Protocol of the Session on February 16, 2017

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt Herr Abgeordneter Schreiber das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Kollege Lenz! Was soll man zu dieser Entschließung sagen? Wahrscheinlich kann man es relativ einfach zusammenfassen: Der Lenz ist da! Sie haben mit dieser Entschließung, die Sie uns heute vorgelegt haben, etwas dargeboten, zu dem man sich fragen muss: Wie tief muss die Angst vor der AfD eigentlich sitzen, dass man Anträge einbringt, um Themen zu besetzen, damit die AfD-Fraktion nicht auf die Idee kommt, diese hier einzubringen?

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU]

Das ist, man muss es so sagen, billige Polemik; nicht mal Herr Wansner hat bei Ihrer Rede geklatscht.

[Heiterkeit bei der SPD – Zuruf von Holger Krestel (FDP)]

Insofern sehen Sie auch, dass das, was Sie vorgetragen haben, mit halbem Herz von Ihrer Fraktion getragen wird. Das lässt letzten Endes tief blicken.

Ich möchte zu dem Punkt der Entschließung allgemein etwas sagen. Sie sind darauf nicht eingegangen, obwohl hier der richtige Ort gewesen wäre, etwas zum Verfassungsschutz allgemein und später dann vielleicht auch zu Konkreterem zu sagen. Es ist richtig, dass die Landesämter für Verfassungsschutz in der Bundesrepublik, so auch der Berliner Verfassungsschutz, unter einer sogenannten ständigen Reform stehen. Es ist nicht richtig zu behaupten, dass da irgendwo Stillstand herrscht. Es ist auch richtig, dass deutlich gemacht werden muss, dass gerade wegen NSU ganz hoher Nachholbedarf bei der Frage der

(Stephan Lenz)

Struktur, der Organisation, aber auch bei der Führung von Personen bis hin zur Frage der V-Leute besteht.

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Zum anderen ist es so, und hier will ich auf das eingehen, was Sie gesagt haben: Es geht auch um die Frage, wie man den Verfassungsschutz aufstellt. Gibt es einen Weg in Richtung Zukunft? Soll er zukunftsfähig sein? – Ja, er muss zukunftsfähig sein, er muss reformbereit sein. Es ist auch richtig, dass in den vergangenen Jahren etliches Vertrauen zerschlagen wurde. Deswegen ist es sehr wichtig, Vertrauen zurückzugewinnen. Das geht nur durch eine kluge und gute Transparenz.

Sie haben in Ihrer Entschließung oft den Begriff „starker Verfassungsschutz“ genutzt. Wir sagen ganz klar: Es geht um einen guten Verfassungsschutz. Das macht sich doch nicht an der Frage der Stellen fest, ob wir im Berliner Verfassungsschutz 245, 250 oder 280 Stellen haben. Es geht letztlich um die Kernfrage, wie effizient die Abteilung II in der Klosterstraße ist. Darum geht es im Kern.

Auf Seite 2 Ihres Antrags kommen Sie zu dem Kernpunkt, worum es Ihnen eigentlich geht. Ihnen geht es eigentlich um die Auseinandersetzung mit der Frage, wie die rot-rot-grüne Koalition zum Verfassungsschutz steht. Erstens können wir festhalten, dass der Verfassungsschutz nicht abgeschafft wird. Zweitens können wir festhalten, dass wir als Koalition vereinbart haben, dass es Reformbedarf gibt. Das werden wir uns anschauen. Das werden wir prüfen, denn das Land Berlin soll eben nicht beispielsweise Schlusslicht sein bei der Frage: Wie modern ist ein Verfassungsschutz? – Deswegen gibt es da einiges zu tun.

Und Sie haben auch noch mal aufgelistet, das finde ich sehr interessant, die Frage der Kontrolle und haben letzten Endes mit dem Finger auf sich selbst gezeigt, dass wir seit über zehn Jahren keine Vertrauensperson haben. Es ist unsere ureigene Aufgabe als Parlament, als Ausschuss, in dieser neuen Wahlperiode dafür Sorge zu tragen, dass es dazu kommt, und vor allem nicht nur die Frage der Kontrolle im Blick zu haben, man muss sie am Ende auch ausüben. Das ist, glaube ich, ein ganz wesentlicher Punkt, den Sie im Blick haben sollten.

Ich möchte den Bogen damit schließen, dass gerade in dieser Situation der Bundesrepublik, aber auch gerade was Berlin betrifft, der Dank nicht nur einer Abteilung II der Innenverwaltung für die geleistete Arbeit gelten kann, sondern allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die im Land Berlin für die Sicherheit zuständig sind, und das sind unzählige Menschen, die Überstunden leisten und gerade nach dem schrecklichen Attentat am 19. Dezember engagiert daran arbeiten, aufzuklären, zu informieren und vor allen Dingen daran zu arbeiten, dass Berlin sicher bleibt und sicher ist. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP]

Vielen Dank! – Das Wort für die AfD-Fraktion hat Herr Gläser. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich gefreut. Beim Lesen des Antrags habe ich mich wie mit einer Zeitmaschine in die Achtzigerjahre zurückgesetzt gefühlt, als die Welt noch in Ordnung war. Die Mauer stand noch, die Feindbilder standen noch. Es gab ein paar russische Panzerdivisionen, die unsere Freiheit bedroht haben,

[Heiko Melzer (CDU): Haben Sie eine Mauer im Kopf?]

und kommunistische Geheimdienste, die im Inneren gegen die freiheitliche Ordnung gearbeitet haben. Es gab auch einen echten Homegrown-Terrorism und nicht das, was uns heute als solcher verkauft wird, in Form der Roten Armee Fraktion. Und wir hatten damals bestimmt auch eine sehr hohe Identifikation mit diesen Diensten. Die haben sicherlich auch damals nicht alle fehlerfrei gearbeitet, aber es gab keine Skandale wie in anderen Ländern wie Italien. Es war die schöne alte Zeit, aber die ist jetzt vorbei.

[Vereinzelter Beifall von links]

Es gibt eine ganze Reihe von wichtigen Geheimdienstskandalen, die wir in der Vergangenheit erlebt haben, und davon steht leider im Antrag nichts. Ich will nur drei nennen: NSU, NSA und das kolossale Versagen der Geheimdienste im Zusammenhang mit dem islamistischen Terror, Hashtag Breitscheidplatz. NSU, auch Berliner Behörden hatten über einen V-Mann Kontakte in diese unappetitliche rechtsextremistische Szene. Wir wissen, dass Beate Zschäpe am Tag, an dem ihre Zelle aufgeflogen ist, noch mit Leuten aus einem Ministerium telefoniert hat, dass sie nicht nur Unterstützung von Leuten, die Unterstützer sind, bekommen haben, sondern die mutmaßlich auch V-Leute waren, die mit Waffen und Geld versorgt haben, die sie vor Razzien gewarnt haben. Ein Mann vom Bundesamt für Verfassungsschutz war live nebenan, als dieser bedauernswerte Internetcafébesitzer in Hessen erschossen wurde, und will nichts davon mitbekommen haben.

Diese Sachen müssen uns zu denken geben, und in dem Antrag steht jetzt nur, dass das V-Mann-System super ist, und die brauchten im Zweifelsfall noch mehr Befugnisse. Da haben wir ebenso Bauchschmerzen wie bei der Frage der anlasslosen Massenüberwachung von Millionen unschuldigen Deutschen. Fluggastdaten, Vorratsdatenspeicherung, all diese Dinge machen uns große Sorgen, auch weil das natürlich gegen Millionen unschuldige Deutsche gerichtet ist. Alles, was Edward Snowden vor drei Jahren veröffentlicht hat – er hat damals gesagt, die Demokratie ist in großer Gefahr –, das sehen wir auch so, und darüber

(Tom Schreiber)

müssen wir reden. Davon steht leider auch nichts in dem Antrag.

Ich möchte noch dazu sagen: Die Kollegen von Ihnen, die mich aus der G-10-Kommission kennen, wissen, dass weder meine Fraktion noch ich uns der Überwachung von echten Verdächtigen widersetzen, es geht nur nicht bei allen und anlasslos.

Ich komme zum dritten Punkt – dem kolossalen Versagen der Behörden im Zusammenhang mit Anis Amri: Klar, da gibt es nicht genug Leute, um jeden Gefährder in der Stadt zu überwachen. Das war ja wohl auch einer der Gründe. Aber offensichtlich haben die Landesämter für Verfassungsschutz die Überwachung von Herrn Amri wie einen Schwarzen Peter vor sich hergeschoben und möglicherweise auch die falschen Prioritäten gesetzt. Ich weiß das, weil ich fünf Tage vor dem Anschlag im Roten Rathaus gewesen bin, wo unser frisch gebackener Innensenator – er ist da – eine Veranstaltung vom Landesamt für Verfassungsschutz eröffnet hat. Da ging es um ein ganz großes Sicherheitsproblem in Berlin, das unbedingt geklärt werden muss.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Dr. West?

Aber selbstverständlich, Frau Dr. West!

Bitte schön!

Danke, Herr Gläser! – Was unterscheidet denn echte von unechten Verdächtigen?

Ich meinte Verdächtige, gegen die was vorliegt, und das sind andere Verdächtige als Sie oder ich, wenn unsere Handydaten monatelang gespeichert werden.

Ich komme zurück zum 14. Dezember 2016: Im Roten Rathaus läuft eine große Veranstaltung. Es geht um ein wichtiges Sicherheitsproblem, und das sind nicht die Islamisten, es sind die bösen, bösen Islamkritiker. Hier wird vom Landesamt für Verfassungsschutz ein Popanz aufgebaut.

[Beifall bei der AfD]

Wir hoffen, dass sich diese Behörde nicht dazu instrumentalisieren lässt, gegen vergleichsweise friedliche,

harmlose Gruppen Stellung zu beziehen und die wirklichen Probleme in unserer Stadt zu ignorieren.

Ich komme zum letzten Punkt, noch mal zurück zur CDU: Sie haben es ja auch in der Hand.

Herr Gläser! Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Schrader?

Selbstverständlich, Herr Kollege Schrader, bitte!

Warum kritisieren Sie denn jetzt hier die Datenspeicherung verschiedener Art und fordern aber in einem anderen Antrag quasi die flächendeckende Videoüberwachung in ganz Berlin?

Weil das was anderes ist!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Marcel Luthe (FDP) – Lachen bei der LINKEN]

Ich komme noch mal zum Antrag der CDU zurück. Herr Lenz! Sie haben eben gesagt: Der Staat muss sich mit allen Mitteln der terroristischen Bedrohung entgegenstellen. – So weit würden noch nicht mal wir gehen.

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Aber ich sage Ihnen: Fangen Sie doch mal mit dem Bundesgrenzschutz an! Machen Sie bitte die Grenzen zu, und sorgen Sie dafür, dass die kriminellen Halunken rausgeworfen werden,

[Beifall bei der AfD – Zurufe von der CDU]

dass die Scharfmacher und Fanatiker aus unserem Land rausgeworfen werden! Sie haben es doch mit Ihrer Willkommenspolitik überhaupt erst bewirkt, dass dieses Problem hier so groß geworden ist. Das Gleiche ist beim Linksextremismus. Da müssen wir auch nicht alle Fäden hundertprozentig durchleuchten und überwachen. Es würde schon mal reichen, wenn Sie zum Anfang den stalinistischen Kampf gegen Rechts einstellen, auch mit der Bundesregierung. Entziehen Sie diesen ganzen Vorfeldorganisationen des linksextremen Spektrums das Geld! Sorgen Sie dafür, dass die Leute in einer geregelten Arbeit nachgehen müssen! Dann können sie keinen Klassenkampf mehr auf Steuerzahlerkosten machen.

[Heiterkeit und Beifall bei der AfD – Bravo! von der AfD]

Dann wird der Linksextremismus bestimmt nicht verschwinden, aber schon mal reichlich schrumpfen. Damit wäre allen geholfen.

Wir stehen als Law-and-Order-Partei natürlich zu unseren Behörden und hoffen, dass das Landesamt für Verfassungsschutz seine Aufgaben effektiv im Sinne der Berliner bewerkstelligen kann, und deswegen stimmen wir dem Antrag zu, aber die Bedenken, die ich genannt habe, müssen wir immer im Hinterkopf haben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!