Protocol of the Session on March 23, 2017

[Beifall bei der LINKEN]

Zum Zweiten: Ich glaube, es ist einigermaßen verkürzt, davon auszugehen, dass die Praxis der Vermietung öffentlicher Räume an Vereine eine Erfindung der letzten drei Monate ist. Dass wir darüber reden müssen, ist allerdings richtig.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Erstens: Wir begrüßen Initiativen für den Dialog zwischen verschiedenen Religionen und Weltanschauungen. Wir begrüßen entsprechende Verständigungsinitiativen.

Zweitens: Wir begrüßen und unterstützen es, wenn Seelsorger, wenn Würdenträger verschiedener Religionsgemeinschaften und Weltanschauungen deutlich machen, dass ein so schreckliches Verbrechen wie der Anschlag auf den Breitscheidplatz niemals eine religiöse oder weltanschauliche Legitimation für sich in Anspruch nehmen kann.

Drittens: Abstrakt gesprochen ist es natürlich richtig, dass verantwortliche Politikerinnen und Politiker, wenn sie irgendwo auftreten, sensibel überprüfen müssen, wer die Veranstalter sind.

Viertens: Ebenfalls ganz abstrakt gesprochen bedarf es gegebenenfalls einer sorgfältigen Abwägung zwischen der Breite und Bedeutung eines Bündnisses einerseits und der Beurteilung einzelner Beteiligter andererseits.

Fünftens: Ja, wir müssen darüber reden, inwieweit wir nicht auch mit islamistischen, aber dezidiert sich gegen Gewalt und Terror aussprechenden Vereinen reden, wenn es darum geht, Gewalt und Terror zu bekämpfen.

Sechstens: Wir werden diese notwendigen Debatten nicht auf der Grundlage eines Missbilligungsantrags der AfD führen, einer Partei, die erklärtermaßen den Islam insgesamt ausgrenzen will.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

Herr Zillich! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Woldeit?

Nein. – Abgesehen davon, dass ein Missbilligungsantrag nicht unbedingt eine Einladung zur nüchternen, sachlichen Abwägung ist, kann eine solche Abwägung nicht gemeinsam mit Akteuren getroffen werden, die jede Erwägung als Munition in einem Kulturkampf verwenden, den sie hier führen wollen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Herr Abgeordnete Luthe das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte im Verlauf der Debatte gelegentlich Schwierigkeiten, mich daran zu erinnern, was das Thema des Antrags ist. Wir haben über sehr viele unterschiedliche Sachen jetzt Beiträge gehört: über Raumfragen, über Religionsexegese und viele andere Themen. Die Kernfrage sollte doch sein, und so hatte ich jedenfalls den Tenor des Antrags verstanden: Billigen oder missbilligen wir diesen Auftritt des Regierenden Bürgermeisters an diesem konkreten Tag an diesem konkreten Ort? – Dazu ist unter anderem vorhin die Behauptung geäußert worden – ich kann mich in Anbetracht der hitzigen Diskussion gar nicht mehr erinnern, wer es getan hat –, das sei eine interreligiöse Veranstaltung gewesen, veranstaltet von insgesamt 25 Vereinen. – Veranstaltet hat das, und das können Sie alle nachlesen, die sogenannte Neuköllner Begegnungsstätte e. V. gemeinsam mit der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Das sind zwei. Das ist nicht die evangelische Kirche, das ist nicht die katholische Kirche, es ist im Übrigen ist erst recht nicht die Jüdische Gemeinde gewesen, auch wenn das gelegentlich behauptet wurde.

Die Neuköllner Begegnungsstätte e. V. wird seit geraumer Zeit vom Verfassungsschutz überwacht. Warum? – Nicht etwa, weil es dort Meinungen gäbe, die dort vertreten werden, die vielleicht ein bisschen kritisch sind, sondern weil die Ideologie der Muslimbruderschaft, der diese Gruppierung zugeordnet wird, ganz klar darauf ausgerichtet ist, und ich denke, das sollte zumindest hier im Haus insgesamt bekannt sein, den demokratischen Rechtsstaat, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen und an die Stelle einen religiösen Staat unter dem Banner des Islam zu setzen. Das ist selbstverständlich verfassungsfeindlich. Darüber dürfte es auch keinen Dissens geben. Das wollen wir natürlich nicht.

Insofern ist es tatsächlich die Frage, ob dieser Auftritt die hinreichende Sensibilität gezeigt hat, die man von einem Regierenden Bürgermeister an dieser Stelle erwarten kann. Nachdem dieser Senat, der Senat Müller I, im Übrigen auch schon, nach den Anschlägen von Nizza deutlich gesagt hat, es wäre erforderlich, jetzt entsprechend anders mit diesen Themen umzugehen, nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz zunächst einmal, und zwar ohne Aufklärung der Hintergründe, auch der Fragen, wer denn eigentlich in Berlin, ich erinnere an die Netzwerke Fussilet-Moschee, Dar as-Salam-Moschee, all das, was an Amri mit dranhängt, ohne dass diese Fragen geklärt sind, kann man nicht mit Vereinen und Verbänden, die sich genau so verhalten und das gleiche Ziel vertreten, auftreten. Das halte ich für nicht angemessen.

[Beifall bei der FDP und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ungeachtet dessen brauchen wir eine – und das ist verschiedentlich, auch von Herrn Zillich, zu Recht gefordert worden – solide, fundierte Auseinandersetzung mit dem gesamten Thema und eben halt auch eine Aufbereitung der Hintergründe dessen, was im Namen des Islam in dieser Stadt passiert ist. Dafür brauchen wir eine nüchterne Diskussion. Die werden wir übrigens unter anderem auch in einem Untersuchungsausschuss zu dem Thema Breitscheidplatz führen können. Auf dieser Grundlage können wir entsprechend weiterdiskutieren.

Weder für eine Reinwaschung des Regierenden Bürgermeisters und seinem wirklich unsensiblen Auftritt noch für eine pauschale Verurteilung und die Schlüsse, die in der Antragsbegründung daraus gezogen worden sind, geben wir Freien Demokraten uns her. Deshalb werden wir uns enthalten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Herr Abgeordnete Wesener das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung. Ich habe mich während des ersten Redebeitrags von Herrn Dr. Curio gefragt, wie womöglich Angehörige der Opfer des Attentats auf dem Breitscheidplatz diese Rede und die Debatte verfolgen, was sie darüber denken würden, wie Sie hier aus niederen parteipolitischem Kalkül heraus mit islamophoben Parolen

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ist doch nicht islamophob, er hat den Koran studiert!]

versuchen, ein Thema zu instrumentalisieren, das uns allen so ernst sein sollte, dass wir hier auch vernünftig

miteinander in die Diskussion gehen, auch wenn wir unterschiedliche Ansichten haben. Und ich muss ihnen wirklich sagen, für diese Rede und für das, was hier im Plenum stattgefunden hat, schäme ich mich vor diesen Menschen, vor den Angehörigen der Opfer zutiefst.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf von der AfD: Peinlich!]

Kann man über die Teilnahme an Veranstaltungen, an denen auch Vertreterinnen und Vertreter des legalistischen Islams teilnehmen, streiten? – Ich glaube, ja, das kann man,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Muss man!]

das muss man, sehr gerne. Und es ist in der Tat eine Abwägung, zu welchem Schluss man kommt. Diese Abwägung sollte man auf der Grundlage von Fakten treffen. Weil Sie sich, sehr geehrte Damen und Herren von der AfD, mit Fakten bekanntlich sehr schwer tun,

[Oh! von der AfD]

will ich das noch einmal ganz kurz zusammentragen.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Jetzt kommt der Schlaumeier! – Zuruf von Harald Laatsch (AfD)]

Am 16. März hat eine Veranstaltung auf dem Breitscheidplatz unter dem Motto „Religionen für ein weltoffenes Berlin“ stattgefunden. Im Aufruf dazu heißt es, ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin:

In Zeiten, in denen Terrorakte die Welt erschüttern, Menschenfeindlichkeit die Herzen vieler vergiftet und Verfassungsfeinde den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gefährden, müssen wir gegen Gewalt, Hass und Intoleranz unsere Stimmen erheben und gemeinsam für ein solidarisches und weltoffenes Berlin einstehen.

Zitat Ende.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Karsten Woldeit (AfD): Dazu haben Verfassungsfeinde aufgerufen!]

Fakt ist: Unterstützt wurde die Kundgebung von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg und vom Diözesanrat der Berliner Katholiken. Fakt ist: Eröffnet wurde die Veranstaltung vom Pfarrer der KaiserWilhelm-Gedächtniskirche. Fakt ist: Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Berliner Religionsgemeinschaften, darunter auch muslimische und jüdische.

[Gunnar Lindemann (AfD): Und islamistische!]

Der Vertreter der muslimischen Glaubensgemeinschaft hat sich in sehr klaren Worten von jeder Form von Terror distanziert. Das ist ja häufig eine Forderung, gerade aus diesem Spektrum des Hauses, dass Musliminnen und

(Marcel Luthe)

Muslime in dieser Stadt anlässlich solcher schrecklichen Attentate wie dem auf dem Breitscheidplatz Farbe bekennen sollen. In diesem Fall ist das eindeutig geschehen.

Vor diesem Hintergrund sagen wir: Der Regierende Bürgermeister hat eine richtige Abwägung getroffen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Jetzt lassen Sie mich noch eine Schlussbemerkung machen. Sie haben, Herr Hansel, vorhin in der Debatte über die Rehabilitierung der vom Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen die Frage aufgeworfen, warum andere Fraktionen, warum der Rest dieses Hauses die AfD wahlweise für nicht ganz voll nimmt oder ihnen rechtspopulistische Hetze vorwirft. Ich glaube, Herr Dr. Curio hat die Antwort auf diese Frage gegeben. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Über den Antrag wird sofort abgestimmt. Wer dem Antrag Drucksache 18/0234 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der AfD und der fraktionslose Abgeordnete. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Das sind die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und die SPD.

[Canan Bayram (GRÜNE): Und ein FDPler!]

Oh! Entschuldigung! Ein Abgeordneter der FDP. Vielen Dank für den Hinweis!

[Zuruf: Zwei!]

Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die übrigen Mitglieder der FPD und die Fraktion der CDU. Damit ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.