[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU – Stefan Evers (CDU): Das ist doch peinlich!]
Um weiteren Unterstellungen Ihrerseits vorzubeugen: Der Rohrkrepierer Tankrabatt kommt auch nicht vom Senat, sondern wurde von der FDP im Bund durchgedrückt. 2,3 Milliarden kostet diese Großzügigkeit, doch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern kommt an der Zapfsäule nichts davon an. Die einzigen, die offensichtlich etwas davon haben, sind die Mineralölkonzerne. Nun können Fehler passieren, entscheidend ist die Souveränität, sie einzuräumen und zu korrigieren.
Ganz anders als diese Rohrkrepierer würde hingegen die Übergewinnsteuer wirken. Worum handelt es sich bei dieser Steuer? – Wenn ein Konzern deutlich höhere Gewinne als im Vorjahr einfährt, wird das Gewinnplus deutlich stärker besteuert, in Griechenland mit 90 Prozent, in Italien mit bis zu 25 Prozent. Über die Höhe kann man streiten. Eins steht jedoch fest: In Zeiten sozialer Not brauchen wir mehr denn je einen Lastenausgleich, und zwar von oben über die Mitte nach unten. Deshalb bringt der Berliner Senat demnächst im Bundesrat die Initiative
Damit wären wir beim Handeln auf Landesebene. In Berlin gehört es ja zum guten Ton, über Berlin vor allem zu meckern. Mir fällt diese besondere Form der Berliner Höflichkeit immer noch schwer, auch deswegen, weil Berlin seit Jahren soziale Standards setzt, die eher zum Nachahmen einladen. Nehmen wir nur das Sozialticket. Das sichert für rund 600 000 Menschen in Berlin bezahlbare Mobilität, und im kommenden Jahr werden wir die Zugänge zum Berlinpass noch mal erleichtern.
So mancher denkt bei freier Fahrt ja vor allen Dingen an die Kombination von schnellen Autos und Autobahnen ohne Tempolimit. Ich würde ja sagen: Gebührenfreie Fahrt für alle Schülerinnen und Schüler in Bus und Bahn ist soziale Freiheit. Das ist die Freiheit, die ich meine, und die gibt es in Berlin.
[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Frank-Christian Hansel (AfD): Das zeigt Bayern!]
Wir sorgen dafür, dass mehr Berlinerinnen und Berliner mehr Geld bekommen, in dem wir den Landesmindestlohn auf 13 Euro anheben. Das hilft beispielsweise Menschen in Beschäftigungsmaßnahmen. Und wenn wir demnächst den Vergabemindestlohn erhöhen, schützt das Firmen, die gute Löhne zahlen wollen, vor dem Lohndumpingwettbewerb möglicher Mitbewerbender.
Oder nehmen wir die AV Wohnen, die die Wohnkosten für Sozialleistungsbeziehende regelt. Wissen Sie, als ich noch im Bundestag war, hörte ich oft Berichte aus anderen Städten, die heilfroh gewesen wären, wenn es bei ihnen auch eine solche gute Regelung wie die AV Wohnen gegeben hätte. Diese Werte werden jährlich angepasst, und ich kann Ihnen schon verraten, in der Sozialverwaltung rauchen gerade die Köpfe, wie wir bei der nächsten Anpassung den Energiekosten entsprechend Rechnung tragen können.
Die steigenden Preise von Lebensnotwendigem werden für Arme, Rentnerinnen und Rentner und für jene, die hart arbeiten und dafür viel zu wenig Lohn bekommen, natürlich ein echtes Problem. Das ist dem Senat mehr als bewusst. Auch deswegen haben wir uns sehr gefreut, dass die Fraktionen, die diese Regierung stellen, also RotGrün-Rot, gestern im Hauptausschuss einen Krisenfonds von 380 Millionen Euro beschlossen haben.
Bei der Erstellung des Haushaltsentwurfes hat sich der Senat zudem auf eine Resilienzrücklage von 750 Millionen Euro verständigt, damit wir und die Bezirke handlungsfähig sind, falls neue, nicht planbare Zumutungen
wie Pandemien, wieder auf uns zukommen. Der Begriff Resilienz meint die Fähigkeit von Menschen, aber auch von Städten, mit Krisen umzugehen, eine gewisse Widerstandsfähigkeit, die uns befähigt, Krisen zu begegnen, aus ihnen zu lernen und auch Lehren zu ziehen.
Erinnern wir uns an 2015. Da reagierte Deutschland zunächst auf die Fluchtbewegung mit einer großen Solidarität. Doch auf Monate der Solidarität folgten Jahre, in denen die Stimmungsmache gegen Geflüchtete den Ton in dem öffentlichen Diskurs bestimmte. Eine Lehre aus 2015 lautet deshalb für mich: Damit die Solidarität mit Geflüchteten auf Dauer trägt, braucht es eine soziale Offensive und viel mehr Aufmerksamkeit für die sozialen Nöte der Vielen.
Wir haben inzwischen 68 000 aus der Ukraine Geflüchtete, die in Berlin registriert sind oder sich dafür angemeldet haben. Sie bringen ihre Kinder in Kitas und in Schulen, sie suchen Arbeit und eine Wohnung. Dabei erleben sie von Freiwilligen und von der Verwaltung viel Unterstützung. Doch Hand aufs Herz: Berlin ist in diesen Tagen der großartigen Ukrainesolidarität mehr als diejenigen, die ein Bett angeboten oder Spenden zum Bahnhof gebracht haben. Berlin sind auch jene, die bange Fragen stellen, wie: Wird es für mich jetzt noch schwerer, eine Wohnung oder einen Kitaplatz zu bekommen? Und warum wird alles teurer? – Dieses Hadern und diese zusätzliche Verunsicherung vor einer Zukunft, die längst keine besseren Zeiten mehr verspricht, müssen wir Demokratinnen und Demokraten sehr ernst nehmen, denn wer sich fürchtet, möchte gesehen werden, und wer sich nicht gehört fühlt, kann schnell depressiv, aggressiv oder querdenkerisch werden. Auch deswegen sage ich: Die Armutsfrage ist eine Frage an die gesamte Demokratie. Mit anderen Worten: Der Schutz vor Armut gehört zum Glutkern unserer sozialen Demokratie. – Vielen Dank!
Nun können mündliche Anfragen an den Senat gerichtet werden. Die Fragen müssen ohne Begründung, kurz gefasst und von allgemeinem Interesse sein sowie eine kurze Beantwortung ermöglichen; sie dürfen nicht in Unterfragen gegliedert sein. Ansonsten werde ich die
Fragen zurückweisen. Zuerst erfolgen die Wortmeldungen in einer Runde nach der Stärke der Fraktionen mit je einer Fragestellung. Nach der Beantwortung steht dem anfragenden Mitglied mindestens eine Zusatzfrage zu, eine weitere Zusatzfrage kann auch von einem anderen Mitglied des Hauses gestellt werden. Die Fragen und Nachfragen werden von den Sitzplätzen aus gestellt.
Abweichend zum sonstigen Verfahren haben wir uns gestern im Ältestenrat darauf verständigt, dass uns an dieser Stelle Frau Senatorin Spranger zu den Ermittlungsergebnissen informiert. Da die Beantwortung etwas ausführlicher ausfallen kann, sollen nach Möglichkeit keine Nachfragen gestellt werden. Die erste Frage stellt für die SPD-Fraktion der Kollege Schreiber.
Herzlichen Dank! – Im Namen der SPD-Fraktion und aller anderen Fraktionen frage ich den Senat, welche Erkenntnisse und erste Einschätzungen liegen zu der mutmaßlichen Amokfahrt in der Nähe vom Breitscheidplatz am gestrigen Tag in Charlottenburg-Wilmersdorf vor?
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Gestatten Sie mir am Anfang ein paar persönliche Worte. Ich bin ehrlich, ich habe heute Nacht kaum ein Auge zugemacht, so wie es vielen anderen auch gegangen ist. Nach dem schrecklichen Vorfall des gestrigen Tages waren und sind meine Gedanken bei der getöteten Lehrerin und den Angehörigen. Ihnen gilt, und da spreche ich für den gesamten Senat, unser aufrichtiges Beileid und tiefes Mitgefühl. Meine und unsere Gedanken waren selbstverständlich auch bei den vielen Verletzten und Schwerverletzten. Wir fühlen mit den Familien und den Eltern, die gestern unmittelbar nach Bekanntgabe der Tat nach Berlin gefahren sind, um sich sofort um ihre Kinder zu kümmern. Wir stehen an ihrer Seite, und tun für ihre Angehörigen und Familien alles, was wir können. Die Ereignisse vom gestrigen Tag erschüttern mich, uns, ganz Berlin zutiefst. Deshalb war es mir gestern auch wichtig, in Absprache mit der Regierenden Bürgermeisterin, am heutigen Tag eine Trauerbeflaggung anzuordnen.
Wie Sie wissen, raste gestern um 10.20 Uhr ein Mann mit einem Auto am Tauentzien in Höhe der Rankestraße zunächst in eine Gruppe von Menschen auf dem Gehweg, stieß gegen geparkte Autos und fuhr schließlich in ein Parfümeriegeschäft in Höhe der Marburger Straße. Der
29-jährige Tatverdächtige wurde in unmittelbarer Nähe des Tatortes durch Passanten festgehalten und an Einsatzkräfte übergeben. Ein Dank von dieser Stelle an die Passanten, die vor Ort reagiert haben, den Tatverdächtigen festgehalten und erste Hilfe geleistet haben.
Der Tatverdächtige befindet sich derzeit in Polizeigewahrsam und wird heute einem Richter vorgeführt. Die Ermittlungen werden von der Mordkommission geführt und laufen auf Hochtouren. Die Maßnahmen vor Ort sind abgeschlossen. Insgesamt waren gestern ca. 130 Einsatzkräfte der Polizei und 50 Einsatzkräfte der Feuerwehr und Hilfsorganisationen sehr schnell vor Ort. Gestern Abend durchsuchte die Polizei die Wohnung des Tatverdächtigen und das Tatfahrzeug. Zurzeit werden sowohl das Mobiltelefon als auch der Computer sehr intensiv untersucht.
Nach derzeitigem Stand – ich habe vorhin selbst noch mal sowohl mit Herrn Kroemer als auch mit Herrn Ekkernkamp und Herrn Danckert telefoniert – ist eine Lehrerin der Schulklasse getötet worden. Aktuell gibt es 29 Verletzte, davon 14 Schülerinnen und Schüler der Schulklasse. Sieben Personen aus dieser Gruppe befinden sich stationär im Krankenhaus; auch der Lehrer liegt schwer verletzt im Krankenhaus. Es gibt 14 weitere verletzte Personen. Die Verletzungen sind zum Teil lebensbedrohlich.
Darüber hinaus hat jedoch eine Vielzahl an Betroffenen – davon muss man einfach ausgehen – seelische Verletzungen davongetragen. Auch das dürfen wir natürlich nicht übersehen. Ich bin froh, dass vor Ort sehr schnell Hilfe, psychosoziale Betreuung für Betroffene, Angehörige, Augenzeugen sowie Einsatzkräfte stattgefunden hat und weiterhin stattfinden wird.
Seit 2020 habe ich in meinem Haus eine eigene Leitzentrale, in der ich sehr schnell vor Ort war und sowohl die Regierende Bürgermeisterin als auch die Bundesinnenministerin und den hessischen Innenminister informiert habe. Ich stehe seit gestern im Kontakt mit der Bundesinnenministerin und dem hessischen Innenminister Peter Beuth, der mit seinen Dienstkräften von Feuerwehr und Polizei die Betreuung von Angehörigen an der Heimatschule sicherstellt. Angehörige der Schüler waren gestern bereits mit mehreren Bussen, organisiert von der Polizei, nach Berlin gekommen, um ihre Kinder abzuholen oder um hier an ihrer Seite zu sein. Ein Teil der Jugendlichen und auch der Eltern sind auf dem Rückweg nach Hessen.
Selbstverständlich waren die Regierende Bürgermeisterin und ich nicht nur im ständigen Kontakt, sondern wir waren beide gestern vor Ort und haben uns gemeinsam mit der Polizeipräsidentin und dem Landesbranddirektor ein Bild von der Lage gemacht. Was wir dort gesehen und erfahren haben, hat uns natürlich fassungslos gemacht. Wir kennen alle diesen Ort, Sie kennen alle diesen
Ort, und wir können uns nicht annähernd vorstellen, was die Menschen gestern dort erlebt haben müssen.
Tatverdächtig ist ein 29-jähriger Deutsch-Armenier, der 2015 eingebürgert wurde. Uns liegen Erkenntnisse darüber vor, dass der Tatverdächtige in der Vergangenheit psychische Probleme hatte; die genauen Umstände müssen im Rahmen der laufenden Ermittlungen noch geklärt werden. Ich habe gestern erwähnt – weil es dazu Falschmeldungen gab –: Es gibt kein Bekennerschreiben. Im Auto wurden Plakate gefunden; ob und inwieweit diese im Zusammenhang mit der Tat stehen, ist auch Gegenstand der Ermittlungen. Es liegen allgemeinpolizeiliche Erkenntnisse zum Tatverdächtigen vor – zum Beispiel Verfahren wegen Körperverletzung, Hausfriedensbruchs und Beleidigung –, aber keine staatsschutzrelevanten Erkenntnisse; auch im Zusammenhang mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen ist der Tatverdächtige bislang nicht aufgefallen. Deshalb bewerte ich nach derzeitigem Stand das gestrige Geschehen als einen Amoklauf einer psychisch beeinträchtigten Person.
Auch wenn der Sachverhalt in vielerlei Hinsicht anders liegt als am Breitscheidplatz 2016, möchte ich auf eine Sache hinweisen: Wir haben aus den damaligen Erfahrungen gemeinsam gelernt, wie wichtig die Belange und die schnelle Betreuung der Opfer sind. Das Abgeordnetenhaus selbst hat die psychosoziale Notfallversorgung gesetzlich geregelt. Die Umsetzung hat gestern sehr gut geklappt. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei den Einsatz- und Rettungskräften von Polizei, Feuerwehr und den Hilfsorganisationen, den Seelsorgern, der Ärzteschaft, den Pflegekräften und der Kirchengemeinde für die professionelle Arbeit in dieser herausfordernden Situation bedanken. Sie alle haben eine sehr gute Arbeit geleistet.
Auch wenn der Einsatz selbstverständlich ist, möchte ich mich hier bei den Senatsverwaltungen und auch bei den Mitarbeitenden in meinem eigenen Haus sehr herzlich bedanken, die mich bis spät in die Nacht in meiner Lagezentrale unterstützt haben und stets mit allen Akteurinnen und Akteuren, auch aus den Senatsverwaltungen, in Kontakt standen. Allen Verletzten wünsche ich und wünschen wir eine schnelle, vollständige Genesung. – Vielen Dank! Vielen Dank auch an das Hohe Haus, dass ich hier im Rahmen der Fragestunde die Gelegenheit hatte, darüber etwas ausführlicher zu sprechen. Danke schön!
Herzlichen Dank, Frau Senatorin! – Die zweite Frage geht an die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und wird von Frau Schneider gestellt.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat, wie er zum Vorschlag steht, eine Übergewinnsteuer einzuführen.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Vielen Dank, Frau Abgeordnete! Der Senat von Berlin hat sich dafür ausgesprochen, die Einführung einer sogenannten Übergewinnsteuer zu prüfen. Wir reden bei einer Übergewinn- bzw. Zufallsbesteuerung von einer zeitlich befristeten Besteuerung von leistungslosen Gewinnen, in der angelsächsischen Debatte auch als „windfall profits“ bekannt.