Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbstbestimmung: Das Recht, über das eigene Leben, den eigenen Körper, das eigene Auftreten zu entscheiden – ohne Angst, Repression oder staatliche Willkür. Ob im Polizeirecht oder im Schulgesetz, dieser Anspruch darf nicht relativiert werden.
Genau dieses Prinzip verfehlt die Reform des sogenannten Neutralitätsgesetzes, die Schwarz-Rot heute hier vorlegt. Das diskriminierende Verbot religiöser Kleidung
bleibt in dieser Reform bestehen. Es soll jetzt nur besser verkleidet werden: nicht als Pauschalverbot, sondern als Einzelfallprüfung. Das klingt technokratisch harmlos, bedeutet politisch aber Misstrauen per Gesetz. Es sagt: Wenn du religiös sichtbar bist, dann prüfen wir, ob du ein Problem darstellst. – Der Senat problematisiert damit nicht die Diskriminierung, sondern stellt Kriterien in Aussicht, unter denen sie erlaubt ist. Welche konkret? – Völlig unklar. Besonders perfide ist, dass Sie diesen Anspruch auch noch als Fürsorge verkaufen. Da heißt es plötzlich, man müsse Kippa tragende Beamte vor Angriffen schützen, oder Kopftuch tragende Lehrerinnen vor der Respektlosigkeit patriarchaler Jugendlicher bewahren. Das ist doch kein Schutz, das ist Exklusion mit moralisch-paternalistischem Anstrich.
In dieser Logik schützt der Staat nicht Menschen, er schützt sich selbst vor dem Unbehagen aufgrund ihrer Sichtbarkeit. Neutralität wird nicht über Kleidervorschriften gesichert. Neutralität zeigt sich im Handeln, in der Fähigkeit von Lehrkräften, Richterinnen, Polizisten, alle Menschen gleich zu behandeln. Sie zeigt sich im rechtsstaatlichen Ethos, nicht im Outfit. Disziplinarrecht, Beutelsbacher Konsens, Loyalitätspflichten: alles vorhanden. Wenn jemand indoktriniert oder diskriminiert, gibt es klare Konsequenzen, und zwar vollkommen unabhängig davon, ob jemand ein Kreuz, eine Kippa oder ein Kopftuch trägt. Wir brauchen nicht mehr Kontrolle, sondern mehr Vertrauen, nicht mehr Prüfverfahren, sondern gleiche Rechte, und nicht eine weitere Gesetzesfiktion, sondern die Anerkennung einer gesellschaftlichen Realität. Berlin ist vielfältig, und diese Vielfalt hat das Recht, sichtbar zu sein.
Ein Staat, der religiöse Sichtbarkeit als Risiko betrachtet, verliert die Glaubwürdigkeit, sich demokratisch zu nennen. Ein Staat, der immer nur jene schützt, die nicht anecken, ist kein starker Staat, sondern ein ängstlicher. Haben Sie also heute den Mut, das abzuschaffen, was nicht mehr tragbar ist. Machen Sie den Weg für ein diskriminierungsfreies, gerechtes Berlin frei. Schaffen Sie das Neutralitätsgesetz ab, für einen öffentlichen Dienst, der alle mitdenkt und niemanden ausschließt. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Koalition aus CDU und SPD legt Ihnen heute nach zweijährigen intensiven Beratungen
eine umfassende Novellierung des Berliner Polizeirechtes vor. Der äußere Umfang des größten Gesetzesentwurfs in der Geschichte des Abgeordnetenhauses von Berlin gibt einen Hinweis auf sein inhaltliches Gewicht. Wir passen die polizeilichen Befugnisse an die Bedrohungslage an. Das ist überfällig!
Cyber- und Sabotageangriffe auf staatliche Einrichtungen, auf überlebenswichtige Infrastrukturen, auf Unternehmen und Bürger, Spionage, Terrorgefahren, gewalttätiger Extremismus, organisiertes Verbrechen, Gewaltkriminalität und vieles mehr – diese wachsenden Gefahren fordern den Rechtsstaat heraus, sie fordern uns alle heraus. Die Menschen in unserem Land spüren diese Gefahren, und sie dürfen zu Recht von uns erwarten, dass wir für ihren Schutz sorgen.
Wer sich dem verweigert, erschüttert das Vertrauen der Menschen in die Schutzfunktion unseres Staates. Schwindet aber das Vertrauen, dann erodiert das demokratische Gemeinwesen, und das können wir nicht wollen. Deshalb ist es unsere Pflicht, unsere liberale Demokratie auch wehrhaft zu machen.
Mit einem veralteten Polizeirecht ist das nicht möglich. Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel verdeutlichen. Das derzeitige Polizeirecht gestattet der Polizei die Überwachung von Festnetzanschlüssen terroristischer Gefährder, nicht aber deren kryptierter Kommunikation.
Wer nutzt denn heute noch Festnetzanschlüsse? Die terroristischen Gefährder wissen nicht einmal, was das ist.
Derartige Beschränkungen sind realitätsfern. Sie gehören ins letzte Jahrhundert, aber nicht in ein modernes Polizeirecht, dass den heutigen Gefahren wirksam begegnen muss.
Wir verfolgen mit unserem Gesetzesentwurf vier Ziele – erstens: Wir sorgen für mehr Sicherheit für alle in Berlin. Endlich, nach fast zehn Jahren Debatte, darf die Polizei in unseren Kriminalitätsschwerpunkten zukünftig Videoaufklärung einsetzen, um Gefahren frühzeitig zu erkennen und abzuwehren, und die Videoaufnahmen auch zur Strafverfolgung nutzen. Wer die Alexwache am Alexanderplatz kennt, weiß, dass dort Kameras an der Außenfassade angebracht sind, aber diese Kameras sind auf die Außenfassade gerichtet und nicht auf den Alexanderplatz. Diese unerklärliche Beschränkung wird fallen, denn es wird darauf ankommen, den Gesamtplatz zu schützen und nicht nur die Alexwache.
Ebenso erlauben wir Bild- und Tonaufnahmen an stationären Notrufsäulen der Polizei. Wenn Menschen in Not dort Hilfe suchen, kann die Polizei das Umfeld sehen. Das ist für Menschen in Not ein ganz wichtiger Schutz. Die Speicherfristen im öffentlichen Nahverkehr verlängern wir auf 72 Stunden. Wir wollen verhindern, dass das Videomaterial aufgrund einer zu kurzen Speicherfrist zu früh gelöscht wird. Diese Neuerung kommt allen Menschen in unserer Stadt zugute.
Unser zweiter Schwerpunkt betrifft den verbesserten Schutz unserer Einsatzkräfte. Bereits in unserer ersten Polizeirechtsnovelle haben wir den verbessert. Wir haben den Einsatz von Bodycams ausgedehnt und der Polizei das Elektroschockgerät als neues Einsatzmittel an die Hand gegeben. Der Taser hat sich bereits in mehr als 100 Fällen im letzten Jahr zur Eigensicherung unserer Einsatzkräfte bewährt. Nunmehr wollen wir per richterlicher Anordnung körperliche Untersuchungen gestatten, wenn für unsere Einsatzkräfte die Gefahr einer Ansteckung durch einen einsatzbedingten engen Körperkontakt besteht. Bei rechtzeitigem Erkennen können medizinische Maßnahmen wie die postexpositionelle Prophylaxe vor einer Ansteckung schützen. Denken Sie an die vielen Versammlungslagen in unserer Stadt. Angesichts dieses Einsatzgeschehens in unserer Stadt sind wir das unseren Einsatzkräften schuldig.
Des Weiteren regeln wir zum Schutz unserer Einsatzkräfte endlich den finalen Rettungsschuss. Das, was strafrechtlich bereits als Nothilfe gerechtfertigt ist, soll auch polizeirechtlich zulässig sein.
Es ist ein völlig unhaltbarer Zustand, dass sich unsere Einsatzkräfte im Falle eines finalen Rettungsschusses alleine verantworten müssen. Wir schaffen jetzt Klarheit, wir stehen auch hinter unseren Einsatzkräften, wenn sie schwere Entscheidungen zu treffen haben.
Dritter Schwerpunkt: Besondere Aufmerksamkeit legen wir auf den Bereich der Bekämpfung von Terrorgefahren, Angriffen gegen überlebenswichtige Infrastrukturen und gegen das organisierte Verbrechen. Zum einen geht es hier darum, der Polizei den Einsatz von Drohnen für Übersichtsaufnahmen und weitere Datenerhebungen zu gestatten, aber es geht auch um die Befugnis der Polizei, gegen feindliche Drohnen vorzugehen. Zum anderen geht es um die elektronische Kommunikation terroristischer Gefährder und schwerer Verbrecher. Die muss auf der Grundlage eines gerichtlichen Beschlusses überwacht werden können. Hierzu führen wir die QuellenTelekommunikationsüberwachung und die Onlinedurchsuchung ein.
Ferner begründen wir die Pflicht von Telekommunikationsunternehmen zur Auskunft über die Bestandsdaten von Telefonanschlüssen sowie die Verkehrs- und Nutzungsdaten. Dies ist für die Ermittlung terroristischer Gefahren unumgänglich. Des Weiteren wollen wir die Polizei berechtigen, Telekommunikationsverbindungen zu unterbrechen, zum Beispiel, um die Kommunikation von Gefährdern gezielt zu stören oder um zu verhindern, dass ein Sprengsatz über eine Telekommunikationsverbindung gezündet werden kann. Auch die Funkzellenabfrage zur Gefahrenabwehr muss kommen, ebenso die elektronische Fußfessel, um die Bewegung von Gefährdern überwachen und von ihnen ausgehende Gefahren abwehren zu können. Wer könnte angesichts der Bedrohungslage ernsthaft dagegen sein?
Der vierte Schwerpunkt unserer Tätigkeit ist der Schutz vor häuslicher partnerschaftlicher Gewalt. In den letzten zehn Jahren ist die jährliche Zahl erkannter häuslicher Gewalttaten um 31 Prozent auf fast 20 000 gestiegen. Wir wollen neue Wege gehen, um dieser negativen Entwicklung entgegenzuwirken. Zum einen werden wir das maximale Betretungsverbot für häusliche Gewalttäter von 14 auf 28 Tage verlängern. Diese längere Frist ermöglicht es Opfern häuslicher Gewalt, besser Schutz nach dem Gewaltschutzgesetz zu erhalten.
Entschuldigung, Herr Kollege! – Ich darf Sie auf der Pressetribüne bitten, keine Fotos auf die Unterlagen der Abgeordneten zu machen!
Ich sage es noch einmal: Ich darf Sie bitten, jetzt sofort das Fotografieren der Unterlagen und der Laptops der Abgeordneten zu unterlassen!
Danke schön, Frau Präsidentin! – Mit der elektronischen Fußfessel kann in Hochrisikofällen der Aufenthaltsort des Gewalttäters überwacht und das gefährdete Opfer per Sicherheitsmitteilung frühzeitig gewarnt werden, sollte sich der Gewalttäter nähern. Neue Identitäts- und Aufenthaltsdaten der gefährdeten Personen bleiben künftig unter Verschluss, und die Krisenintervention durch Beratungs- und Vermittlungsstellen zum Zwecke der Gewaltprävention wird zukünftig wirksam ermöglicht. Diese wichtigen
Das ist nur ein kleiner Ausschnitt unserer Neuerungen für das Polizeirecht Berlins. Die Koalition aus CDU und SPD kann stolz sein, dass sie hier Handlungsstärke und Entschlusskraft beweist. Diese Polizeirechtsreform ist ein Quantensprung für die Verbesserung der Sicherheit in Berlin. Halten wir uns immer vor Augen: Ohne Sicherheit, Recht und Ordnung ist ein friedliches Zusammenleben in dieser Stadt nicht denkbar, und ohne Sicherheit, Recht und Ordnung ist auch die freie Entfaltung der einzelnen Persönlichkeit nicht möglich. Deswegen ist es unsere vorrangige Pflicht, dass unsere Bürgerinnen und Bürger frei und sicher leben können. Dem dient unsere Polizeirechtsreform. – Vielen Dank!