Seit gestern 10 Uhr kennen wir die neuesten Arbeitsmarktdaten für Berlin. Die Befürchtungen bestätigen sich: Aus der Gesundheitskrise ist eine massive Wirtschaftskrise und hieraus eine massive Arbeitsmarktkrise geworden. Im Vergleich zum Vormonat haben 18 000 Berlinerinnen und Berliner ihre Anstellung verloren. Insgesamt sind nun knapp über 200 000 Menschen in Berlin erwerbslos gemeldet. Wenn wir wissen wollen, wie stark das Coronavirus schon seine Spuren hinterlassen hat, lohnt sich ein Blick auf das Vorjahr. Im Vergleich zum Mai 2019 haben wir nun knapp 50 000 erwerbslose Menschen mehr. Besonders hart trifft es die Jugendlichen, gegenüber dem Mai 2019 haben wir einen Anstieg von 42,2 Prozent bei den erwerbslosen Jugendlichen zu verzeichnen.
Das sind nackte Zahlen. Sie beschreiben kein bisschen, was es für die Berlinerinnen und Berliner heißt. 50 000 Menschen haben ihre Arbeit verloren, 50 000 Familien sind betroffen, 50 000 Menschen, die sich nun um ihre Existenz sorgen, sich fragen, wie es weitergehen soll. Ebenso sind über 17 000 Jugendliche betroffen, deren Erwerbsleben doch gerade erst beginnen sollte.
Unsere Aufgabe als Politikerinnen und Politiker ist es, diesen Berlinerinnen und Berlinern Hoffnung zu geben und dafür zu sorgen, dass sie möglichst unbeschadet durch diese Krise kommen. Ganz konkret machen dies die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Agentur für Arbeit in den Berliner Jobcentern sowie in der Jugendberufsagentur. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei ihnen bedanken. Sie sichern mit ihrer Arbeit den sozialen Frieden in unserer Stadt und sorgen dafür, dass unser Sozialsystem möglichst passgenau hilft. Sie sorgen dafür, dass Mieten weiterhin pünktlich gezahlt werden können und dass der Kühlschrank nicht leer bleibt.
Unsere Aufgabe muss es sein, den weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit möglichst gering zu halten und dafür zu sorgen, dass möglichst wenige von den 388 000 in Kurzarbeit gemeldeten Menschen in die Erwerbslosigkeit geschickt werden müssen. Ebenso sind unsere Verwaltung und unsere landeseigenen Unternehmen jetzt gefordert, kurzfristig möglichst viele zusätzliche Ausbildungsstellen zu schaffen. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation zahlreicher Ausbildungsbetriebe kommt es darauf an, den Jugendlichen Alternativen zu bieten.
Die kommenden Wochen und Monaten sind nicht die Stunden der Arbeitsmarktprogramme. Jetzt geht es darum, die Wirtschaft zu stützen, Kredite und Zuschüsse zu gewähren und dafür zu sorgen, dass die Menschen erst gar nicht in Arbeitslosigkeit geraten. Wie die Bundesregierung mit ihren Maßnahmen und dem gestern beschlossenem Konjunkturpaket hat der rot-rot-grüne Senat in den letzten Wochen Hervorragendes geleistet. Ihre Kritik ist an dieser Stelle nicht angebracht.
Noch nie wurden so schnell so große und umfangreiche Programme aufgelegt und erfolgreich umgesetzt – noch nie zuvor. Der Generalsekretär der CDU hat noch im letzten September Berlin als „Failed State“ bezeichnet. Diese Krise und das Handeln dieser Regierung strafen ihn Lügen.
Wir müssen dafür sorgen, dass die Mütter und Väter Berlins wieder uneingeschränkt arbeiten gehen können. Die Situation in den Kitas und Schulen ist heute noch das Thema zahlreicher Diskussionen. Dass die Kitas und Schulen auch wieder zum Regelbetrieb zurückkehren müssen, damit die Eltern über kurz oder lang nicht ihre Arbeit verlieren, möchte ich an dieser Stelle kurz erwähnen.
Aus der Gesundheitskrise sind aber nicht nur eine Wirtschaftskrise und eine Arbeitsmarktkrise entstanden – die Pandemie stürzt unsere Gesellschaft in weiten Teilen in eine Krise.
In dieser Situation hinterfragen wir erstmals: Was ist wirklich wichtig für uns? – Dieses klitzekleine Virus führt uns vor Augen, was systemrelevant ist. Dieser Begriff sollte meines Erachtens Unwort des Jahres werden. Wieso braucht unsere Gesellschaft erst eine Pandemie, um festzustellen, dass zum Beispiel die Pflege und das Gesundheitswesen tatsächlich wichtig sind und warme Worte nicht ausreichen, um diese Berufe nachhaltig aufzuwerten?
Herausfordernd und herausragend wichtig war diese Arbeit schon immer. Nicht erst in Coronazeiten verdienen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege deshalb mehr Anerkennung. Ich finde die Beschlüsse zu den Bonuszahlungen selbstverständlich gut. Niemand ist gegen zusätzliches Geld für Pflegekräfte. Wie man aber auf die Idee kommen konnte, politisch eine solche Prämie zu fordern und sie dann in Teilen den Trägern der Pflege aufdrücken zu wollen, fand ich stets absurd. Ich bin froh, dass auch das Land Berlin das offene Drittel der Prämie für die Pflegekräfte übernehmen wird.
Zugleich geht diese Prämie an den Problemen in der Pflege vorbei. Wir brauchen grundsätzlich höhere Löhne in der Pflege. So kann eine Pflegehilfskraft beim derzeitigen Pflegemindestlohn nicht auf eine auskömmliche Rente hoffen – unglaublich, wenn man daran denkt, was diese besonderen Menschen tagtäglich leisten. Deshalb müssen wir nicht über eine grundsätzliche Reform der Finanzierung der Pflege nachdenken, sondern wir müssen
diese endlich vornehmen. Nicht zuletzt kommt es darauf an, die Arbeitsbedingungen unabhängig von der Entlohnung grundlegend zu verbessern. Ich befürchte, dass nach der Auszahlung dieser Prämie an die Pflegekräfte nicht viel übrig bleibt von dem Applaus während der Pandemie und wir bei der nächsten Gesundheitskrise wieder vor genau denselben Problemen stehen.
Ich glaube, dass wir Berlinerinnen und Berliner die Pandemie bis jetzt gut gemeistert haben. Wir haben herausragende Virologen und Wissenschaftlerinnen in unsere Entscheidungen einbezogen; kaum befragt haben wir jedoch Psychologinnen und Psychologen, Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler oder einfach die, denen sowieso wenig Gehör geschenkt wird, zum Beispiel Menschen mit Behinderung. Was es für eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern, eines davon schwerbehindert, bedeutet, von einem Tag auf den anderen jede Hilfe zu verlieren, können sich die meisten wohl nicht vorstellen. Eines ist klar: Ihren Job konnte sie vorerst ebenso an den Nagel hängen wie das zarte soziale Netzwerk um sie herum. Sie musste die Pflege stemmen, den Haushalt schmeißen und Lehrerin spielen. Alle drei Kinder bleiben dabei auf der Strecke. – So geht es vielen Menschen mit Behinderung, die auf wichtige Therapien, Präventionskurse und Bildungsangebote verzichten müssen. Neben den Rückschritten im kognitiven und körperlichen Bereich bedeuten die Beschränkungen vor allem eines: das Gefühl, allein zu sein, abgetrennt und nicht gesehen zu werden. Eines ist daher ganz klar: Wir haben auch eine soziale Krise, und um diese zu mindern müssen wir beispielsweise Menschen mit Behinderung bei allen Maßnahmen berücksichtigen und bedenken.
Im Gegensatz zu anderen Bundesländern haben wir den Infektionsschutz nicht immer und nicht überall über alles gestellt, und das war auch absolut richtig so. Schulhelferinnen und Schulhelfer dürfen, sofern der Träger zustimmt, zu den Familien nach Hause. Doch auch hier gibt es viele Wenns und Abers: Kinder mit Förderstufe II – dies beschreibt einen Unterstützungsumfang – dürfen in die Notbetreuung. Was aber, wenn die gesamte Schule aus Kindern der Förderstufe II besteht, weil es sich um eine Förderschule handelt? Auch bei den Wohnheimen für Menschen mit Behinderung, die teilweise wochenlang nicht rausdurften oder ihre Familien nur sehr begrenzt sehen konnten, gibt es noch zahlreiche Fragezeichen.
Bei aller Unzufriedenheit über die Situation, bei allen offenen Fragen – und ich gehöre wohl zu den sehr kritischen Abgeordneten –: Dieser Senat und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Senatsverwaltungen leisten seit Monaten Hervorragendes.
Die Situation heute ist leider kein schlechter Traum. Doch auch wenn dieses Virus uns in vielfältige Krisen gestürzt hat, werden wir aus diesen hoffentlich lernen und gestärkt aus ihnen hervorgehen. – Ich danke Ihnen!
Die AfD-Fraktion hat die Redezeit aufgeteilt zwischen den Abgeordneten Buchholz und Mohr. Es beginnt der Abgeordnete Buchholz.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Liebe Berliner! Berlin hat das Recht auf eine verantwortungsbewusste politische Führung. Eine verantwortungsbewusste politische Führung hat immer den Ausgleich zwischen den Rechtsgütern Gesundheit, Freiheit und Wirtschaft zu wahren.
„Immer“ heißt dabei: vor, während und nach einer Krise, wie sie die aktuelle Coronapandemie darstellt. Im Projektmanagement heißt es: Fehler werden immer am Anfang eines Projektes gemacht – und genauso war es auch in dieser Krise. Weil vorhandene Pandemiepläne nicht in konkrete Vorbereitungsmaßnahmen umgesetzt worden sind, kam es zum Abwürgen der Wirtschaft, wie wir es gerade erlebt haben und immer noch erleben. Weil wir keine ausreichende Produktion und Bevorratung von Schutzmasken, Desinfektionsmitteln und medizinischen Schutzanzügen hatten, kam es hier zu Engpässen und Problemen.
Dass es zu diesen Problemen gekommen ist, hat zwei wesentliche Gründe. Erstens: Viele der politisch Verantwortlichen sind im Gegensatz zu den meisten AfDAbgeordneten nie im Leben einer anständigen Arbeit nachgegangen und kennen solche Aufgaben wie Produktion, Bevorratung von Wirtschaftsgütern, Logistik und Projektmanagement nicht.
[Beifall bei der AfD – Daniel Buchholz (SPD): Unverschämtheit! – Oh! von der LINKEN und den GRÜNEN – Weitere Zurufe von der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]
Zweitens – hören Sie genau zu –: Für viele der politisch Verantwortlichen auf der Bundesebene und hier in Berlin in dieser Koalition, besonders auf der linken Seite, ist das Thema Bevölkerungsschutz überhaupt kein Thema und überhaupt kein Ziel ihrer Tätigkeit. Das haben wir 2015 beim Versagen in der Flüchtlingskrise und 2020 beim Versagen in der Coronakrise gesehen. Jetzt sind wir auf dem Weg, die Coronakrise in Deutschland und in Berlin zu bewältigen, müssen aber leider erhebliche wirtschaft
liche Folgeschäden auffangen, zum Beispiel 49 000 neue Arbeitslose in Berlin. Diese Menschen müssen wieder in Lohn und Brot kommen, und noch vorhandene Arbeitsplätze sind zu erhalten.
Noch wichtiger ist der Erhalt von Ausbildungsplätzen. Junge Leute, die ihren Ausbildungsplatz durch diese Krise verloren haben, brauchen sofort einen neuen Ausbildungsplatz.
Wer eine abgeschlossene Berufsausbildung hat, der verliert in einer Krise selten als Erster seinen Arbeitsplatz. Das galt in dieser Krise und gilt auch für die nächste. Berufstätige Eltern mit kleinen Kindern müssen sofort die Gelegenheit erhalten, ihre Kinder wieder in die Kitas bringen zu können. Es soll niemand wegen einer geschlossenen Kita seinen Arbeitsplatz verlieren.
Konjunkturprogramme und Hilfen zum Wiederaufbau sind notwendig. Es ist eine gute Gelegenheit, staatliche Förderungen von sinnlosen Ideologieprojekten – Stichwort: Eine-Welt-Haus – in produktive Bereiche umzulenken.
Auch ist es sinnvoll, nicht nur Start-ups zu fördern, sondern auch alte Industrien weiterzuentwickeln. Ich will Ihnen mal ein Beispiel für eine alte Industrie nennen: Die Firma Dräger, die ihren Hauptsitz in Lübeck und eine Niederlassung in Berlin hat, stellt seit 1907 Beatmungsgeräte her. Diese alte Industrie mit den Beatmungsgeräten und allen Arten von Schutzausrüstung ist heute wichtiger denn je und wird es auch in Zukunft sein. Die Industrie ist auch in die Vorbereitung auf künftige Pandemiesituationen einzubeziehen, denn dort gibt es die entsprechende Kompetenz dazu.
Dringend wiederzubeleben ist auch der Tourismus. Offene Gaststätten, Busunternehmen und viele andere Bereiche brauchen internationale Touristen, die allerdings noch einige Wochen bei der Einreise auf Fieber kontrolliert werden sollten. – Wir brauchen auch weiterhin Soforthilfe für Kleinunternehmen mit unter zehn Mitarbeitern.
Professioneller Sport muss wieder möglich gemacht werden. Das gilt für kommerzielle Sportschulen wie auch für die Bundesliga. Der Präsident von Union Berlin, Dirk Zingler, informierte uns in einem Interview, dass im Profifußball insgesamt 56 000 Menschen arbeiten, dazu zählt auch der Würstchenverkäufer im Stadion. Selbst viertelvolle Stadien mit Abstands- und Hygieneregeln erhalten Arbeitsplätze.
Entlasten Sie endlich die Berliner Unternehmen von Bürokratie, Gewerbesteuer, und setzen Sie das wirt
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Liebe Berliner! „Mit Arbeits- und Sozialpolitik gegen die Auswirkungen der Krise“, so lautet die plakative Botschaft der heutigen Aktuellen Stunde. Aber was soll das genau heißen? – Einige Ausführungen dazu hat mein sehr geschätzter Kollege Christian Buchholz schon gemacht. Ich werde meine Redezeit nun nutzen, um weitere AfD-Differenziale herauszuarbeiten, denn es gibt durchaus gravierende Unterschiede zwischen unseren Ansichten einerseits und der ungebremsten Geldverschwendung von Rot-Rot-Grün andererseits.
Im Gegensatz zu den Sozialisten hier im Hause verstehen wir nämlich etwas von seriöser Haushaltspolitik.
[Lachen bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von den GRÜNEN: So ein Spaßvogel! – Weitere Zurufe von der SPD und der LINKEN]