Protocol of the Session on November 28, 2019

[Gunnar Lindemann (AfD): Müssen wir gar nicht! Abschieben!]

Das geht nur, wenn es uns gelingt, alle Menschen in dieser Stadt mitzunehmen. Genau deswegen sind Anträge wie der vorliegende so perfide. Sie spalten, entsolidarisieren und sind am Ende schädlich für uns alle, die wir Berlin als vielfältige Stadt wahrnehmen. Deswegen lehnen

wir den Antrag und auch die beiden Änderungsanträge ab. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Seibeld das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Liebe Frau Böcker-Giannini! Als Ersatzstandort für den Osteweg ist der Dahlemer Weg benannt worden. Wenn Sie hier Fragen einzelner Standorte diskutieren, wäre es schön, wenn wir sie vollständig diskutieren könnten.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Franz Kerker (AfD)]

Tatsächlich war der Osteweg – das haben Sie selbst gesagt – vor zehn Jahren schon einmal als Schulstandort geplant. Es liegt weniger daran, dass jetzt der Senat mit der Idee eines MUF um die Ecke kommt, sondern es liegt mehr daran, dass, seitdem Rot-Rot-Grün regiert, ein erheblicher Bedarf an Schulplätzen besteht und deshalb Schulstandorte in dieser Stadt wieder viel relevanter geworden sind

[Beifall bei der CDU und der AfD – Torsten Schneider (SPD): Wir machen alles, aber keine Kinder!]

als sie es in den vergangenen Jahren waren.

[Torsten Schneider (SPD): Den Zusammenhang müssen Sie mir einmal erklären!]

Aber zurück zum AfD-Antrag: Richtig an dem AfDAntrag ist allein, dass wir am Osteweg einen Schul- und Sportstandort brauchen und kein MUF. Was wir allerdings nicht mitmachen – und entsprechend gibt es einen Änderungsantrag –: Wir werden uns nicht daran beteiligen, Kinder und Eltern gegen Flüchtlinge auszuspielen oder umgekehrt. Auch die Bürgerinitiative hat sich regelmäßig dagegen verwahrt, für die Ideen und Vorstellungen der AfD instrumentalisiert zu werden.

[Zuruf von Franz Kerker (AfD)]

Schon insofern finde ich den Antrag, den Sie hier heute vorlegen, verwunderlich.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Torsten Schneider (SPD): Da muss ich auch klatschen!]

Was ich auch ungewöhnlich finde – ich hoffe, dass hält in diesem Haus keinen Einzug – ist, dass wir Einzelfallregelungen für einzelne Standorte besprechen und offenbar den Anspruch, für ganz Berlin Konzepte und Lösungen zu finden, vollständig aufgegeben haben. Deswegen

(Dr. Nicola Böcker-Giannini)

fordert auch die CDU-Fraktion mit ihrem Änderungsantrag, dass wir ein Gesamtberliner Konzept zur Unterbringung von Flüchtlingen und selbstverständlich zur Absicherung von Schul- und Sportstandorten finden und nicht nach einzelnen Kiezen und Bezirken sortiert gucken, wo man die einen gegen die anderen ausspielen kann.

[Beifall von Heiko Melzer (CDU)]

Allerdings sehen auch wir den Umstand, dass man die jetzt vorhandenen MUF-Unterkunftsplätze von 22 000 fast auf das Doppelte, nämlich 39 000, ausbaut bei der derzeitigen Situation und den derzeitig nach Deutschland kommenden Flüchtlingen in dieser Form nicht als notwendig an, zumal der eine oder andere Tempohomestandort durchaus noch eine Weile weitergenutzt werden kann und, liebe Frau Böcker-Giannini, wenn Sie sich einmal mit den Flüchtlingen vor Ort unterhalten, viele Flüchtlinge keinesfalls in die MUFs 2.0 ziehen wollen, sondern vergleichsweise gern in den Tempohomes wohnen bleiben, weil sie tatsächlich ihren eigenen Eingang haben, weil sie viel mehr Selbstständigkeit haben, weil sie viel mehr Unabhängigkeit haben als in den relativ kleinen und tatsächlich nicht komfortabel ausgestatteten Appartements, die Sie jetzt in den MUFs bauen.

Uns geht es tatsächlich um Wohnraumbeschaffung mit einem Gesamtberliner Konzept. Das würden wir vom Senat gerne hören, auch für Flüchtlinge. Deswegen hätten wir gern ein Konzept zusammen mit den Wohnungsbaugesellschaften und privaten Trägern und keine isolierten MUFs, keine isolierte Unterbringung von Flüchtlingen, sondern integrierten Wohnungsbau, der es den Flüchtlingen ermöglicht, sich in diesem Land und dieser Stadt zu integrieren und in normalem Wohnumfeld ihr Leben hier zu meistern. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Marcel Luthe (FDP) und Dr. Maren Jasper-Winter (FDP)]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Frau Schubert das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser AfD-Antrag ist mal wieder Zeugnis davon, dass Sie Interessen und Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausspielen wollen. Das ist einfach ekelhaft.

[Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Dr. Hans-Joachim Berg (AfD)]

Alle Bezirke sind seit 2018 gebeten, jeweils zwei Standorte für MUFs anzugeben. Es funktioniert eben nur sehr unvollkommen. Wir haben in Landesbesitz ungefähr 24 000 Unterbringungsplätze, in MUFs, in Tempohomes und Einrichtungen des Landes. Da leben etwa 11 000

Geflüchtete, die gar nicht mehr in die Zuständigkeit des Landes gehören, sondern die statusgewandelt sind und damit von den Bezirken unterzubringen sind. Was würde denn geschehen, wenn das Land jetzt sagen würde: Jetzt kümmert euch einmal selbst, Bezirke? – Dann ginge es wahrscheinlich ganz schnell mit der Ausweisung von Standorten.

[Andreas Wild (fraktionslos): Mit der Ausweisung!]

Das ist aber nicht unser Ansatz, sondern wir wollen einen integrierten Ansatz. Wir wollen nicht die Verantwortung hin- und herschieben. Aber das heißt, dass Land und Bezirke zusammenarbeiten müssen und dass es nicht geht, dass ein Standort nach dem anderen infrage gestellt wird.

Ja, Frau Seibeld, natürlich wollen wir ein integriertes Wohnen und natürlich wollen wir, dass alle in vernünftige Wohnungen kommen. Deswegen werden die MUFs auch in Wohnungsbauweise gebaut, damit es Wohnungen sind und sie in den normalen Wohnungsmarkt integrierbar sind, wenn die Mietzeit mit dem LAF zu Ende ist. Selbstverständlich werden diese MUFs so gebaut, dass dort Kitas mitgedacht werden, dass da soziale Infrastruktur mitgedacht wird, dass die Nachbarschaften eingebunden werden. Deswegen sind BENN und andere Netzwerke dort unterwegs, um ganz schnell dafür zu sorgen, dass es ein Umfeld für diese MUFs gibt und die Menschen dort nicht isoliert wohnen. Das ist das, was jetzt schon alles passiert.

Aber wenn Bezirke, und es sind immer wieder die CDUgeführten Bezirke, es torpedieren, dass MUFs gebaut werden, dann werden Sie irgendwann die Konsequenzen tragen müssen. Dann muss der Senat handeln, und es ist richtig, dass der Senat handelt.

[Beifall bei der LINKEN und der SPD]

Zum Osteweg wurde jetzt schon vieles gesagt. Der war nie als Schulstandort ausgewiesen. Selbst Ihr eigener Sozialsenator zu seligen Zeiten, Czaja, hat ihn als MUFStandort festgelegt. Dann fällt plötzlich einer Bürgerinitiative ein: Och nee, wir hätten da lieber gern eine Schule.

[Frank-Christian Hansel (AfD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Nein, keine Zwischenfrage! – Nur ein Schelm, der Böses dabei denkt. Es gibt immer wieder neue Gründe, warum keine MUFs gebaut werden sollen. Mal sind es die Bäume, mal sind es die Schulen, dann hat man Angst um den Wohnwert der eigenen Häuser. Was ist denn das für eine Unterstellung, dass ein Haus weniger wert ist, weil Geflüchtete nebenan wohnen? Das ist doch an sich schon ein rassistisches Ressentiment,

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

das in einer Stadt der Vielfalt, wie wir sie hier haben, überhaupt nicht geht.

(Cornelia Seibeld)

[Kurt Wansner (CDU): Frau Schubert, Sie haben keine Ahnung!]

Deswegen werden wir auch diesen Änderungsantrag der CDU ablehnen. Denn natürlich wollen wir ganz viel Integration, aber wir brauchen dieses MUFs, solange wir nicht genügend andere Wohnungen haben. Solange es immer noch ganz viele Vermieterinnen und Vermieter gibt, die nicht an Menschen vermieten, die einen fremdländischen Namen haben, die vielleicht einen Romahintergrund haben oder die einen Geflüchtetenhintergrund haben. Solange das so ist, solange es Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt gibt, solange werden wir von Staats wegen dafür sorgen müssen, dass alle Menschen eine Unterbringung finden. So ist es auch gesetzlich geregelt.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Dr. Nicola Böcker-Giannini (SPD)]

Leider brauchen wir dafür auch noch MUFs. Deswegen ist es gut, dass die MUFs dort wenigstens ein Minimum an Privatsphäre haben

Frau Seibeld! Sie sagen, die Geflüchteten leben lieber in den Containern. Ja, sie wohnen so lange in den Containern, bis die Rott sind. Sie haben leider eine nicht so lange Lebensdauer wie die MUFs, nach drei bis Jahren zieht es dort durch, denn es sind eben Container und keine Häuser. Insofern brauchen wir Nachfolgelösungen für die Container, und deswegen ist es notwendig, dass der MUF-Bau jetzt beschleunigt wird und dass diese Blockade in einigen Bezirken aufhört. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Czaja jetzt das Wort.

[Kurt Wansner (CDU): Frau Schubert hat wieder ihre Parteitagsrede gehalten! – Sven Kohlmeier (SPD): Ja, war großartig!]

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich grundsätzlich, deutlich und klar darin anschließen, dass die Frage der Flüchtlingsunterbringung, egal in welchem Bezirk, egal wo in der Stadt, keine Frage ist, in der man sich zu irgendeinem Zeitpunkt von der AfD instrumentalisieren lassen sollte. Das darf nicht passieren.

[Beifall bei der FDP und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von Christian Buchholz (AfD)]

Auch deshalb haben wir zu dem Antrag einen Änderungsantrag eingereicht. Wer die Debatte gestern Abend zum Dahlemer Weg in Steglitz-Zehlendorf verfolgt hat –

sie war heute Gegenstand einer Frage –, hat deutlich zur Kenntnis nehmen müssen: Die Berlinerinnen und Berliner, auch die Steglitz-Zehlendorferinnen und SteglitzZehlendorfer, haben es satt, dass solche Debatten politisch instrumentalisiert werden, sondern sie wollen Lösung.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Christian Goiny (CDU)]