine kommen und offen sagen: „Wir wollen im Land Baden-Württemberg in Zukunft keine Landkreise mehr, wir wollen sie abschaffen“.

Da begeben Sie sich auch in der Praxis in einen eklatanten Widerspruch. Es ist noch gar nicht lange her, als Sie hier vorgetragen haben, Sie wollten mehr plebiszitäre Elemente in den Landkreisen, Sie wollten zum Beispiel durch die Volkswahl des Landrats eine Stärkung der Landkreise. Jetzt würden Sie durch diese vierte Verwaltungsebene den Landkreisen einen Teil ihrer Existenzberechtigung entziehen und die Landkreise damit langfristig auflösen. Da sollten Sie mit sich einmal ins Reine kommen und klar sagen, was Sache ist.

Kollege Hofer hat ja gesagt: Bei Kreistagswahlen klingt das immer ganz anders. In der Praxis der Kreistage, auch in Ludwigsburg, wird dann auch durch Anträge Ihrer Fraktion gefordert, Bahnstrecken durch den Kreis zu übernehmen. Hier dagegen wird gesagt, die Region müsse Aufgaben von der Verwaltungsebene Landkreis übernehmen. Da besteht ein riesiger Widerspruch. Sie müssen draußen einmal ganz offen sagen, was Sie eigentlich wollen. Ich glaube, das gehört bei dieser Zusammenarbeit ein Stück weit auch zur Ehrlichkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Oelmayer, der sich jetzt in die hintere Reihe verzogen hat, hat uns vorgeworfen,

(Zuruf des Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grü- nen)

wir huldigten mit dem vorliegenden Gesetzentwurf dem Strukturkonservatismus; das würde letztlich zu Nachteilen führen. Wenn Sie damit die Struktur des Landes und die Strukturpolitik der Landesregierung meinen, dann muss ich sagen: So schlecht kann der von Ihnen monierte Strukturkonservatismus nicht sein. Wenn ich zum Beispiel die Ar

beitslosenzahlen, die Höhe der Beschäftigungsquote, des Bruttosozialprodukts und der Wertschöpfung betrachte, muss ich sagen: So schlechte Ergebnisse, wie Sie sie monieren, kann der Strukturkonservatismus nicht hervorgebracht haben.

(Beifall bei der CDU)

Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht letztlich darum, dass wir – ich fasse zusammen – den Regionen in unserem Land erweiterte Möglichkeiten zu regionaler Planung und zu deren Durchsetzung geben. Wir wollen aber diesen Regionen nicht ein Modell überstülpen, sondern eine möglichst große Flexibiliät erhalten. Da ist der Zweckverband ein durchaus taugliches Instrument. Das ist von mehreren Rednern ausgeführt worden. Ich habe auch Verständnis dafür, dass die kommunale Ebene sagt: Wir wollen hier nicht ausgeschlossen werden. Dem tragen wir durch die Ergänzung, die von den Kollegen Fleischer und Hofer angesprochen wurde, Rechnung.

Ich denke, dass wir in dieser Koalition zu einer guten Linie gefunden haben. Ich möchte allen herzlich danken, die dabei mitgewirkt haben, Ihnen, Kollege Hofer, ganz besonders dafür, dass wir am Schluss zu diesem guten Weg gefunden haben. Ich bin sicher, es ist eine Lösung, die draußen im Land gut aufgenommen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Schmiedel.

(Abg. Deuschle REP: Hat der noch Redezeit? Noch 17 Sekunden? – Abg. Döpper CDU: Es ist doch alles gesagt!)

Ich möchte noch, meine Damen und Herren, Herr Präsident, auf zwei Themen eingehen.

Das eine ist das Thema Direktwahl, das jetzt mehrfach angesprochen wurde. Zunächst einmal, damit da keine Geschichtsfälschung stehen bleibt, Herr Kollege Hofer: Die Direktwahl im Verband Region Stuttgart hat nicht der Ministerpräsident aus irgendeinem Hut gezaubert, sondern sie wurde gegen den massiven Widerstand der CDU durchgesetzt, und zwar von zwei Partnern – von der SPD und dem Stuttgarter Oberbürgermeister Rommel.

(Abg. Deuschle REP: Ja! – Abg. Kurz CDU: Auch CDU!)

Es war Ihr Kollege, Herr List, nämlich Herr Rommel, der dieses Argument in der Diskussion stark hervorgehoben hat: Nur durch die Direktwahl steigt die Bedeutung des Regionalparlaments

(Zuruf von der CDU: Regionalversammlung!)

und gewinnen die Parteien regionalpolitische Strukturen. Das hat sich ja auch bewahrheitet. Es ist so.

(Glocke des Präsidenten)