Protocol of the Session on March 5, 2020

[Beifall bei der FDP]

Hier haben sich bisher vor der Änderung des Antrags bei den Instrumenten unsere Positionen leicht unterschieden. Ich teile jedoch inzwischen große Teile Ihrer Problemlösung und erachte sie als sehr sinnvoll. Das Solidarische Grundeinkommen von Herrn Müller, das Menschen in eine berufliche Sackgasse führt, ist weder Allheilmittel noch wirksam.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Das Solidarische Grundeinkommen ist kein Schritt in die richtige Richtung und deutlich zu kurz gedacht. Kurz gedacht ist das Gesetz, weil es den Fokus, wie der Name schon sagt, vor allem auf Teilhabe legt. Teilhabe ist zweifellos ein wichtiger Baustein, aber gewährte Teilhabe ist dennoch etwas anderes als die Befähigung zur selbstbestimmten Teilnahme am Arbeitsleben.

[Beifall bei der FDP]

Deshalb ist es schade, dass Bildung, Weiterbildung und Qualifikationsmaßnahmen in diesem Gesetz zu kurz kommen und nicht berücksichtigt werden.

[Beifall bei der FDP]

Das ist eine verpasste Chance, vor allem weil Qualifikation eine der tragenden Säulen für eine nachhaltige Integration am ersten Arbeitsmarkt darstellt. Aus diesem Grund schließe ich mich hier auch unserer Fraktion im Bundestag an, dass es uns im Wesentlichen doch darum gehen muss, dass Menschen Fähigkeiten erwerben, mit denen sie auf eigenen Beinen im Berufsleben stehen können,

(Christian Buchholz)

mit denen sie sich selbst bei verschiedenen Arbeitgebern schlussendlich bewerben können.

Unser Ziel sollte viel mehr sein als die bloße Finanzierung der Teilhabe. Um arbeitslosen Menschen wirklich echte Chancen zu eröffnen, brauchen wir einen viel umfassenderen Ansatz. Der vorliegende Antrag ist vor diesem Hintergrund zielführender als das Konzept des Solidarischen Grundeinkommens.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Heiko Melzer (CDU)]

Es gibt sicherlich noch einige Stellschrauben, die zu drehen sind oder die man drehen kann, um Menschen echte Perspektiven zu eröffnen, aber ich stimme in jedem Fall folgenden Punkten zu: Wir müssen Bildung und Qualifikation noch stärker ins Zentrum stellen. Wir müssen bei der Bildungsoffensive vorankommen. Und wir müssen dafür sorgen, dass Ausbildungsplätze besetzt werden. Wir müssen es schaffen, dass mehr Jugendliche ihre Schulabschlüsse machen und dass die Schulabbrecherquote endlich drastisch sinkt.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Zuruf von Joschka Langenbrinck (SPD)]

Bildung ist und bleibt die beste und nachhaltigste Basis, um künftige Arbeitslosigkeit zu verhindern. Daher unterstütze ich diesen Änderungsantrag. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der FDP und der CDU – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Kollegin Bangert das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor acht Monaten wurde das Pilotprojekt Solidarisches Grundeinkommen gestartet, und ja, der Run auf dieses arbeitsmarktpolitische Instrument hält sich bisher in Grenzen, was sicherlich mit daran liegt, dass wir gerade einen sehr aufnahmefähigen Arbeitsmarkt haben und die definierte Zielgruppe gute Chancen hat, in reguläre Beschäftigung zu kommen. Zudem sind im SGE die definierten Einsatzfelder, die der Zusätzlichkeit und der Wettbewerbsneutralität unterliegen, für die Zielgruppe nicht sonderlich attraktiv. Diese Menschen sind kurz erwerbslos und verfügen in der Regel über eine abgeschlossene Ausbildung. Deshalb präferieren sie eine arbeitsmarktnahe Beschäftigung, die geeignet ist, eine neue berufliche Perspektive für sie zu entwickeln.

Insofern freue ich mich, dass beispielsweise die BVG das SGE als Einstieg für potenzielle Fachkräfte nutzt. SGE

Beschäftigte der BVG haben die Möglichkeit, in jedem Betriebsteil ihrer Wahl Praktika zu absolvieren und gegebenenfalls dann in eine Ausbildung bei der BVG zu wechseln. Sicherlich zielführender, als das Leben als Grünflächenguide oder Citylotse zu fristen!

Arbeitsmarktpolitische Instrumente brauchen eine Durchlässigkeit zum ersten Arbeitsmarkt. Sicherstellen müssen wir außerdem, dass die angebotene Beschäftigung einer Dequalifizierung keinen Vorschub leistet. Insofern ist es gut und richtig, dass es uns gelungen ist, beim SGE ein begleitendes Coaching und begleitende Qualifizierung verbindlich festzuschreiben. Wir haben ein regelmäßiges Berichtswesen über die Umsetzung, und ich hoffe sehr, dass zur Jahresmitte erste belastbare Ergebnisse vorliegen. Erst auf dieser Basis können wir entscheiden, wie wir weiter verfahren bzw. ob wir gegebenenfalls Korrekturen am Programm vornehmen müssen.

Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass wir das Programm für den Kulturbereich öffnen. Da gibt es Bedarf, u. a. bei den Kinder- und Jugendtheatern, und dort findet auch keine Wettbewerbsverzerrung oder Verdrängung regulärer Arbeitsverhältnisse statt.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Interessant ist der Änderungsantrag der CDU zum eigenen Antrag. Populistisch wird die Einstellung des Pilotprojekts SGE gefordert; konstruktive Vorschläge – Fehlanzeige! In der Begründung wird nur Altbekanntes wiederholt. Sie fallen hinter Ihren eigenen Ursprungsantrag zurück, in dem Sie noch vorgeschlagen haben, das SGE zugunsten des Teilhabechancengesetzes zu beenden.

Aber Sie haben inzwischen auch festgestellt, dass wir dieses Teilhabechancengesetz in Berlin recht erfolgreich umsetzen, bei unseren Unternehmen mit Landesbeteiligung, aber auch bei sozialen Trägern. Allein im Rahmen der Umsetzung des § 16i in der ergänzenden Landesförderung konnten knapp 3 000 Stellen besetzt werden, und darüber freue ich mich besonders, denn das sind wirklich Menschen, die sehr lange in der Erwerbslosigkeit waren und jetzt in eine reguläre Beschäftigung wechseln können.

Wir haben hier Beschäftigung kombiniert mit Coaching und individueller Beratung sowie Weiterbildungs- und Qualifizierungsangeboten. Somit wollen wir die Arbeitsmarktnähe der erwerbslosen Menschen wiederherstellen. Sicherlich kann es in diesem Rahmen auch Beschäftigung geben, die im am Gemeinwohl orientierten Sektor liegt, sofern diese eine arbeitsmarktnahe Tätigkeit umfasst. Aufgrund des degressiv gestalteten Lohnkostenzuschusses ist es aber dringend notwendig, dass insbesondere soziale Träger die Möglichkeit haben, in Bereichen tätig zu werden, die auch Einnahmen generieren, z. B. im Rahmen von sozialen Unternehmen. Nur so werden wir dauerhafte Erfolge bei der Integration langzeiterwerbsloser Menschen haben.

(Alexander Wieberneit)

Das sind konkrete Punkte, die wir arbeitsmarktpolitisch beraten und lösen müssen, gerne gemeinsam mit der CDU, wenn Sie außer Populismus auch endlich einmal Inhalte zu bieten hätten. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der fraktionslose Abgeordnete Wild nach § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung einen Redebeitrag angemeldet. Die Redezeit beträgt wie immer bis zu drei Minuten. – Herr Abgeordneter! Sie haben jetzt das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Teilhabechancengesetz hat eine gewisse Berechtigung, da Arbeitsplätze auf dem normalen Arbeitsmarkt gefördert werden, die Unternehmen mit richtigen Jobs anbieten. Ein Unternehmer kann also Jobs anbieten, die in einer Übergangszeit weniger einbringen müssen, als die Lohnkosten und die Kosten des Arbeitsplatzes zu Buche schlagen, immer in der Hoffnung, dass zum Anschluss der Arbeitnehmer so weit ist, einen nicht geförderten Arbeitsplatz ausfüllen zu können, oder zumindest während der Zeit der Förderung Teil des Arbeitskollektivs ist und er sich auch so fühlen kann. Die Kosten, die er für die Gemeinschaft durch eine Arbeitslosigkeit hervorrufen würde, wären ebenso hoch oder höher. Der Vorteil liegt also in der Aufnahme des Langzeitarbeitslosen in die Gemeinschaft derer, die durch harte Arbeit ihr tägliches Brot verdienen.

Hiermit erfüllt das Förderwerkzeug eine soziale Bindewirkung. Im Gegensatz zu den Beteuerungen des Hubertus Heil ist das Bundesteilhabegesetz natürlich ein erweiterter Eingliederungszuschuss mit längeren und höheren Fördermöglichkeiten. Das ficht das Instrument aber nicht an. Wir dürfen uns allerdings keine Illusionen über die Wirkfähigkeit eines solchen Instrumentes machen. Wer lange Jahre nicht auf dem Arbeitsmarkt oder in der Kindererziehung sein Scherflein zum gesamtgesellschaftlichen Wachsen und Gedeihen geliefert hat, wird es schwer haben, auch mit abgesenkten Leistungsanforderungen zurechtzukommen. Für Arbeitgeber ergibt sich allerdings die Situation, mit der Flankierung eines Lohnkostenzuschusses eher Beschäftigungsverpflichtungen verantworten zu können.

Im Unterschied zum Teilhabegesetz können Sie beim sogenannten Solidarischen Grundeinkommen nur gesellschaftlich relevante Tätigkeiten fördern. Gesellschaftlich relevant sind für die Linken und Grünen das, was den Charme des Überflüssigen hat. Lustigerweise wird aber genau das von den Steuern und Abgaben der Jobs bezahlt, die in der richtigen Welt stattfinden. Das Solidari

sche Grundeinkommen ist also gar nicht solidarisch. Grundeinkommen klingt so, als würde man wenigstens die Grundbedürfnisse damit erfüllen können. Die Bedürfnisse sind aber von den familiären Verhältnissen abhängig, im Harz-IV-Jargon: der Bedarfsgemeinschaft – oder in der normalen Sprache: der Familie. Mit 12,50 Euro in der Stunde erreichen Sie 1 479 Euro netto und, wenn Sie eine Familie davon ernähren müssen, tatsächlich den prekären Bereich, in Teilzeit ohnehin. Das Solidarische Grundeinkommen ist also auch kein Grundeinkommen, sondern ein Almosen für überflüssige Arbeit.

Das kann man übrigens von der von vielen im Saal geschmähten Zeitarbeit nicht sagen. Ein Handwerker, der 15 Euro verdient, oder ein Krankenpfleger mit 23 Euro in der Stunde werden im Unterschied zum Grundeinkommensbezieher wirklich gebraucht und in der Regel vernünftig bezahlt. Trotzdem werden Sie nicht müde, von prekärer Leiharbeit zu sprechen.

Das Solidarische Grundeinkommen ist also weder solidarisch noch ein Grundeinkommen. Es nützt weder den Bürgern noch der Solidargemeinschaft. Es nützt nur einem: Michael Müller. – Danke schön!

[Vereinzelter Beifall bei der AfD – Lachen bei den GRÜNEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zu den Abstimmungen. Zunächst lasse ich über den Ihnen als Tischvorlage vorliegenden Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/1601-1 abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Das sind die CDU- und die FDP-Fraktion. Gegenstimmen? – Gegenstimmen der Koalitionsfraktionen! Enthaltungen? – Enthaltungen der AfD-Fraktion sowie der drei fraktionslosen Abgeordneten! Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Nun lasse ich über den Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/1601 abstimmen. Zu diesem Antrag empfehlen die Ausschüsse gemäß Beschlussempfehlung Drucksache 18/2487 mehrheitlich – gegen die Fraktion der CDU und bei Enthaltung der AfD-Fraktion sowie der Fraktion der FDP – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Das ist die CDU-Fraktion. Gegenstimmen? – Gegenstimmen der Koalitionsfraktionen! Enthaltungen? – Enthaltungen der FDP-Fraktion, der AfD-Fraktion sowie der drei fraktionslosen Abgeordneten! Damit ist auch der Antrag abgelehnt.

Die Tagesordnungspunkte 11 und 12 stehen auf der Konsensliste. Tagesordnungspunkt 13 wurde bereits in Verbindung mit dem Tagesordnungspunkt 9 behandelt. Die Tagesordnungspunkte 14 und 15 stehen auf der Kon

(Sabine Bangert)

sensliste. Tagesordnungspunkt 16 war Priorität der Fraktion der CDU unter Nr. 4.6. Tagesordnungspunkt 17 steht als vertagt auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 18:

Entlastung wegen der Einnahmen und Ausgaben des Rechnungshofs von Berlin im Haushaltsjahr 2018

Dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 26. Februar 2020 Drucksache 18/2527

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/2343

Der Dringlichkeit hatten Sie bereits eingangs zugestimmt. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zu der Vorlage Drucksache 18/2343 empfiehlt der Hauptausschuss einstimmig – mit allen Fraktionen – die Annahme. Wer die Vorlage annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CDU-Fraktion, die FDP-Fraktion, die AfD-Fraktion, eine fraktionslose Abgeordnete, die SPD-Fraktion, die Linksfraktion. Die Grüne-Fraktion müsste sich zum Abstimmen verhalten. – Also dann hat die Grüne-Fraktion nicht zugestimmt.

[Zuruf von den GRÜNEN: Wir haben auch zugestimmt!]

Nein! Es hat sich nämlich keiner gemeldet. Sie haben nicht zugestimmt.

[Zuruf: Guten Morgen!]