Dann ist immer wieder von der Inaugenscheinnahme die Rede. Das könnte man vielleicht bei einem 18-Jährigen machen. Aber was ist denn mit der Strafmündigkeit? Wie wollen Sie erkennen, ob jemand 12, 13, 14, 15 ist? In Deutschland beginnt die Strafmündigkeit mit 14. Da gelten auf einmal ganz andere Regeln.
Dann sprechen Sie vom Kinderschutz. Der Kinderschutz liegt auch mir und liegt auch uns am Herzen. Sie erinnern sich vielleicht an die 15-jährige Mia. Sie wurde in Kandel erstochen, im Drogeriemarkt, von einem jungen Afghanen, der vorgab, 15 zu sein. Es stellte sich heraus, er war 17. Schließlich war er 20; es gab eine Altersfeststellung.
Wenn Ihnen tatsächlich das Kindeswohl am Herzen liegt, dann denken Sie doch bitte auch mal an diejenigen, die
von dieser Betrugsmasche betroffen sind und auch an diejenigen, die dadurch vielleicht ihr Leben verloren haben. – Danke!
Dann liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien sowie mitberatend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Berliner Industrialisierungsoffensive (BIO) I – Regionale Industrialisierung Berliner Technologieentwicklungen ausbauen
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es könnte so schön sein: Berlin als europäischer Start-up-Leuchtturm, als Wagniskapitalhauptstadt der deutschen Deep-Tech-Branche, als Akkumulator, ausländischer Investitionen, als Technologiebrücke für Green Tech, Pharma und Digitaltechnik nach Fernost und Fernwest; Berlin als der industrielle Hersteller von UBahnen und Zügen, der künstlichen Intelligenz fürs autonome Fahren und, und, und.
Hört man dieser Tage der Wirtschaftssenatorin zu, könnte man meinen, Berlin sei all das und viel mehr schon. Mit Meinen allein ist es aber nicht getan.
Schauen Sie sich um! Die Zeiten sind angespannt. Es gilt jetzt, in aller Entschiedenheit die ökonomische Lebensgrundlage der Berlinerinnen und Berliner abzusichern, und zwar mit einer Wertschöpfung, die den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen fokussiert.
Dafür braucht es Entschiedenheit, Weitsicht und Zukunftsmut, um eben unsere Demokratie, wie der Soziolo
ge Steffen Mau es so schön formuliert, durch Wohlstand zu entspannen und die Ausgaben unseres Gemeinwesens in absehbarer Zeit aus eigener Kraft finanzieren zu können. Lebe wohl, Länderfinanzausgleich!
Aber Wirtschaftspolitik ist ein Ergebnissport. Zahlen und Fakten schlagen jede Erzählung. Wir müssen den Ursachenzusammenhang genau benennen und Schlussfolgerungen für die nächsten Schritte ziehen, und hier setzt unsere Kritik am Senat an. Wo bleibt die Analyse der Wirtschaftssenatorin bezogen auf das Hier und Jetzt? Wo ist das vehemente Eintreten für Investitionen? Wo ist das Wehren gegen den Stopp vieler Wirtschaftsfördertöpfe? Warum lassen wir plötzlich GRW-Mittel liegen? Wo bleibt die überfällige Überarbeitung des Masterplans Industriestadt?
Seit anderthalb Jahren, weiß sich der Senat, wissen sich die Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition auf all diese Fragen noch immer mit dem Fingerzeig wahlweise auf vorige Regierungen oder den Bund zu helfen. Mal stören Sie sich am Ton der kritischen Nachfragen, mal sind die Forderungen nicht konkret genug. Was denn Ihr Job als Koalition und Senat ist, fragt man sich.
Wann werden aus Gipfeln, Runden Tischen und Taskforces endlich Konzepte und verbindliche Leitfäden, und wann wird ein ordentliches, zielgerichtetes Prozess- und Aufgabenmanagement organisiert? Wann werden Entscheidungen getroffen, wann Investitionen in die Zukunft unserer Demokratie getätigt, wann Vertrauen der Start-up-Szene und der Industrie wiederhergestellt? Wann wird Verantwortung für das eigene Tun beziehungsweise hier in diesem Fall Nichttun übernommen?
Wirtschaftspolitik ist eine Tagesaufgabe, politisches DayTrading mit unserem Kapital. Da kann man schon nervös werden, wenn Sie ausweislich Ihrer Social-Media-Kanäle von einem vermeintlichen Erfolgsgipfel zum anderen eilen, Ankündigungen noch und nöcher machen und im Stile einer Konzert- und Gastspieldirektorin vor allem die Dienstleistung pampern.
Aber auf der Abrechnung der Volkswirte steht: Gründungen scheitern vermehrt, Insolvenzen auf Rekordniveau, Insolvenzmasse niedrig wie nie. Unternehmen stellen sich auf Schrumpfung ein, weil der Senat etwa schon beschlossene Investitionen streckt oder cancelt, Stichwort U-Bahn-Beschaffung.
Es gibt enorme brachliegende Reserven beim Technologietransfer zwischen Hochschulen und Wirtschaft. Ideen werden weiterhin hier angeschoben, aber woanders realisiert. Das Außenhandelsdefizit hat sich verdoppelt von 2022 auf 2023. Berlin arbeitet also wieder mehr für das
Gleich werden sich Kollegen der Regierungskoalition hinstellen und was von Start-up-Hauptstadt erzählen, vom wahnsinnigen Gründungsgeschehen, vom VentureCapital, das hier wie Schampus im Grill Royal fließt.
Doch die Wahrheit ist: Die Gründungsszene ist verunsichert, wird durch ihr Nichttun vehement gehemmt und muss sich gefallen lassen, die x-te Nachfrage zu stellen zu einem über Monate nicht beantworteten Antrag auf Gründungsförderung. – Was fällt diesen Menschen auch überhaupt ein, in Berlin ein zukunftsfähiges und innovatives Start-up gründen zu wollen? Ironie off.
Es ist unerträglich und beschämt mich zutiefst, wie Sie, Frau Senatorin, mit dem Kapital, dem Vertrauen und den Mitteln unserer Stadt umgehen. Wir fordern vom Berliner Senat, mit einer durchdachten und kohärenten Industrialisierungsoffensive die Berliner Technologieentwicklung zu fördern.
Angesichts globaler Risiken und zunehmender Importabhängigkeiten müssen insbesondere klimafreundliche Innovationen in der Hauptstadtindustrie vorangetrieben werden. Das geht aber nicht, wenn Sie weiter unsere industrielle Substanz schleifen.
Wir brauchen Fast Lanes für den schnellen Technologietransfer, Auszahlung und Anpassung der Förderprogramme und eine gezielte Ausbildung für nachhaltige Produktion und Effizienztechnologien.
Ich komme zum Schluss. – Das sind keine netten Ideen für die Zukunft, sondern notwendige Schritte für die Gegenwart. Dann werden aus Ihren immer merkwürdigeren und überspezifischeren Erfolgsmeldungen bald wieder echte Fortschritte. Für ein Berlin, das Lust und Mut macht auf Zukunft! – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin [bot͡ skurt]!
Ich muss ehrlich sagen, ich fand die Rede wirklich schräg, und die macht keine Lust und auch keinen Mut, in dieser Stadt zu investieren, ehrlich gesagt. Wir werden uns mit dem Antrag auf jeden Fall beschäftigen, aber ich fand es ehrlicherweise skurril, und ich würde auch gerne durch diesen etwas skurrilen Antrag gehen.
Ich verstehe, dass man als Opposition die Arbeit kritisieren muss. Aber zu sagen, es wird keine Strategie und es wird auch keine Tagespolitik gemacht, kann man, glaube ich, so nicht stehen lassen, und es stimmt auch einfach nicht.
Ich teile die Auffassung; selbstverständlich, in allen Bereichen, sowohl bei den Start-up-Unternehmen als auch beim Thema Industrie kann man mit Sicherheit immer mehr tun. Wenn ich aber dann alleine auf den ersten Punkt Ihres Antrages schaue – das davor ist ja ehrlicherweise nur Lyrik, dass das Abgeordnetenhaus in zwei Absätzen ganz unterschiedliche Dinge feststellen soll, aber das sei dahingestellt –, dass Start-ups und KMUs ihre Neuerungen entweder mit Partnerunternehmen regional industrialisieren können oder selbst durch Anwerbung von Kapital und Know-how den nächsten Schritt zum produzierenden Unternehmen hier vor Ort tätigen können, da muss ich ganz ehrlich sagen: Das ist wirklich abgehakt, denn es wird jeden Tag getan, zum Glück von Unternehmen. Auch die Wirtschaftsverwaltung, die Wirtschaftssenatorin und die Staatssekretäre sind in dem Thema gerade unterwegs.
Und jetzt sage ich mal aus eigener Erfahrung: Wie Sie auf die Idee kommen! Es sind wirklich Fake News, dass GRW-Mittel liegen bleiben. Ganz das Gegenteil ist der Fall. Die GRW-Mittel sind so weit ausgeschöpft, dass, wenn ich das richtig verstehe, die Wirtschaftsverwaltung gar nicht mehr auszahlen kann, weil sie überbelegt sind. Insofern stimmt es sozusagen auch beim Thema Start-ups schon hinten und vorne nicht.