Insofern zieht jeder so ein bisschen an der Ecke einer viel zu kurzen Decke, die vorne und hinten nicht reicht. Wir haben in den letzten Haushaltsberatungen darauf hingewiesen, dass wir einen höheren Ansatz an Investitionsmitteln für die Krankenhäuser brauchen, dass dort mehr Geld zur Verfügung gestellt werden muss.
Ich glaube, dass wir insgesamt über ein paar Fragen mal nachdenken dürfen. – Und damit bedanke ich mich erst mal!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Gemäß Drucksache 18/2684 empfiehlt der Hauptausschuss einstimmig – bei Enthaltung der Fraktion der FDP – die Zustimmung zu dem Vermögensgeschäft. Wer dem Vermögensgeschäft zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das sind die Koalitionsfraktionen, CDU, AfD und der fraktionslose Abgeordnete. Gegenstimmen? – Keine. Enthaltung? – Bei der FDP. – Damit ist das Vermögensgeschäft so beschlossen.
Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Absatz 3 der Verfassung von Berlin Drucksache 18/2679
Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Absatz 3 der Verfassung von Berlin Drucksache 18/2685
Auf Antrag aller Fraktionen wurden die Verordnungen zu den lfd. Nummern 2 und 3 sowie 5 bis 15 der Drucksache 18/2679 und die Verordnungen zu den lfd. Nummern 1 bis 3 der Drucksache 18/2685 vorab federführend an den Hauptausschuss sowie mitberatend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie, den Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung, den
Auf Antrag aller Fraktionen erfolgt eine Beratung. Es beginnt die Fraktion der SPD. Herr Abgeordneter Schneider hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPDFraktion hat alle Veranlassung, sicher auch das ganze Haus, zunächst dem Senat ausdrücklich zu danken für diese unglaublich schwierige Krisenbewältigung unter hohem Zeitdruck. Ich glaube, diesen Dank sollten wir dem Senat jetzt erst einmal gewähren.
Es gibt, wenn man schon eine gewisse Zeit im Geschäft ist, einen gewissen Kipppunkt. Ich will Ihnen meinen Kipppunkt festmachen: Ein Redebeitrag im öffentlichen Rundfunk, wenn ich mich richtig entsinne: In Deutschland funktioniert die parlamentarische Demokratie ausgezeichnet, was sich daran zeige, dass über die diversen Rechtsverordnungen in den Parlamenten bundesweit geredet werde. – Ich habe Bedenken angesichts dieser Aussage und zwar aus vielen Gründen. Erstens: Die Parlamente sind keine Quatschbude, meine Damen und Herren! Die Parlamente haben die Aufgabe, den Bürgern gegenüber Transparenz herzustellen, das Für und Wider abzuwägen und zwar gründlich – und insbesondere im Angesicht der Opposition. Insoweit finde ich diese saloppe Bemerkung despektierlich. Ich muss sie zurückweisen, so leid es mir tut.
Zweitens: Dieser Befund verkennt das Grundsatzproblem, das bisher überhaupt nicht diskutiert wird in der Bundesrepublik, und das ist die Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts. Sie ist staatsprägend. Profanisiert gesprochen besagt sie Folgendes: Je tiefer Eingriffe in Grundrechte stattfinden, umso zwingender ist, dass sie ausschließlich vom Parlament vorgenommen werden.
Nun kann man sich sicherlich – das werden Redebeiträge der Kollegen Parlamentarische Geschäftsführer, die sich nun bedauerlicherweise, zu unserem gemeinsamen Bedauern, veranlasst sehen, hier heute reden zu müssen – darüber auslassen, ob wir hier Rechtsverordnungen grundsätzlicher Bedeutung haben und anderes mehr. Aber Einigkeit – selbst innerhalb der AfD – besteht darin, dass dies wohl die in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland mit Abstand massivsten, quantitativ und qualitativ, Grundrechtseingriffe sind, die es jemals gegeben hat.
Ich gestatte keine Zwischenfragen. – Nein, die Sache ist mir zu ernst, tut mir leid, Herr Kohlmeier. Ich hätte Sie auch nicht gestattet, wenn ich gewusst hätte, dass Sie es sind, mit Verlaub.
Eingedenk dieser Tatsache wird sich mit großer überwiegender Wahrscheinlichkeit das Bundesverfassungsgericht damit befassen müssen. Das hat zwei Gründe: einmal die Eitelkeit und einmal die Aufrichtigkeit der mehreren Tausend anhängigen Hauptsacheverfahren. Es wird vor die Frage gestellt sein, diese staatsprägende Theorie zu verwerfen oder den Handlungsdruck abzusegnen, den wir nach wie vor für richtig erachten. Deshalb habe ich den Senat auch gelobt, weil es ein Gebot der Stunde war, so ad hoc reagieren zu müssen. Aber ich gebe zu bedenken: Selbst wenn sich die Bundesrepublik Deutschland eines Angriffskrieges ausgesetzt sähe, hätten wir mehr parlamentarische Demokratie durch die Beteiligung von 48 gewählten und legitimierten Abgeordneten, als wir es derzeit bundesweit durch die Entscheidungen von 16 Ministerpräsidenten erleben. Das ist in hohem Maße bedenklich, meine Damen und Herren!
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN, der AfD und der FDP – Beifall von Christian Goiny (CDU)]
Ich will das gar nicht in die Länge ziehen. Ich glaube, ich habe deutlich gemacht – ich habe mir auch fest vorgenommen, mich weder an Herrn Schäuble noch – zum Leidwesen der Grünen – an Herrn Palmer abzuarbeiten, weil wir alle hier im Haus einer Meinung sind, was den Zweitgenannten anbelangt –, dass diese Befassung im Parlament jenseits der Frage, ob es richtig ist, unter Opportunitätsgründen, unter Verfassungsgründen, dass wir alles mit Gesetzen regeln, dass ich daran deutliche Zweifel habe. Wie man das aber löst, weiß ich nicht. Jenseits dieser Frage: Die Ministerpräsidentenkonferenz ist desavouiert, denn sie handelt nicht mehr einheitlich, die Dispute finden in Talkshows statt. Wo normalerweise karnevaleske Auftritte stattfinden, da hat sich einer ganz besonders hervorgetan, aus Nordrhein-Westfalen.
Ich will das nicht vertiefen. Das hat die Debatte nicht bereichert, jedenfalls keine Parlamentsbefassung ersetzt. Das muss uns klar sein.
Ich komme zurück zu meinem Kipppunkt. Damit Sie sehen, mit welchem Nachdruck und wie ernsthaft ich das meine: Ich stimme der Bundesjustizministerin, der geschätzten Kollegin Christine Lambrecht ausdrücklich nicht zu. Es steht der Exekutivspitze ausdrücklich nicht
zu, einzuschätzen, ob die parlamentarische Demokratie funktioniert. Gemessen an dem Maßstab dieses Parlaments, das noch keine von mehr als 15 Rechtsverordnungen verfassungskonform befassen konnte, lasse ich diesen Befund, ihren Befund mit ihren Prämissen mal im Raum stehen. – Meine Damen und Herren! Fangen wir an zu arbeiten!
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Kollege Schneider hat ausgehend von der Bundesebene, wie ich finde, deutliche Worte gefunden, die wir uns auch hier im Berliner Landesparlament zu Herzen nehmen sollten. Deswegen haben wir Parlamentarischen Geschäftsführer aller Fraktionen auch in Vorbereitung der heutigen Plenarsitzung gesagt: Diese Frage von grundsätzlicher Bedeutung wollen wir hier diskutieren. Warum wir sie jetzt erst um 20.06 Uhr diskutieren und nicht am Anfang des Plenums, wie es fast alle Fraktionen wollten, kann nachher der Kollege der Grünen-Fraktion ausführen. Ich glaube, das wäre der richtigere Zeitpunkt gewesen, es zu Beginn des Plenums zu machen, um das deutlich zu sagen.
Aber – ich will mich dabei auf die Berliner Landesebene konzentrieren – wir müssen über das Verhältnis der Exekutive zur Legislative sprechen. Wir streiten miteinander, wir haben unterschiedliche Meinungen. Es gibt auch in vielen Fragen Einigkeit, auch in diesem Haus. Aber, wo in der letzten Zeit Sand ins Getriebe gekommen ist, das ist bei der Frage, wie der Senat das Landesparlament informiert. Kollege Schneider hat das mit Rücksicht auf seine Partei abstrakt formuliert, ich sage es hier für die Landesebene noch einmal deutlich: Wir haben als Parlament einen Kontrollauftrag dieses Senats. Es bedarf dieser Kontrolle, und wir sind als Landesparlament Kontrollorgan und nicht das Feigenblatt des Senats. Deswegen gehören die Rechtsverordnungen allesamt hier ins Parlament – und zwar zu ganz bestimmten Zeitpunkten.
[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Sven Kohlmeier (SPD)]
Ich darf für die CDU-Fraktion als Oppositionsfraktion hinzufügen: Wir haben uns vorgenommen, in dieser Krise ideenreich zu arbeiten, konstruktiv, dort wo wir anderer Meinung sind und Kritik notwendig ist gegenüber dem
Senatshandeln, natürlich auch kritisch, aber insgesamt pragmatisch. Das hat man, glaube ich, an vielen Beispielen sehen können, wie bei der Finanzierung des CoronaBehandlungszentrums und anderen notwendigen Finanzierungen in der erste Krisenphase. Wir erwarten dann aber auch vom Senat, dass er sich verfassungskonform verhält. Das, was eben abstrakt gesagt worden ist, will ich gern deutlich machen: Artikel 64 Abs. 3 VvB regelt, dass Rechtsvorschriften unverzüglich dem Parlament zur Kenntnisnahme vorzulegen sind.
„unverzüglich“ bedeutet nicht irgendwann, „unverzüglich“ heißt nicht, in 14 Tagen und auf achtmalige Nachfrage, in Ältestenräten und bei vielen anderen Gelegenheiten. „Unverzüglich“ heißt unverzüglich und deshalb hoffe ich, dass wir diese Frist ein letztes Mal als Parlament beim Senat anmahnen müssen
[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]
Das gilt einerseits für die Ankündigung von Rechtsverordnungen, und auch das will ich sagen, Artikel 80 Abs. 4 GG, eine bestimmte Regelung, die dieses Haus mit dem Senat getroffen hat, die darauf abstellt, Vorfeldinformationen und dann unverzügliche Vorlage von Rechtsvorschriften. Die Praxis war: Dieses Parlament hat die Rechtsvorschriften allesamt nicht gesehen und viele Rechtsvorschriften erst erhalten, als sie schon nicht mehr gültig waren, als es nur noch alter Papierkram waren, abgelöst von einer neuen Rechtsverordnung.
Jetzt will ich das noch einmal beschreiben am Beispiel des Rechtsausschusses, der gestern getagt hat. Da gab es von a bis – ich glaube – p Untertagesordnungspunkte, Rechtsverordnungen rauf und runter, nur die aktuelle war nicht da, nur die gültige war nicht da. Es war im Grunde genommen nur noch abgelaufenes Altpapier. Der Streit, der sich daraus entsponnen hat, war, dass die Koalitionsfraktionen gegen ihren eigenen Senat gern Änderungen durchsetzen wollen, der Senat aber eine andere Auffassung in der Rechtsverordnung erlassen hat. Das ist der Streit, um den es am Ende in der Koalition geht. Es gab aber keine gültige Rechtsverordnung, mit der man hätte arbeiten können. Das ist für das Parlament ein Skandal.