Die Bürger hätten keinerlei Verständnis, wenn Verzögerungen entstünden, weil sich Bund und Länder über die Kosten streiten. Der Bund darf diese unsere Haltung aber nicht ausnutzen und muss sich seiner finanziellen Mitverantwortung stellen. Das habe ich unter ausdrücklicher Zustimmung auch meiner Kollegin Frau Simonis, die für die SPD-geführten Länder sprach, am 1. Dezember so im Bundesrat gesagt.
Es gilt, Vertrauen in unsere Lebensmittel zu erhalten und dort, wo es verloren ging, zurückzugewinnen.
In einem globalisierten Markt gibt es keine Inseln. Notwendig sind jetzt geschlossene und integrierte Konzepte, und zwar auf allen Ebenen. Keiner darf sich seiner Verantwortung entziehen. Ich sage aber auch deutlich: Wenn eine Ebene nicht oder nur unzureichend handelt, müssen wir auch den Mut zu einem Alleingang haben.
Einen solchen Alleingang haben wir in der vergangenen Bundesratssitzung am 1. Dezember gefordert und dann mit Erfolg alle Länder für ein Importverbot für Rindfleisch aus Großbritannien gewinnen können.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung tut zur Bewältigung der BSE-Krise das nach heutigem Stand Notwendige und nach menschlichem Ermessen Mögliche. Eckpfeiler unseres Maßnahmenbündels sind:
Erstens: Wir halten ein Verbot der Tiermehlverfütterung für richtig und werden es konsequent umsetzen. Ich selbst habe bereits am 23. November, also vor Bekanntwerden des ersten BSE-Falls in Deutschland, ein EU-weites Verbot der Verfütterung von Tiermehl gefordert.
Zweitens: Wir begrüßen die flächendeckende Einführung von BSE-Tests bei allen Rindern über 30 Monaten. Wir haben sie gefordert und im Land unverzüglich die Voraussetzungen geschaffen und mit den Tests begonnen.
Drittens: Wir brauchen eine europaweit durchgängige und nachvollziehbare, klare und deutliche Kennzeichnungspflicht für Rinder und Rindfleisch von der Geburt bis zur Fleischtheke.
Wir brauchen diese Kennzeichnung im Interesse der Verbraucher jetzt und nicht erst in späteren Monaten oder Jahren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Döpper CDU: So ist es! – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Das ist doch be- schlossen und wird nur nicht umgesetzt!)
Viertens: Wir werden in Baden-Württemberg die Durchführung dieser Maßnahmen durch umfangreiche Kontrollen absichern.
Sechstens: Viele landwirtschaftliche Betriebe, aber auch Vermarkter, Schlachthöfe und Futtermittelhersteller sind durch die BSE-Krise unverschuldet in Not geraten. Hier sind die Europäische Union und der Bund gefordert. Schnelles Handeln ist notwendig, weil der Rindfleischverbrauch schlagartig so stark zurückging, dass zahlreiche Betriebe in eine Existenzkrise geraten. Das Land muss im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten die Betroffenen mit unterstützen.
Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg hat schon in den vergangenen Jahren das nach dem jeweiligen Stand Notwendige und Mögliche zur Abwehr von BSE unter
nommen und, soweit andere Zuständigkeiten gegeben waren, gefordert und veranlasst. Seit 1990 wurden in unserem Land alle auffälligen Rinder mit zentralnervösen Störungen auf BSE untersucht. Dies waren weit mehr als 2 000 Tiere. In keinem einzigen Fall wurde BSE festgestellt.
1995 und 1997 – auch daran möchte ich erinnern – wurden die Rinder, die aus Großbritannien und der Schweiz nach Baden-Württemberg eingeführt wurden, getötet. Bei weniger als 30 Tieren konnte die Tötungsanordnung wegen anhängiger Rechtsstreitigkeiten noch nicht durchgesetzt werden.
Wir haben – und darauf möchte ich vor allem hinweisen – immer für ein Exportverbot für britisches Rindfleisch gekämpft. Die Aufhebung des Exportverbots im August 1999 geschah gegen den Willen der Landesregierung von Baden-Württemberg.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Sa- lomon Bündnis 90/Die Grünen: Und der Bundesre- gierung!)
Wir haben uns bis zuletzt gegen die Haltung der EU und gegen die Haltung der deutschen Regierung gewandt.
Im März dieses Jahres – wohlgemerkt, im März dieses Jahres – haben wir im Bundesrat erneut ein Exportverbot eingefordert. Die Bundesregierung und die SPD-geführten Länder haben dies abgelehnt.
Warum halten wir dieses Exportverbot für so wichtig? Ich meine, die Zahlen, die ich Ihnen nennen werde, sprechen für sich.
Bis heute sind in Großbritannien fast 180 000 Rinder an BSE erkrankt. Allein im vergangenen Jahr gab es über 2 640 Neuerkrankungen. Diese Zahlen machen deutlich, wo der Ausgangspunkt der BSE-Problematik liegt. Sie machen auch deutlich, wo die Gefahr der Übertragung in einem Europa der offenen Grenzen ist.
Wir haben uns von Anfang an für eine gemeinschaftliche und bis zum Verbraucher durchgängige Kennzeichnung von britischem Rindfleisch stark gemacht. Gerade wegen der unzureichenden Kennzeichnung der Verarbeitungsprodukte muss alles dafür getan werden, dass keine Umwegeinfuhren mehr möglich sind. Die große Lücke bestand darin, dass britische Tiere zwar als britische Tiere bezeichnet worden sind, aber in ein anderes EU-Land gekommen sind, dort verarbeitet wurden und schließlich doch und ungekennzeichnet bei uns gelandet sind.
Meine Damen und Herren, bereits am 8. November, also schon drei Wochen vor dem Auftreten des ersten originären BSE-Falls in Deutschland, hat unser Landwirtschaftsministerium per Erlass die Behörden angewiesen, alle ver
Darüber hinaus hat Frau Landwirtschaftsministerin Staiblin mit der heimischen Fleischwirtschaft vereinbart, auf freiwilliger Basis ab dem 1. Dezember zusätzlich 3 000 BSETests an Schlachtrindern durchzuführen.
Für den 1. Dezember hat Baden-Württemberg im Bundesrat einen Entschließungsantrag eingebracht, der ein ganzes Maßnahmenbündel zur Abwehr der Gefahren von BSE beinhaltet hat. Unserem Antrag sind mehrere unionsgeführte Länder beigetreten. Leider gab es im Vorfeld nicht die Zustimmung der SPD-geführten Länder, sondern einen eigenen Antrag, der in wichtigen Punkten nicht so weit ging wie unser Antrag.
Ich habe im Bundesrat nachdrücklich für unsere Forderungen geworben, weil sie das heute Mögliche und Nötige enthielten.
Im Laufe der Beratung im Bundesrat gab es dann Zustimmung zu einzelnen Forderungen unseres Antrags und einen gemeinsamen Länderantrag, der spontan entstand. Viele unserer Forderungen haben Berücksichtigung in diesem gemeinsamen Länderantrag gefunden, der dann einstimmig verabschiedet wurde.
Ich bedauere allerdings – und ich spreche das auch aus –, dass einige wichtige Forderungen unseres Antrags keine Berücksichtigung bei von SPD und Grünen geführten Ländern gefunden haben. Ich halte diese Maßnahmen nach wie vor für notwendig und werde sie weiter betreiben. Ich nenne sie:
Ein Verbringungsverbot für lebende Schafe und Ziegen aus Großbritannien. Es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass von diesen Tieren aus Großbritannien eine erhebliche Gefährdung ausgeht.
Ein Verbot der Verwendung von Rinderhirnen jüngerer Tiere. Bisher ist lediglich die Verwendung dieses Materials von einjährigen und älteren Tieren untersagt.
Und – ein ganz wichtiger Punkt – die offene Deklaration von Inhaltsstoffen der Futtermittel. Dies ist sehr wichtig, weil viele Bauern gar nicht wissen, was sie verfüttern.
Sie können es gar nicht wissen, weil für viele Futtermittel keine Pflicht zur Deklarierung ihrer Zusammensetzung besteht.
Meine Damen und Herren, in der letzten Woche haben wir im Kabinett Sofortmaßnahmen für das Land beschlossen.
Wir führen schnellstmöglich flächendeckende BSE-Tests ein. Die Kosten dafür belaufen sich auf ca. 44 Millionen DM. Wir brauchen dieses Geld für zusätzliches Personal, für die Ausweitung der Untersuchungskapazitäten, für Testmaterialien und für die notwendigen Kontrollen.