Protocol of the Session on November 28, 2019

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Diese Rede sollten sich auch diejenigen, die sich Tag für Tag durch die Straßen bewegen, um an den Einsatzort zu kommen, später mal genüsslich anschauen. Vielen Dank, Herr Friederici!

[Beifall bei der LINKEN]

Rettungsgassen können über Leben und Tod entscheiden. Wie ich feststelle, gibt es hier leider keinen fraktionsübergreifenden Konsens, dass wir als Berlinerinnen und Berliner aufgefordert sind, darauf aufmerksam zu machen, dafür zu sensibilisieren,

[Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]

dass es eben im Straßenverkehr zu vielen Unachtsamkeiten, aber auch zu bewusst gefährlichem Handeln kommt, wenn Rettungsgassen auf den Straßen nicht gebildet oder ignoriert werden.

Ihr Verkehrsminister ist an der Stelle weiter als Sie. Herr Verkehrsminister Scheuer hat ja eine StVO-Novelle eingebracht. Sie ist am 6. November von der Bundesregierung beschlossen worden. Da wird auch festgehalten: Fahrer, die die Pflicht zur Bildung der Rettungsgasse missachten oder diese missbräuchlich verwenden, sollen härter bestraft werden. Diese Pflicht existiert bereits seit 1982 in der StVO, dass die Wege auf den Straßen freigehalten werden, damit Feuerwehr, Polizei und Rettungswagen durchkommen und im Straßenverkehr nicht behindert werden, denn jede und jeder sollte sich einmal vergegenwärtigen, dass es auch die eigene Familie,

(Oliver Friederici)

Freunde oder Bekannte sein können, die auf einen Rettungswagen warten müssen, der nicht rechtzeitig kommt, weil eine Blechlawine vor ihm steht. Bei Hilfseinsätzen kommt es auf Sekunden an. Wenn die am Ende fehlen, weil Rettungskräfte behindert werden, dann ist das ganz bitter, und das sollte uns nicht kaltlassen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Ich möchte das an der Stelle an einer Umfrage deutlich machen. Das Deutsche Rote Kreuz hat 2018 eine Umfrage unter 96 DRK-Rettungsteams in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Berlin, Sachsen und dem Saarland durchgeführt. Daraus ging hervor, dass in 80 Prozent aller Fälle Helfer wertvolle Zeit verlieren, weil die Rettungsgasse blockiert wird. Die Umfrage fand außerdem heraus, dass nur bei 15,6 Prozent der ausgewerteten Einsätze spontan eine Rettungsgasse gebildet wurde. Bei 35,4 Prozent kam dazu, dass die Fahrer die Rettungsgasse erst nach Sondersignalen gebildet haben. Vor allem ist erschreckend: Mehr als 20 Prozent der Fahrer reagierten gar nicht. Das ist erschütternd und sollte uns alle dafür sensibilisieren, das Thema nicht als ein Kavaliersdelikt zu behandeln.

Wir müssen dabei den Fokus auf die Prävention setzen. Das hat mein Kollege Schopf bereits in seiner Eingangsrede umrissen. Wir fordern den Senat dazu auf, eine Sensibilisierungs- und Informationskampagne zu initiieren, die den Menschen einerseits Materialien und gute Informationen an die Hand gibt, aber außerdem auch über Medien und sichtbar in der Öffentlichkeit auf die Notwendigkeit der Bildung einer Rettungsgasse hinweisen soll. Wir werden damit zweifellos die Rettungsgasse noch nicht in allen Köpfen verankern können, aber es ist ein Schritt. Wenn ich jetzt höre, es ist alles eine Selbstverständlichkeit – Herr Friederici, man kann über dieses Thema nicht oft genug reden, und es ist richtig, dass sich auch das Abgeordnetenhaus dazu äußert.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Zum Schluss möchte ich sagen, dass aus meiner Sicht ein Wert ganz oben stehen muss, den wir alle viel zu selten leben, das ist Respekt vor dem anderen, Respekt vor dem Leben, Respekt vor jenen, die Tag für Tag dafür da sind, Leben zu retten. Wenn wir das alles verinnerlicht hätten, wären wir schon ein ganzes Stück weiter. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Ubbelohde jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der Recherche zu diesem Thema fiel mir ein Bericht in die Hände, in dem ein Lkw-Fahrer es kurz und knapp auf den Punkt brachte: Verkehrsteilnehmer, die keine Rettungsgasse bilden, sind Vollidioten. – Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Jeder Verkehrsteilnehmer, der in einem Stau nicht willens ist, eine Rettungsgasse zu bilden, ist auch ein Egoist, verhält sich gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern unsozial und ist eine Gefahr für den öffentlichen Straßenverkehr.

[Beifall bei der AfD]

Bei schweren Verkehrsunfällen, zum Beispiel auf der Autobahn, zählt jede Sekunde. Leider kommen immer wieder Rettungsdienste, die Polizei, die Feuerwehr oder dringend benötigte Bergungsfahrzeuge nicht schnell genug zur Unfallstelle, und das nur, weil die Rettungsgasse durch rücksichtslose Verkehrsteilnehmer versperrt ist.

Hier besteht auch aus Sicht der AfD-Fraktion dringender Handlungsbedarf. Nun kann man sich fragen, warum es beim Senat und bei den Regierungsfraktionen erst jetzt diese Einsicht in die Notwendigkeit zu handeln gibt, haben es doch zahlreiche Bundesländer schon früher erkannt. Möglicherweise liegt der Grund darin, dass es sich hier um eine Klientel handelt, die die linke Koalition grundsätzlich eher stiefmütterlich behandelt. Es keimt schon der Verdacht auf, dass jeder Stau und die damit verbundenen Kalamitäten für die Verkehrsteilnehmer, insbesondere für die Pendler – vom Lieferverkehr haben wir es heute auch schon gehört –, insgeheim begrüßt werden.

Insofern ist es schon seltsam, dass sich die rot-rot-grüne Koalition als Lösung dieses Problems darstellt, das sie zumindest mit verursacht hat. Sie wundern sich, dass die Leute auf der Straße fahren, sie die Straßen benutzen, dass die Straßen verstopft sind. Gleichzeitig bauen Sie keine U-Bahn, die S-Bahnen funktionieren häufig nicht. Sie bauen Straßenbahnen, wo keine hingehören. Sie holen Elektrobusse in den Straßenverkehr, von denen Sie nicht wissen, ob sie überhaupt funktionieren. – Und dann wundern Sie sich, dass Staus entstehen und Rettungsfahrzeuge nicht durchkommen.

[Beifall bei der AfD]

Gleichwohl sagen wir als AfD-Fraktion: Besser spät als nie! – Denn, egal wie jeder Einzelne in diesem Hause zu den Herausforderungen des Straßenverkehrs steht, es braucht hier konkret Handlungen, um bereits präventiv die Gefahr für Leib und Leben möglichst auf null zu reduzieren. Wir sagen aber auch, dass hier nicht nur der Senat in der Pflicht ist, sondern dass neben den öffentlich-rechtlichen Medien und Rundfunkanstalten auch die privaten Medien, Fahrlehrerverbände, die Interessenvertretungen der Speditionen und weitere Akteure einge

(Kristian Ronneburg)

bunden werden müssen. Dazu gehören auch große Automobilvereine wie der ADAC, der die Notwendigkeit in diesem Bereich schon vor Längerem erkannt hat und das Thema gegenüber seinen Mitgliedern und der Öffentlichkeit regelmäßig aufgreift. Insofern greift dieser Antrag, demzufolge zunächst nur das Gespräch etwa mit den Rundfunkanstalten gesucht werden soll, noch zu kurz.

Gleichwohl erwarten wir, dass der Senat die öffentlichrechtliche Rundfunkanstalt RBB verbindlich auffordert, initiativ zu werden. Diese Einrichtungen sollen dem Gemeinwohl dienen, werden von den Menschen draußen noch finanziert und unterliegen der staatlichen Aufsicht. So sollte es unproblematisch sein, eine solche Aktion verbindlich einzuführen. Dass so etwas funktioniert und auch zu nachhaltigen Verbesserungen führt, zeigte bereits in den 1970er- und 80er-Jahren die Erfolgsserie „Der 7. Sinn“. Einigen dürfte noch der Satz „Hallo Partner – danke schön!“ in Erinnerung sein. Warum soll es nicht möglich sein, gar gemeinschaftlich mit den anderen Bundesländern darauf hinzuwirken, dass so ein Format – natürlich zeitgemäß gestaltet – wieder neu aufgelegt wird?

Aus Sicht der AfD-Fraktion ist allerdings auch zu prüfen, ob die deutschlandweit zunehmend in den Fahrzeugen der Ordnungskräfte installierten Kameras zukünftig nicht genutzt werden könnten, um auch in Rettungswagen als Beweismittel gegen diejenigen, die die Verkehrsregeln nicht beachten, zum Einsatz zu kommen. Sicherlich sind hier rechtliche Fragen zu prüfen; gegebenenfalls ist eine Initiative notwendig, um die Rechtslage den tagtäglichen Herausforderungen auf der Straße anzupassen. Außerdem ergibt eine solche Initiative nur Sinn, wenn neben der Aufklärung zu einer Regel im Straßenverkehr, die bereits existiert und bei Nichtbeachtung strafwürdig ist, tatsächlich auch Strafen ausgesprochen werden.

Ich komme zum Schluss: Lassen Sie uns daher den vorliegenden Antrag gemeinsam so konkretisieren, dass insbesondere Hilfsbedürftige und hilfreiche Verkehrsteilnehmer von einer solchen Initiative und einem besser organisierten Verkehrsfluss profitieren. – Ich danke!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Moritz das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Jahr 2017 kam es in Berlin zu fast 150 000 Verkehrsunfällen; über 2 000 Personen wurden schwer verletzt und 36 Menschen starben. 2018 war die Zahl der Schwerverletzten und Toten leider noch höher. Die Vision Zero – also das Ziel, keine Verkehrstoten und Schwerverletzten mehr im

Straßenverkehr zu beklagen – ist Teil unserer Koalitionsvereinbarung. Dazu müssen wir die Verkehrsregeln dringend besser durchsetzen und Verstöße konsequent ahnden. Wenn es doch zu einem Unfall kommt, muss den Opfern schnell geholfen werden. Dazu müssen alle Beteiligten richtig reagieren können, wozu auch die richtige Bildung einer Rettungsgasse gehört. Leider reagieren immer wieder Autofahrerinnen und Autofahrer falsch – aus Neugier, Unwissenheit, aber auch aus Rücksichtslosigkeit. Der vorliegende Antrag zielt darauf ab, mindestens für diejenigen, die noch immer nicht wissen, wie sie sich richtig verhalten sollen, in unterschiedlicher Weise Aufklärungsarbeit zu leisten. So gibt es diese Infobanner zur Bildung der Rettungsgasse auch an den Berliner Autobahnbrücken schon eine ganze Weile. Da ist also die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz schon viel weiter als wir mit unserem Antrag.

Wir wollen weitere elektronische Anzeigen an unfallsensiblen Stellen wie etwa Baustellen zur besseren Verkehrsführung und Information einsetzen. Ferner wollen wir auch die Medien aufrufen, sich des Themas Verkehrssicherheit und richtiges Verhalten bei Unfällen anzunehmen. Beauftragen können wir die Medien nicht; sie sind nämlich unabhängig.

[Beifall von Henner Schmidt (FDP) – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Wir brauchen in Berlin ein respektvolles und verantwortungsvolles Verhalten im Verkehr. Die Kampagne „Rettungsgasse freihalten“ soll das korrekte Verhalten in Unfallsituationen zurück in das Bewusstsein der Autofahrerinnen und Autofahrer holen, damit die Rettungskräfte schnell und zuverlässig an ihren Einsatzort kommen. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Schmidt das Wort!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie kennen das aus dem Ausschuss: Ich habe zu vielen Anträgen der Koalition immer wieder dieselbe Bemerkung; das wird langsam schon zum Running Gag: Schon wieder eine Kampagne! – Diese Bemerkung stimmt auch hier wieder.

[Beifall von Paul Fresdorf (FDP)]

Natürlich haben wir da ein Problem, aber Sie versuchen jedes Problem in dieser Stadt durch das Auflegen einer weiteren Aufklärungs- und Belehrungskampagne zu lösen. Ich weiß nicht, ob das wirklich so zielführend ist.

(Carsten Ubbelohde)

Keine Frage, das Thema ist wichtig und auch wirklich ernst. Es geht hier um Menschenleben, es geht um Gefährdung – das darf man nicht kleinreden. Natürlich muss man auch die Regelung zur Rettungsgasse in jedem Fall sicher durchsetzen. Wenn die Vorredner hieraus aber einen Rundumschlag zur Verkehrspolitik machen, dann sind das aber zwei verschiedene Themen. Das eine sind die Staus, die der Senat verursacht. Das andere ist: Wenn Stau, dann Rettungsgasse. – Das ist ein anderes Thema, und um das geht es hier.

[Beifall bei der FDP]

Wenn man aber lauter solche Kampagnen macht, möchte ich doch einige Fragen stellen. Denn ich erinnere mich daran, dass ich schon eine ganze Menge Kampagnen gesehen, mitbekommen habe: im Film, im Radio, in Zeitschriften. Ergibt es also wirklich Sinn, zusätzlich zu den zahlreichen Kampagnen zu diesem Thema eine weitere zu starten? – Viel wichtiger: Woran liegt es eigentlich, dass diese ganzen Kampagnen, die, wie wir gehört haben, seit 1982 – da habe ich meinen Führerschein gemacht – gefahren werden, so wenig Wirkung zeigen? Erzielt man mehr Wirkung, wenn man dem noch eine weitere Kampagne hinzufügt?

[Paul Fresdorf (FDP): Nein!]

Ich glaube nicht daran. Aus Sicht der Freien Demokraten wird dieser Antrag deshalb wenig Effekt haben, auch wenn die Absicht gut gemeint ist. Daher werden wir uns konsequenterweise heute dazu enthalten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Oliver Friederici (CDU)]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag auf Drucksache 18/1787 empfiehlt der Fachausschuss einstimmig – bei Enthaltung der AfD-Fraktion und der Fraktion der FDP – die Annahme. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und die CDU-Fraktion. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Bei Enthaltung der Fraktion der FDP und der AfD-Fraktion ist der Antrag damit angenommen.

Die Tagesordnungspunkte 19 bis 21 stehen auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 22: