Protocol of the Session on November 19, 2020

Herr Hansel, Sie haben die Möglichkeit der Nachfrage. – Bitte schön!

Dennoch muss es erlaubt sein, konkret nachzufragen: Wozu mussten Restaurants und Kultureinrichtungen Millionen in Hygieneschutz investieren, um genau dem Rechnung zu tragen, was gefordert worden ist? Es geht um den nicht nachgewiesenen sachlogischen Bezug zum Infektionsgeschehen, wenn diese Investitionen vorgenommen worden sind. Insofern: Warum bleiben Restaurants und Kultureinrichtungen, die in Infektionsschutz investiert haben und alles tun, damit genau das vermieden wird, worüber wir reden, weiterhin geschlossen?

[Torsten Schneider (SPD): Das hat sie beantwortet!]

Frau Senatorin, bitte schön!

Die Gastronominnen und Gastronomen, die investiert haben, stellen uns diese Frage auch. Mit denen sind wir regelmäßig im Gespräch, und deswegen kann ich hier in dieser Runde noch einmal sagen, dass unser Schankwirtschaftsprogramm, das wir hier in Berlin ausgerufen haben, am Montag startet. Bei der IBB sind die Anträge online zu stellen. Das Programm, um die Sperrstundenauswirkungen des Teillockdowns für den November abzumildern, kommt vom Bund mit der Novemberhilfe. Da sind wir in den letzten Zügen der Verhandlungen, der Diskussionen mit dem Bund, wie die Ausgestaltung dort sein soll, sodass wir hoffen, dass diese Novemberhilfe alsbald in den kommenden Wochen an den Start gehen kann, was für die Gastronomie – gerade für die von den Schließungen sehr unmittelbar betroffenen, aber auch für die mittelbar betroffenen Branchen – eine große Hilfe und Erleichterung sein wird.

Natürlich sind wir besonders froh, dass auch die Soloselbständigen mit der Novemberhilfe endlich wieder eine Unterstützung erhalten können. Daran haben wir lange miteinander gearbeitet.

Zu der anderen Frage kann ich zurückfragen: Wenn Sie sagen, dass man andere Einrichtungen wieder öffnen muss, was wollen Sie stattdessen schließen? Wir sind in einer Situation, in der wir Kontakte deutlich reduzieren müssen, und dies erreichen wir nur durch deutliche und starke Kontaktbeschränkungen. Wer sagt: Bestimmte Einrichtungen müssen öffnen. –, der muss auch sagen, welche anderen Einrichtungen dafür geschlossen werden sollen. Das ist die Bringschuld, die Sie dann hier haben, eine Alternative zu formulieren. Als wir mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten beraten haben, waren wir in der Situation, dass wir bundesweit und, ich glaube, europaweit nicht mehr nachverfolgen konnten, wo die Infektionen stattgefunden haben. Das heißt, die Evidenz, dass es hier Infektionsherde gab und dort nicht, gab es nicht mehr. Wir sind in einem Zustand, in dem, glaube ich, 90 Prozent der Infektionen nicht mehr zurückzuverfolgen sind.

Deswegen funktioniert diese erst einmal logisch klingende Kette: „Bei mir hat keine Infektion stattgefunden, und deswegen darf ich meine Einrichtung offenhalten.“ – nicht mehr, weil man gar nicht mehr sagen kann, ob da Infektionen stattgefunden haben oder nicht. Da die Rückverfolgung nicht mehr möglich gewesen ist, ist die Leitlinie, Kontakte zu beschränken, zu reduzieren und zu minimieren, wo immer es geht, notwendig – so schwer es uns auch fällt, weil wir als Menschen soziale Wesen sind. Wir müssen Kontakte beschränken und reduzieren und das noch eine gewisse Zeit durchhalten. Wer sagt: Hier und da dürfen Kontakte nicht beschränkt werden –, der muss sagen, wo stattdessen Beschränkungen stattfinden sollen. Wenn Sie dafür sagen, wir sollen lieber Schulen und Kitas schließen, dann ist das eine Position, aber die habe ich von Ihnen nicht gehört. Insofern höre ich da nichts Konstruktives, sondern nur Grundsatzkritik, die jeder Grundlage entbehrt.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Die zweite Nachfrage geht an Herrn Abgeordneten Kluckert. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Wir haben ja bei der letzten Öffnung gesehen, dass es viele schwarze Schafe gab, die nicht sanktioniert und auch nicht kontrolliert wurden. Wird denn von Seiten des Senats schon daran gearbeitet, dass, wenn die Gastronomie mal wieder aufmachen sollte – das wird sie ja –, dann auch Konzepte

vorliegen, wie man das besser machen kann? Oder wird das wieder alles so unvorbereitet ablaufen, wie das beim Senat üblich ist?

Frau Senatorin, bitte schön!

Jetzt antworte ich für einen Zuständigkeitsbereich, der eigentlich gar nicht meiner ist: der die Kontrolle durch die Ordnungsämter und die Polizei betrifft, aber wir befassen uns auch damit intensiv. Auch das ist ein Thema, das nicht Berlin alleine betrifft. Es ist immer hilfreich, sich ein bisschen die Zeit zu nehmen, auch über den Berliner Tellerrand hinauszuschauen, obwohl Berlin ganz großartig ist und wir alle am liebsten natürlich nur gucken, was hier passiert, und uns nur hier aufhalten. Wir sind als Berlin natürlich immer den Nabel der Welt, aber es gibt überraschenderweise auch eine Welt außerhalb von Berlin, und auch dort herrschen ähnliche Schwierigkeiten, bei dieser Fülle an Gastronomieeinrichtungen, die Großstädte und Ballungsräume haben, jede und jeden einzelnen zu kontrollieren. Ich habe die genaue Zahl der Ordnungswidrigkeiten, die ausgesprochen worden sind, nicht im Kopf, aber wir haben erlebt, dass teilweise Kneipen und Bars, von denen man explizit wusste, dass dort die Maskenpflicht nicht vollzogen wurde u. Ä., stärkeren Kontrollen unterzogen worden sind – bis hin zu Teilschließungen.

Ich will nur auf ein Problem hinweisen, worauf uns die Bezirksbürgermeisterinnen und Bezirksbürgermeister

hingewiesen haben: Ordnungswidrigkeiten haben auch einen Widerspruchsweg. Das heißt, bis man den Erfolg einer ausgesprochenen Ordnungswidrigkeit auch tatsächlich in der Zahlung eines Bußgeldes erkennt, vergeht eine gewisse Zeit, weil die Widerspruchmöglichkeit, die rechtstaatlich bei Ordnungswidrigkeiten gegeben ist – die wir aus anderen Bereichen ja auch kennen –, da ist. Deswegen erscheint das erst einmal so, als dauerten die Dinge lange, aber das ist der rechtsstaatliche Weg, den wir bei Ordnungswidrigkeiten nun einmal entschieden haben zu beschreiten. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Monaten dort deutlichere Erfolge sehen werden.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Damit ist die Fragestunde für heute beendet.

Wir kommen zur

(Bürgermeisterin Ramona Pop)

lfd. Nr. 3:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Ich rufe auf die

lfd. Nr. 3.1:

Priorität der Fraktion der CDU

Tagesordnungspunkt 40 A

Extremismusbekämpfung an Schulen: 24/7-Notfallstelle einrichten

Dringlicher Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/3174

Der Dringlichkeit haben Sie bereits eingangs zugestimmt. – In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU. Es hat das Wort der Abgeordnete Stettner.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Eltern, Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die grausamen Morde in Wien und Frankreich haben uns sicher alle entsetzt. Wir leben in einer offenen und toleranten Gesellschaft. Religiöse und politische gewalttätige Fanatiker haben keinen Platz in unserer Gemeinschaft.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Martin Trefzer (AfD)]

Sie dürfen nie einen Platz haben, und sie gehören in keinem Fall zu uns.

[Paul Fresdorf (FDP): So ist es!]

Ich bin bis heute tief erschrocken über den Mord an Samuel Paty. Ein Lehrer nimmt seine Aufgabe als Berufung wahr, erklärt und wirbt für Meinungsfreiheit, Toleranz und Aufklärung. Dafür wurde er von einem islamistischen Fanatiker geköpft, grausam ermordet und zur Schau gestellt. – Ich habe tiefes Mitgefühl mit den Opfern in Wien, Samuel Paty und seiner Familie, und ich fühle große Wut, Wut auf diese gewalttätigen Extremisten, egal aus welcher Richtung, egal mit welchem wirren Weltbild. Keine Religion, keine politische Überzeugung rechtfertigt Morde.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Das ist für uns sicherlich eine Selbstverständlichkeit, aber wir müssen uns eingestehen, dass es auch in unserer Gesellschaft gewalttätige Extremisten gibt. Wir können nicht hundertprozentig verhindern, dass Menschen sich radikalisieren bzw. radikalisiert werden. Auch das ist ein Teil unserer freien Gesellschaft; jeder Mensch darf sich frei entfalten. Dabei entstehen Irrwege. Diese zu erkennen, die Menschen wieder einzufangen, ihnen den Irrweg zu erklären, ist eine sehr komplizierte Aufgabe.

Wir sind nicht sicher vor Extremisten. Wir können nur alles dafür tun, dass Menschen gar nicht erst zu Extremisten werden, sie rechtzeitig zu erkennen, versuchen, sie zurückzuholen, Gewalt zu verhindern, unsere Gesellschaft zu schützen. Das ist ein Teil unserer Demokratie. es gibt keine hundertprozentige Sicherheit. Das wollen wir auch gar nicht, denn hundertprozentige Sicherheit würde auch hundertprozentige Überwachung bedeuten. Das widerspricht unserer offenen und toleranten Gesellschaft.

Obwohl ich das weiß, vertrete und lebe, bin ich tief erschrocken und wütend über die grausamen, unsinnigen Morde. Und ich erschrecke, wenn ich höre, was Kinder in unseren Schulen sagen, dass Elfjährige Lehrer mit Mord bedrohen, dass Jugendliche diese Morde rechtfertigen und dass Schülerinnen und Schüler Morde relativieren. Das ist nicht die Regel. Der übergroße Teil unserer Gesellschaft, unser Schülerinnen und Schüler lehnt extremistische Gewalt eindeutig ab, aber das darf uns nicht beruhigen.

Berlin hat ein breites Netz an Präventionsmaßnahmen; viele Vereine und Träger engagieren sich bemerkenswert, bewundernswert, um es erst gar nicht zu Gewalt kommen zu lassen. An dieser Stelle möchte ich all diesen engagierten Streitern gegen Gewalt und Extremismus ein herzliches Dankeschön aussprechen.

[Beifall bei der CDU, der LINKEN und der FDP]

Aber auch das darf uns nicht beruhigen. Einer Studie unter 7 000 Schülerinnen und Schülern zwischen 14 und 15 Jahren des Bundesministeriums für Bildung und Forschung von Ende letzten Jahres, die nicht repräsentativ ist, aber 7 000 Schülerinnen und Schüler einbezieht, zufolge liegt die Risikogruppe im Bereich des Islamismus unter Schülern bei 1,5 Prozent. Im Bereich des Linksextremismus liegen wir bei 4,1 Prozent; beim Rechtsextremismus sind es 2,8 Prozent. Das Ergebnis der Forscher: Extremismus gehört zu unserem Schulalltag.

Wir müssen also handeln, bevor wir extremistisch motivierte Morde hier in Berlin erleben. – Ich glaube, so klar müssen wir es formulieren. Wir müssen immer weiter nach den besten Möglichkeiten suchen, um vorbereitet zu sein, um zu verhindern und schnellstmöglich helfen zu können. Wir dürfen unsere Schulen mit dieser schwierigen Aufgabe nicht alleinlassen. Wir haben sozialpädagogische Fachkräfte – viel zu wenige –, wir haben SIBUZe und die Polizei, die Landeskommission gegen Gewalt und die bereits erwähnten privaten Helferinnen und Helfer. Aber wen ruft denn die Lehrerin nachts an, wenn sie von einem Schüler oder von einem Elternteil bedroht wurde?

[Sibylle Meister (FDP): Na, die Polizei!]

Wenn sie jemanden erreicht, was kann der- oder diejenige dann genau tun?

(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)

[Zuruf von der AfD: Die Polizei rufen!]

Wie viele Sozialarbeiter sind in der Extremismusbekämpfung wirklich geschult und können vor Ort Hilfe leisten? Wer sorgt für die schnelle, kompetente Einschätzung, welche Stelle sofort einzuschalten ist – die Polizei oder eine andere? Wer geht vor Ort hin? Wer sucht die Eltern auf? Wer geht in das soziale Umfeld und sorgt für eventuellen Schutz? Wie stellen wir hier Soforthilfe sicher, vernetzen alle Ressourcen, die schon vorhanden sind, –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schrader?

Sofort! – mit dann präsenten Experten, die auch hinfahren? – Jetzt gerne! Wo ist er? – Ach da!

Herr Schrader! Sie haben das Wort – bitte schön!