Als uns die erste Coronawelle erreichte, waren es offensichtlich einzelne Infektionen, die sich im Lande verbreiteten. Wir konnten mit den damals sehr rigorosen Maßnahmen offensichtlich einen Erfolg erzielen. Bereits damals haben wir als CDU-Fraktion darauf hingewiesen, dass es dringend erforderlich ist, hier Konzepte zu erarbeiten. Damals ging es insbesondere auch um die Frage der Beschaffung von Schutzmasken, Schutzausrüstungen, um die Frage, wie wir unser Gesundheitswesen organisieren, wie viele Intensivbetten wir haben. Auch damals haben wir schon feststellen müssen, dass das Engagement der Gesundheitsverwaltung und die Fähigkeit, Dinge auch ressortübergreifend zu koordinieren, nicht gut funktioniert haben.
Wir haben dann Wirtschaftshilfen in Auftrag gegeben, wo sich der Senat dafür gerühmt hat, oder auch heute noch rühmt, dass er schnell und unbürokratisch war, die aber natürlich auch auf wackligen Füßen standen und am Ende auch kein wirklicher Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie waren.
Dann kam der Sommer, die Situation verbesserte sich. Nach der Sommerpause haben wir als CDU-Fraktion in den zuständigen Ausschüssen, die damals getagt haben, im Gesundheitsausschuss, im Hauptausschuss, nachgefragt, wo wir jetzt stehen: Ist denn jetzt genügend Schutzmaterial beschafft? – Darauf sagte Senatorin, dass sie das so spontan nicht beantworten könne, aber ja. Dann hatten wir gefragt, wo denn jetzt die entsprechenden Testcenter eingerichtet sind, mit welcher Kapazität. – Dazu hat sie uns im Gesundheitsausschuss gesagt, dass sie die Frage spontan nicht beantworten könne. Dann haben wir gefragt, wie es jetzt mit den Intensivbetten sei, wo die seien. – Darauf sagte sie, dass hätten wir falsch verstanden; sie wären da, wenn man sie brauchen würde. Daraufhin haben wir gesagt: Gut, wo wären Sie denn, wenn man sie brauchen würde? Jetzt bekommen wir von der Gesundheitsverwaltung eine Antwort, wonach alles geheim im Datenraum läge, es seien alles Betriebsgeheimnisse. Dazu sage ich einmal, Frau Senatorin, Herr Regierender Bürgermeister: So kann man auch in diesen Zeiten nicht kommunizieren.
Die Menschen haben einen Anspruch darauf zu wissen, wie und mit welchen Mitteln dieser Senat Gesundheitsvorsorge betreibt. Da muss man auch die Situation in Berlin mit berücksichtigen. Es kann ja nicht sein, dass Regierungsmitglieder in der Tat so eine Panik verbreiten. Wir brauchen einen Hinweis auf die ernste Lage, aber wir brauchen auch entsprechend seriöse Antworten. Wenn sich die Gesundheitssenatorin vor die Presse stellt und so
wirkt für manche, als wäre sie eine Kirmeswahrsagerin, der die Glaskugel runtergefallen ist, und sagt: Wir müssen das Nachtleben in dieser Stadt auslöschen – dann ist das, finde ich, auch vor dem Hintergrund der Geschichte der Stadt völlig unangemessen, dass wir vom Auslöschen bestimmter Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens sprechen in dieser Stadt.
Was wir jetzt also natürlich erwarten, ist, dass wir uns im Gesundheitsbereich einmal wirklich mit den drängenden Fragen befassen und Antworten und Konzepte haben, denn uns ist klar: Über die nächsten Wochen werden diese Maßnahmen jetzt umgesetzt werden. Sie müssen auch ordentlich und konsequent kontrolliert werden. Da erwarten wir auch die entsprechenden Antworten des Senats. Wie läuft das denn jetzt mit der Kontaktnachverfolgung? Was ist denn das Konzept des Senats? Mit welchem zusätzlichen Personal wird denn gearbeitet? Warum hat man auf unsere Hinweise im Sommer nicht bereits entsprechend Maßnahmen ergriffen? Albrecht Broemme hat beim Messekrankenhaus schon im Mai darauf hingewiesen, dass das Krankenhaus ausgestattet dastehen wird, dass Spezialisten teilweise vorhanden sind, aber dass normales Pflegepersonal nur ganz schwer zu rekrutieren ist. Was ist denn in der Zeit passiert? – Wir haben das Gefühl: wenig.
Wir haben die Frage, wie die Gesundheitsämter noch in die Lage versetzt werden – wenn ja, mit welcher Teststrategie? – ihre Aufgabe wahrzunehmen. Da gibt es viele engagierte Kolleginnen und Kollegen in den Bezirken, die gute Arbeit machen, aber natürlich brauchen die auch eine konzeptionelle Unterlegung. Wir brauchen eine personelle Ausstattung, wir brauchen eine Software. – Das alles ist hier heute auch schon von anderen gesagt worden, interessanterweise auch von Regierungsmitgliedern. Wir erwarten, dass uns jetzt tatsächlich mal erklärt wird, wann was beschafft wird.
Liebe Frau Kollegin Jarasch! Die ganzen Dinge, die Sie alle so in den Raum gestellt haben, was man jetzt mal machen müsste – da bin ich sehr gespannt auf die Beratungen, die wir am 11. November im Hauptausschuss fortsetzen zur Beratung des zweiten Nachtragshaushaltes. Spätestens da wäre Gelegenheit, das entsprechend zu unterlegen. Wir haben ja in der nächsten Woche noch eine Sondersitzung des Hauptausschusses, um diese Forderungen zu diskutieren. Das ist aber wahrscheinlich etwas kurzfristig für die koalitionsinternen Abstimmungen angesichts des Zustandes Ihrer Koalition.
Aber richtig ist doch, dass wir hier jetzt Antworten brauchen. Das gilt übrigens auch für ältere Menschen, für Pflegeeinrichtungen, für die Ausstattung von Krankenhäusern. Auch hier beschreiben Sie Situationen, und wir warten darauf, wie das Konzept umgesetzt wird oder welches es denn überhaupt gibt. Das diskutieren wir hier
seit August, und bisher sind wir keinen Schritt weiter. Das bringt uns natürlich in eine missliche Lage, die dazu führt, dass die Menschen tatsächlich unsicher sind, ob denn das Land Berlin die entsprechenden Schutzvorrichtungen ergreift, umsetzt und damit den nötigen Beitrag zum Schutz der Bevölkerung in unserer Stadt leisten kann. Das ist die Aufgabe, die dieser Senat jetzt wahrzunehmen hat, denn was wir jetzt doch mit erarbeiten müssen, insbesondere, was den Gesundheits- und Infektionsschutz anbetrifft, sind Strategien, Konzepte und Maßnahmen, die auch in das nächste Jahr hineintragen.
Uns ist doch allen klar, dass wenn wir es jetzt schaffen sollten, über die nächsten Wochen, über die nächsten Monate eine Verbesserung der Lage zu erreichen, eine vergleichbare Situation im kommenden Jahr nur ganz schwer wiederholbar sein wird. Dazu muss es jetzt Überlegungen und Konzepte geben. So eine Situation, wie wir sie in Berlin im Sommer erlebt haben, dass quasi nichts oder zu wenig passiert ist, können und wollen wir uns nicht noch einmal leisten. Dazu hat der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion vorhin unsere Unterstützung und unsere Mitarbeit angeboten.
Ähnlich verhält es sich natürlich – das ist ja auch Gegenstand der Diskussionen hier in diesen Verordnungen –, was das Ganze Thema der Wirtschaftshilfen anbetrifft. Auch hier haben wir am Anfang schnell geholfen mit Soforthilfeprogrammen, über die IBB organisiert, die Liquiditätshilfen waren, und das hat ja auch vielen Branchen gut geholfen. Aber wir haben durch die permanente Verlängerung dieses Instruments auch gemerkt, dass es für bestimmte Branchen in dieser Stadt nicht das optimale Mittel ist, sondern dass wir insbesondere im Bereich der Kulturwirtschaft, der Kreativ- und Digitalwirtschaft auch andere Instrumente brauchen. Die Diskussion, die wir im Hauptausschuss dazu hatten, in der wir uns mit dem Finanzsenator darüber unterhalten haben, ob diese DreiMonats-Staffeln eigentlich der richtige Weg sind, führte dazu, dass mich der Finanzsenator an den Bundeswirtschaftsminister verwiesen hat. Ich glaube, Herr Kollatz wollte ihn auch zu uns in den Ausschuss einladen; mal sehen, wie wir dann die Diskussion damit weiterführen können.
Aber in der Realität ist es doch so: Wir müssen als Land Berlin für die Branchen, die unsere wichtigsten Branchen in der Stadt sind, Programme organisieren, die auch tatsächlich helfen. Dazu gehören natürlich insbesondere Kultur, Tourismus, Messewirtschaft, Gastronomie,
Nachtleben und der Sport. Dass wir hier noch keine Antwort gefunden haben, sondern uns im Grunde genommen mit Programmen durch die Monate hangeln, wo das Sofortprogramm für September und November erst im Oktober ausgezahlt wird, weil das zu kompliziert gebaut ist und weil es auch an vielen Stellen zu Komplikationen und teilweise auch zu Ungerechtigkeiten führt – das ist doch nach über einem halben Jahr Erfahrung mit der
Da erwarten wir einfach von Ihnen, Herr Regierender Bürgermeister, dass Sie wie die Ministerpräsidenten der anderen Bundesländer die Interessen Berlins vertreten. Jedes Bundesland sorgt dafür, dass seine wirtschaftlichen Schwerpunkte entsprechend berücksichtigt und gefördert werden in Zeiten der Pandemie. Das erwarten wir auch in Berlin von Ihnen, Herr Regierender Bürgermeister.
Wir brauchen Programme, die in der Tat helfen, diejenigen Branchen zu unterstützen und ihr Überleben in der Krise zu sichern, die am längsten und am stärksten von den Einschränkungen der Pandemie betroffen sind. Dazu gehören insbesondere die Branchen, die ich eben schon einmal aufgezählt habe. Ich will noch ergänzen: Da müssen wir uns auch Gedanken über einzelne Soloselbstständige und Spezialisten, die in diesen Branchen arbeiten, machen, weil insbesondere in der Kultur- und Veranstaltungsbranche viele Menschen arbeiten, die nicht fest angestellt sind, die jetzt seit Monaten beim Jobcenter hängen und denen jetzt die Jobcenter erklären, die könnten doch auch Busfahrer oder Ähnliches werden. Damit verlieren wir aber viele Spezialisten in der Berliner Veranstaltungswirtschaft und in der Kulturbranche, und das wird ein Schaden sein, der nicht reparabel ist. Auch hier erwarten wir vom Senat ganz eindeutig Antworten und Konzepte.
Was die wirtschaftlichen Hilfen anbetrifft, müssen wir doch inzwischen eine Perspektive schaffen, die bis zum Ende des Doppelhaushalts reicht und bis zum Ende der Wahlperiode reicht, will sagen, bis Ende 2021. Ich glaube, das ist ein Spannungsbogen, der zumindest Kultur-, Veranstaltungs-, Hotel- und Gastronomiebranche eine Perspektive gibt, mit der sie überleben können. Ich glaube, es ist auch so, dass sie jetzt den Betrieb so nicht fortführen können. Auch die Clubkommission selbst sagt übrigens, dass es so nicht geht. Die sagen auch: Wir wollen eigentlich kein Geld, aber wenn man uns zumacht, muss man uns eben auch helfen. – Da muss man auch so helfen, dass es am Ende hilft, dass diese ganzen für diese Stadt wichtigen Branchen überleben können.
Abschließend will ich sagen: Wir in der CDU gehören zu denen, die am Ende ihrer Parteitage immer die Nationalhymne singen.
Da gibt es diese schöne Strophe von Einigkeit und Recht und Freiheit. Vielleicht sind das in diesen Zeiten auch mal wirklich Leitplanken, mit denen wir auch der
Krise begegnen können. Das Thema Einigkeit ist doch von entscheidender Bedeutung. Solidarität miteinander, Rücksichtnahme von allen gesellschaftlichen Gruppen, Hilfe und Verständnis sind doch das Gebot der Stunde. Wenn wir das nicht auch noch mal den Menschen erklären, machen wir, glaube ich, einen schweren Fehler.
Natürlich ist Recht auch ganz wichtig: die Beachtung der Verfassung, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Bestreben des Senats, rechtmäßige Verordnungen und Gesetze auf den Weg zu bringen. Auch das ist ein Grund dafür, dass wir uns als Parlament einbringen sollten. Am Ende des Tages – der Kollege Czaja hat es auch schon gesagt – ist Berlin natürlich die Stadt der Freiheit. Man merkt ja auch, dass bei vielen Demokraten in dieser Stadt, sich dieses Thema auch im Zusammenhang mit der Diskussion um Corona in den Vordergrund schiebt.
Wir müssen natürlich auch in der Kommunikation unserer Maßnahmen darauf achten, dass diese DNA der Stadt, nämlich, dass Freiheit eine Geschichte ist, die Berlin erzählt und die in Berlin glaubwürdig ist, sowohl, was die geschichtliche Dimension anbetrifft als auch, was die Verwirklichung einzelner Lebensentwürfe anbetrifft, auch glaubwürdig bleibt. Auch deswegen ist es eine Frage, wie der Senat mit den Menschen kommuniziert, und da ist das Regieren im Verordnungswege ohne den Dialog mit der Stadtgesellschaft im stärkeren Umfang zu suchen auf Dauer einfach auch nicht mehr der richtige Weg.
Herr Regierender Bürgermeister! Sie waren, das will ich zum Abschluss sagen, gestern bei der Einweihung unseres neuen Flughafens BER. Ich finde das Zitat von Willy Brandt, das dort an der Wand hängt, wirklich sehr schön, der sich sowohl auf die Werte, die ihm besonders wichtig sind, auf den Frieden bezieht, und dann auch die Freiheit erwähnt. Wenn das ein bisschen die Leitplanken sind, entlang derer wir in den nächsten Wochen verstärkt im Parlament, gern auch überfraktionell, miteinander den Kurs für das nächste Jahr diskutieren, dann wären wir, glaube ich, deutlich weiter in der Bekämpfung der Pandemie, als wir es jetzt sind. – Herzlichen Dank!
Im Folgenden haben sich die Fraktionen die Redezeiten aufgeteilt auf mehrere Rednerinnen bzw. Redner. Es beginnt für die Fraktion Die Linke Frau Abgeordnete Fuchs. – Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Und vor allem: Liebe Berlinerinnen und Berliner an den Endgeräten zu Hause oder wo auch immer!
Wir stecken mitten in der Coronapandemie, und die Lage ist ernst. Das stellt, abgesehen von der Fraktion ganz rechts außen und den selbsternannten Querdenkern, niemand ernsthaft infrage – auch wir als Linke nicht. Um es klarzustellen: Der Rückgang der Fallzahlen, der Schutz der Bevölkerung vor einer in ihren Folgen noch nicht gänzlich erforschten gefährlichen Krankheit ist gerade eine der vordringlichsten politischen Aufgaben, vor denen wir stehen, insbesondere im Hinblick auf die Todeszahlen unter älteren Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen. Die Linke als eine der diesen Senat tragenden Parteien hat daher den Beschluss des Senats vom Mittwoch mitgetragen. Ich wäre allerdings nicht von der Linken, wenn jetzt nicht das große Aber käme.
[Lachen von Sebastian Czaja (FDP) und Paul Fresdorf (FDP) – Sebastian Czaja (FDP): Das kennt der Regierende! – Paul Fresdorf (FDP): Das Aber!]
Also: Aber die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des letzten Lockdowns spüren die Menschen in unserer Stadt immer noch deutlich. Berlin, dessen Wirtschaft so sehr von Dienstleistungen, Kultur, Gastronomie und Tourismus geprägt ist wie sonst wohl keine Region in Deutschland, wurde besonders schwer vom letzten Lockdown im Frühjahr getroffen. Die Arbeitslosigkeit und die Kurzarbeit sind in Höhen geklettert, wie wir sie bis dato nicht kannten bzw. lange nicht mehr erlebt haben. Die ohnehin schon vorhandenen sozialen Schieflagen haben sich noch einmal deutlich verschärft, wie erst kürzlich die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung klar nachgewiesen hat. Haushaltseinkommen haben sich verringert, Rücklagen sind aufgebraucht, und nicht wenige Menschen leben zunehmend am Abgrund.
Ich möchte Ihnen dazu ein Beispiel aus meinem Alltag als sozialpolitische Sprecherin geben: Diese Woche hatte ich ein Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Schuldner- und Insolvenzberatung – selbstverständlich als Videokonferenz. Sie erzählten mir aus ihrer Praxis, dass bei ihnen zunehmend Menschen im Kurzarbeitergeldbezug und ehemalige Selbstständige in der Beratung auftauchen, die sich verschuldet haben, um irgendwie weiter über die Runden zu kommen, und jetzt nicht mehr weiterwissen, verzweifelt sind, weil sie keine Arbeit und jetzt auch noch jede Menge Schulden haben. Ich muss keine studierte Expertin im Sozialrecht sein, um zu wissen, dass man dann eigentlich das Kurzarbeitergeld und
die Transferleistungen anheben muss, um den Menschen wenigstens halbwegs so etwas wie soziale Sicherheit bieten zu können.
Wir erleben schon jetzt zunehmend psychische Probleme und steigende häusliche Gewalt bei den Menschen, durch soziale Isolation, finanzielle Probleme und beengte Lebensverhältnisse. Es ist eben eine starke Belastung, mit zwei Erwachsenen und zwei kleinen Kindern auf zum Beispiel 40 Quadratmetern zu leben oder über Wochen alleine zu Hause zu sein, weil man eine Vorerkrankung hat.
Wir riskieren schon jetzt, eine ganze Generation von jungen Menschen durch Brüche in ihrer schulischen, beruflichen und akademischen Bildung zu verlieren. Um hier Verantwortung zu übernehmen, hat die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales mit einem Sofortprogramm am Freitag das erste Ausbildungshotel in Berlin an den Start gebracht. – Dafür vielen Dank!