Protocol of the Session on April 2, 2020

(Dr. Clara West)

Gestatten Sie mir fünf Anmerkungen hierzu. Erstens: Liquiditätshilfen ausdehnen. – Die CDU-Fraktion hat die derzeitigen, richtigen Liquiditätshilfen aus dem Landeshaushalt von Beginn an mit ungeduldigem Nachdruck unterstützt. Ohne sie würden viele Unternehmen sofort pleitegehen. Unsere Liquiditätshilfen sind sozusagen die Erste Hilfe, die wir leisten, unabdingbar zur Lebensrettung. Die bisherigen Liquiditätshilfen sind aber unzureichend. Brandenburg mit erheblich weniger Einwohnern und einem erheblich geringeren Bruttoinlandsprodukt gibt mehr als doppelt so viel Liquiditätshilfen wie Berlin. Da muss nachgesteuert werden.

[Beifall bei der CDU]

Zweitens: Zuschüsse auch für mittelständische Unternehmen. Nicht nachvollziehbar ist der Umgang mit den Unternehmen unseres Mittelstandes. Die Kreditvergabe ist bisher auf 100 Millionen Euro begrenzt worden, und sie ist mangels weiterer Mittel bereits nach einem Tag eingestellt worden. Das geht so nicht.

[Beifall bei der CDU]

Weiterhin erhalten Unternehmen mit mehr als fünf Mitarbeitern keine Zuschüsse aus Landesprogrammen, anders als in den meisten anderen Bundesländern. Zuschüsse müssen umgehend auch für den Mittelstand beschlossen werden.

[Beifall bei der CDU]

Wie wichtig das ist, zeigen Erlebnisberichte betroffener Unternehmen. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitiere ich aus dem Schreiben eines Unternehmers der Kreativwirtschaft mit 41 Beschäftigten, einem Jahresumsatz von 2,8 Millionen Euro und einem Jahresgewinn von zuletzt 180 000 Euro – beispielhaft für viele andere. Ich zitiere:

Zinslose Darlehen mit einer Laufzeit von sechs Monaten – in einem halben Jahr muss also die Rückzahlung erfolgen. Das ist für einen Großteil von uns absolut aussichtslos. Wir wissen überhaupt nicht, wann unsere Läden wieder öffnen können, und da ist die Ansage „sechs Monate“ Hohn und Spott. Und dann die selbstschuldnerische Bürgschaft: Ganz toll! Wenn man also einen Kredit erlangt hat und damit versucht, sein Unternehmen zu retten, und das gelingt nicht, ist auch das gesamte Privatvermögen weg. Heißt de facto Hartz IV. Ganz ehrlich, dann lasse ich lieber die Firma vor die Wand fahren. Ich kann angesichts dieser unverschämten Bedingungen nur davon abraten, bei der IBB Liquiditätshilfen zu beantragen. Für viele von uns sind diese Hilfen Wege in die Privatinsolvenz.

Zitat Ende. Das sind keine Miesmacher, Frau Kollegin, und auch keine Einzelstimmen, sondern das scheint ein Phänomen zu sein. Es besteht deswegen kein Anlass zur Selbstzufriedenheit. Diese alarmierenden Erlebnisberichte müssen ernst genommen werden, und deswegen bitten

wir Sie, unserem Vorschlag zu folgen, auch den Mittelständlern Zuschüsse zu geben, um genau das zu verhindern, was hier beschrieben worden ist.

[Beifall bei der CDU]

Dritte Anmerkung – Perspektiven eröffnen: Aus dem zitierten Schreiben des Kreativunternehmers ist noch etwas Wichtiges abzulesen: Wer lässt sich in der derzeitigen Lage auf neue unternehmerische Risiken ein, wenn er nicht das Licht am Ende des Tunnels sehen kann? Wer soll neue Verpflichtungen eingehen, wenn er nicht ansatzweise erkennen kann, ob er diese erfüllen kann? Vertrauen in stabile Verhältnisse ist unabdingbar für wirtschaftlichen Erfolg. Dieses Vertrauen erfordert glaubwürdige Kommunikation. Wenn wir also verhindern wollen, dass unsere Unternehmen aufgeben, wenn wir ihnen die Chance auf Fortführung erhalten wollen, dann kommt es auch darauf an, ihnen glaubhaft und realistisch die Perspektive dafür zu eröffnen, dass die bestehenden Beschränkungen ihrer unternehmerischen Freiheiten schrittweise beendet werden.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Mit diesen Beschränkungen der Freiheit wollen wir Leben retten. Die Bedrohung ist real. Wir wollen eine Überforderung unserer guten intensivmedizinischen Kapazitäten vermeiden. Deshalb ist es so wichtig, dass alle Menschen ihren Beitrag zum Infektionsschutz leisten. Daher danke ich an dieser Stelle nochmals allen Berlinern, die das befolgen.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Regina Kittler (LINKE) und Silke Gebel (GRÜNE)]

Wenn alle mitmachen, wenn sich alle an diese Regeln halten, dann kann bis Ende April die Zahl der Neuinfektionen reduziert werden. Das zeigen die Erfahrungen aus verschiedenen asiatischen Ländern. Das wird uns die Möglichkeit geben, die strengen Restriktionen behutsam zu lockern. Daher müssen wir auf der Grundlage der verfügbaren wissenschaftlichen Expertise rechtzeitig und glaubhaft die Lockerung der Einschränkungen ankündigen. Unsere Unternehmen brauchen verlässliche Perspektiven und eine glaubwürdige Kommunikation, dann werden unternehmerische Investitionen wieder möglich.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Vierte Anmerkung – wirtschaftspolitische Sünden unterlassen: Meine sehr geehrten Damen und Herren der rotrot-grünen Koalition! Die Berliner Wirtschaft erlebt mit dem Coronavirus die schwerste Krise seit vielen Jahren, aber der Senat hat offenbar derzeit nichts Wichtigeres zu tun, als mit einem Vergabegesetz neue bürokratische Hürden zu schaffen. Er gefährdet damit nicht nur das Überleben vieler Unternehmen und viele Arbeitsplätze,

sondern auch die schnelle Beschaffung von Schutzausrüstung.

[Silke Gebel (GRÜNE): Stimmt überhaupt nicht!]

Das ist das Gegenteil von dem, was wir in der jetzigen Situation brauchen. Deswegen appellieren wir an Sie, auf dieses schädliche Vergabegesetz zu verzichten.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD und der FDP – Benedikt Lux (GRÜNE): Davon ist nichts wahr!]

Fünfte Anmerkung – Impulse für Wirtschaftswachstum: Unsere Wirtschaft braucht Impulse, um wieder auf die Beine zu kommen, denn mit erster Hilfe allein, mit Liquiditätsprogrammen allein wird das nicht gelingen. Die Erfahrungen aus dem Konjunkturpaket II der Bundesregierung aus dem Jahr 2009 zeigen genau das. Deutschland ist sogar gestärkt aus der internationalen Finanzkrise herausgekommen. Ohne Frage wird hier der Bund gefordert sein, aber auch wir in Berlin haben ein Interesse daran, Impulse für einen Konjunkturaufschwung zu setzen. Deswegen hat die CDU-Fraktion heute einen ersten Dringlichkeitsantrag eingebracht. Es geht darum, der Not leidenden Berliner Wirtschaft jetzt unbürokratische Impulse zu geben – mit Sanierungsmaßnahmen in unseren derzeit geschlossenen Schulen und Kitas: Einfach das vorziehen, was ohnehin geplant ist, damit wir jetzt Impulse setzen können für die Not leidende Wirtschaft!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Holger Krestel (FDP) – Regina Kittler (LINKE): Geht ganz einfach, na klar! – Ülker Radziwill (SPD): Fern jeder Realität!]

Zum Schluss: Konsequenter Gesundheitsschutz jetzt! Konsequente Liquiditätshilfen jetzt! Perspektiven und Vertrauen schaffen, wirtschaftspolitische Torheiten unterlassen und Konjunkturimpulse geben – damit werden wir die Konjunkturkrise überwinden, mit den Berlinern, mit den Berliner Unternehmen und im Interesse aller. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Frau Dr. Schmidt das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, sehr geehrter Herr Präsident! – Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Was im Kleinen gilt, gilt nun auch im Großen: Erst wenn uns etwas fehlt, merken wir, wie nötig wir es brauchen. Die absolut notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus lassen derzeit so vieles nicht zu: kein Treffen mit Freunden, von Enkeln und Großeltern, kein Kita- oder Schulbesuch, keine Theater-, Club- und Konzertbesuche, keine

Besuche in Museen, Galerien, Cafés. Noch härter jedoch treffen viele Berlinerinnen und Berliner die wirtschaftlichen Auswirkungen des Virus. Deshalb haben wir gemeinsam, Senat und Parlament, schnell und unbürokratisch geholfen und einen breiten Schutzschirm aufgespannt. Sehr kurzfristig haben wir stark nachgefragte Soforthilfen mit zinslosen Darlehen für Unternehmen und ein Zuschussprogramm für Soloselbstständige und Freiberuflerinnen beschlossen. In kürzester Zeit wurden bereits 100 000 Betroffene unterstützt, mehr als 1 Milliarde Euro sind bereits ausgezahlt.

Sicher, Herr Dregger, mehr geht immer. Sicher, in Berlin klappt wenig von jetzt auf gleich. Doch die gute Botschaft ist, dass es am Ende funktioniert. Bereits am Freitag hatten die ersten Antragstellerinnen und Antragsteller ihr Geld auf dem Konto, weitere Auszahlungen folgten ab Montag, so, wie wir es versprochen haben: schnell und unbürokratisch.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Noch nie wurden in so kurzer Zeit und in diesem Umfang Mittel des Landes und des Bundes zur Verfügung gestellt. Lasst uns auch einmal stolz sein, nimmt doch das Land Berlin hier unter allen Bundesländern eine Vorreiterrolle ein! Da ist es an der Zeit, einmal herzlich Danke zu sagen: an den Senat, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vor allem aber an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der IBB.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Trotz Warteschleife und Datenpanne haben die Akteure in den letzten Tagen Großartiges geleistet.

Doch diese wirtschaftlichen Hilfen sind nur eine Baustelle. Genauso wichtig ist es, dass wir den Schutz der Berliner Mieterinnen und Mieter erhöhen. Der Bund hat bereits den Kündigungsschutz bei Mietrückständen für Wohn- und Gewerberäume deutlich ausgeweitet. Darüber hinaus hat der Senat mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften und der berlinovo vereinbart, Vollstreckungen von Wohnungsräumungen bis auf Weiteres auszusetzen. Private Wohnungsunternehmen sind angehalten, ebenso zu verfahren. Des Weiteren sind Zählersperrungen durch Amtsgerichte ausgesetzt. Auch für die Obdachlosen ist inzwischen für Hilfe gesorgt: Seit gestern ist die Jugendherberge in der Kluckstraße in Betrieb.

Auswirkungen hat die Coronapandemie natürlich auch auf die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Musikschulen, Volkshochschulen und weiterer Einrichtungen des Landes Berlin. Viele von ihnen haben kreative Ideen entwickelt und ihren Unterricht auch aus der Ferne fortgesetzt. Deshalb ist die Entscheidung des Landes richtig, dass ursprünglich vereinbarte Honorare weiterhin zu zahlen sind.

(Burkard Dregger)

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Berlin ist vor allem aber die Stadt der Kunst und Kultur, der Clubs, der Kreativen, der kleinen Kneipen und Bars. Damit bin ich bei denjenigen, die gerade in Berlin unseren Alltag mit ihrer Kunst durch so bunte und vielfältige Arbeit bereichern wie sonst in kaum einer anderen Stadt. Besonders hart trifft es die Freien, die Soloselbstständigen wie Musikerinnen und Musiker, die derzeit nicht öffentlich auftreten können, oder Schauspielerinnen und Schauspieler, die von ihren Gagen leben. Aber auch die Guides in Museen und Gedenkstätten, kleine Konzertveranstalter, Lesebühnen, Clubs, die Soziokultur, die vielen kleinen Kneipen – sie alle müssen mit dem völligen Einbruch aller Einnahmen klarkommen. Schwer ist es auch für die mit oder ohne Zuschüsse arbeitenden Kulturbetriebe, die mit ihren Einnahmen ihren Betrieb unterhalten und nun ohne jede Einnahme dastehen.

Es gibt die Soforthilfe I, ein Darlehen, um die größte Unbill erst einmal abzufedern und die Existenz zu sichern. Ja, aber: Es muss irgendwann zurückgezahlt werden. Viele Künstlerinnen und Künstler, auch die Betreiberinnen und Betreiber der kleinen Kneipen und Bars können das nicht. Ihr Einkommen erlaubt selten, nennenswert vorzusorgen oder Rücklagen zu bilden – übrigens auch ein Punkt, über den eine Gesellschaft nachdenken sollte.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Für diese Künstlerinnen und Künstler gab es die Soforthilfe II – ein Zuschuss von 5 000 Euro, der ihre berufliche und, anders als in anderen Bundesländern, auch ihre persönliche Existenz in diesen Zeiten sichern helfen soll. Das Land Berlin hatte das bundesweit schnellste, offenste und vom Volumen her größte Soforthilfeprogramm für Künstlerinnen und Künstler und andere Freiberuflerinnen und Freiberufler und Soloselbstständige. Zunächst standen 100 Millionen Euro zur Verfügung. Diese wurden im Verlauf weniger Tage auf 300 Millionen Euro aufgestockt. Am 1. April mittags betrug das beantragte Volumen bereits über 600 Millionen Euro allein für dieses Soforthilfeprogramm II – das Sechsfache also des Ursprungsvolumens. Binnen kürzester Frist konnte dadurch die erste Nothilfewelle aufgefangen werden.

Im nächsten Schritt wird diese Unterstützung nun in einem bundeseinheitlichen Programm fortgeführt. Wir fordern, dass dabei die Bedarfe und Lebensrealitäten von Kulturschaffenden, Freelancern und Kleinstunternehmen mindestens weiterhin so berücksichtigt werden, wie wir das in Berlin getan haben.

Und noch etwas zeigt sich in der Krise, und das finde ich bewundernswert: Es ist der Zusammenhalt der Menschen

in unserer Stadt, es ist die schöpferische Kraft, die Wucht an Ideen – sei es beim Erfinden neuer Möglichkeiten oder bei der ganz konkreten Unterstützung für unser Gesundheitssystem. Beispielhaft nenne ich die Plattform Berlin (a)live, eine Schnittstelle für kulturelle Angebote von Bühnen und Clubs, Museen und Galerien. Hier besteht die Chance, digitale Projekte und Ideen zu erproben, populärer zu machen, aber auch die Chance, Künstlerinnen und Künstler mit Spenden zu unterstützen. Es sind zugleich die Balkonkonzerte der Sängerinnen und Sänger, genauso wie die Konzerte und Stücke großer Ensembles. Nennen will ich auch die vielen Projekte und Werkstätten, die sich kurzgeschlossen haben und Schutzmasken nähen, um Kapazitäten für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen freizumachen. All das verlangt unseren Dank, und den will ich von Herzen gerne geben.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Es gibt aber auch deutliche Kritik, beispielsweise an den Privat- und Hausbanken, die trotz Bürgschaften hohe Zinsen wollen oder sich ganz zurückziehen. Das ist ein klares Foulspiel, das werden wir so nicht hinnehmen. – Danke auch an Frau Popp, die hier sehr klare Gespräche führt!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

So schnell die Hilfen des Senats auch angelaufen sind, es bleiben Unschärfen und blinde Flecken. Es braucht auch die Unterstützung für größere private Einrichtungen, die bisher ohne jede öffentliche Förderung ausgekommen sind. Denen hilft ein Kredit nicht, ebenso wenig wie den sozialen Trägern, denen durch die Coronapandemie die Leistungserbringung momentan nicht oder nicht in vollem Umfang möglich ist. Eine Lösung brauchen wir auch für die Sozialverbände.

Menschen in systemrelevanten Berufen müssen langfristig besser geschützt und auch bezahlt werden. Das Kurzarbeitergeld sollte deutlich erhöht werden; auch über Pandemiezuschläge für niedrige Renten und Hartz IV muss nachgedacht werden. Kredite sollen mit sehr niedrigen oder null Zinsen vergeben werden, die Rückzahlung soll auch an künftige Erträge gekoppelt sein. – Wie können wir noch stärker eigene regionale Unternehmen zur Produktion wichtiger Schutzkleidung und Desinfektionsmittel oder eben auch wichtiger medizinischer Geräte motivieren? – So wie wir bei der Pandemie am Anfang stehen, stehen wir auch bei den Hilfen am Anfang. Hier müssen wir als Land, aber auch als Bund nachbessern, unbedingt, schnell und zuverlässig. – Vielen Dank!