Protocol of the Session on April 6, 2017

Natürlich sind wir dafür, dass die deutsche Sprache so gut wie möglich erlernt wird. Wir unterstützen unsere Schülerinnen und Schüler dabei. Es ist aber auch eine Binsenweisheit, wissenschaftlich erwiesen, dass das Erlernen der deutschen Sprache am besten funktioniert, wenn auch die Herkunftssprache adäquat begleitet wird.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Unsinn!]

Das ist das, was wir durch das Stärken des herkunftssprachlichen Unterrichts wollen.

Weil hier ständig Zwischenrufe kommen, ich würde das Thema verfehlen: Befassen Sie sich ein bisschen mit dem Konsulatsunterricht, und befassen Sie sich ein bisschen mit herkunftssprachlichem Unterricht! Das ist etwas ganz anderes als Fremdsprachenunterricht, der zurzeit stattfindet.

[Georg Pazderski (AfD): Einfach mal die Überschrift lesen!]

Dann haben wir noch eine Zwischenfrage von Herrn Woldeit und von Herrn Buchholz.

Oh Gott, das reicht mir jetzt aber!

[Beifall von Antje Kapek (GRÜNE)]

Sie können jederzeit sagen, dass Sie keine weitere Zwischenfrage wünschen.

Genau. Ich möchte keine weiteren Zwischenfragen!

[Zuruf von Canan Bayram (GRÜNE)]

Ich würde kurz zu meiner Rede zurückkommen, und zwar dazu, dass sich die Koalition in ihrem Koalitionsvertrag und auch jetzt in ihrem Vorhaben dazu bekennt, dass wir den herkunftssprachlichen Unterricht weiterentwickeln wollen. Wir wollen in Zukunft nicht, dass Konsulate federführend den herkunftssprachlichen Unterricht für unsere Kinder machen, sondern wir wollen das durch Angebote unseres eigenen Bildungssystems ermöglichen. Deswegen werden wir in der kommenden Plenarsitzung einen eigenen Antrag einbringen, der mehr beinhaltet als reines „Macht das weg!“ der AfD-Fraktion. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat die Kollegin Bentele das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Lasić! Sie können einfach unserem Änderungsantrag zustimmen, dann brauchen Sie keinen eigenen mehr einzureichen! Ich denke, alle Punkte, die Sie angeführt haben, sind darin enthalten.

[Zuruf von Regina Kittler (LINKE)]

Die Türkei entwickelt sich auf eine Art und Weise und die türkische Regierung handelt auf eine Art und Weise, die es absolut notwendig macht, die Beziehungen des Landes Berlin zur Türkei auf allen Ebenen auf den Prüfstand zu stellen.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Aus der Türkei entsandte Staatsbedienstete haben in Deutschland deutsche und türkische Bürger verdächtigt, ausspioniert, drangsaliert und eingeschüchtert. Diese Aktivitäten wurden gezielt aus Ankara angeordnet. Die türkische Regierung hat damit unser Vertrauen und unsere Freundschaft eklatant missbraucht.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Deshalb kann es kein „Weiter so!“ geben. Deshalb kann es auch kein „Weiter so!“ beim türkischen Konsulatsunterricht geben, der auf Vertrauen basiert hat. In Deutschland haben wir hohe Anforderungen an die charakterliche Eignung von Lehrern. Über die aus der Türkei entsandten Lehrer wissen wir außer, dass sie ausgebildete Lehrer sind, nichts. Welche Wertvorstellungen und welche fachlichen Qualifikationen die Lehrer tatsächlich mitbringen, wissen wir nicht. Methoden und Inhalte des Konsulatsunterrichts kennen wir nicht, denn diese werden nicht mit der deutschen Seite abgestimmt.

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Die Senatsverwaltung setzt darauf, dass eventuelle Unregelmäßigkeiten von Schulleitungen gemeldet werden, was natürlich naiv ist, da es kaum Kontakte und die Sprachbarriere zwischen deutschen und türkischen Lehrern gibt. Diese Situation war schon immer schwierig; sie ist nun aber unhaltbar geworden. Deshalb brauchen wir dringend ein Ausstiegsszenario aus dem von Ankara verantwortet Türkischunterricht an unseren Schulen.

[Beifall bei der AfD]

Dieses Ausstiegsszenario fehlt im AfD-Antrag, und deshalb haben wir einen Änderungsantrag vorgelegt.

Rund 2 300 Schüler nehmen im Schnitt zwei Mal 90 Minuten pro Woche am Konsulatsunterricht teil. Dies ist erst einmal eine große, schöne bilinguale Ressource, die wir nicht einfach verlieren dürfen. Deshalb: Ersetzen Sie so schnell wie möglich das Angebot des türkischen

(Dr. Maja Lasić)

Staats durch ein Angebot des Landes Berlin! Schreiben Sie die Eltern an, in welches staatliche Fremdsprachenangebot sie wechseln würden! Eruieren Sie, an welchen Schulen entsprechend welche Kurse eingerichtet werden müssen! Untersuchen Sie endlich, weshalb der bisher angebotene Türkischunterricht auf so wenig Resonanz stößt! Und nicht zuletzt – das ist am wichtigsten: Rekrutieren Sie Lehrer, und bilden Sie endlich Türkischlehrer aus, damit wir in Berlin einen qualitativ guten Sprachunterricht anbieten können!

[Beifall bei der CDU und der AfD]

Was für ein Riesenversäumnis und was für eine Integrationsfehlleistung, dass wir keine in Berlin ausgebildeten Türkischlehrer am Start haben! Wie schwingen Sie sich von der Koalition permanent auf und preisen Heterogenität und Diversität! Ihre bildungspolitischen Entscheidungen bzw. Nichtentscheidungen zeigen aber, dass Sie in keiner Weise interessiert und in der Lage sind, die strukturellen Grundlagen für ein adäquates Angebot für unsere kosmopolitische Schülerschaft zu legen. Mit dem Türkischunterricht stehen wir wieder einmal in einer Sackgasse, weil sich die SPD lieber auf niedrigem Niveau durchwurschtelt, statt verantwortungsvoll und zukunftsorientiert Bildungspolitik zu gestalten.

Das Schlimme dabei ist ja auch wieder, dass man sich an den anderen Bundesländern ein gutes Beispiel hätte nehmen können, aber wir bleiben mal wieder am Berliner Tellerrand hängen. Da es mit dem Ersatz aufgrund der politischen Versäumnisse noch einige Zeit dauern wird, empfehlen wir als Zwischenschritt dringend, eine Arbeitsgruppe oder bilaterale Kommission zu Bildungsfragen mit der türkischen Seite einzurichten, in der nun alle aufgrund des verlorenen Vertrauens offenen Fragen auf den Tisch kommen müssen. Solche bilateralen Kommissionen gibt es auch in anderen Bundesländern. Ich bin mir sicher, dass die Abteilung für auswärtige Kultur- und Bildungspolitik im Auswärtigen Amt beratend zur Seite stehen würde.

Ziel muss es sein, dass der Konsulatsunterricht ab jetzt keine Blackbox mehr sein darf, wie er vom Kollegen Langenbrinck zutreffend genannt wurde. Frau Scheeres! Zeigen Sie Problembewusstsein! Schalten Sie vom Passiv- in den Aktivmodus, und ebnen Sie den Weg für einen modernen, attraktiven, qualitativ hochwertigen Türkischunterricht in Berlin!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Für die Linksfraktion hat die Kollegin Kittler das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Berlin war schon immer eine Einwanderungsstadt. Ende des 17. Jahrhunderts waren es die Hugenotten, die als Religionsflüchtlinge nach dem Edikt von Potsdam so zahlreich kamen, dass sie schon bald ein Fünftel der Bevölkerung stellten. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert waren es dann Menschen aus Schlesien, den Masuren und Pommern.

[Zuruf von Holger Krestel (FDP)]

In den Sechziger- und Siebzigerjahren kamen sie aus Südeuropa, der Türkei und Vietnam als Gast- und Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter in diese Stadt. Inzwischen suchen Menschen aus vielen EU-Staaten, aber auch aus Osteuropa und vom Balkan ihr Glück in Berlin. Wieder andere flüchten vor Krieg, Gewalt und Elend hierher. Fast eine Million der in unserer Stadt lebenden Menschen hat einen sogenannten Migrationshintergrund, und sie machen Berlin bunter. Die größte Gruppe unter ihnen bilden mit rund 200 000 die Berlinerinnen und Berliner mit türkischen Wurzeln. Das sind etwa 6 Prozent unserer Bevölkerung.

[Georg Pazderski (AfD): Und Russen!]

Die Älteren unter ihnen, die der Generation der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter, kamen mehrheitlich mit der Absicht, hier einige Jahre zu leben und dann wieder in ihr Heimatland zurückzugehen. Na ja, aber das Leben spielt eben auch mal anders, und so ändern sich Pläne, und da werden im neuen Zuhause Familien gegründet, Freunde gefunden, Kinder kommen hier zur Welt und in die Schule. Natürlich spielt ein sicherer Arbeitsplatz auch eine Rolle.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ist das eine Märchenstunde?]

Nein, ich versuche gerade, Sie zu bilden!

[Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der AfD – Frank-Christian Hansel (AfD): Danke! – Georg Pazderski (AfD): Also Wikipedia können wir selbst lesen!]

In den Siebzigern sah das wie gesagt noch anders aus, und damals wurde für Kinder sogenannter Wanderarbeiter in den Grundschulen die Möglichkeit geschaffen, in ihrer Mutter- oder Vatersprache durch ihre Konsulate zusätzlichen Unterricht zu erhalten. Das wurde auch beibehalten, als längst klar war, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Berlinerinnen und Berliner, die mal aus der Türkei kamen, eben bleiben wollte. Dass wir hier etwas ändern wollen, haben wir ja bereits in unserer Koalitionsvereinbarung festgelegt. Vielleicht sollten Sie sich damit mal beschäftigen. Vielleicht haben Sie das ja auch und einen Teil jetzt daraus abgeschrieben, weiß ich nicht.

Die Angebote an zweisprachiger Bildung und Erziehung, z. B. für Türkisch, Arabisch und Kurdisch, aber auch von

(Hildegard Bentele)

osteuropäischen Sprachen, werden wir ausbauen. Darüber hinaus wollen wir Möglichkeiten schaffen, die Herkunftssprache als erste bzw. zweite Fremdsprache zu erlernen und bei Prüfungen anzuerkennen. Dass dazu auch Lehrkräfte aus- und weitergebildet werden müssen, dürfte klar sein. Denn wo, werte Frau Bentele, wollen Sie diese denn zum nächsten Schuljahr rekrutieren? – allein der Begriff ist schon nett –, wie es Ihr Antrag fordert. Wie Sie wissen, gibt es auch jetzt schon die Möglichkeit des Besuchs der deutsch-türkischen Europaschule, die wir in ihrer Entwicklung unterstützen müssen und deren Erfahrung wir unbedingt nutzen sollten. Ein entsprechender Antrag der Koalition – Frau Lasić hat es schon erwähnt – zur Gesamtthematik ist auf dem Weg und wird Sie noch im April erreichen.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Nun zum vorliegenden AfD-Antrag: Der gesetzliche Rahmen für die jetzige Möglichkeit des Konsulatsunterrichts ist laut EG-Richtlinie und Schulgesetz gegeben. Dass die AfD hier auch noch einen Unterschied zwischen europäischen und nichteuropäischen Herkunftsländern aufmacht, verwundert ob der Programmatik Ihrer Partei nicht.

[Zuruf von Karsten Woldeit (AfD)]

Den Antrag der AfD, der in seiner Begründung eine Pauschalverurteilung von Konsulatslehrkräften vornimmt und integrationsfeindlich ist, werden wir aus genau diesen Gründen ablehnen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Lachen bei der AfD – Georg Pazderski (AfD): Sie machen sich damit zum Handlanger von Erdoǧan!]