Protocol of the Session on January 16, 2020

So der Berliner Innensenator Andreas Geisel im Jahr 2017 im Vergleich. Während Helmut Schmidt 1977 für die damals noch als solche erkennbare Sozialdemokratie

[Heiterkeit bei der FDP]

mit aller gebotenen Härte vorgehen wollte, wird nun eine wildgewordene Terrorbande in der Rigaer Straße schweigend geduldet.

Gleichzeitig, um die politische Stimmung noch einmal aufzugreifen, haben wir bei politischen Veranstaltungen der Partei Die Linke Teilnehmer, Delegierte, die mit einem Shirt: „RAF dich auf – zu neuen Taten“ mit einer Kalaschnikow, mit dem Logo der RAF auftreten und erklären, man müsse doch neue Taten im Sinne der Roten Armee Fraktion begehen in dieser Stadt.

[Paul Fresdorf (FDP): Schande! – Kurt Wansner (CDU): Ist aber der Koalitionspartner der SPD! – Zuruf von Carsten Ubbelohde (AfD)]

Wenn wir, um die jüngste Entwicklung von gestern noch einmal aufzugreifen, feststellen, dass auf dem Christopher-Street-Day in Köln offensichtlich von politischen Gruppierungen, die mit ihren Parteien auch in diesem Hause vertreten sind, die Auffassung vertreten wird, dass Einigkeit, Recht und Freiheit ein Motto sei, dass die Gesellschaft spalte,

[Heiterkeit bei der FDP]

dann wissen wir, dass irgendetwas fürchterlich schief läuft in diesem Land.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD]

Die Gefahren, denen unsere Polizeibeamten, unsere Feuerwehrleute, unsere Rettungskräfte ausgesetzt sind, sind mannigfach. Viele davon sind allerdings leider Gottes hausgemacht. Wir haben nicht nur die im Dienst erschossenen Polizeibeamten, wir haben auch die Polizeibeamten, die bisher 13 Beamten, die im Dienst derart in ihrer Gesundheit geschädigt wurden, dass sie zu Tode gekommen sind in der sogenannten Schießstandaffäre. Auch dort harrt die Polizei nach wie vor, genau wie die Stadt insgesamt, der Aufklärung, die nicht erfolgt. Wir haben die Situation, dass 7,5 Prozent der Polizeibeamten dieser Stadt einen Nebenjob brauchen, weil sie von dieser Tätigkeit – ich erinnere noch einmal an Ferrid Brahmi, mit ihrem eigenen Leben das Leben anderer zu schützen – in dieser Stadt nicht leben können.

Wir haben eine Krankenstanderhöhung bei der Feuerwehr von 45 auf 60 Tage im Jahr, die ein Berliner Feuerwehrmann durchschnittlich krank ist. Wir haben bei der Polizei eine Entwicklung von 47 auf 51 Tage. Beides ist die Entwicklung in dieser Legislaturperiode, beides in der Verantwortung dieses Senats. Wir haben marode Gebäude, nach wie vor im Übrigen auch mit Asbestbelastung, in denen unsere Polizeibeamten, unsere Feuerwehrleute arbeiten sollen. Wir haben eine Regelung – auch da kommen wir noch einmal auf den Fall des Herrn Brahmi –, dass unsere Polizeibeamten, wenn sie nicht im Dienst sind, nicht mehr ihre Dienstwaffe mit sich führen dürfen, gleichzeitig aber gehalten sind, so wie Herr Brahmi, sich jederzeit in den Dienst zu versetzen. Wir haben also eine Weisungsregelung, die unseren Polizeibeamten zumutet, sich unbewaffnet einem bewaffneten Angreifer entgegenzustellen. Auch das ist eine Regelung, die diese Exekutive zu verantworten hat.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos), Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos) – Zuruf von der AfD: Unglaublich!]

Herr Zimmermann! Ich sehe, Sie sind traurig. Sie haben ja recht, denn diese Regelung ist ausnahmsweise keine, für die Herr Geisel verantwortlich war, sondern die ist noch unter der alten SPD-CDU-Koalition eingeführt worden.

[Zuruf von der AfD: Hört, hört! – Frank-Christian Hansel (AfD): Völlig absurd!]

Aber das hindert Sie als rot-rot-grüne Koalition nicht daran, ebenfalls alles zu tun, um unserer Polizei Steine in den Weg zu legen. Wir werden hier in diesem Haus über das sogenannte Antidiskriminierungsgesetz zu diskutieren haben, mit dem Sie grundsätzlich erst einmal unsere Polizei unter Generalverdacht stellen wollen und damit weiter belasten, statt ihr endlich den Rücken zu stärken

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos), Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

durch gesetzliche Regelungen, die unbedingt erforderlich sind, wie die von uns beantragte Regelung zum finalen Rettungsschuss, aber auch die Rechtsgrundlage beispielsweise für den Einsatz des Tasers, auch das noch einmal deutlich an dieser Stelle. Es gibt gegenwärtig keine aus unserer Sicht brauchbare rechtliche Grundlage für den Tasereinsatz. Das ist auch der Grund, warum wir in dem sogenannten Testlauf bisher gerade mal drei Einsätze hatten. Zum Verständnis für jedermann, sowohl was den Rettungsschuss als auch den Taser angeht:

[Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]

Der Berliner Polizeibeamte darf den Taser unter den gleichen Bedingungen gegenwärtig einsetzen, in denen er auch die Schusswaffe einsetzen dürfte. Das bedeutet auch, dass er den Tasereinsatz erst dann androhen darf, wenn er den Schusswaffeneinsatz androhen dürfte, also nahezu nie. Das ist der Grund, warum wir diese Fälle nicht haben. Um die Schusswaffe einsetzen zu dürfen, auch im Fall beispielsweise eines Terroranschlages – Bataclan-Situation, ich erinnere noch einmal daran – muss der Berliner Polizeibeamte zunächst auf sich schießen lassen, bevor er sich wehren darf. Das ist die Situation, die Sie mit Ihrer absurden Politik hier geschaffen haben.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Zuruf von der AfD: Unglaublich!]

Statt endlich auch in der Rigaer Straße für Ordnung zu sorgen, statt zumindest dafür zu sorgen, dass durch eine mobile Videoüberwachung die Dächer frei sind und dort nicht in schöner Regelmäßigkeit mit Steinen auf Polizeibeamte geworfen werden kann, machen Sie im Wesentlichen das, was die übliche Politik ist, die ich hier von Ihnen wahrnehme: erst einmal nichts und warten dann ab.

Wer schützt diejenigen, die uns schützen? Wessen Job ist das? Wer tut das nicht? Das ist für uns die Frage. – Es ist dieser Senat, und dieses Nichtstun halten wir für fatal. Aber für dieses Nichtstun muss man nicht auf der Regierungsbank sitzen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Kurt Wansner (CDU): Sehr gute Rede!]

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Zimmermann das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben hier gehört, dass der Senat und die Regierungsparteien verantwortlich seien für Angriffe auf Polizisten, dass durch das Handeln dieser Regierungskoalition die Ursachen gesetzt würden für schlimme Angriffe auf Poli

(Marcel Luthe)

zeibeamte. Diesen infamen Vorwurf, Herr Kollege Luthe, muss ich hier in aller Form und Entschiedenheit zurückweisen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zurufe von Christian Buchholz (AfD) und Holger Krestel (FDP)]

Sie haben es außerdem geschafft, zu dem Thema ein Drittel der Zeit zu verwenden und ansonsten eine allgemeine Philippika über Verantwortung für Linksextremismus und Ähnliches loszuwerden. Damit werden Sie, glaube ich, den Erwartungen nicht gerecht, die Sie selber durch dieses Thema erzeugt haben, das Sie auf die Tagesordnung gesetzt haben, und das auch von Polizeischülern verfolgt wird.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Herr Kollege Zimmermann, ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Luthe zulassen.

Es ist immer gleich am Beginn, obwohl ich noch gar nichts gesagt habe. Das ist das alte Spiel.

[Heiko Melzer (CDU): Das stimmt allerdings!]

Ist das jetzt ein Ja oder ein Nein?

Ich lasse jetzt keine Zwischenfrage zu, sondern ich will festhalten, dass wir hier über die Frage von Angriffen von schlimmen Kriminellen auf Rettungskräfte und Polizeibeamte reden wollen und nicht über Ihre allgemeinen politischen Auslassungen, deswegen möchte ich zum Thema kommen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Das sind aber die Linken, die das machen! – Zuruf von Marcel Luthe (FDP)]

Zu allererst möchte ich unsere Betroffenheit und unser Mitgefühl mit allen Polizisten und Rettungskräften ausdrücken, die Angriffen ausgesetzt waren, verletzt oder gar schwer verletzt wurden. Unser Bestreben ist es, diese Gewalt, soweit wie irgend möglich, einzudämmen und unsere Polizisten, Feuerwehr- und Rettungskräfte so gut es geht zu schützen.

[Beifall bei der LINKEN – Marcel Luthe (FDP): Davon kann sich keiner was kaufen! – Christian Buchholz (AfD): Besser bezahlen! –]

Sie erfüllen in oftmals schwierigen Situationen Kernaufgaben dieses Staates und sie verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit. Deshalb, Herr Kollege, haben wir Ihrem Antrag zur Debatte heute ja sofort zugestimmt, in der wir gemeinsam beraten müssen, was wir für unsere Vollzugskräfte tun können, um sie besser zu schützen.

Herr Luthe! Diese schlimmen Vorfälle, die Sie aufgezählt haben – und es gibt ja leider auch noch weitere – sind nun wirklich nicht für eine derartige Polemik geeignet. Darüber hat man sich ausschließlich sachlich auseinanderzusetzen.

[Paul Fresdorf (FDP): Werden Sie doch mal konkret, Kollege Zimmermann! – Thorsten Weiß (AfD): Die Koalition macht ja nichts!]

Die Probleme sind viel komplexer, als Ihre simple Schuldzuweisung überhaupt erklären kann. Zunächst müssen wir leider feststellen, dass in Berlin 2019 ca. 7 000 Polizisten gewalttätigen Angriffen ausgesetzt waren, eine erschreckend hohe Zahl und sogar ein leichter Anstieg gegenüber 2018.

[Zuruf von Karsten Woldeit (AfD)]

Bei den Feuerwehrleuten hat der Landesbranddirektor rund 200 Angriffe 2019 zählen müssen. Hier haben wir keinen Vergleich zum Vorjahr, da diese erst seit 2019 statistisch erfasst werden.

[Karsten Woldeit (AfD): Und wer hat’s gefordert?]

Wir müssen aber davon ausgehen, dass auch die über die Jahre zunehmen. Wir freuen uns darüber, dass es aktuell in der Silvesternacht zahlenmäßig weniger Angriffe auf Polizei und Feuerwehr gegeben hat, dafür hat aber die Schwere der Taten zugenommen.

Herr Kollege Zimmermann! Ich darf Sie noch einmal fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Luthe zulassen.

Nein, ich muss hier ausführen, Herr Präsident, danke schön!

[Lachen bei der CDU, der AfD und der FDP – Paul Fresdorf (FDP): Er hat ja immer noch nichts gesagt!]

So ist es wirklich unfassbar, dass eine Gruppe in Neukölln zu Silvester versucht hat, die Türen eines Löschfahrzeuges der Feuerwehr zu öffnen, um mit Schreckschusspistolen hineinzuschießen, oder dass Polizisten beim Einsatz in der Skalitzer Straße beim Aussteigen aus

dem Dienstwagen mit Pyrotechnik beworfen worden. Ich will nicht noch weitere Beispiele aufzählen. Ich hoffe, dass alle diese fürchterlichen Taten ausermittelt werden, und die Täter ihre angemessene Strafe bekommen.