Möchten Sie reden? Komm doch her, setz dich hier mit hin. Hier sind zwei Mikrofone, die können wir uns teilen.
[Heiterkeit – Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]
Da Sie so großzügig sind, anderen das Wort zu erteilen, möchten Sie Herrn Kluckert vielleicht die Zwischenfrage gestatten?
Wären unsere Krisenstäbe von Anfang an auch mit Expertinnen besetzt gewesen, wären frauenrelevante Themen nicht hinten runtergerutscht. Dann wären zum Beispiel Alleinerziehende mit Kind von Anfang an in der Liste der systemrelevanten Berufe aufgetaucht.
[Beifall bei der LINKEN – Gunnar Lindemann (AfD): Sie sind doch in der Regierung! Hätten Sie doch machen können!]
Mir fällt da ein Spruch ein, der seit 25 Jahren in meinem Büro hängt und bis heute nichts an Relevanz verloren hat: Frauen sind wie die Füße eines Elefanten.
Sie tragen die Last der Gesellschaft, aber sie bestimmen nicht die Richtung. – Was mich so erschüttert, ist, dass eine Pandemie unsere erkämpften Positionen in der Gleichstellungspolitik um Jahre zurückwirft, denn wir alle wissen doch, was es heißt, wenn Frauen zurücktreten: Teilzeit, keine Aufstiegschancen, schlechte Beurteilungen, niedrige Rente und zum Schluss die Altersarmut.
Komm jetzt her, dann darfst du auch mal reden! Das kann doch nicht wahr sein. Bist du mit dem Düsenjet durchs Kinderzimmer geflogen? Also ehrlich!
[Heiterkeit – Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der AfD]
Was müssen denn wir Frauen noch beweisen? – In der Krise haben wir die Mehrfachbelastung gemeistert, und das auf allen Ebenen. Und trotzdem wird es den Frauen gesellschaftlich nicht gedankt.
Deshalb fordern wir eine Studie, die die Benachteiligung von Frauen während der Krisenpolitik offenlegt. Wir wollen wissen – erstens –, ob die konjunkturellen
Hilfsprogramme Frauen wie Männern gleichermaßen zugutekamen. Ich verspreche euch, bei dieser Antwort werden wir das erste Mal weinen.
Nein! – Zweitens wollen wir wissen, wie sich die Karriere- und Berufswege von Frauen nach dem Lockdown gestalten, und drittens, wie ihre Entgeltgruppen und Tarifbindungen aussehen. Diese Studie wird uns dann unterstützen, damit wir frühzeitig politische Maßnahmen ableiten und umsetzen können.
Ich sage es noch mal klar und deutlich: Wir müssen aus der Not dieser Tage lernen, denn die Ungleichverteilung zwischen Männern und Frauen ist noch lange nicht überwunden. Sie wird wieder zunehmen, und das wird entwürdigend für jene sein, die die meiste Arbeit für die Gemeinschaft stemmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Für die Fraktion der CDU hat das Wort Frau Abgeordnete Vogel. – Bitte schön! – Es wäre sehr hilfreich, wenn Frau Vogel wirklich alleine redet und die Zwischenbemerkungen unterbleiben beziehungsweise draußen fortgeführt werden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag fordern Sie eine „wissenschaftliche Studie zur Erforschung der geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Coronapandemie“. So weit, so gut, wenn auch sehr allgemein gehalten! Ich persönlich verstehe darunter, dass man erforscht, welche unterschiedlichen Auswirkungen die Pandemie auf Frauen und auch auf Männer hat.
Sie stellen in der Begründung aber ausschließlich auf Frauen ab, Frauen als Verliererinnen in der Krise. Sie nehmen das, was Sie als Ergebnis der Studie hören wollen, bereits mit der Begründung vorweg.
Ganz ehrlich gesagt, ich denke nicht, dass Frauen die Verliererinnen dieser Krise sind. Ganz im Gegenteil, die Frauen waren die Macherinnen in dieser Krise.
Sie haben das Land am Laufen gehalten, da überdurchschnittlich viele Frauen in systemrelevanten Berufen arbeiten.
An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal sehr herzlich bei allen bedanken, auch bei den Männern, die in systemrelevanten Berufen dafür gesorgt haben, dass unser Land diese Krise bisher besser gemeistert hat als viele andere.
Sie von der Koalition sind in der Regierungsverantwortung. Sie haben es in der Hand, die Arbeitsbedingungen von Menschen, insbesondere von Frauen in systemrelevanten Berufen deutlich zu verbessern. Das fängt bei der Bezahlung an und hört bei der gesellschaftlichen Wertschätzung auf.
Sie haben es in der Hand, mehr für Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu tun, indem Sie endlich dafür sorgen, dass es eine ausreichende Anzahl von Kita- und Schulplätzen gibt,
auch mit flexiblen Betreuungsangeboten. Eltern in systemrelevanten Berufen mussten teilweise zu Hause bleiben, ebenso Alleinerziehende, da nicht genug Notbetreuungsplätze für die Kinder zur Verfügung standen. Statt in Qualität und Quantität von Kitaplätzen zu investieren, war es Ihnen, liebe Koalition, in der Vergangenheit wichtiger, die Kitagebühren abzuschaffen, auch die von Gutverdienenden. Gleichmacherei ohne Sinn und Verstand!
Eines hat diese Pandemie auch deutlich aufgezeigt: das Totalversagen des Senats in der Bildungspolitik. Keine Ausstattung von Schulen und Schülern mit entsprechender Technik und vor allem keine Strategie zur zeitnahen Umsetzung von Digitalisierung!
Jede Schule, jeder Lehrer hat nach eigenem Gutdünken vor sich hingewurstelt. Einheitliche Vorgaben für Berlin, Fehlanzeige!
Erlauben Sie mir abschließend, darauf hinzuweisen, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Förderbekanntmachung herausgegeben hat, mit der im Rahmen des FIS – Fördernetzwerk interdisziplinärer Sozialpolitikforschung – zwölf wissenschaftliche Projekte gefördert werden, die die Auswirkungen der Coronapandemie nach unterschiedlichsten Kriterien untersuchen.
Ein Projekt der Universität Köln beispielsweise befasst sich mit der Erwerbstätigkeit von Frauen während der Coronakrise und der Entwicklung sozialer Ungerechtigkeiten.
Ich hoffe, dass Ihre Studie dem Titel des Antrags folgen wird und nicht allein der Begründung. Unser Land steht in den kommenden Monaten vor großen finanziellen Herausforderungen. Wir sind der Auffassung, dass es aktuell wichtigere Projekte für Berlin gibt als diese Studie. Meine Fraktion wird sich deshalb enthalten. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Laut einer Bertelsmann-Studie von Anfang des Jahres verdienen Frauen in ihrem gesamten Erwerbsleben halb so viel wie Männer. Kinderlose Frauen konnten in den letzten Jahren etwas aufschließen, bei Müttern ist dagegen eine deutliche Minderung des Lebenserwerbseinkommens zu beobachten. Bei Vätern gibt es so gut wie keine Auswirkungen nach der Geburt eines Kindes. Die Gründe sind bekannt: Ungleichbehandlung, Teilzeitbeschäftigung oder komplette Abwesenheit vom Arbeitsmarkt aufgrund von Erziehungsarbeit oder Pflege von Angehörigen. Während Männer im Haupterwerbsalltag mehrheitlich Vollzeit arbeiten, ist dies bei Frauen nicht der Fall.