Der jetzt von der Landesregierung eingebrachte Gesetzentwurf verfolgt dieses Ziel. Er basiert auf einer landesweiten Umfrage zur Weiterentwicklung der Regionen. Diese Umfrage hat ergeben, dass neben der Region Stuttgart auch die anderen Regionen des Landes und die Vertreter der Wirtschaft eine maßvolle Stärkung der regionalen Ebene wollen. Dagegen haben die kommunalen Landesverbände die Kompetenzerweiterungen überwiegend abgelehnt. Wir sehen jedoch eine solche Stärkung im Interesse der Entwicklungsmöglichkeiten und der Zukunftsfähigkeit der Regionen als sinnvoll und notwendig an.
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen die mit dem Gesetzentwurf verfolgten landespolitischen Ziele kurz aufzeigen.
Wir wollen das Landesplanungsrecht wieder ein Stück weiter vereinheitlichen. Wir sind uns dabei bewusst, dass dieser Weg schrittweise weitergegangen werden muss. Wir wollen eine Stärkung der regionalen Ebene zur Lösung der regionalbedeutsamen Probleme, die auf der örtlichen Ebene keine sachgerechte Lösung finden können. Wir setzen dabei zum einen auf die Eigenverantwortlichkeit der regionalen Ebene und zum anderen auf die integrative Kraft der Regionalverbände.
Wir wollen die Möglichkeit zur Durchsetzung der Ziele der Raumordnung unmittelbar durch den Regionalverband verbessern. Wir wollen vor allem auch eine Intensivierung der Zusammenarbeit aller Planungsträger mit den Planbetroffenen, damit ein regionalbedeutsames Problem gemeinsam angegangen und gelöst werden kann.
Und bei alledem – um das klar zu sagen – wollen wir keine vierte, keine zusätzliche Verwaltungsebene.
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen nun kurz im Vergleich der bisherigen mit der künftigen Regelung die wesentlichen Punkte nennen, mit denen das Landesplanungsgesetz und das Landesabfallgesetz geändert werden sollen.
Stichwort „Standortvorsorge für großflächigen Einzelhandel“: Schon bisher konnten die Regionalverbände als Schwerpunkte für Dienstleistungseinrichtungen Bereiche für die Ansiedlung von Betrieben des großflächigen Einzelhandels ausweisen. Sie haben nur zurückhaltend Gebrauch davon gemacht. Künftig sind die Regionalverbände nach dem Gesetzentwurf verpflichtet, Standorte für Betriebe des großflächigen Einzelhandels gebietsscharf auszuweisen. Das gilt für Vorhaben, die regionalbedeutsam sind,
Stichwort Klagerecht: Bisher bleibt es der Rechtsaufsicht überlassen, die Ansiedlung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs so zu lenken, wie der Landesentwicklungsplan dies vorschreibt. Künftig sollen die Regionalverbände als Ergänzung zu ihrer Planungspflicht ein eigenes Klagerecht, bezogen auf großflächigen Einzelhandel einschließlich FOCs, erhalten.
Stichwort „Mitwirkung in regional tätigen Zusammenschlüssen“: Schon bisher haben die Regionalverbände nicht nur den Regionalplan erstellt, sondern sie haben sich im Rahmen des Landesplanungsgesetzes auch um die Umsetzung ihrer Planung gekümmert. Künftig steht für die Zusammenarbeit der Regionalverbände mit anderen Akteuren vor allem der Wirtschaftsförderung und beim Tourismusmarketing eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zur Verfügung.
Stichwort „Aufstellung regionaler Entwicklungskonzepte“: Schon bisher haben die Regionalverbände diese Zusammenarbeit mit anderen Planungsträgern gesucht, um ihre Planung zu Recht bedarfsgerecht und umsetzungsfähig zu machen. Künftig erhalten sie hierzu ein ausdrückliches Mandat. Dies entspricht auch einem Auftrag des Raumordnungsgesetzes des Bundes an den Landesgesetzgeber. Der Gesetzentwurf stellt hierfür neue Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung: regionale Entwicklungskonzepte, die Unterstützung von Städtenetzen und vertragliche Vereinbarungen.
Stichwort „Erleichterung grenzüberschreitender Aktivitäten“: Zu Recht haben die Regionalverbände über die Grenzen ihrer Region hinausgeblickt und die Zusammenarbeit mit den Nachbarregionen gesucht. Deshalb sollen künftig die Regionalverbände ausdrücklich zur grenzüberschreitenden Kooperation ermächtigt werden.
Stichwort „umfassendes Planungsgebot“: Bisher blieb es ausschließlich der Kommunalaufsicht überlassen, für die Anpassung der Bauleitplanung an die Ziele der Raumordnung zu sorgen. Künftig soll auch der Regionalverband entscheiden können, ob die Anpassung an die Ziele der Raumordnung geboten ist. Die zwangsweise Durchsetzung eines Planungsgebots erfolgt aber nach wie vor durch die Kommunalaufsicht.
Stichwort „Antragsbefugnis zur Untersagung raumordnungswidriger Planungen und Maßnahmen“: Bisher konnten die Regionalverbände eine solche Maßnahme nur anregen. Künftig haben sie ein gesetzliches Antragsrecht.
Stichwort „Qualifiziertes Anhörungsrecht bei der Abfallwirtschaftsplanung“: Dies bedingt eine Änderung des Landesabfallgesetzes. Bisher konnte die Kompetenz des Regionalverbands für Entscheidungen der Abfallwirtschaftsplanung genutzt werden, aber das musste nicht geschehen. Künftig sollen derartige Entscheidungen ausdrücklich im Benehmen mit dem Regionalverband erfolgen, soweit die Entscheidungen erhebliche Bedeutung für die Region haben.
Stichwort „Dienstleistungen für Gemeinden und Kreise“: Bisher konnten planerische Vorarbeiten eines Regionalverbands nicht ohne weiteres und vor allem nicht zielgerichtet zur Ersparnis von Kosten und Zeit für kommunale Projekte genutzt werden. Künftig kann der Regionalverband Dienstleistungen für weisungsfreie Planungen der Gemeinden und Landkreise gegen Entgelt übernehmen.
Stichwort „Deregulierung und Beschleunigung des Regionalplanänderungsverfahrens und des Zielabweichungsverfahrens“: Bisher ist hierfür – auch für einfache Änderungen – ein zweistufiges Beteiligungsverfahren vorgeschrieben. Künftig ist für die Änderung eines Regionalplans nur noch ein einstufiges Verfahren erforderlich, und für die Entscheidung im Zielabweichungsverfahren ist nicht mehr das Wirtschaftsministerium zuständig, sondern das zugebenermaßen ortsnähere Regierungspräsidium.
Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf enthält darüber hinaus eine Öffnungsklausel zur Überleitung der Regionalplanung vom Regionalverband auf einen Regionalzweckverband, den die Stadt- und Landkreise der Region bilden. Diese Klausel ist von den Regionalverbänden, aber auch vom Gemeindetag angegriffen worden, aber mit unterschiedlicher Zielsetzung. Die Regionalverbände sind gegen eine Öffnungsklausel, der Gemeindetag möchte sie geändert haben. Der Gemeindetag sieht in der Öffnungsklausel einen Vorgriff auf eine Verwaltungsreform, und die gehöre in die nächste Legislaturperiode, und er fordert vor allem eine stärkere Repräsentanz der kreisangehörigen Gemeinden.
Meine Damen und Herren, hier ist ein Blick in den Gesetzentwurf angebracht, und dann zeigt sich: Zum einen regelt die Öffnungsklausel nur die erste Stufe eines Aufgabenübergangs und überlässt die endgültige Entscheidung einem weiteren Gesetz, das vom Landtag zu beschließen ist. Zum anderen lässt das Zweckverbandsrecht eine Mitgliedschaft der kreisangehörigen Gemeinden zu; allerdings entscheiden darüber die Mitglieder des Regionalzweckverbands. Für die Gemeinden eröffnet sich zudem eine ganze Palette von Möglichkeiten, sich in die Arbeit eines Regionalzweckverbands einzubringen.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Dieser Gesetzentwurf ist in intensiven Beratungen vorbereitet worden. Ich danke allen, die daran mitgewirkt haben. Im Namen der Landesregierung bitte ich Sie, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Bei dem Gesetz über die Weiterentwicklung der Regionen, das von uns sehr sorgfältig überdacht wurde, geht es in der Tat um eine maßvolle Kompetenzerweiterung, ohne dass eine zusätzliche Verwaltungsebene entsteht, um Straffung, Vereinfachung, Deregulierung, was bei Planänderungs- oder Zielabwei
chungsverfahren dringend notwendig ist. Es geht auch um die Kompetenz zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und damit – da ist ein innerer Zusammenhang gegeben – um die Öffnungsklausel, die die Möglichkeit zur Übertragung der Regionalplanung auf einen von den Stadt- und Landkreisen der Region gebildeten Regionalzweckverband gibt. Gerade auf den letzten Punkt möchte ich ganz besonders eingehen.
Die Öffnungsklausel entspricht der Zusage unseres Ministerpräsidenten, dass sich jede Region ihren regionalen Maßanzug schneidern kann und soll. Sie ist damit eine klare und definitive Absage an den Gedanken, dass das Modell der Region Stuttgart auf die anderen Regionen zwangsübertragen werden könnte.
Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird der kommunalen Seite die Möglichkeit eröffnet, selbst zu entscheiden, wie die regionale Ebene aussehen soll. Dies ist eine Stärkung der kommunalen Ebene, aber nur dann, wenn alle Land- und Stadtkreise der Region dies auch so wollen, wobei es nach altem demokratischem Grundsatz klar ist, dass in dem jeweiligen Gremium eine entsprechende Mehrheit da sein muss.
Diese Öffnungsklausel trägt der Tatsache Rechnung, dass Landesplanung wegen der unterschiedlichen Situationen in unserem Land auch unterschiedlich organisiert werden muss. Am südlichen Oberrhein ist es beispielsweise so, dass die Landesplanung ganz entscheidend durch die Grenze zu Frankreich geprägt ist und deswegen eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit dort dringend geboten ist. Wir haben in der Vergangenheit zwischen deutschen Gemeinden und französischen Betrieben Prozesse erlebt, sehr unschöne Auseinandersetzungen, und es ist ein großes Anliegen der gesamten Region, dass an dieser Grenze in Zukunft besser, aber auch verbindlicher zusammengearbeitet wird. Diese grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist eine wichtige landespolitische Aufgabe und am südlichen Oberrhein mit das Kern- und Herzstück der dortigen Politik quer durch alle Parteien.
Deshalb ist das erste Ziel dieser Öffnungsklausel, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ganz wesentlich verbessert werden kann. Die Grundlage dafür bildet der Karlsruher Staatsvertrag, der dies völkerrechtlich vorbereitet hat, der ausdrücklich vorsieht, dass diese Zusammenarbeit durch Zweckverbände möglich ist. Nunmehr ist ausdrücklich die Rechtsgrundlage dafür geschaffen, dass die regionale Ebene grenzüberschreitend tätig werden kann. Eine rechtsverbindliche wechselseitige Landesplanung links und rechts des Rheins ist aber nur über einen Zweckverband möglich, da der Karlsruher Staatsvertrag einen Regionalverband als grenzüberschreitend verbindlich werdende Institution schlicht nicht vorsieht.
Durch dieses Gesetz machen wir uns für eine rechtsverbindliche grenzüberschreitende Landesplanung kompatibel. Gleiches tut der Gesetzgeber auf der anderen Seite des Rheins seit geraumer Zeit in der Nationalversammlung und im Senat. Gestern habe ich die Mitteilung erhalten, dass das entsprechende französische Gesetz Mitte Dezember die letzten parlamentarischen Hürden genommen hat und nun in Kraft ist. Die im Rahmen des französischen Gesetzge
bungsverfahrens so wichtigen Anwendungsdekrete werden nach Einschätzung der Fachleute nach den Kommunalwahlen in Frankreich Ende März dieses Jahres abgeschlossen.
in den jeweiligen Gebieten in den angrenzenden Nachbarstaaten zu berücksichtigen. Die Gemeinden und hierfür zuständigen interkommunalen Zweckverbände können die Gebietskörperschaften im Nachbarstaat, die für Raumordnungsfragen in den Bereichen des Wohnungswesens, des Städtebaus, der Verkehrsfragen, der Raumordnung und des Umweltschutzes zuständig sind, konsultieren.
Dies ist eine klare Öffnungsklausel durch die französische Seite. Angesichts des französischen Zentralismus hätte man dies, zumal in diesem Tempo, kaum erwarten können.
Wir hätten uns zweifellos noch mehr gefreut, wenn sich die Formulierung des Senats unter der Federführung von Senator Hoeffel, die noch konkreter und detaillierter ist, durchgesetzt hätte. Doch ist das jetzt Erreichte gerade in Anbetracht der vorher geltenden Rechtslage zweifellos ein beachtlicher Fortschritt und Erfolg auch für die Arbeit des Oberrheinrats. Welche Blamage wäre es für uns, die wir nicht in einem so zentralistisch, sondern in einem föderalistisch strukturierten Land leben, wenn wir uns unsererseits nicht für dieses Angebot, das auf dem Karlsruher Staatsvertrag basiert, kompatibel machen würden! Wer grenzüberschreitende Arbeit wirklich will, muss deshalb für diese Öffnungsklausel als ein Angebot an die vor Ort Tätigen sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Öffnungsklausel verfolgt aber noch ein zweites Ziel: eine Stärkung der kommunalen Ebene. Der Gesetzentwurf sieht einen kommunal verfassten Zweckverband ohne Stimmbindung vor. Wir wollen im Rahmen der Beratungen einen mit unserem Koalitionspartner abgestimmten Antrag einbringen, der die kommunale Mitsprache zusätzlich verstärkt. Wir wissen zwar, dass die Kreistage sehr, sehr viele Bürgermeister – das ist wegen deren Kompetenz gut so – in diesen Zweckverband entsenden werden. Die kommunale Seite wird also gut vertreten sein. Aber wir wollen zusätzlich – dies werden wir beantragen – in Artikel 1 Nr. 10 folgenden Absatz 4 anfügen:
Auch damit geben wir wieder das nach unten, was unten zu regeln ist. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen – es gibt viele Möglichkeiten –, dass unter „Mitwirkung“ die Bildung eines Beirats zu verstehen ist, in dem aus jedem Bürgermeistersprengel ein zusätzlicher Vertreter mitarbeitet. Das Gremium wäre dann – ich habe es für meine Region
einmal durchgerechnet – überschaubar und würde in der Arbeit zu keiner besonderen Erschwerung führen. Meine Damen und Herren, damit wollen wir ein deutliches Zeichen zugunsten der kommunalen Mitsprache setzen.
Zusammenfassend darf ich sagen: Dieses Gesetz eröffnet Stadt- und Landkreisen unter verbesserter Mitwirkung der Gemeinden die Möglichkeit, Landesplanung grenzüberschreitend, maßgeschneidert für die Region neu zu formulieren – eine ebenso reizvolle und spannende wie zukunftsorientierte Aufgabe. Der Gesetzgeber eröffnet damit eine neue Perspektive für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und stärkt das kommunale Element bei der Fortschreibung der Regionalplanung.
Ich möchte noch einmal daran erinnern: Im Oberrheinrat – ob im Planungsausschuss oder in den anderen Gremien – ist dies über alle Parteigrenzen hinweg jeweils einstimmig so gewünscht und nach vorn getrieben worden. Insofern müsste auch dieses hohe Haus zu einem einstimmigen Beschluss in der Lage sein.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nicht nur in Baden-Württemberg wird über die Weiterentwicklung und Ausgestaltung der Regionen nachgedacht und heute im Landtag darüber debattiert, nein, in der gesamten Bundesrepublik und in ganz Europa wird – nicht spektakulär, aber doch sehr intensiv – darüber nachgedacht, wie das Verhältnis von zentralen Städten mit ihrem Umland geregelt werden kann und wie die sich daraus ergebenden neuen Lebenszusammenhänge vernünftig gestaltet werden können. Die Menschen leben heute nicht mehr nur in Städten und auch nicht nur in Landkreisen, sondern sie wohnen in einer Stadt, arbeiten in einer anderen, verbringen ihre Freizeit in einer dritten und besuchen eine kulturelle Veranstaltung woanders. Diese Zusammenhänge zwischen Arbeiten, Wohnen, Freizeit und Erholung finden in der Region statt. Übrigens, auch 80 % der Verbindungen im Internet finden innerhalb einer Region statt.
Daraus ergibt sich eine Menge von Fragestellungen, die nur noch regional zu lösen sind, Fragen, die nur noch regional zu beantworten sind, zum Beispiel Sicherstellung der Mobilität – das ist ganz sicher keine Frage, die von einer Stadt beantwortet werden kann, auch nicht von einem Landkreis, sondern nur regional – oder eine Siedlungsentwicklung, die Raum für Natur, Erholung und Freizeit lässt, oder Gewerbegebiete, die überörtlich orientiert als Alternative zu den vereinigten Hüttenwerken hinter jedem Dorf angeboten sind, um nur einige Beispiele zu nennen.
Angesichts dieser regionalpolitischen Herausforderungen, meine Damen und Herren, müssen wir leider die Antwort der Landesregierung, die spät kommt, als unzureichend beurteilen.