Protocol of the Session on March 21, 2024

Kreativwirtschaftsberichterstattung fortschreiben – Bilanz ziehen, Schwerpunkte setzen und Zukunft gestalten

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der SPD Drucksache 19/1519

(Orkan Özdemir)

In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU. – Bitte schön, Herr Abgeordneter Gräff, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, die Koalitionsfraktionen haben hier einen Antrag vorgelegt, weil wir finden, dass die Kreativwirtschaft in Berlin eine besondere Branche ist und nicht irgendeine. Sie hat gemeinsam mit der Gesundheitswirtschaft in den letzten Jahren das Wachstum sowohl an Beschäftigung als auch übrigens an Umsatzsteueraufkommen, wie wir ablesen können, getragen. Sie ist auch jemand, der für andere Branchen, beispielsweise Hotellerie, Gastronomie, den gesamten Tourismus in dieser Stadt, ein großes Pfund beizutragen hat.

Deswegen sind wir der Auffassung, dass der Kreativwirtschaftsbericht ausgebaut werden soll. Ich glaube, wir bekommen mit diesem Bericht einen sehr guten Überblick darüber, was es in der Stadt gibt. Natürlich ist es eine Branche – wir werden ja an anderer Stelle heute noch im weitesten Sinne über Kreativwirtschaft sprechen, zum Ende dieser Plenarsitzung –, die man auch nicht immer in Gänze kennen kann, jedes Projekt, jedes Unternehmen, das sich mit dem Thema beschäftigt. Aber eines ist klar: Es ist eines der ganz großen Assets für Berlin, und es ist eine Branche, die ganz wesentlich zum Beschäftigungswachstum und zum Wirtschaftswachstum in dieser Stadt beigetragen hat.

Umso wichtiger ist es für uns, dass wir darüber einen guten Überblick bekommen. In der Verwaltung, in der wir auch in diesen Haushaltsberatungen – – Das möchte ich noch mal ausdrücklich sagen und mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen bedanken. Es gibt in dem Fall auch ein sehr großes Engagement von Herrn Staatssekretär Biel, nicht nur in den sozialen Medien, sondern auch wirklich ganz real, in echt ist er ganz aktiv in dieser Branche, in dieser Community. Ich glaube, dass Berlin als – jetzt werden einige natürlich wieder rumnölen an dieser Stelle – weltoffene Metropole, in die sehr viele Menschen sehr gerne kommen und auch sehr viele Unternehmerinnen und Unternehmer kommen, großes Potenzial hat. Wir sehen das beispielsweise ganz aktuell in den letzten Wochen im Fashionbereich – auch ein Bereich, der von der Verwaltung und der Politik sehr eng begleitet worden ist –, aber nicht nur; auch in der Musikszene und in vielen anderen Bereichen dieser Branche, die wachsen.

Insofern möchten wir als Koalitionsfraktionen das nicht nur unterstützen, wie wir es im Doppelhaushalt getan und die Mittel für die Kreativwirtschaft ausgebaut haben, sondern wir möchten auch einen guten Überblick darüber bekommen. Insofern laden wir alle ein, daran mitzutun, auch mitzudiskutieren. Ich glaube, es gibt viele Felder gerade in einer solchen Branche, die sehr divers ist, auch

in ihrer Ausprägung in – in Anführungszeichen – Untersegmente und -branchen, und man kann eben nicht alles kennen, was wir noch besser machen können. Das will ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen. Das fällt mir jedenfalls bei vielen Initiativen auf, die ich auch nur am Rande wahrnehme, weil man nicht alle Veranstaltungen wahrnehmen kann und eben auch nicht einen Überblick über alle Unternehmen hat. Insofern nehmen wir alle wertvolle Hinweise aus dem Kreis der Interessierten und der Unternehmerinnen und Unternehmer, die in Berlin in dieser Branche unterwegs sind, gerne auf.

Insofern würden wir uns freuen, wenn Sie das als gesamtes Haus unterstützen würden. Wir freuen uns nicht nur auf die Berichterstattung, sondern auch auf die Diskussion in den zuständigen Ausschüssen – es ist ja nicht nur der Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Betriebe – und bitten um Zustimmung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die Grünenfraktion hat dann die Kollegin Bozkurt das Wort.

Der Antrag der Koalitionsfraktionen macht uns ein bisschen ratlos, um ehrlich zu sein. Er ist so wenig qualifiziert, dass man kaum weiß, wie man ihn bewerten soll. Ich wüsste gar nicht: Soll ich ihn unterstützen, soll ich ihn nicht unterstützen, und aus welchen Gründen nicht?

[Zuruf von Christian Gräff (CDU)]

Ich habe überhaupt keine Probleme, gute Dinge auch zu unterstützen.

[Damiano Valgolio (LINKE): Das ist ja selten genug!]

Sie haben gerade darüber gesprochen, Herr Gräff, dass die Kreativwirtschaft in Berlin besonders ist, dass sie ein Wachstum verzeichnen kann und sehr viele Menschen anzieht. Andersherum stimmt es auch: Auch Berlin ist ein Faktor, der der Kreativwirtschaft natürlich in die Hände spielt, was auch gut ist. Jetzt ist es aber so: Hätte ich so einen Antrag schreiben wollen, hätte ich erst mal überlegt: Über welche Branchen reden wir? Was brauchen diese Branchen? – Sie sagen: Nö, es kommen sehr viele Menschen in die Kreativwirtschaft, die verzeichnet ein Plus von Beschäftigung.

Wenn man mit den Menschen ins Gespräch geht, dann ist das Erste, was sie einem erzählen, dass sie keinen Wohnraum finden. Dann erzählen sie, dass sie so weit außerhalb wohnen oder einfach nicht gut angeschlossen sind, dass die Infrastruktur, die Verkehrsinfrastruktur nicht gut ausgebaut ist. Das ist das Nächste, was sie erzählen. Dann reden sie darüber, dass die Bildung in dieser Stadt ja so

(Vizepräsidentin Dr. Bahar Haghanipour)

schlecht ist und dass es keine Kitas für ihre Kinder gibt. Das sind eben die Fragen, mit denen sie sich beschäftigten, die so auch in Ihre Aufgabenfelder fallen würden.

Natürlich käme ich da auf die Idee zu sagen: Was haben wir denn eigentlich in unserem Koalitionsvertrag gesagt, was wir machen wollen? – Sie haben gesagt – und da gibt es tatsächlich auch ein paar substanziiertere Sachen als das, was Sie als Antrag vorgelegt haben –, dass Sie die Verzahnung der Kultur- und Kreativwirtschaft möchten. Ich glaube, der Antrag geht in diese Richtung, aber, wie gesagt, er ist nicht substanziiert genug. Dann fragt man sich: Soll die Schaffung einer Schnittstelle erfolgen, die ressortübergreifend fungiert, also die Dinge, die früher bei der Kulturverwaltung waren – – Sie sagen das ja mit diesem Kreativ- und Kulturwirtschaftsindex, der jetzt fortgeführt werden soll. Diese Verzahnung soll jetzt also diese Stelle schaffen.

Dann fragt man sich: Warum schreiben Sie eigentlich nicht zu diesen Punkten, die Sie sich ja in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben, Anträge? Wo bleiben die denn? – Stattdessen wollen Sie einen Bericht, der sagen soll, wie gut oder schlecht es der Kreativ-, Digital- oder Kulturwirtschaft geht. Ehrlicherweise brauche ich dafür jetzt nicht noch einen Bericht. Zeitung lesen hilft, mit den Betrieben in Austausch gehen hilft, und tatsächlich sich die Gesamtwirtschaft in Berlin anschauen hilft. Dazu gibt es Berichtswesen, das man sich ansehen kann.

Ich bin, wie gesagt, irritiert. Ich hoffe, es wird weiter qualifiziert, wenn wir darüber im Ausschuss reden. Mir fehlt noch sehr viel. Alles, was Sie gesagt haben, ist okay, aber mehr auch nicht. Ich glaube, ein bisschen mehr Fleisch am Knochen täte der Sache gut. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Wolff das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, natürlich braucht es Substanz, aber Berlin ist eigentlich schon mal eines: Es ist Creative City in Deutschland. Das ist ganz wichtig erst mal vorab. Berlin ist durch seine offene und vielfältige Atmosphäre Anziehungspunkt für kreative Köpfe, Tourismus, Messen, Popkultur, Gamesbranche und so vieles mehr. Die Kreativwirtschaft sorgt in Berlin für eine Magnetwirkung. Sie ist ein sehr relevanter Wirtschaftsfaktor. Sie beeinflusst weitere Wirtschaftszweige, Forschung und Wissenschaft, und davon profitiert die gesamte Gesellschaft, insbesondere eben auch durch viele Arbeitsplätze.

Der letzte Kreativwirtschaftsbericht stammt aus dem Jahr 2014. Was ist seitdem geschehen? – Zum Zeitpunkt der

letzten Veröffentlichung war Deutschland noch nicht ein viertes Mal Weltmeister, und, übrigens, Angela Merkels Satz „Das Internet ist für uns alle Neuland“ war noch jung. Und tatsächlich: Viele Errungenschaften und Entwicklungen sind seitdem geschehen – gesellschaftlich, technologisch, wirtschaftlich. Zehn Jahre sind für einen der dynamischsten Wirtschaftszweige der Weltwirtschaft wirklich viel. Da muss es einen neuen Start geben, denn: Wie haben sich Schwerpunkte verlagert? Was ist durch Corona verändert? Welchen Einfluss hat KI? Wie wirkt der Fachkräftemangel? Wo gibt es Förderbedarfe? Und übrigens nicht nur am Frauentag möchte ich betonen: Mir ist wichtig, die Situation der Frauen, berufstätig in der Kreativ- und Digitalwirtschaft, zu beobachten, um zu sehen: Wie hat es sich entwickelt, also wie steht es eigentlich auch um freischaffende Künstler und Künstlerinnen? Gibt es mögliche Fehlentwicklungen? Müssen wir denen nicht entgegentreten?

Und was brauchen wir dafür? – Wir brauchen Fakten. Wir brauchen gesammelte Fakten, denn wie sonst soll zielgenaue Politik ohne gute Datengrundlage gelingen? Deshalb ist es auch richtig, nicht nur einmalig, sondern regelmäßig Berichte zu erarbeiten; ich denke, ja. Kunst und Kultur sind Klammern unserer Gesellschaft. Sie haben diese Aufmerksamkeit auch verdient. Daher freue ich mich, dass auf meine Initiative heute dieser Antrag abgestimmt wird. Ich würde mich wirklich freuen, wenn Kolleginnen und Kollegen anderer Fraktionen hier doch unterstützen. Es ist gut, wenn wir heute diesen Antrag gemeinsam auf den Weg bringen. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion spricht der Kollege Valgolio.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es auch gut, dass die Koalition beantragt, dass die Kreativ-, Digital- und Kulturwirtschaft untersucht wird, dass es einen Bericht gibt. Gut, dass ihr das beantragt. Ihr habt ja sonst auch nicht so viele Anträge, insofern ist das ein Schritt in die richtige Richtung.

Ich finde auch gut, dass die Koalition beantragt, dass in diesem Bericht insbesondere untersucht wird, wie die Verzahnung zwischen diesen Bereichen und den anderen Branchen ist. Das ist völlig richtig, denn auch die angestammten Branchen, insbesondere die Industrie, sind dringend auf die Digitalwirtschaft angewiesen. Nur wenn dann neue digitale Geschäftsmodelle entwickelt werden, hat die industrielle Wertschöpfung in Berlin eine Zukunft. Insofern ist das ein richtiger Ansatz, das mit zu untersuchen.

(Tuba Bozkurt)

Dann schreiben Sie, dieser Bericht soll anknüpfen an den Kultur- und Kreativwirtschaftsindex, den es schon gab, 2015 war das, glaube ich. Damals wurden aber aus gutem Grund Berlin und Brandenburg gemeinsam untersucht. Dazu sagt jetzt der Antrag nichts. Vielleicht wurde das vergessen. Ich bin jedenfalls der Meinung, dass es völlig richtig ist, sich die Metropolregion insgesamt anzuschauen und das auch bei dem neuen Bericht gemeinsam zu machen.

[Beifall von Anne Helm (LINKE) und Kristian Ronneburg (LINKE)]

Dann gibt es noch etwas, das vergessen wurde. Im Antrag steht zwar, es sollen die Branchen- und Interessenverbände einbezogen werden, es steht allerdings nichts von den Gewerkschaften und Beschäftigten der Branchen drin. Das ist möglicherweise auch vergessen worden, ist aber erstaunlich, denn in dem 2015er-Bericht, den Sie auch genannt haben, spielt das eine ganz große Rolle, ist das ein ganz zentrales Thema, dass die Arbeitsbedingungen in der Branche kritisiert werden. In diesem alten Bericht ist sogar die Rede von prekären Arbeits- und Lebensbedingungen und von Lohndumping. Also sollte man, wenn man sich das noch mal anguckt, dort einen Schwerpunkt setzen und vielleicht mal mit den Gewerkschaften reden. Sie sind ja in diesen Branchen inzwischen auch relativ gut unterwegs, Gott sei Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Dann gibt es ein weiteres großes Problem, das schon der 2015er-Indexbericht nennt, und das sind die ansteigenden Wohn- und Gewerbemieten. Das ist schon damals von der Branche als großes Hindernis bei der wirtschaftlichen Entwicklung benannt worden. Dazu kann ich Ihnen, auch schon ganz ohne Bericht, sagen: Ich glaube, in den Bereichen hat sich die Lage nicht besonders verbessert, was Wohn- und Gewerbemieten angeht. Ich habe den Eindruck, dass die Koalition auch nicht wirklich einen Plan hat, wie das bei den Wohn- und Gewerbemieten in den nächsten drei Jahren besser werden sollte. Ich glaube, dabei hilft auch so ein Bericht nicht richtig, aber vielleicht führt er in die richtige Richtung. Ich will das ja gar nicht kleinreden, wenn da schon mal was kommt.

Dann gibt es einen weiteren Bereich, der nach dem Antrag der Koalition in diesem Bericht über die Kultur-, Kreativ- und Digitalwirtschaft untersucht werden soll, und das ist der Bereich der Wirtschaftsförderung. Es soll also geguckt werden, wie effektiv unsere Wirtschaftsförderung in dem Bereich ist, welchen Mehrwert sie schafft und wie sie sich auswirkt. Zur Wirtschaftsförderung kann ich Ihnen leider auch schon etwas sagen, wie das im Moment aussieht: Ich habe den Eindruck, da sieht es im Moment mit der Wirtschaftsförderung nicht so gut aus. Wir haben das ja im letzten Ausschuss schon zum Thema gemacht. Sehr viele Förderprogramme sind im Moment mit Verfügungssperren aufgrund des Haushaltschaos belegt, das die Koalition im Moment ausführt. Vieles kann gar nicht bewilligt werden. Angeblich hat das gar

nichts mit den pauschalen Minderausgaben zu tun, aber das glaube ich nicht so richtig. Ich glaube, es hat eine Menge damit zu tun.

Zum Beispiel: Beim Programm zur Gründerinnenförderung, das gerade für die Kreativ- und Digitalwirtschaft eine ganz große Rolle spielt, wird seit Jahresbeginn überhaupt nichts mehr bewilligt. In dem Bereich finden überhaupt keine Förderungen statt. Das ist, glaube ich, ein relativ großes Problem. Dafür braucht man auch keinen Bericht. Insofern will ich jetzt gar nicht zu polemisch werden.

Ich finde es gut, dass das angestoßen wird, dass so ein Bericht gemacht wird, dass diese Branchen untersucht werden, völlig richtig! Noch besser wäre vielleicht, von Anfang an eine vernünftige Wirtschaftsförderung und Wirtschaftspolitik zu betreiben. Damit wäre diesen Branchen noch etwas mehr geholfen, aber vielleicht ist das dann der zweite Schritt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Unruhe]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Sie haben es ertragen, aber ich würde darum bitten, die Gespräche hinter den Sitzreihen einzustellen oder etwas leiser zu führen.

[Beifall von Anne Helm (LINKE)]

Dann wäre es hier vorne für uns alle leichter. Man kriegt hier relativ viel mit. – Dann folgt für die AfD-Fraktion der Kollege Hansel.

Herr Präsident! Zum späten Abend, meine Damen und Herren! Berlin hat sich ja wohl als ein global anerkanntes Zentrum für Kreativität und Innovation etabliert. Das umfasst Musik, Film, Kunst, Design, Mode, Architektur, Werbung, aber auch Software, Spieleentwicklung und neue Medien. Was zieht, sind die im Vergleich zu anderen Großstädten relativ niedrigen Lebenshaltungskosten, allerdings haben wir die Probleme beim Wohnen, das ist angesprochen worden. Die Clubszene ist auch wichtig, ebenso das Ökosystem der lebendigen Start-up-Szene.

Die entscheidenden Charakteristika sind: die sektorenübergreifende Vernetzung, die wunderbar klappt. In Berlin verschmelzen traditionelle mit neuen Medien und Technologien, was zu innovativen Projekten und Startups führt, die die Grenzen zwischen Kunst, Technologie und Wirtschaft verwischen. Die zunehmende Digitalisierung bietet neue Chancen für die Kreativwirtschaft, stellt aber auch große Herausforderungen vor allem für die Geschäftsmodelle dar. Zahlreiche Netzwerke, Vereinigungen und Plattformen ermöglichen Austausch, Kol

(Damiano Valgolio)

laboration und Unterstützung innerhalb der Kreativgemeinschaft.