Protocol of the Session on September 3, 2020

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Scholtysek?

Nein, danke! – Zuletzt möchte ich noch auf einen weiteren Aspekt eingehen, und das ist der fahrscheinlose Tag. Der war uns sehr wichtig. Herr Buchholz hat bereits erwähnt, wie der Antrag entstanden ist. Wir haben als Fraktion eingebracht, dass wir es auch in Berlin schaffen müssen, den fahrscheinlosen Tag zu testen. Herr Buchholz hat ebenfalls bereits erwähnt, dass der VBB für September bestimmte Angebote für Zeitkarteninhaberinnen und -inhaber angekündigt hat, um damit das gesamte VBB-Gebiet bereisen zu können. Es gibt dieses Angebot auch am 22. September. Ich kann erst einmal für meine Fraktion festhalten: Wir hätten es sehr gut gefunden, wenn gerade an diesem Tag diese Chance hätte genutzt werden können, diesen fahrscheinlosen Tag in Berlin einzuführen. Jetzt klappt es wohl noch nicht. Deswegen bin ich doch sehr optimistisch, dass wir das im nächsten Jahr definitiv schaffen werden. Ich sehe da den Senat in der Verantwortung, mit dem VBB darüber zu sprechen. Insofern sehe ich die Aufträge aus dem Antrag als noch nicht erledigt an. Aber mit dieser Beschlussfassung werden wir heute als Koalition oder auch als Haus das als

klare Maßgabe dem Senat mit auf den Weg geben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der FDP hat das Wort Herr Abgeordneter Schmidt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In diesem Antrag verbergen sich zwei Lieblingsprojekte rot-rotgrüner Verkehrspolitik, die wir als FDP-Fraktion alle beide ablehnen.

[Beifall bei der FDP]

Zum einen geht es um den sogenannten fahrscheinlosen ÖPNV, der in Wirklichkeit nach Ihrem Modell darauf hinauslaufen soll, dass alle Bürgerinnen und Bürger, auch die, die nur Fahrrad fahren oder die nur zu Fuß gehen, eine kräftige Zwangsabgabe für den ÖPNV abdrücken sollen. Nein, das wollen wir als FDP-Fraktion nicht!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Ronald Gläser (AfD)]

Zum anderen geht es Ihnen um umfassende Straßensperrungen als Teil eines allgemeinen Vorgehens gegen das Auto. Nein, das wollen wir als FDP-Fraktion auch nicht!

[Beifall bei der FDP]

Beides wollen Sie jetzt an einem Tag ausprobieren. Natürlich, das ist durch Ihre Beiträge eben ganz klar geworden, wollen Sie das eigentlich dauerhaft einführen. Darum geht es Ihnen ja eigentlich, diese beiden Dinge dauerhaft in dieser Stadt durchzusetzen. Ein Test an einem einzelnen Tag kann nicht viel bringen, dadurch entstehen keine anderen Verkehrsströme oder andere Veränderungen des Verhaltens. Es geht Ihnen dieses Mal nur um Symbolik. Es geht um die Symbolik für eine falsche Verkehrspolitik. Das werden wir als FDP-Fraktion hier nicht unterstützen.

[Beifall bei der FDP]

Da jetzt alle ihren allgemeinen verkehrspolitischen Teil in ihre Rede geschrieben haben, fange ich auch mit einem solchen an: Ich glaube, dass man manchmal den Eindruck hat, dass das individuell genutzte Auto als Feindbild genommen wird bei der Politik dieses Senats. Man hat auch schon den Eindruck, dass es eine etwas zu starke Fokussierung auf den Radverkehr gibt. Ich glaube, das liegt daran, dass dort derzeit einfach die lauteste und am besten organisierte Lobby ist.

[Beifall bei der FDP – Paul Fresdorf (FDP): Lobbyismuspolitik!]

Wenn Sie, Herr Ronneburg, eben von sachbezogener Politik gesprochen haben, wenn man dann die Wortwahl

und Emotionen zu dem Thema hört, sowohl von den knallharten Lobbyisten, wie Herrn Lehmkühler, den Sie erwähnt haben, als übrigens auch von Mitarbeitern der Senatsverwaltung, die in den sozialen Medien um sich schlagen und rumpöbeln, dann denkt man fast, es gehe hier um eine kriegerische Auseinandersetzung. Nein, darum geht es nicht.

[Beifall bei der FDP]

Es geht tatsächlich um eine sehr schwierige Diskussion über den Ausgleich verschiedener Interessen der Stadtgesellschaft, um die Interessen der Einzelnen, es geht um die Gestaltung einer lebenswerten Stadt, um das individuelle Recht auf Mobilität, um Nachhaltigkeit, um Schutz der Umwelt, und dann gibt es eben Konflikte, die ausgetragen werden müssen. Diese Debatte muss auch ständig wieder geführt werden, die kommt nie an ein Ende. Es hilft überhaupt nicht, die mit Schaum vor dem Mund zu führen, es hilft auch nicht, die als Symbolpolitik zu führen, wie dieser Antrag das verkörpert.

[Beifall bei der FDP]

Wegen dieser Einseitigkeit kommen Sie in diesem Senat zu ganz seltsamen Effekten, die dann auch kontraproduktiv für einen nachhaltigen Verkehr in einer lebenswerten Stadt sind. Pop-up-Radwege schicken Busse in den Stau, der ÖPNV wird behindert, nicht gefördert. Durch Fußgängerzonen werden breite Radpisten geschlagen, sodass dort kein entspanntes Flanieren mehr möglich ist. Frau Günther! Es ging nicht darum, dass dort vorher Autos fuhren, es ging darum, dass Sie versprochen haben, dass das eine Fußgängerzone ist. Jetzt ist es ein Schnellradweg mit angeschlossenen Gehwegen. Das hat mit Flanieren, Fußgängerzone und Einkaufen überhaupt nichts zu tun.

[Beifall bei der FDP – Paul Fresdorf (FDP): Sehr richtig!]

Anstatt den ÖPNV sicherer zu machen, attraktiver, regelmäßiger, reden Sie wieder über diese Zwangsabgabe mit dem fahrscheinlosen Verkehr. Es ist aber doch eine Erfahrung, dass eben nicht der Preis das Entscheidende ist, warum Leute vom Auto auf den ÖPNV umsteigen, sondern eben ganz andere Faktoren: Regelmäßigkeit, Sauberkeit, Sicherheit und anderes.

Es passt auch ins Bild, dass das Mobilitätsgesetz, das Herr Buchholz erwähnt hat, immer noch vor sich hin dümpelt, dass es immer noch in einem Entwurfszustand ist, in dem Fußgänger aus unserer Sicht viel zu schlecht wegkommen, viel schlechter behandelt werden als der Radverkehr. Fußgänger und Fußgängerinnen scheinen für diesen Senat immer noch Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse zu sein, obwohl doch die meisten Verkehrswege in dieser Stadt zu Fuß zurückgelegt werden.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Stefanie Remlinger (GRÜNE)]

(Kristian Ronneburg)

Wir sind dafür, dass man attraktive Angebote macht. Der Senat und die Koalition setzen auch in diesem Antrag wieder auf ihre Zwangsabgaben und Straßensperrungen.

Jetzt muss ich doch noch einmal etwas zur CDU sagen. Mich hat das sehr irritiert, dass die CDU diesem Antrag im Verkehrsausschuss zugestimmt hat. Ich schätze unseren Vorsitzenden sehr. Ich kann mir aber dieses Bild, das vor meinem inneren Auge entsteht, überhaupt nicht vorstellen, dass wir dann den Ku’damm komplett sperren und vor dieser Straßensperre stehen Oliver Friederici und Kai Wegner und schwenken ein Schild „Diese Straßensperrung spendiert Ihnen heute die CDU Berlin“.

[Beifall und Heiterkeit bei der FDP]

Irgendwie passt das nicht zu dem Bild, das ich von Ihnen habe. Ich hoffe, Sie überlegen sich das.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Wir als FDP wollen uns jedenfalls nicht noch in diese Reihe stellen, und deshalb lehnen wir diesen Antrag ab. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Zu dem Antrag auf Drucksache 18/2515 empfehlen der Fachausschuss mehrheitlich – gegen die AfD-Fraktion und die Fraktion der FDP – und der Hauptausschuss mehrheitlich – gegen die AfD-Fraktion und die Fraktion der FDP sowie bei Enthaltung der Fraktion der CDU – die Annahme mit geändertem Berichtsdatum.

Wer dem Antrag gemäß der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses auf Drucksache 18/2951 mit dem Berichtsdatum „31. Dezember 2020“ zustimmen möchte, den bitte ich nun um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt gegen den Antrag? – Das sind die FDP und die AfD-Fraktion; Fraktionslose sehe ich gerade nicht. Wer enthält sich der Stimme? – Das ist die CDU-Fraktion. Damit ist der Antrag entsprechend angenommen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.2:

Priorität der AfD-Fraktion

Tagesordnungspunkt 43

Gleichstellungsgebot des Grundgesetzes beachten! Statistische Informationen über Sonderöffnungen Sport während Pandemien bereitstellen

Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/2938

In der Beratung beginnt die Fraktion der AfD. – Herr Abgeordneter Scheermesser, Sie haben das Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Antrag ist durch die hartnäckige Ignoranz des Berliner Senats bei der Beantwortung von drei meiner Anfragen zu diesem Thema entstanden. Er ist dringend und von existenziell großer Bedeutung für alle Berlinerinnen und Berliner.

Meine erste Anfrage vom 4. Mai blieb bis auf die Feststellung, an wen Ausnahmeanträge auf Öffnung gestellt werden können, gänzlich unbeantwortet. Selbst unter Berufung auf mein Auskunftsrecht in meiner zweiten Anfrage zu diesem Thema wurde mir nur eine pauschale Auflistung aller Genehmigungen mitgeteilt, ohne einen Anbieter oder Verein zu nennen, ohne eine nachvollziehbare Begründung. Ablehnungen oder die restlichen eingereichten Anträge wurden gar nicht erst erwähnt. Die dritte Anfrage war dann der absolute Höhepunkt unglaublicher Ignoranz dieses Senates. Es wurde einfach nur auf die Antwort auf meine zweite Anfrage verwiesen.

Unfassbar auch die Aussage darin, dass es bis zum Stand 12. Juni 2020 keine weiteren Anträge auf Ausnahmegenehmigungen von Vereinen und Sportanbietern gab – außer von Profivereinen und Bundeskader, die übrigens alle genehmigt wurden. Mir sind beweisbar mehrere Anträge bekannt, die bis zu diesem Zeitpunkt dem Senat vorlagen, die dann entweder nicht genannt oder einfach nicht bearbeitet wurden. In derselben Antwort formulierte dann sogar der Staatssekretär, dass im Zeitraum zwischen 14. März und 12. Juni 2020 Hunderte von Anträgen auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung eingegangen, aber nicht erfasst worden sind.

Lapidar wurde weiter geantwortet, dass durch die am 27. Juni 2020 in Kraft getretene neue Infektionsschutzverordnung die gestellten oder abgelehnten Anträge obsolet geworden sind. – Eben nicht. Im Gegensatz zum Profisport oder zu Bundeskadern mit ihren locker durchgewinkten Anträgen können viele Vereine und vor allem die kommerziellen Sportanbieter keinen existenziell wichtigen Trainings- und Spielbetrieb durchführen und sind in Kürze insolvent; einige sind es schon.

Fast die Hälfte der Berliner hat diese Angebote bisher genutzt und wird schmählich im Stich gelassen.

[Beifall bei der AfD]

In eklatanter Weise wird hier das Gleichstellungsgebot des Grundgesetzes verletzt. Was ist mit anderen Städten? – Nehmen wir Leipzig. Dort darf der Bundesligist mit einem genehmigten Konzept unter 8 500 Zuschauern spielen. Auch Union und Hertha haben solche Konzepte, die dem Senat bekannt sind.

[Sabine Bangert (GRÜNE): Worüber reden Sie eigentlich, Herr Scheermesser?]

(Henner Schmidt)