Protocol of the Session on December 10, 2020

Umso wichtiger ist die Eigenverantwortung, und die Bürgerinnen und Bürger sind zum überwiegenden Teil eigenverantwortlich und wissen, dass vieles nicht geht. Ich sage es hier noch mal: Jeder muss sich das selbst fragen: Ist wirklich innerhalb Deutschlands eine Reise zu den Verwandten im Rahmen der Weihnachtsfeiertage nötig,

[Gunnar Lindemann (AfD): Ja! – Weitere Zurufe von der AfD: Ja!]

oder kann man nicht auch darauf verzichten? Ist es nötig, Heiligabend zusammenzukommen mit acht oder zehn Menschen, oder kann man nicht auch darauf verzichten?

[Georg Pazderski (AfD): Wir verzichten ja auch nicht auf Clanbeerdigungen!]

Ist es nötig, tatsächlich Silvester im großen Freundeskreis zu feiern, oder geht es nicht in diesem Jahr auch mal anders? Ich glaube, alles das geht, und alles das ist auch machbar und umsetzbar.

Zum dritten Mal: Es ist eine weltweite Krise, die nicht wegzudiskutieren ist, und in einer Krise muss man anders handeln als in normalen Zeiten. Ich glaube, mit den Maßnahmen bis zum 10. Januar 2021 den Einzelhandel runterzufahren, den Schulbetrieb im Präsenzunterricht einzustellen, die Kontakte zu reduzieren, insgesamt keine Reisetätigkeit zu haben, viele werden nicht arbeiten gehen in dieser Zeit,

[Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

ich glaube, diese zweieinhalb, drei Wochen ermöglichen uns ganz viel an Gesundheits- und Infektionsschutz. Es gibt dann in diesen Phasen deutlich weniger Kontakte, dass es uns wieder gelingen kann, die Inzidenzen deutlich herunterzufahren, die Kontaktverfolgung wieder deutlich besser zu organisieren, Menschen besser zu schützen und unsere Intensivstationen zu entlasten. Wenn Sie den Satz hören wollen sage ich ihn gerne: Ich kann es nicht garantieren.

[Zuruf von Andreas Wild (fraktionslos)]

Kein Ministerpräsident, keine Ministerpräsidentin, keine Kanzlerin kann es garantieren, kein Wissenschaftler. Aber wir haben damit alle Chancen, die wir uns eröffnen,

um auch die entlastende Zeit zu erreichen, bis wir deutlich mehr Impfstoffe zur Verfügung haben, Menschen impfen und sie auch auf diesem Wege schützen können.

Ja, das ist kein normales Jahr, und es sind auch keine normalen Feiertage, die vor uns liegen.

[Gunnar Lindemann (AfD): Doch! Wird ganz normal werden!]

Es sind Feiertage, die wir im kleinsten, im engsten Familienkreis sehr wohl miteinander begehen können. Es sind Feiertage, in denen wir uns vielleicht noch einmal bewusst machen können, was wir gemeinsam schon erreicht haben, um Menschen zu schützen, und was wir gemeinsam noch tun müssen, um weiter Menschen zu schützen, gerade Menschen, die uns nahestehen in unserem Freundes- und Familienkreis. In diesem Sinne bitte ich Sie weiterhin um die Unterstützung und Solidarität für unseren politischen Weg. – Vielen Dank!

[Anhaltender Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Gunnar Lindemann (AfD): Niemals!]

Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden. Zu dem Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 18/3204 „Vierzehnte Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung“ ist eine sofortige Abstimmung vorgesehen. Wer den Antrag der Fraktion der FDP annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die FDP-Fraktion, die AfDFraktion, die fraktionslosen anwesenden Abgeordneten Luthe, Nerstheimer und Wild. Gegenstimmen? – Das sind die Koalitionsfraktionen und die CDU-Fraktion. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Zweites war die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe, wie vor Eintritt in die Tagesordnung beschlossen, vorgezogen auf

lfd. Nr. 9 A:

Vierzehntes Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung vom 9. Dezember 2020 Drucksache 18/3232

zum Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP Drucksache 18/3179

Zweite Lesung

in Verbindung mit

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

lfd. Nr. 25 A:

Zweite Änderung der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin (GO Abghs)

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung vom 9. Dezember 2020 Drucksache 18/3234

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP Drucksache 18/3180

Der Dringlichkeit hatten Sie bereits eingangs zugestimmt. Ich eröffne die zweite Lesung der Gesetzesvorlage. Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung, die Artikel I und II und schlage vor, die Beratung der Einzelbestimmungen miteinander zu verbinden. – Widerspruch hierzu höre ich nicht. In der Beratung beginnt die SPD-Fraktion und hier der Kollege Schneider. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss auf ein Ereignis hier in diesem Saal zurückkommen, als sich der Hauptausschuss ohne fachliche Zuständigkeit, aber aufgrund einer Überweisung nun ausgerechnet mit Bildungsfragen zu einer Anhörung getroffen hat. Das Ereignis, das ich meine, waren im Prinzip zwei: Die Meldung aus Hamburg, dass das dortige Verwaltungsgericht zu der Einschätzung gekommen ist, nach über sieben Monaten läge ein Fall legislativen Unterlassens vor, dass es keine hinreichende gesetzliche Regelung für die Bewältigung der Pandemie gäbe. Das ist dann später vom OVG mit Zeitgewinn vorläufig eingesammelt worden.

Die andere Einschätzung, heute will ich mal das Organ nicht nennen, das habe ich nun schon gesagt, war: Was soll das denn eigentlich sein? Das Parlament soll sich mal nicht so haben. Dann sagt eben der Präsident, das wäre nicht das erste Mal, eine Parlamentssitzung ab.

Der Widerspruch zwischen diesen beiden Einschätzungen ist fulminant. Wir haben uns heute hier verabredet, den richtigen Weg zu gehen. Es geht nicht nur darum, dass wir hier die politischen Debatten führen im Angesicht der Opposition, auch eingeschlossen skurrile Debattenbeiträge aushalten. Das ist nämlich wesentlich für eine Demokratie. Es geht darum, dass wir in einer pandemierelevanten Situation in höchster Not waren und dass die Einschläge in der Judikative und in der Legislative, jenseits von etwaiger Eitelkeit, kurz vor einem Kipppunkt waren, dass es keine Rechtsgrundlagen mehr gibt, steuernd einzugreifen. Das führte auch zu meiner Kritik am Fraktionsvorsitzendenkollegen im Deutschen Bundestag der CDU, der dieses Thema auf die nächste Pandemie verschieben wollte. Das hat sich jetzt geklärt.

Der Deutsche Bundestag hat das Infektionsschutzgesetz novelliert, und ohne ihn wäre es nicht gegangen. Damit hat er grundsätzliche Entscheidungen getroffen. Bei aller Kritik, ich habe die wissenschaftlichen Beiträge im Anhörungsverfahren noch nicht alle gelesen, aber sie sind nicht unbeachtlich. § 28a hat zunächst einmal politisch eine Strategie für die gesamte Bundesrepublik festgelegt. Wir brechen Infektionswellen, wir reiten sie nicht. Das ist vom Bundesgesetzgeber entschieden, und das ist nicht der Abs. 5, den der Kollege Luthe adressiert hat. Das ist Abs. 3 des § 28a Infektionsschutzgesetz. Es ist nicht irgendein Annex, sondern es ist eine politische Zielvorgabe mit der denkbaren Konsequenz, dass ungeeignete Maßnahmen möglicherweise auf gar keiner rechtlichen Anspruchsgrundlage bestehen. Das muss jedem klar sein, der Entscheidungen trifft. Das bedeutet – und das unterscheidet uns neben vielen anderen Punkten zum Beispiel von Ihnen in der AfD, aber bedauerlicherweise auch von der FDP –: Politische Führung muss, je ernster eine Krise ist, desto professioneller und emotionsfreier führen. Sie muss insbesondere die Kraft aufbringen, sich zu korrigieren. Dazu gehört auch, dass wir uns alle von jeder Eitelkeit befreien, nach dem Motto: Das haben wir doch damals schon gesagt oder jenes gewusst. Da gibt es noch ein infernales Missverständnis, das ich im Nachgang zu dieser Sitzung, zu dieser Anhörung wahrgenommen habe, dass es nämlich zu einem Eklat im Parlament gekommen sei im Zuge dieser Anhörung, man hätte sozusagen die Bildungspolitik kritisiert. Das sagt nichts über dieses Parlament, aber viel über die, die so etwas aufschreiben.

[Lachen von Paul Fresdorf (FDP)]

Es ist nämlich unsere Aufgabe, zu hinterfragen und professionell abzuwägen. Ich will hinzufügen: Niemand hat die Bildungspolitik oder den Regierenden Bürgermeister oder die Ministerpräsidenten kritisiert.

[Heiko Melzer (CDU): Na ja!]

Wir haben Fragen gestellt, und ich will das sagen, was der Regierende Bürgermeister bei uns in der Fraktion auch schon gesagt hat: Es ist ein großer Erfolg, und es ist die fulminante Aufgabe, in jedem Politiksektor das Maßgebliche für das jeweilige Politikfeld zu formulieren und zu vertreten.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vallendar?

Ich gestatte keine Zwischenfragen. – Es ist diese Aufgabe, und unsere Bildungspolitiker jenseits der einen oder anderen Argumente, wo wir Meinungsverschiedenheiten haben – – Ich habe mir eigentlich vorgenommen, das heute hier nicht auszutragen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Zum Thema, Herr Kollege! ]

(Vizepräsidentin Cornelia Seibeld)

Ich rede über die parlamentarische Beschlussfähigkeit, die wir heute hier sicherstellen und warum die so erforderlich ist. – Eine Wortmeldung allerdings heute, dass die Einschätzung der gesamten Wissenschaft in Deutschland aus der Zeit gefallen sei, lasse ich mal so im Raum stehen, weil sich dahinter möglicherweise ein Missverständnis verbirgt, nämlich Politik gegen alle zu machen, gegen die Gewerkschaften, gegen die Schüler, die Elternvertreter und jedes Wissenschaftsinstitut Deutschlands, sei es Leibniz, Helmholtz, es fallen mir gar nicht alle ein, Charité usw., die uns jetzt sagen: Es besteht neuer Handlungsbedarf. Die Kraft und die Abwägung bestehen darin, sich zu korrigieren. Der Bundestag hat gesagt, wo es hingeht. Bei einer Inzidenz über 35 müssen schnelle Maßnahmen ergriffen werden, davon runterzukommen.

[Andreas Wild (fraktionslos): Aberglaube!]

Sie haben gar keinen Glauben, das glaube ich jedenfalls!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Bei einer Inzidenz von 50 oder höher pro 100 000 Einwohner müssen nachhaltige Maßnahmen zur Eindämmung getroffen werden. Von einer Inzidenz von 200 oder irgendetwas anderem hat der Gesetzgeber in seiner Einschätzungsprärogative keinen Gebrauch gemacht, deshalb sind die parlamentarischen Entscheidungen strukturprägend. Sie sind bindend. Und damit das jetzt hier nicht wieder irgendwie missverstanden wird: Ich lobe die Bildungs- und Wissenschaftspolitikerinnen unserer Fraktionen ausdrücklich, und auch die Bildungssenatorin. Denn was sie im Sommer und darüber hinaus geleistet haben – Steuerungsmechanismen für den politischen Anspruch: Wir wollen Schulbildung! – sicherzustellen, das ist bundesweit maßstabprägend.

[Mario Czaja (CDU): Bringen Sie mal die Kreide nach vorne!]

Heute sind wir aber eben an einem neuen Bewertungspunkt. Wir sind an der strategischen Entscheidung: Folgen wir dem Deutschen Bundestag? Fahren wir über Monate mit Halbheit? – Das müssen Sie in der FDP für sich aufklären: Wie Sie die Shoppingmalls öffnen wollen, den Einzelhandel offen halten wollen, die Schulen offen halten wollen – das ist so unplausibel wie die Wortbeiträge aus dem Off dort hinten, die ja gar nicht einlassungsfähig sind. Das müssen Sie für sich bewerten.

[Beifall bei der SPD – Paul Fresdorf (FDP): Mäßige dich mal bitte!]

Oder kommen wir zu der Einschätzung: Nein, es ist für die Wirtschaft, es ist für die Gesundheit, es ist für das politische Selbstverständnis bis hin zum gesellschaftsrelevanten Verfangensvermögen solcher Thesen, die hier von den Gegnern unserer parlamentarischen Demokratie vertreten werden, der bessere Weg, konsequent und kurz innerhalb eines Inkubationszyklus – –

[Marc Vallendar (AfD): Die Rede ist fast so verwirrend wie die von Herrn Wild ! – Ülker Radziwill (SPD): Tolle Rede, Torsten, mach weiter! – Weitere Zurufe von der AfD]