Protocol of the Session on January 16, 2020

Danke schön!

Bitte! – Auch sonst, Herr Dregger, ist Ihnen außer Ihrer Allzweckwaffe Videoüberwachung und neuen Befugnissen ja auch nicht wirklich etwas zum Thema eingefallen. Was ich bei Ihnen vermisse, schmerzlich vermisse, das ist die Bereitschaft, sich mit diesem Thema mal ohne Show, ohne Law-and-Order-Floskeln differenziert auseinanderzusetzen und sich zum Beispiel mal zu fragen, wo solche Angriffe überhaupt stattfinden.

[Ronald Gläser (AfD): Gute Frage!]

Dann zeigt sich, wie man zum Beispiel an Anfragen sieht, die ich eingereicht habe, dass sehr viele, die größte Zahl der Übergriffe im täglichen Einsatz stattfinden – Einsätze bei häuslicher Gewalt, sehr verbreitet, Verkehrskontrollen, kleine Einsätze im täglichen Dienst. Wenn man sich die Widerstandsdelikte anschaut – da denken ja viele als Erstes an Demonstrationen und ähnliche Großlagen usw. –, stellt man fest, dass nur 5 Prozent der Widerstandsdelikte bei Versammlungen und weniger als 1 Prozent bei Fußballspielen stattfinden. Der übergroße Teil solcher Übergriffe passiert im ganz alltäglichen Wahnsinn der täglichen Polizeiarbeit.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das macht es nicht besser!]

Das macht es nicht besser, aber das kann einem Hinweise darauf geben, wie man darauf reagiert.

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Häufig sind es Taten im Affekt, es sind Emotionen im Spiel, oft ist Alkohol im Spiel, und genau deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass härtere Strafen, wie sie immer wieder gefordert werden, auch gerade von den sogenannten Liberalen, keinen Abschreckungseffekt haben.

[Georg Pazderski (AfD): Nein, Sozialarbeiter! – Thorsten Weiß (AfD): Mehr Sozialarbeiter sollen her!]

Es gab ja die große Strafverschärfung von 2017 auf Bundesebene, nach der man schon für einen Schubser in den Knast kommen kann. Da ist die Schwelle sehr niedrig. Ich sage, es ist jetzt schon festzustellen, dass diese Verschärfung keine Wirkung hat.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Als Symbolpolitik für betroffene Beamte, als ein Signal mag das vielleicht taugen, aber als effektive Maßnahme zum Schutz von Beamtinnen und Beamten nicht.

Es sollte uns allen klar sein, dass es hier keine einfachen Lösungen gibt. Was wir tun können, das ist: Die Eigensicherung verbessern mit einer guten Ausbildung, für eine gute Schutzausrüstung sorgen – hier hat R2G schon umfangreich investiert –, mehr Personal bereitstellen, genug, damit man sich gegenseitig schützen kann, genug, damit die Einsatzkräfte gut ausgeruht sind und ausgeglichen auftreten können,

[Marc Vallendar (AfD): Mehr Täter ins Gefängnis bringen!]

die Arbeitsbedingungen insgesamt verbessern, die Betreuung verbessern für diejenigen, die Opfer werden! – Und all das tun wir als Koalition.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir haben uns auch darüber verständigt, dass wir das Instrument der Bodycams erproben. Wir werden sehen, ob das etwas bringt. Ich warne aber davor, darin ein Allheilmittel zu sehen, denn auch hier gilt – das kennen wir von der Videoüberwachung –: Gerade im Affekt schrecken Kameras nicht ab. Da passiert die Straftat dann teilweise vor laufender Kamera. Das sollte man dabei auch im Kopf behalten.

Ich glaube, dass wir im Hinblick auf Gewalt gegen Polizei- und Rettungskräfte auch über den Umgang miteinander in der Gesellschaft reden müssen. Ein gesellschaftliches Klima der Konkurrenz, der sozialen Abstiegsängste, der Ellbogenmentalität, ein Klima, in dem Hate-Speech auf dem Vormarsch ist,

[Lachen bei der AfD – Zuruf von Marc Vallendar (AfD)]

in dem Ausgrenzung auf dem Vormarsch ist, schafft einen Umgang, der rauer und härter ist. Das geht natürlich auch an Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften nicht vorbei. Das ist doch völlig klar.

[Zuruf von Carsten Ubbelohde (AfD)]

Da sind wir alle gefordert, unseren Beitrag zu leisten – gegen diese Entwicklung. Aber wir als Politik müssen doch die Frage entscheiden, was für eine Polizei und was für eine Staatsmacht wir in diesem Klima haben wollen. Da finde ich autoritäre Fantasien, wie sie von der CDU kamen, hochgefährlich. Das treibt den Keil zwischen Staat und Gesellschaft tiefer, und das ist das Gegenteil von dem, was wir tun sollten.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Marcel Luthe (FDP): Der Staat ist die Gesellschaft!]

Denn wir haben doch die Aufgabe, der Entfremdung zwischen Staat und Bürgerinnen und Bürgern entgegenzuwirken.

[Mario Czaja (CDU): Ihnen muss man nur ganz genau zuhören!]

Ja, die Menschen, die die Staatsmacht jeden Tag verkörpern, die das beruflich machen wie die Kolleginnen und Kollegen dort oben, die wissen genau: Sie haben einen schweren Job mit großer Verantwortung und verdienen Respekt. – Aber Respekt erreicht man nicht durch Drohungen. Respekt erreicht man nicht durch drakonische Strafen, und Respekt erreicht man auch nicht durch markige Sprüche.

[Zuruf von der AfD: Mit „Bitte, bitte!“, oder was?]

Nein, wir wollen eine Polizei, die auf Deeskalation setzt,

[Lachen und Zurufe von der AfD]

auf Prävention, auf Transparenz, auf Auftreten mit offenem Visier mit der Kennzeichnung. Wir wollen einen Polizeibeauftragten einrichten als Institution, die das Vertrauen stärkt.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Das ist der Weg, an dem wir festhalten sollten, und das werden wir auch tun. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Franz Kerker (AfD): Lebensfremd! – Kurt Wansner (CDU): Die Rede hätten Sie auch in Leipzig halten können!]

Für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Woldeit das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren Gäste! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Ich freue mich übrigens insbesondere, dass wir auch eine Gruppe Polizeischüler von der Polizeiakademie zu Gast haben. Seien Sie herzlich willkommen hier im Hohen Hause!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Ich freue mich auch insbesondere, dass Sie gerade diese Rede hören konnten. Herr Schrader! Ich wünsche mir manchmal, dass Sie mehr Redezeit hätten.

[Heiterkeit bei der AfD]

Wissen Sie auch warum? – Je länger Sie reden, umso mehr zeigen Sie Ihr ganz klares Bild, wo Sie stehen, wofür und wogegen Sie stehen, und ich bin dankbar, dass

unsere Nachwuchspolizeikräfte das gerade erleben durften, Herr Kollege.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Marcel Luthe (FDP), Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos) – Zurufe von Dr. Wolfgang Albers (LINKE) und Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Und noch mal, Herr Schrader: Sie haben ja gerade zitiert, was ich im Innenausschuss gesagt habe, und es ist mir übrigens vollkommen egal, ob Sie mir eine Sprachdiktatur auferlegen wollen.

[Zurufe von der LINKEN]

Ich bleibe dabei: Wer Polizisten angreift, wer Rettungskräfte angreift, wer Molotowcocktails auf Rettungsfahrzeuge wirft, der ist und bleibt asozial, und das werde ich auch immer weiter so sagen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche, 365 Tage im Jahr gibt es Menschen, die für uns da sind, die mitunter mit Leib und Leben dafür sorgen, dass wir unsere Sicherheit genießen, sofern wir sie in Berlin noch lange genießen dürfen. Da habe ich mitunter immer wieder meine Sorge. Das sind Menschen, die für uns da sind, wenn wir krank sind oder wenn wir einen Unfall hatten, und diesen Menschen kann man nicht oft genug Danke sagen. Das mache ich hier an dieser Stelle seitens meiner Fraktion ausdrücklich. Herzlichen Dank für Ihre tolle Arbeit!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Es ist übrigens auch bezeichnend, dass wir zwei Regierungsfraktionen zum Thema haben hören können und nicht eine einzige Danksagung vernommen haben. Nicht eine einzige Danksagung!

[Zurufe von der LINKEN]

Sie können das ja gerne im Wortprotokoll nachlesen.

Sehen wir uns die Chronologie an! Es ist übrigens ein Stück weit eine Schande, dass wir überhaupt darüber sprechen müssen, wie wir die Leute schützen können, die für unseren Schutz da sind. Das ist in der Tat eine Schande. Die 7 000 Angriffe im letzten Jahr sind ja schon thematisiert worden. Es ist eine stete Steigerung in den letzten drei Jahren gewesen. Es wurden immer mehr Angriffe – immer mehr Angriffe. Wann ist es eigentlich in den parlamentarischen Fokus gerückt? Seit wann beraten wir überhaupt intensiv darüber? – Das waren die SilvesterAngriffe im vorvorletzten Jahr, die massiv zugenommen haben mit den gesamten Auswirkungen. Und jetzt – das ist vielleicht auch für Sie hochinteressant – haben wir ein Bild, wie diese Regierung mit diesem Phänomen umgeht.