Protocol of the Session on September 3, 2020

Ich hätte auch sagen können: auf die Bürgerlichen. – Herr Kollege, Sie haben das Wort, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wollen natürlich nicht auf die Ausführungen von Herrn Kohlmeier verzichten – da ist er schon, er wird dann direkt folgen –, aber so weit auseinander sind wir da oft gar nicht.

Ein digitales Rathaus für Berlin – wer wollte dagegen sein? Ist eine solche Forderung zu übertrieben in Berlin vor dem Hintergrund der aktuellen Situation? – Nein, das ist sie nicht,

[Beifall bei der CDU – Beifall von Paul Fresdorf (FDP)]

denn manchmal muss man auch frei in Richtung Zukunft denken, so wie die FDP das vorliegend tut. Ohne mutige Ideen werden wir in Berlin dauerhaft auf der Stelle treten, und mutige Ideen sind unter dem rot-rot-grünen Senat in Berlin nun wirklich Mangelware.

Bevor wir mit der Befassung des Antrages beginnen und uns dem Traum eines virtuellen Rathauses widmen, also bevor wir gemeinsam mit Herrn Schlömer abheben, wollte ich mich noch mal der nüchternen Realität, in der wir in Berlin sind, widmen. Nachdem wir es jetzt mit den Dokumentenprüfgeräten fast geschafft haben – sie sind überall vor Ort, und ich werde nicht aufhören, mich damit zu beschäftigen, bis sie überall im Einsatz sind –, muss

ten wir in den letzten Wochen und Monaten in Berlin im Bereich der Digitalisierung der Verwaltung wieder diverse Tiefschläge hinnehmen. In den Berliner Ordnungsämtern ist das Terminchaos zurück. Es ist wieder kein Termin zu bekommen. Ich habe mich gestern noch mal eingeklinkt, habe mir die Onlineterminvergaben angesehen – da ist definitiv nichts zu machen. Ich habe dann dem Hinweis entsprechend die 115 gewählt, habe eine Viertelstunde, 20 Minuten – während ich nebenher die Rede geschrieben habe – in der Warteschleife verbracht; da ist nichts zu machen. Es ist einfach nicht möglich, einen Termin zu bekommen, und das im Jahr 2020.

Wenn ich Freunde zu Besuch habe und denen erklären soll, wie das in Berlin zustande kommt, gelingt mir das nicht. Wenn ich dann sage, dass es in Berlin wirklich nicht möglich ist, seine bürgerlichen Pflichten zu erfüllen – zum Beispiel seinen abgelaufenen Ausweis zu verlängern –, dann schaue ich oft in fassungslose, ratlose Gesichter. Mit Schmerzen denke ich zurück an das Jahr 2016, als wir schon einmal einen Wahlkampf damit verbracht haben, das zu erklären. Jetzt haben wir all das wieder, nachdem es zwischenzeitlich überwunden war – ein fataler Rollback für die ganze Stadt.

Herr Kollege! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schulze von der Linksfraktion erlauben.

Nachher, gleich. Ich lasse das an sich gerne zu, aber jetzt nicht – direkt danach!

Ein weiteres Beispiel sind die Kfz-Zulassungsstellen. Das war gestern ein breites Thema in der „Abendschau“. Auch da funktioniert nichts. Entgegen den Zusicherungen, die von Frau Smentek immer verlautbart werden, ist hier keine Besserung festzustellen, zumindest können die Betroffenen das nicht feststellen, die Gewerbetreibenden auch nicht. Das ließe sich jetzt munter fortführen, doch das möchte ich nicht.

Einen Punkt möchte ich noch nennen, denn das war das Allerschlimmste, was uns kurz vor der Sommerpause erreicht hat: Das war das Scheitern des Vergabeverfahrens zur Einführung der E-Akte in Berlin. Vor der Vergabekammer des Landes Berlin ist Frau Smentek krachend gescheitert. Die gerichtliche Entscheidung hätte klarer kaum ausfallen können: Das Vergabeverfahren muss komplett neu durchgeführt werden – Neustart sozusagen – oder, wie das Gericht festgestellt hat, es muss in das Stadium vor Aufforderung zur Abgabe der Erstangebote zurückversetzt werden. Wenn wir im Ausschuss miteinander ehrlich sind, dann hat uns das ziemlich kalt erwischt. Das hätten wir uns in der Dramatik nicht vorstellen können. Das ist ja auch ein nicht erklärbarer

Zustand. Für Frau Smentek ist es eigentlich ein Offenbarungseid, und es grenzt schon an ein kleines Wunder, dass sie das bisher politisch überlebt hat.

Man kann sich noch so sehr bemühen – und noch mal: Dieser Ausschuss ist ein Konsensausschuss, denn wer wollte ernsthaft gegen die Modernisierung der Verwaltung sein? Wer wollte ernsthaft dagegen sein, dass wir die Verwaltung auf die Höhe der Zeit bringen? Das ist ein Anliegen, das wir alle teilen –, aber so konstruktiv kann man nicht sein, um das jetzt noch einigermaßen erträglich zu kommunizieren. – Frau Smentek! Da ist nichts mehr zu retten. Es hätte nicht schlechter laufen können, und dafür trägt sie auch die politische Verantwortung.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Bernd Schlömer (FDP)]

Herr Geisel! Ich würde mir das genau anhören, denn Frau Smentek ist bei Ihnen im Hause angesiedelt. Sie können zwar sagen, es ist nicht direkt in Ihrem Bereich, aber es ist indirekt natürlich schon in Ihrem Bereich. Irgendwann wird das auf Sie zurückfallen, und Sie haben weiß Gott genug zu tun im Moment. Also: Sorgen Sie für Ordnung in Ihrem Haus!

Ich hatte mir vorgenommen, den positiven Ausblick, den Sie, Herr Schlömer, gewagt haben, fortzusetzen. Ich habe mir das angesehen: Der Traum vom digitalen, vom virtuellen Rathaus muss natürlich eines Tages verwirklicht werden, auch wenn er noch in weiter Ferne liegt. Sie fordern mit dem Antrag die Schaffung erster Voraussetzungen hierfür wie etwa eine einheitliche Benutzeroberfläche für das digitale Bezirksamt und die Einrichtung virtueller bezirksübergreifender Kompetenzzentren für Dienstleistungen. All das ist richtig. Lassen Sie uns gemeinsam über diese Schritte nachdenken, auch weiter konstruktiv! Ich bemühe mich da weiterhin, auch wenn die von Frau Smentek verwaltete Realität das mehr als schwer macht. Lassen Sie uns gemeinsam anhand des vorliegenden Antrages optimistisch einen Blick in die Zukunft werfen! Wir als Fraktion der CDU wollen das jedenfalls gemeinsam tun. Aus diesem Grund werden wir den Antrag heute annehmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Bernd Schlömer (FDP)]

So, Herr Kohlmeier! Können wir? – Dann haben Sie jetzt das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die FDP fordert ja mit diesem Antrag ein digitales Rathaus für Berlin, und die FDP zeigt damit, was sie eigentlich am besten kann, nämlich hier Schaufensteranträge einzureichen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Erstens, Herr Kollege Schlömer und liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP: Sie wollen ein rein virtuelles und digitales Rathaus mit Bürgerdienstleistungen. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Das möchte die Koalition nicht. Die Koalition möchte, dass Bürgeranliegen zukünftig sowohl telefonisch als auch persönlich, als auch digital mitgenommen und beantragt werden können, denn nicht alle Bürgerinnen und Bürger sind in der Lage, virtuell und digital Dienstleistungen abzurufen. Meine Oma – die ist 93 Jahre alt – werden Sie nicht dazu bekommen, beim digitalen Rathaus irgendwas zu beantragen.

[Paul Fresdorf (FDP): Wir werden sie auch nicht zwingen!]

Da wird es nach Vorstellungen der Koalitionsfraktionen auch weiterhin die Möglichkeit geben, persönlich die Bürgerleistungen des Landes Berlins in Anspruch zu nehmen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Zweitens, Herr Kollege Schlömer, das, was Sie in dem Antrag fordern und als große Vision hier einbringen, ist ja schon auf dem Weg der Realisierung. Es gibt ein einheitliches Bürgerserviceportal unter service.berlin.de – wenn Sie gleichzeitig mit reinschauen wollen, Herr Kollege Fresdorf!

[Paul Fresdorf (FDP): Ich kenne das Elend!]

Wir wollen die Digitalisierung, und zwar in allen Rathäusern und nicht nur in einem Rathaus. Es gibt zwölf Bezirksämter und zwölf Rathäuser. Die alle sollen digitale Angebote machen, deshalb gibt es ein Serviceportal, wo diese Anliegen angebracht werden können. Und es gibt mittlerweile – Sie schauen ja gerade, Herr Kollege Fresdorf – 114 Dienstleistungen, die im Serviceportal eingestellt sind, unter anderem – ganz aktuell – zum Beispiel Anträge für die Erstattung nach dem Infektionsschutzgesetz oder nach dem Mietendeckel.

Die Grundlage dafür haben wir bereits damals mit der CDU geschaffen, und zwar im E-Government-Gesetz, im Onlinezugangsgesetz und durch die EU-Verordnung eines einheitlichen digitalen Zugangstores. Berlin arbeitet in diesem Gebiet mit den anderen Bundesländern zusammen, und deshalb wird es, lieber Herr Kollege Schlömer, keine Insellösung für Berlin geben. Stattdessen wird es auch mit den anderen Bundesländern eine gemeinsame Lösung dafür geben, bestimmte Anliegen online verfügbar zu machen.

Um etwas Gutes über den Antrag zu sagen: Er zeigt uns jedenfalls auf, dass wir den Weg der Digitalisierung in Berlin weitergehen, aber das können wir auch ohne Ihren Antrag. – Herzlichen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

(Stephan Lenz)

Für die Fraktion Die Linke hat dann gleich Herr Schulze das Wort. – Bitte schön!

Danke schön, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gerade mal nachgeguckt, Herr Lenz: ab Montag sind durchgehend Termine in Berliner Bürgerämtern verfügbar, um einen Personalausweis zu beantragen. Gucken Sie einfach mal im Internet unter service.berlin.de ab Montag rein! Das ist ganz hilfreich.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Ein Termin!]

Sie können es gerne nachverfolgen. Einfach mal selber drauf gehen! Funktioniert!

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lenz?

Gerne, ja!

Herr Kollege, ich bin da wirklich dran interessiert! Ich habe es gestern lange versucht, alle Kollegen hier sind auch gescheitert daran, vielleicht finden wir uns nachher zusammen. Wäre nett, wenn Sie mir das zeigen würden!

Ich zeige Ihnen das, kein Problem! Ich habe es gerade auf dem Rechner. Kein Ding!

Machen wir nachher!

Es wurde davon gesprochen, dass die FDP mit ihrem digitalen Rathaus hier eine besonders mutige Idee präsentiert hat. Ich finde nicht, dass das eine mutige Idee ist. Wenn man anfängt, einen Bypass um die Digitalisierung aller Ämter in Berlin herum zu bauen, dann ist das keine mutige Idee, sondern eigentlich das Eingeständnis, dass man mit der Digitalisierung des öffentlichen Sektors in Berlin nicht weiterkommt. So ist das bei uns nicht. Das hat der Kollege Kohlmeier eben auch schon ausgeführt. Wir brauchen kein digitales Leitamt – so ist das im FDPAntrag gekennzeichnet –, sondern wir wollen unsere Bürgerämter insgesamt digitalisieren. Wir wollen alle Dienstleistungen im öffentlichen Sektor digitalisieren, auch vor Ort in den Bezirken. Es ist ein oberflächlicher Antrag. Warum? – Weil die ganze Infrastruktur, die da

hinterliegt, die digitalisiert werden muss. Das heißt: das Breitband, die E-Akte, die Schulung der Beschäftigten. Das fehlt alles im Antrag. Es ist sozusagen nur die Oberfläche – das Bling-Bling – hier in dem Antrag gekennzeichnet. Und das ist für eine ernsthafte Befassung mit dem Thema einfach zu wenig. Tut mir leid!

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Uns geht es ja darum, dass die Bürgerinnen und Bürger auf alle Dienstleistungen in Zukunft digital zugreifen können, und dass die Beschäftigten die Geschäftsprozesse auch digital abwickeln können, dass sie nicht mehr Papierakten durch die Gegend tragen, die sie aus ihren Schränken holen, sondern dass das alles digital funktioniert. Und in der Tat: Da gab es einige Rückschläge.

Wir müssen auch sagen, dass die Situation unserer Dienstgebäude deutlich komplizierter ist, als wir uns das vorgestellt haben und als sich das auch die große Koalition 2016 bei der Verabschiedung des E-GovernmentGesetzes vorgestellt hat.

Wir haben mehr Probleme, als erwartet, und trotzdem arbeiten wir die Sachen seriös ab und sind auf einigen Stellen vorangekommen. Das will ich mal erwähnen. Wer sich heute service.berlin.de anguckt, der wird feststellen, dass das ganz anders aussieht, als vor fünf Jahren. Wir haben die Service-App für den öffentlichen Sektor, wir haben die Ordnungsamts-App, wir haben schon Dienstleistungen, die komplett digital abgewickelt werden können – da kommen immer weitere hinzu –, wir sind gerade dabei, die Homeofficefähigkeit deutlich zu verbessern – das ist die Lehre, die wir aus Corona ziehen müssen –, und es gibt einfach sehr viele Baustellen, die parallel abgearbeitet werden. Ja, es dauert zu lange, es könnte schneller gehen, aber dass hier nichts passiert und dass wir das digitale Rathaus bauen müssen, welches die FDP uns vorschlägt, sehe ich nicht. Da sind wir auf einem besseren Weg. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Ubbelohde das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Mitbürger! Es ist an der Zeit, dass wir uns mit Blick auf die geplante Verwaltungsdigitalisierung in Berlin endlich ehrlich machen. Es ist doch absehbar: Bei der Umsetzung des E-Government-Gesetzes klemmt es nicht nur massiv an allen Ecken und Enden – dieser Patient liegt wirklich an den Beatmungsgeräten. Er ist ein Intensivfall.

Da helfen uns die entzückenden Träumereien der FDPFraktion an dieser Stelle erst einmal leider überhaupt nicht weiter. Sie suggerieren quasi als trügerisches Lockangebot an den erwartungsvollen Bürger einen Service, der auf der Basis der oben gemachten These zurzeit nicht ansatzweise umsetzbar ist.