Protocol of the Session on March 5, 2020

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Jarasch das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Burka und Nikab sind der Ausdruck eines

patriarchalen und frauenfeindlichen Weltbildes, das wir ablehnen.

[Beifall bei den Grünen]

Diese deutliche Kritik an der Vollverschleierung teilen wir mit dem Großteil der muslimischen Community. Dennoch müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass es Frauen gibt, die den Gesichtsschleier freiwillig tragen, weil sie ihn als Ausdruck ihrer religiösen Überzeugung sehen. Das trifft übrigens offenbar auch auf die SchleswigHolsteinische Studentin zu, die die aktuelle Debatte ausgelöst hat. Wir kämpfen gegen Unterdrückung und Ausgrenzung von Frauen. Wir sind aber immer an der Seite der betroffenen Frauen. Da beginnt der Unterschied. Das bedeutet, dass wir das tun, was Frauen wirklich hilft. Wir achten die Frauen, anstatt sie für unsere Zwecke zu instrumentalisieren, wie es die AfD mit diesem Antrag einmal mehr tut.

Der vorliegende Antrag ist ein weiteres Beispiel für Ihre bevorzugte Strategie, die Wolf-im-Schafspelz-Strategie. Im Schafspelz steckt nie das drin, wonach es auf den ersten Blick aussieht. Wenn man genauer hinschaut, merkt man das auch, denn der vorliegende Antrag, der sehr juristisch und vermeintlich sachlich daherkommt, reiht sich ein in eine ganze Antragsserie, die Sie selbst erwähnt haben, Herr Bachmann.

Der erste Antrag dieser Art ist schon einige Zeit her. Das war der Antrag, über den wir im November 2016 diskutiert haben. Er forderte ganz pauschal ein Vollverschleierungsverbot für den öffentlichen Raum. Ich werde nie vergessen, dass Ihr damaliger Fraktionskollege, Herr Curio, der den Antrag damals eingebracht hat, Frauen als „sprechende Säcke“ bezeichnet hat, übrigens, Anmerkung des Protokolls: „Heiterkeit bei der AfD“. – Mehr Frauenverachtung ist wohl kaum denkbar.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Glauben Sie deshalb nicht, dass irgendjemand, dem es wirklich um Frauenrechte geht, auf Ihre Taktik hereinfällt.

Ich komme zurück zum Thema: Vollverschleierungsverbot an Schule und Hochschule. Ich sagte, wir tun, was den Frauen wirklich hilft. Ein pauschales Verbot der Vollverschleierung würde gerade den Frauen, die Burka und Nikab nicht freiwillig tragen, nicht helfen. Im Gegenteil! Es würde nur dazu führen, dass sie nicht mehr am öffentlichen Leben teilnehmen. Vor allem aber, und das ist für uns als Bürgerrechtspartei zentral, können wir nicht alles verbieten, was wir politisch ablehnen und für falsch halten.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Hanno Bachmann (AfD): Doch! Sie verbieten doch sonst alles! Sie sind doch eine Verbotspartei!]

Ein pauschales Verbot, Herr Bachmann, wäre verfassungswidrig, auch wenn ich annehme, dass es Sie nicht weiter stört. Herr Stettner! Ein Staat kann eben nicht stellvertretend für seine Bürgerinnen entscheiden, wie sie religiöse Gebote zu verstehen haben und ob sie glauben, dass sie eine Burka tragen müssen aus religiösen Gründen oder nicht. Eine Beschränkung des Rechts auf Religionsfreiheit kann nur durch die Abwägung mit anderen Grundrechten gerechtfertigt werden. Partielle Verbote sind dagegen möglich. Die halten wir auch für richtig, wenn sie sachlich begründet sind. So gibt es beispielsweise Verbote eines Gesichtsschleiers mit Blick auf die Sicherheit im Straßenverkehr, bei Ausweiskontrollen und vor Gericht.

Sie fordern jetzt Verbote für Schule und Hochschule. Für uns gilt: Wir lösen Probleme, wenn sie auftreten. Gesetze sind eben keine Symbolpolitik oder reine Präventivmaßnahmen, sondern werden erlassen, um konkrete Probleme zu regeln. Es gibt bislang, das wurde heute schon öfter erwähnt, keinen einzigen Fall, keine einzige Problemanzeige aus Berliner Schulen oder Hochschulen. Bislang ist dieses Thema einfach kein Thema für die Berliner Schulen und Hochschulen. Außerdem ermöglicht das Berliner Schulgesetz unserer Einschätzung nach, meine Kollegin Frau Burkhard-Eulitz hat gerade darauf verwiesen, bereits jetzt, Schülerinnen das Tragen eines Gesichtsschleiers zu verbieten, wenn es nötig wäre. Die entsprechende Formulierung in § 46 ist konkreter als beispielsweise die vergleichbare Regelung im Hamburger Schulgesetz, das jetzt entsprechend geändert werden soll.

Im Berliner Schulgesetz werden die Schüler ausdrücklich verpflichtet, aktiv am Unterricht teilzunehmen und das Zusammenleben in der Schule zu gewährleisten, um die Bildungs- und Erziehungsziele der Schule zu gewährleisten. Im Hamburger Gesetz ist nur von einer rein passiven Pflicht zur Unterrichtsteilnahme die Rede. Die Berliner Formulierung gleicht eher der bayerischen, die gerichtlich schon als hinreichend konkret bestätigt wurde, um im Einzelfall ein Verbot zu ermöglichen. Ein Verbot der Vollverschleierung an Hochschulen ließe sich allerdings unserer Überzeugung nach sehr viel schwerer rechtfertigen. Während es nämlich an Schulen ausdrücklich um die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags geht, ist für Hochschulen die Gewährleistung des gleichberechtigten und diskriminierungsfreien Zugangs zentral. Die fachliche Kommunikation zwischen Studierenden und Lehrenden ist nicht eins zu eins vergleichbar mit der pädagogischen Interaktion zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern, die für die Erfüllung des Erziehungsauftrags nötig ist. Deshalb kommt übrigens auch die neue Richtervereinigung in Schleswig-Holstein in ihrer Stellungnahme zu der entsprechenden Kontroverse zu dem Schluss, eine konkrete Gefährdung des – ich zitiere mit Erlaubnis:

Eine konkrete Gefährdung des offenen Wissensaustausch im Lehrbetrieb einer Hochschule

durch das Tragen eines Gesichtsschleiers

ist nicht zu begründen.

Das Berliner Hochschulgesetz enthält daher auch keine Regelung, die dem § 46 Schulgesetz vergleichbar wäre. Aber auch hier gilt für uns, dass es keinen Handlungsbedarf gibt, solange es keine Problemanzeige gibt.

Erlauben Sie mir eine Bemerkung zum Schluss, die Herren: An männerdominierte Parallelwelten, Herr Stettner, denke ich manchmal auch, wenn ich in Ihre Reihen im Plenum schaue. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung sowie mitberatend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie, den Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales sowie den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.4:

Priorität der Fraktion der FDP

Tagesordnungspunkt 26

Bußgeldstopp beim Mietendeckel

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/2507

hierzu:

Änderungsantrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/2507-1

In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP und hier die Kollegin Meister. – Bitte schön!

Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Lompscher hat mehrfach darauf hingewiesen, dass es, wenn die Miete gekürzt wird, noch kein Grund zum Jubeln ist, sondern dass es ratsam ist, die eingesparte Miete zur Seite zu legen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller hat darauf hingewiesen, dass sie zwar lange und intensiv beraten haben, aber trotzdem Neuland beschreiten. Nichtsdestotrotz ist aber dieses beschrittene Neuland sofort mit einem Bußgeldbescheid versehen. Selbst wenn man eine Normenkontrollklage einreicht, hat das keine Auswirkung auf die Verhängung von Bußgeldern. Das heißt, dass für die Menschen, die sich ganz ernsthaft mit diesem Mietendeckel auseinandersetzen, ob sie es gut

(Bettina Jarasch)

oder schlecht finden, falsch oder richtig finden, die sagen: „Okay, das Gesetz ist erlassen worden. Es ist für mich selbstverständlich, dass ich mich daran halte“, das Problem auftut, sich durch das Gewirr im Internet mit den Vorschriften und Empfehlungen durchzukämpfen. Es sind noch lange nicht alle Mitarbeiter eingestellt worden. Die Hotline ist wie alle Hotlines immer überlastet.

Der Flyer weist darauf hin, dass das Gesetz einer Normenkontrollklage unterliegt. Selbst Kollegen der SPD verlaufen sich offensichtlich manchmal und erzählen auf Twitter, dass jemand, der nur drei Wohnungen besitzt, gar nicht gemeint ist mit dem Mietendeckel. Nein, es sind alle gemeint, auch die Menschen, die nur eine Wohnung haben, die die Miete noch nie erhöht haben, Vermieter, die bei ihren Mietern vorbeigehen und persönlich den Kontakt pflegen und sich mit ihren Mieterinnen und Mietern auseinandersetzen.

Genau die Menschen sollen sich jetzt damit beschäftigen, ob ihr Bodenbelag ein hochwertiger oder doch kein hochwertiger ist. Es ist eine gewisse Herausforderung zu unterscheiden, ob die schön abgeschliffenen wertvollen Altbaudielen, mit denen man die Bausubstanz geschützt hat, auch darunter fallen oder nicht. Aber das Bußgeld drohen Sie an, ohne die persönliche Situation der einzelnen Vermieter zu berücksichtigen.

Man wird den Verdacht nicht los, dass Sie schnell bei der Hand sind, wenn es darum geht, den Vermieter einfach zu verteufeln.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich halte das für ein Spiel mit dem Feuer in der jetzigen Situation, in der wir uns alle befinden. Und dass die AfD wieder aufspringt und einen völlig schwachsinnigen Antrag dazu schreibt, einen völlig widersinnigen Änderungsantrag, in dem sie der Meinung ist, sie könnte drei Zeilen von uns einfach umformulieren, ist etwas, was mich wirklich massivst ärgert. Aber die Verteufelung von Menschen, die Wohneigentum besitzen, macht es keinen Deut besser und führt die Gesellschaft nicht zusammen. Es wäre nach wie vor viel, viel wichtiger, wenn wir endlich bauen würden, und zwar so bauen, dass es sich jeder leisten kann und wir alles das, was wir brauchen – nämlich Gewerbeimmobilien für soziale Träger, für Kulturschaffende – endlich damit abdecken.

[Beifall bei der FDP]

Aber Sie beschäftigen sich mit einem Klassenkampf, der seinesgleichen sucht. Wir sind nicht bereit, das mitzutragen, und appellieren an Sie: Setzen Sie die Bußgeldbescheide außer Kraft, bis klar ist, ob das Gesetz überhaupt Gültigkeit hat! – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Spranger jetzt das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! – Frau Meister! Liebe FDP-Fraktion! Irgendwie bin ich jetzt noch ein bisschen geschockt über Ihre Darstellung, die Sie gerade hier geboten haben.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Sie haben wieder einmal gezeigt, dass Sie eigentlich die Stadt überhaupt nicht im Blick haben, dass es Sie nicht interessiert, ob die Mieterinnen und Mieter wirklich ihre Miete noch bezahlen können. Die FDP hat sich wieder mal als Besserverdiener-Partei gezeigt, und das ist echt tragisch und traurig.

[Zuruf von der FDP]

Sie fordern das Aussetzen von Bußgeldern im Mietendeckelgesetz. Das ist ein interessanter Vorgang – ich habe es gerade gesagt –, den Sie hier an den Tag legen: Sie wollen ein Gesetz, das gerade mal vor fünf Wochen verabschiedet wurde, im Nachgang einfach ändern. Was kann Sie dazu bewegt haben? – Ich habe, als ich den Antrag gelesen habe, überlegt: Was können Sie sich nun wieder dazu gedacht haben? – Sie haben es gerade gesagt, und ich habe es gerade kommentiert.

Was kann das Gesetz? – Das Gesetz bringt eine Atempause und ist für die Mieterinnen und Mieter.

[Zuruf von Holger Krestel (FDP)]

Was kann Sie dazu bewegt haben, so einen Unfug von Antrag zu schreiben? – Da hilft z. B. ein Blick auf die Mietpreisbremse im Bund: Die Grundidee der Mietpreisbremse ist sinnvoll, aber das Gesetz ist in seiner Ausführung – wenn man sich das anschaut; das habe auch ich hier vorne schon gesagt – wegen der andauernden Blockade der CDU nicht so effektiv, wie es sein könnte. Das Problem der Mietpreisbremse ist und bleibt, dass sie keine ausreichenden Sanktionen ermöglicht und dass es viele Ausnahmen gibt.