Protocol of the Session on December 10, 2020

Dieses Vorgehen hat folgende Vorteile gegenüber dem bisherigen Vergabeverfahren, bei dem das EVU auch das Eigentum an den Fahrzeugen besitzt: Erstens können die Fahrzeuge günstiger erworben werden, weil wir bessere Finanzierungskonditionen als ein Verkehrsunternehmen erhalten. Damit bauen wir auch ein kommunales Vermögen auf und können die gesparten Gelder für mehr S-Bahnfahrzeuge oder mehr Bahnverkehr einsetzen.

Zweitens macht uns das Vorgehen unabhängiger von einem Betreiber, weil die S-Bahnfahrzeuge als Spezialfahrzeuge nur hier im Berliner S-Bahnnetz betrieben werden können. Deshalb konnte bisher bei andauernder

(Vizepräsidentin Cornelia Seibeld)

Schlechtleistung eines EVU auch kein anderes Eisenbahnunternehmen beauftragt werden, weil die ja nicht die entsprechenden Spezialfahrzeuge hatten.

Drittens kann so die Instandsetzung über den gesamten Lebenszyklus der Züge von 30 Jahren an einen Instandhalter gegeben werden. Ist der Hersteller noch in diesen Prozess eingebunden, ist davon auszugehen, dass Fahrzeuge so konstruiert werden, dass die dreißigjährige Instandhaltungsnotwendigkeit bei der Konstruktion berücksichtigt wird. Das führt zu höherer Fahrzeugqualität.

Im Fall der Vergabe des Teilnetzes Ring/Süd-Ost haben wir das Problem, dass wir nach Ablauf der Vertragszeit von 15 Jahren die jetzt zur Auslieferung kommenden Fahrzeuge der Baureihe 483/484 übernehmen müssen, ohne Einfluss auf die Instandhaltung zu haben.

Viertens bietet dieses Vorgehen die Möglichkeit weiterer Bewerbungen für den Betrieb, weil die hohen Fahrzeuganschaffungskosten von gut 3 Milliarden Euro nicht anfallen. Das wiederum verhindert Monopolpreise. Bei der jetzt auslaufenden Ausschreibung für die Teilnetze NordSüd und Stadtbahn sollen mindestens 1 308 SBahnwagen – das sind 327 Halbzüge mit vier Wagen – beschafft werden. Für die geplante Erweiterung des SBahnnetzes im Rahmen von i2030 – Herr Friederici, Sie werden ja nachher dazu reden – nach Velten, Finkenkrug, Stahnsdorf, Rangsdorf und die Verlängerung der Siemensbahn können optional weitere 213 Halbzüge beschafft werden.

Mit der Landesanstalt, der Beschaffung neuer Züge und der Vergabe des Betriebs der beiden Teilnetze werden sich zahlreiche Angebots- und Qualitätsverbesserungen für die Fahrgäste ergeben. Die Kapazität wird mit der Beschaffung von mehr Zügen, dem Infrastrukturausbau und der Verdichtung der Takte deutlich ausgebaut. Damit schaffen wir ein erweitertes, barrierefreies und attraktives Angebot bei der S-Bahn zugunsten der Berliner und Berlinerinnen und der vielen Pendler und Pendlerinnen aus dem Berliner Umland und damit eine umwelt- und klimafreundliche Mobilitätsalternative zum MIV. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Sven Kohlmeier (SPD)]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Friederici das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Moritz! Ich fand das erstmalig doch sehr fair, dass Sie jetzt mal für eine verkehrspoliti

sche Debatte in die Bütt gestiegen sind und dass diese Koalition nicht immer den Sozialdemokraten Tino Schopf nach vorne schickt, an dem ich mich dann reiben muss. In diesem Fall kommt es mir ganz gut zupass, lieber Herr Moritz, dass Sie für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als quasi Generalvertretung für diese Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz in die Bütt gestiegen sind, denn bei Ihrem großen FünfPunkte-Fahrplan, den Sie hier so positiv darstellten, haben Sie eines doch ganz deutlich vergessen: Es hat in dieser Koalition aus SPD, Linken und Grünen sage und schreibe drei Jahre gedauert, bis Sie sich überhaupt darauf verständigt haben, dass es neue Fahrzeuge für die beiden Teilnetze 2 und 3 gibt. – Das ist der eigentliche Skandal dieser ganzen Verfahrensweise bei der Berliner S-Bahn, denn wir hätten das, was wir heute hier besprechen, schon längst machen können – im ersten Jahr Ihrer Regierung.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Moritz?

Sehr gerne.

Bitte schön!

Herr Friederici! Wie lange hat denn die Ausschreibung und das Ausschreibungsverfahren bei der Vergabe von Ring- und Süd-Ost-Netz in Ihrer Koalition gedauert? Wie viele Jahre haben Sie dafür gebraucht?

Ich bin Ihnen für diese Frage sehr dankbar, Herr Moritz, denn ich kann mich an diese Gespräche in der Koalition mit den Sozialdemokraten erinnern.

[Sven Kohlmeier (SPD): Wir auch, sehr gut sogar!]

Ich kann mich genau daran erinnern, wie wir damals unter dem Verkehrsstaatssekretär Gaebler und dem Senator für Verkehr, Michael Müller, uns genau sechs Monate dafür Zeit genommen haben, und dann stand die Einigung. Sie brauchten drei Jahre dafür. Also ich weiß nicht, wer da besser war. Ich glaube, das war dann doch die Koalition aus CDU und SPD seinerzeit.

[Heiterkeit und Beifall bei der CDU]

Ich sage es Ihnen mal ganz deutlich: Im Kern bleibt nach drei Jahren Streit in dieser Koalition aus SPD, Linken und Grünen jetzt in dieser aktuellen Wahlperiode übrig,

(Harald Moritz)

dass Sie fast das gleiche Modell gewählt haben wie wir damals unter SPD und CDU, aber Sie haben es komplizierter gemacht. Im schlimmsten Fall kann es für das Teilnetz 2 und 3 passieren, dass wir sechs verschiedene Anbieter haben werden, die sich dann wahrscheinlich bei Betriebseinschränkungen, bei Problemen in heftigen Wintern oder bei Arbeitskampfmaßnahmen gegenseitig die Schuld zuschieben. Aber das ist dann Ihre Verantwortung. Darauf werde ich immer wieder hinweisen, wenn es dann mal hakt.

Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Sie brauchen drei Jahre, um sich auf das Koalitionsvorhaben zu einigen, die Teilnetze 2 und 3 auszuschreiben, und Sie werden jetzt nach Lage der Dinge noch genau zehn Monate regieren. Ich glaube, es kommt nicht zu einer Verlängerung von RotRot-Grün, denn so doll lieben Sie sich ja nicht in dieser Koalition.

[Sven Kohlmeier (SPD): Darum geht es nicht!]

Also innerhalb der nächsten zehn Monate werden Sie niemals zu einer Vergabe im Berliner S-Bahnnetz für Teil 2 und 3 kommen, wenn Sie schon drei Jahre für eine Grundentscheidung brauchen, jetzt erst mal das Anhörungsverfahren beginnen, das Interessenbekundungsverfahren und dann die Anbieter auswählen. Das schaffen Sie nie. Das ist eine Hürde, die Sie der nächsten Koalition auferlegen, und es ist so ziemlich Konsens in dieser Stadtgesellschaft, dass die nächste Verkehrsverwaltung in Berlin mit Sicherheit nicht von den Grünen geführt wird.

[Beifall bei der CDU – Zurufe von den GRÜNEN]

Von daher bleibe ich da ganz entspannt, dass eine neue Koalition mit neuen Grundlinien sich relativ schnell darauf einrichtet, dass ein Vergabeverfahren schlanker, effizienter und deutlich besser für die Fahrgäste und die Mitarbeiter der Berliner S-Bahn organisiert werden kann.

Jetzt komme ich mal zu diesem Vorhaben, das Sie hier als Koalition vorlegen, nämlich ein Senatsvorhaben. Mangels eigener Antragsinitiative müssen Sie eben etwas aus dem Senat hier zur Diskussion und zur Abstimmung stellen. Jetzt werden Sie sich wahrscheinlich wundern: Die Berliner CDU-Fraktion unterstützt das Senatsvorhaben, eine Landesanstalt Schienenfahrzeuge für die Berliner S-Bahn zu gründen. Als Fahrzeugeigentümer ist dieses Vorhaben für Berlin elementarer Bestandteil der Vergabekonzeption zur Beauftragung von Schienenpersonennahverkehr-Leistungen – ein kleiner Hinweis für das Protokoll: Das waren vier Substantive in einem Wort – auf den Teilnetzen Nord-Süd und Stadtbahn des Berliner S-Bahnnetzes unter wettbewerblichen Bedingungen. Nun haben Sie eben drei Jahre dafür gebraucht, und daran werde ich Sie immer wieder erinnern. Sie haben dargelegt, Herr Moritz – es ist ja nicht alles schlecht, was Sie in Ihrem Fünf-Punkte-Plan darlegen –, dass die Realisierung von Kostenvorteilen bei der Finanzierung und Bilanzierung der Fahrzeuge durch die Schaffung eines lan

deseigenen Fahrzeugpools erreicht werden kann und soll – und ich sage auch: muss.

Deswegen wird die CDU-Fraktion dem Vorhaben der Koalition zustimmen. Hier sind Sie mal auf der richtigen Linie. Und ich sage es Ihnen ganz deutlich: Sind wir im Jahr 2021, haben wir eine andere Regierungskoalition. Ich würde auch nicht nach dem September 2021 anders darüber reden. Deswegen wird die CDU-Fraktion dieses Vorhaben der Koalition unterstützen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Heinemann das Wort.

[Torsten Schneider (SPD): Los Sven! Nun stell mal klar: Wir sind die Guten!]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Rot-Rot-Grün hat bereits massive Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr auf den Weg gebracht. Für neue Strecken und Bahnhöfe für die S-Bahn und den Regionalverkehr sowie für Netzoptimierungen hat die Koalition das Programm i2030 mit einem geplanten Volumen von rund 7 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren angeschoben. Im heute zu beschließenden Nachtragshaushalt sind dafür weitere

30 Millionen Euro für Verpflichtungsermächtigungen für die nächsten Leistungsphasen der Planung eingestellt, und der neue Verkehrsvertrag mit der BVG mit einem deutlichen Plus von fast 3 Milliarden Euro bis 2035 ist auf der Zielgeraden, auch wenn wir hier als Parlament noch mal draufgucken wollen.

Die SPD will in der kommenden Legislaturperiode zusätzlich noch ein Programm „u2030“ für zusätzliche UBahntunnel ergänzen.

[Beifall bei der SPD]

Die Begeisterung in der Stadt für die neue U5 gibt uns recht. Und nach der erfolgreichen Ausschreibung des SBahnbetriebs der Berliner Ringbahn und deren Zulaufstrecken mit neuen Fahrzeugen ab Januar 2021 stellen Senat und Regierungsfraktionen jetzt die Weichen für die Zukunft des weiteren S-Bahnbetriebs.

Für neue Fahrzeuge und den Betrieb auf den anderen beiden Teilnetzen Stadtbahn und Nord-Süd haben wir für die notwendige Ausschreibung und Vergabe im Doppelhaushalt 2020/2021 eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von fast 8 Milliarden Euro eingestellt. Damit sichern wir den S-Bahnbetrieb auf beiden Teilnetzen für die nächsten 15 Jahre ab sowie die Beschaffung und

(Oliver Friederici)

Instandhaltung der Fahrzeuge über einen Zeitraum von 30 Jahren.

Die Gründung der Landesanstalt Schienenfahrzeuge Berlin ist dafür ein wichtiger Baustein. Damit baut das Land Berlin einen eigenen Fahrzeugpark auf und stärkt damit die kommunale Daseinsvorsorge. Langfristig kann so auch neben der BVG ein weiterer landeseigener Betrieb für die S-Bahn entstehen. Für die Kapitalausstattung der Landesanstalt hat die Koalition 200 Millionen Euro aus der Rücklage für die S-Bahn-Fahrzeuggesellschaft sowie 113 Millionen Euro aus dem S-Bahn-Ansparfonds des Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt zur Verfügung gestellt. Zur Finanzierung der Gesamtinvestitionen wird sich die Landesanstalt selbstständig am Finanzmarkt bedienen müssen. Wie sie das macht, wird noch zu entscheiden sein. Bei der Beratung in den Ausschüssen werden wir entscheiden müssen, inwieweit das Parlament die Landesanstalt kontrolliert.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Die Berliner S-Bahn stellt der Rückgrat des öffentlichen Personennahverkehrs und auch des Umweltverbundes der Metropolenregion Berlin-Brandenburg dar. Deshalb hat die Koalition über den richtigen Weg für die Zukunft der S-Bahn hart gerungen, weil eben jeder Koalitionspartner hier andere Prioritäten hatte und wir hier eine einheitliche Position herstellen mussten. Es zeigt eben auch, wie wichtig jeder der Parteien dieses Thema ist.

Mit dem Kombinationsverfahren ist es gelungen, die Sicherung von Qualitäts- und Preisvorteilen durch ein gutes Wettbewerbsverfahren zu sichern. Für die SPDFraktion bleibt es dabei: Mehr Wettbewerb darf zu keiner Zerschlagung der Berliner S-Bahn und zu einer Gefährdung des Betriebes sowie zu Nachteilen für die SBahnerinnen und S-Bahner führen.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Kristian Ronneburg (LINKE)]

Deshalb ist es nur konsequent, dass die Verpflichtungsermächtigung zu der aktuellen S-Bahnausschreibung gesperrt ist. Die endgültigen Verträge können deshalb erst geschlossen werden, wenn diese Sperre durch das Abgeordnetenhaus aufgehoben wird. Der Senat wird dem Parlament im Jahr 2022 seine Entscheidung und die Gründe dafür vorlegen müssen, die zum vorgesehenen Zuschlag auf den oder die ausgewählten Bieter geführt haben. Dies muss der Senat bei den Verhandlungen im Kombinationsverfahren immer berücksichtigen. Das ist auch gut so, denn so eine wichtige Weichenstellung für den S-Bahnverkehr in Berlin und Brandenburg müssen letztlich wir Parlamentarier treffen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Lindemann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kollegen! Liebe Berliner! Mit diesem Antrag hier zeigen uns die linksgrünen Verkehrsverhinderer ihr wahres Gesicht.