Protocol of the Session on November 28, 2019

[Beifall bei der FDP – Beifall von Christian Goiny (CDU)]

Diese Lösungen sind wir ihnen schuldig. Dafür lohnt es sich, einen Blick zurückzuwerfen auf die Frage: Wie sind wir eigentlich in Steglitz-Zehlendorf in diese Situation gekommen? Wir sind in diese Situation gekommen, weil es ein permanentes Pingpong-Spiel zwischen Bezirk und Senatsverwaltung gibt, weil keiner Verantwortlichkeiten übernehmen will und es kein integriertes Gesamtkonzept gibt. – Frau Schubert! Sie haben es angesprochen: Es braucht ein Gesamtkonzept, und dieses gibt es nicht, vor allen Dingen leider auch nicht im Bezirk SteglitzZehlendorf. Da muss sich die Bezirksbürgermeisterin Richter-Kotowski einmal ordentlich an die eigene Nase fassen, was sie bisher nicht gemacht hat.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Dr. Nicola Böcker-Giannini (SPD) und Dr. Ina Maria Czyborra (SPD)]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wild?

Keine Zwischenfragen! –

[Stephan Standfuß (CDU): Warum denn nicht? – Kurt Wansner (CDU): Er will Punkte bei der Linkspartei sammeln!]

Daher ist es jetzt wichtig, dass wir gerade im Bezirk Steglitz-Zehlendorf, wo wir eine ähnliche Diskussion um die Frage Heckeshorn führen, wo wir um den Osteweg und den Dahlemer Weg ringen, eine ganzheitliche Lösung finden und dass diese auf einer ehrlichen und informierten Grundlage erfolgt. Diese Grundlage gibt es derzeit im Bezirk leider nicht, und die brauchen wir. Der Bezirk hat einen hervorragenden Beitrag geleistet – das muss man der Bezirksbürgermeisterin im positiven Sinne anrechnen –, wenn es um die Unterbringung von Flüchtlingen geht. Im Gesamtvergleich aller Berliner Bezirke ist Steglitz-Zehlendorf wahrlich nicht die Schlusslaterne, so wie von Ihnen behauptet wird, sondern im ersten Drittel, sehr weit vorn, wenn es um diese verantwortungsvolle Aufgabe geht. Das möchte ich noch einmal deutlich sagen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Christian Goiny (CDU)]

(Katina Schubert)

Insoweit brauchen wir gerade in Steglitz-Zehlendorf eine Gesamtbetrachtung. Dazu gehört auch, zu berücksichtigen, dass Steglitz-Zehlendorf, so wie die gesamte Stadt, einen demografischen Wandel vor sich hat. Gerade Steglitz-Zehlendorf wird ein Bezirk sein, der sich verjüngt, ein Bezirk, der Schul- und Kitaplätze dringend braucht. Deshalb ist es schlecht, wenn man einen Schulstandort zur Disposition stellt und sich in keiner Art und Weise mehr mit der Frage des Schulstandorts auseinandersetzen will, statt eine differenzierte Antwort für den Osteweg zu finden, was im Übrigen auch die Bürgerinitiative und vernünftige politische Kräfte wollen.

[Beifall bei der FDP]

Diese differenzierte Antwort brauchen wir, denn der Schulstandort ist bitter notwendig. Deshalb mein Appell: Geben Sie die Blockadehaltung auf, gegen einen Schulstandort am Osteweg zu sein, nur weil Sie der Auffassung sind, Sie müssten Ihre Position halten! Es lohnt sich, auch einmal Positionen zu hinterfragen – nicht ausschließlich in diesen Fragen, sondern grundsätzlich. In dieser Frage wäre es aber ein Anfang für Steglitz-Zehlendorf und könnte dazu beitragen, dass das eine mit dem anderen zu realisieren wäre – meine Vorrednerin Frau Seibeld hat es angesprochen –, nämlich ein Schulstandort und eine adäquate Unterbringung von Flüchtlingen. Darüber reden wir leider im Augenblick nicht, dazu möchte ich Sie aber ganz herzlich einladen.

[Beifall bei der FDP]

Sie müssen eben auch Antworten darauf geben, wie Sie eigentlich mit der sozialen Frage und der Verantwortung umgehen, wenn es um die Unterbringung von Geflüchteten in unserer Stadt geht. Da gilt es natürlich auch, Antworten darauf zu haben: Was heißt das für all jene, die in einem ordentlichen Verfahren einen klaren Aufenthaltsstatus bekommen haben, aber auch für die 12 000 Menschen in Berlin, die kein Bleiberecht haben?

[Beifall von Franz Kerker (AfD) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Wie gehen wir mit ihnen um? Wie viele Plätze müssen wir vorhalten, und vor allen Dingen wie lange, bis wir am Ende zu den Entscheidungen kommen können, die daraus resultieren? – Auf diese Fragen erwarten die Bürgerinnen und Bürger Antworten, auch das ist gestern Abend in Steglitz-Zehlendorf sehr deutlich geworden. Diese Antworten müssen wir ihnen dringend geben.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Franz Kerker (AfD)]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Kollegin Jarasch das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was die AfD mit diesem Antrag versucht, ist eine neue Variante der alten Strategie, Gruppen gegeneinander auszuspielen – dieses Mal in der Variante Schulkinder gegen Geflüchtete. Dabei ist es Ihnen aber offensichtlich egal, dass sich die Bürgerinitiative vor Ort, in deren Namen Sie gesprochen haben, Herr Kerker, mit Händen und Füßen dagegen wehrt, von Ihnen vereinnahmt zu werden.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Dr. Nicola Böcker-Giannini (SPD), Dr. Ina Maria Czyborra (SPD), Christian Goiny (CDU) und Katina Schubert (LINKE)]

Was mich aber mehr überrascht und richtig ärgert, ist, dass CDU und FDP mit ihren Änderungsanträgen als Trittbrettfahrer der AfD daherkommen und dass Ihnen offenbar nicht einmal klar ist, dass Sie auf diese Weise nicht zu Trittbrettfahrern werden, sondern zu Steigbügelhaltern der AfD.

[Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von Paul Fresdorf (FDP)]

Herr Czaja! Ich halte Ihnen ausdrücklich eines zugute: In Ihrem Änderungsantrag sprechen Sie sich gegen eine pauschale Priorisierung von Schule vor MUFs aus, und zwar völlig richtig mit Verweis auf die Konsequenzen, die das hätte. Würden wir dem folgen, was die AfD vorschlägt, dann würden Geflüchtete in den Teilen Berlins untergebracht, die am wenigsten verdichtet sind und in denen die Nutzungskonkurrenzen daher weniger stark sind. Mit anderen Worten: geflüchtete und andere Wohnungslose landen isoliert am Stadtrand.

[Paul Fresdorf (FDP): In Steglitz-Zehlendorf!]

Diesen Fehler werden wir nicht wiederholen. Dafür stehen wir nicht zur Verfügung.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Katina Schubert (LINKE) und Frank Zimmermann (SPD)]

Den kriteriengestützten Prozess, den Sie fordern, in dem alle noch verfügbaren Liegenschaften des Landes und der Bezirke nach ihren möglichen Nutzungen kategorisiert und priorisiert werden, gibt es bereits: Das ist der Clustering-Prozess, den die Senatsverwaltung für Finanzen angestoßen hat.

Frau Seibeld! Wenn Sie schon in Sachen Osteweg intervenieren wollen, dann schreiben Sie doch wenigstens Ihre eigenen Anträge! Oder noch besser: Setzen Sie sich doch im Bezirk einmal mit Ihrer Bürgermeisterin zusammen und überlegen, wie Sie vorankommen können und was Sie dem Senat vorschlagen wollen! Dieser Versuch, jetzt plötzlich auf den AfD-Vorstoß aufzusatteln, bringt Ihnen jedenfalls vor Ort keine Punkte. Im Übrigen schlagen Sie vor, statt MUFs künftig Wohnungen für Geflüchtete zu bauen. Das klingt gut, aber Ihnen ist hoffentlich klar, dass uns das aus dem Problem der Nutzungskonkurrenzen

(Sebastian Czaja)

nicht herausbringt. Auch Wohnhäuser, die nicht „MUF“ heißen, brauchen bekanntlich Flächen. Wie sich dieses Problem lösen lässt – dafür haben Sie wenig Innovatives vorzuweisen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Katina Schubert (LINKE) und Frank Zimmermann (SPD)]

Wir brauchen beides: mehr Schulplätze und mehr Wohnraum für Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind, ob geflüchtet oder hier geboren.

[Zuruf von Christian Goiny (CDU)]

Die öffentlichen Flächen sind knapp. Bei allem, was in den nächsten Jahren ansteht, haben wir immer mit Nutzungskonkurrenzen zu tun, und wir bauen in den meisten Fällen leider dem Bedarf hinterher. Diese Nutzungskonkurrenzen lösen wir aber nicht, indem wir das eine gegen das andere ausspielen. Wir müssen den Raum für die besten Möglichkeiten schaffen und nutzen. Weniger als die besten Lösungen können wir uns angesichts der knappen Flächen gar nicht leisten.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Frank Zimmermann (SPD) – Zuruf von Christian Goiny (CDU)]

Wir Grünen drängen seit Langem darauf, dass Flüchtlingsunterkünfte integrativ gebaut werden, also als ein Teil der Quartiersentwicklung, der die Bedarfe der Bewohnerinnen und Bewohner genauso mitdenkt wie die der Nachbarschaft. Kita- und Schulplätze und Nachbarschaftstreffs müssen eingeplant werden,

[Franz Kerker (AfD): Will doch keiner haben!]

weil diese Neubauten eben keine Notlösungen sind, sondern weil dort Menschen ihr neues Leben beginnen und ankommen können sollen. Das wird jetzt umgesetzt, nicht überall, aber an immer mehr Standorten. Deshalb haben Sie sich mit der Ratiborstraße in FriedrichshainKreuzberg und mit der Rheinpfalzallee in Lichtenberg als AfD die denkbar schlechtesten Beispiele ausgesucht. Bezüglich der Rheinpfalzallee haben sich Bezirk und Land jetzt darauf verständigt, statt der ursprünglich geplanten MUFs eine kleinere Unterkunft zu bauen und Platz für eine Grundschule, eine Kita und eine Jugendeinrichtung zu schaffen. Das ist ein Musterbeispiel dafür, wie man die Nutzungskonkurrenzen mit gutem Willen unter einen Hut bringen kann.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Katina Schubert (LINKE)]

In der Ratiborstraße soll mit dem MUF ohnehin eine Kita entstehen, und von einer Schule war nie die Rede – von niemandem. Die Frage in der Ratiborstraße ist nicht: Schule, Kita oder MUF? Sämtliche Gewerbetreibende und Nachbarschaftsinitiativen dort wollen ausdrücklich, dass auf dem Gelände auch Geflüchtete wohnen können. Sie wehren sich aber gegen das Sonderbaurecht, weil es nämlich eine Machbarkeitsstudie für die Ratiborstraße

gibt, die zeigt, wie eine gemischte Nutzung von Anfang an realisiert werden könnte. Das verhindert das Sonderbaurecht. Dieses Baurecht ist für Ausnahmesituationen geschaffen worden. Die Zeit der Notfallmaßnahmen ist aber vorbei. Wir bauen hier die Zukunft der Stadt, und deshalb ist es auch gut, dass das Sonderbaurecht jetzt ausläuft. Wo ein Bezirk zusagt, schnellstmöglich Baurecht zu schaffen, sollte auch bei bereits geplanten Projekten auf dieses Sonderbaurecht verzichtet werden, denn wenn wir überhaupt noch ein Sonderbaurecht brauchen, dann wirklich für den Schulbau.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Mit dem Schulbau zurück zum Osteweg: Hier findet seit Monaten ein sehr unerfreuliches Hin und Her statt: Der Bezirk hat – darauf hat Torsten Schneider hingewiesen – den Standort nicht niemals, aber sehr spät für den Schulbau angemeldet, obwohl die Pläne dafür seit Jahren in den Schubladen liegen. Das ändert aber nichts daran, dass wir die Schulplätze dringend brauchen, und das gilt mittlerweile eben unabhängig vom Bezirk. Eltern weichen doch längst auf andere Bezirke aus, um überhaupt noch Schulplätze für ihre Kinder zu finden!

Wir müssen die Bedarfe deswegen landesweit denken, wie wir es mit der rot-rot-grünen Schulbauoffensive ja auch tun wollen. Deshalb ist für uns Grüne ganz klar: Es braucht dort eine Lösung, die Schule und Wohnraum für Geflüchtete schafft, und dafür gibt es genau zwei Möglichkeiten: Entweder der Bezirk benennt noch einen Ersatzstandort – das hat Senatorin Breitenbach in der letzten Ausschusssitzung ausdrücklich nochmals angeboten –, oder aber es gelingt mit vereinten Kräften, am Osteweg Schule und Flüchtlingsunterkunft zu realisieren. Beides geht allerdings nur, wenn alle Beteiligten gemeinsam nach der besten Lösung suchen.

Der Runde Tisch Osteweg, zu dem der Bezirk jetzt endlich auf Antrag der Grünen in der BVV für Mitte Dezember eingeladen hat, war längst überfällig. Ein solcher Runder Tisch – auch das möchte ich sagen – wird allen Beteiligten abverlangen, sich zu bewegen. Wir sind dazu bereit. Aber Flüchtlinge gegen Schulkinder auszuspielen – dazu werden wir niemals bereit sein! – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Zurufe]

Vielen Dank! – Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der fraktionslose Abgeordnete Wild nach § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung einen Redebeitrag angemeldet. Die Redezeit beträgt bis zu drei Minuten. – Bitte schön!

(Bettina Jarasch)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ohne Mikro ist wirklich lustig; da sind die Anti-Demokraten mal wieder dabei. – Wenn die sogenannten MUFs gebaut werden sollen, sprechen verschiedene Gründe dagegen und manche auf den ersten Blick dafür. Was spricht dafür? – Menschen, denen es schlechter geht als dem Durchschnittsbürger in Deutschland, begehren Einlass in unser Land, in unsere Stadt, in unsere Nachbarschaft.

Was spricht dagegen? – Es gibt denkmalrechtliche Bedenken wie im Osteweg, wo die ehemalige McNairChapel von Migrantenkästen umbaut werden soll. Es gibt naturschützende Argumente, wenn – wie im Dahlemer Weg – ein Wäldchen abgeholzt werden soll, um Migranten zu beherbergen. Und es gibt wie im Osteweg auch planungsmäßig konkurrierende Schul- und Kitastandorte. – Frau Schubert! Wenn Sie nicht verstehen, dass die Grundstücke an Wert verlieren, dann gehen Sie einfach mal zu Ihrer Bank; die erklärt Ihnen das!

Aber die wichtigste Frage ist noch nicht gestellt: Das ist die Frage der Nachhaltigkeit. Nach Deutschland sollen noch Horst Seehofers Planungen jährlich 200 000 Migranten kommen. Die werden nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt, das bedeutet 5 Prozent für Berlin. 5 Prozent von 200 000 sind 10 000, das heißt pro Bezirk und Jahr ungefähr 1 000 Migranten über die Asylschiene jährlich.