Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Energie, Betriebe vom 28. Oktober 2019 Drucksache 18/2281
In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP. Herr Kollege Henner Schmidt hat das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der stetig wachsende Lieferverkehr in unserer Stadt verlangt dringend nach neuen Ansätzen und Konzepten, sonst werden uns die Probleme über den Kopf wachsen. Es ist ganz klar, wir haben immer mehr Lieferverkehr, vor allem verursacht durch den Onlinehandel. Das bisherige System der Einzelzustellung stößt ganz offensichtlich an seine Grenzen. Dabei kommt es zu Problemen, die jeder in der Stadt wahrnimmt: Parken in zweiter Reihe, auf Geh- und Radwegen nimmt z. B. immer weiter zu. Gegen solche Verstöße und Verkehrsblockaden muss konsequent vorgegangen werden. Dass diese in unserer Stadt immer noch geduldet werden, als selbstverständlich hingenommen werden, ist wirklich nicht okay.
Der Wirtschaftsverkehr ist aber auch das Rückgrat der Wirtschaft unserer Stadt, der ist schlicht lebensnotwendig für unsere Stadt. Deshalb brauchen wir praktikable Konzepte zur Bewältigung gerade der vielen Lieferungen der Kurier- und Expressdienste und müssen vor allem auch dann praktikable Lösungen umsetzen.
Das fängt ganz einfach an mit Paketstationen und ausreichenden neuen Lieferzonen. Die müssen dann natürlich auch gegen Missbrauch gesichert werden, z. B. durch Einfahrkarten o. Ä., durch digitale Zugangssysteme. Aber es geht auch weiter mit neuen und innovativen Konzepten, die auf Dauer den gesamten Lieferverkehr stadtverträglich bewältigen können. Und von solchen Ansätzen gibt es wirklich ganz viele.
Es ist falsch, dass der Senat stark auf einen einzigen Ansatz setzt, nämlich eine Kooperation der großen KEPDienste, notfalls mit sanftem Zwang, und dass die da so
eine Art Kaskadenmodell der Warenverteilung machen sollen mit dem berühmten Lastenfahrrad für die letzte Meile. Das wird so nicht funktionieren.
Das ist nicht innovativ, das wird den vielen kleinen Kurier- und Expressdiensten nicht gerecht, und logistisch macht es auch nicht überall Sinn. Diese Art zentraler Planwirtschaft, wo der Staat, hier das Land Berlin, Lieferung bündelt und organisiert, wird das Problem sicher nicht lösen. Und das Land Berlin sollte auch nicht selbst noch Betreiber von solchen kommerziellen Verteilungsstrukturen werden. Das ist wirklich absurd. Das kann auch nicht gutgehen.
Wir brauchen deshalb Offenheit für Neues, z. B. auch dafür, dass eben nicht nur von oben herunter organisiert wird, sondern dass auch Kunden selber Logistikplattformen aufbauen, nicht nur die Lieferdienste. Es muss Offenheit da sein für ganz viele Ideen, die im Umschwung sind: Punkt-zu-Punkt-Lieferung, Crowd-Logistik, stärkere Nutzung von Schiffen und Straßenbahnen, meinetwegen auch den Einsatz von Drohnen; bei großen Containern machen es in Hamburg auch Hyperloops. Wir brauchen ganz viele solcher möglichen Ideen, es gibt sicher noch viel mehr, wenn man den Ideenwettbewerb auch nur stärker anstößt und zulässt.
Wir brauchen also die Offenheit für solche innovativen Ideen, und wir brauchen mehr Mut zum Experimentieren mit spannenden neuen Lösungen. Solche Konzepte muss der Senat technologieoffen stärker fördern und nicht nur seine eigenen Ideen durchsetzen wollen. Vernünftige und machbare Ideen kommen eben nicht vom Senat, sondern die kommen von den Bürgerinnen und Bürgern und von den Unternehmen dieser Stadt. Die Aufgabe des Senats dabei ist, einen vernünftigen Rahmen zu setzen. Und die Regelungen dafür gehören natürlich ins Mobilitätsgesetz. Es ist mir immer noch unverständlich, warum der Wirtschaftsverkehr nicht als Teil des Mobilitätsgesetzes gedacht ist,
das widerspricht doch der ganzen Grundidee des Mobilitätsgesetzes, dass es ein umfassendes Gesetz für alle Formen der Mobilität sein soll. Stattdessen soll das irgendwann ins integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept integriert werden, das auch noch nicht vorliegt. Wir brauchen stattdessen für den Wirtschaftsverkehr neue und lösungsorientierte Ansätze. Als Erstes wolle wir Freien Demokraten den Lieferverkehr durch die Kurier- und Expressdienste mit neuen Lösungen angehen. Dazu legt unser Ansatz erste Lösungsvorschläge vor. Damit wären wir schon einmal ein paar erste effektive Schritte weiter. Dafür bitte ich Sie um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hand aufs Herz! Wann haben Sie das letzte Mal etwas online bestellt? – Jede Bestellung im Internet löst einen Warentransport aus, der für die Städte und damit natürlich auch für Berlin zum Problem geworden ist. Beschränkte sich zuvor der Lieferverkehr im innerstädtischen Bereich auf die Warendistribution für den Handel, werden nun verstärkt Güter an jeden einzelnen Haushalt geliefert. Einerseits freuen wir uns individuell über jedes zugestellte Paket, ärgern uns dann aber andererseits als Verkehrsteilnehmerinnen oder Verkehrsteilnehmer über die Lieferwagen der Paketzusteller, die notgedrungen auf der Fahrbahn in der zweiten Reihe stehen oder – schlimmer noch – den Rad- oder Fußweg blockieren.
Letzteres ist mehr als nur ein Ärgernis, sondern pure Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer, vor allem der schwächsten unter ihnen, nämlich Kinder und Senioren.
Hier sollte in der Tat gegengesteuert werden. Der vorliegende Antrag der FDP-Fraktion erkennt das Problem, das durch den vom Onlinehandel verursachten Lieferverkehr entstanden ist
und auch zukünftig noch verstärkt werden dürfte. Allerdings bietet der Antrag kaum gangbare Lösungsansätze, dafür aber viel Widersprüchliches. So fordern Sie, werte Kollegen von der FDP, zwar ein systematisches Durchgreifen gegen das Parken von Lieferfahrzeugen auf Gehwegen, Radwegen und in zweiter Reihe,
das vorzugsweise durch die Einrichtung und Freihaltung von Lieferzentren erreicht werden soll. Aber gleichzeitig soll und darf das Parkplatzangebot für den Individualverkehr nicht leiden.
Nehmen wir einmal diesen Widerspruch in den Blick: Der städtische Lieferverkehr geht, wie gesagt, durch den Onlinehandel über die Belieferung von Ladengeschäften weit hinaus. Insbesondere in Stadtkernbereichen und hochbelasteten Hauptverkehrsstraßen mit Geschäftsbesatz verschärft sich dadurch das Problem, dass zum Be- und Entladen oft lediglich Flächen des öffentlichen Straßenraums zur Verfügung stehen und der Verkehrsfluss und die Verkehrssicherheit somit durch den Lieferverkehr behindert werden. Die Einrichtung von Ladezonen soll hier bereits Abhilfe schaffen. Ladezonen in Berlin bedeuten, dass ein absolutes Halteverbot für alle außer für den
Das bedeutet gleichzeitig, dass hier nicht geparkt werden darf, was natürlich nur so wirksam ist, wie es von den Ordnungsämtern überwacht wird. Doch eines ist sicher: Ladezonen kosten Parkplätze – da beißt die Maus keinen Faden ab! Außerdem liefern die Paketdienste überall dorthin, wo etwas bestellt wurde, das heißt, in jede Straße. Es ist also kaum möglich, dem Problem durch mehr Ladezonen – am besten in jeder Straße – zu begegnen. Zur Lösung dieses Problems hat sich beispielsweise Wien die Grätzelbox einfallen lassen. Diese soll die zahlreichen Zustellfahrten bündeln, indem die Pakete in fußläufiger Entfernung der Empfänger abgegeben und abgeholt werden können. Dafür eignen sich zum Beispiel leerstehende Gebäudelokale im Erdgeschoss oder Mobility Points im Straßenraum.
[Lachen bei der FDP – Paul Fresdorf (FDP): Sie sind ein Scherzkeks! – Zuruf von Marc Vallendar (AfD)]
Nein, ich lasse jetzt keine zu! – Wenn der FDP-Antrag die Sicherung von Flächen für Parkzonen fordert, geht das zumindest in eine ähnliche Richtung. Allerdings ist auch im Bereich des Gehwegs der Straßenraum nicht beliebig vermehrbar. Wir werden also nicht umhinkommen, einen Stadtentwicklungsplan Mobilität aus einem Guss zu erarbeiten, der natürlich den Lieferverkehr einschließen muss, aber von der Realität des begrenzten öffentlichen Straßenraums auszugehen hat und daher sicherlich auf eine Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs hinauslaufen wird.
fordert die sprichwörtliche eierlegende Wollmilchsau und ist daher wirklichkeitsfremd und wenig sinnvoll. Ich empfehle daher, den Antrag abzulehnen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal die gute Nachricht: Wir werden diesem Antrag zustimmen, weil er in der Tat in der Intention völlig richtig ist.
Lieber Herr Jahnke! Dann kommt aber auch schon die schlechte Nachricht an die Koalition: Ehrlich gesagt, wie man angesichts der Situation heute, in der Sie gar nichts tun und weder konzeptionelle noch operative Ansätze haben, sagen kann, mit dem Antrag fordere man die eierlegende Wollmilchsau – ich glaube, dann haben Sie ihn entweder nicht gelesen oder möglicherweise nicht richtig übersetzt. Er ist richtig; er geht in die richtige Richtung. Wir brauchen dafür ein Konzept. Noch schöner wäre es allerdings – da stimme ich Ihnen völlig zu, Herr Jahnke –, wenn wir bereits im Stadtentwicklungsplan Verkehr das Kapitel Wirtschaftsverkehr aufgeschlagen, bearbeitet und Lösungsvorschläge vorgelegt hätten und es tun würden in der Stadt.
Denn auch bei diesem Thema – wir hatten es heute schon – leiden die Berlinerinnen und Berliner darunter, dass Sie nichts, aber auch gar nichts tun, um den Wirtschaftsverkehr und den Lieferverkehr zu organisieren.