Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Energie, Betriebe vom 11. November 2019 Drucksache 18/2311
zum Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/1877
In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. Es hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Efler. – Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Dunkeln sitzen, nicht kochen können, elektrische Geräte nicht mehr verwenden können und vielleicht sogar die eigene Wohnung nicht mehr beheizen können. Damit mussten im letzten Jahr über 20 000 Berliner Haushalte eine Zeit lang klarkommen, denn sie alle waren von einer Strom- oder Gassperre betroffen. Ich glaube, die wenigsten von uns können sich vorstellen, was das genau bedeutet, gerade wenn Kinder im Haushalt sind. Die Wohnung wird quasi unbewohnbar. Aber auch nach der Entsperrung ist das Problem nicht behoben. Durch hohe Gebühren für die Wiederherstellung der Versorgung geraten manche in einen Schuldenkreislauf, aus dem sie ohne fremde Hilfe nicht mehr herauskommen.
Deshalb ist für uns als Koalition völlig klar: Die Versorgung mit Energie ist ein grundlegendes Element der Daseinsvorsorge. Wir wollen möglichst viele Menschen aus diesem Teufelskreislauf der Energiearmut herausholen.
All dies habe ich zwar in diesem Haus schon mehrfach vorgetragen, auch schon in Ausschussberatungen, aber bei einem Thema wie Energiearmut, das ein bisschen unter dem Radar fliegt, sollte und muss man immer wieder darauf hinweisen.
Wir legen Ihnen nun hier ein Maßnahmenpaket zur Beschlussfassung vor, das so ziemlich alle Spielräume auf Landesebene ausschöpfen soll. Was wirklich schön ist, was ich so auch selten erlebt habe, ist, dass wir bereits im Verlauf der Antragsberatung Teile davon umgesetzt haben bzw. sie sich in der Umsetzung befinden. Ich will deswegen auch nur auf einige Punkte eingehen.
Zunächst einmal adressieren wir die Energieversorger. Wir wollen dafür sorgen, dass allein schon die Kommunikation zu den Bürgerinnen und Bürgern besser wird. Es soll eine optische Hervorhebung der Sperrandrohung geben und vor allem Hinweise auf bestehende Hilfemöglichkeiten, wie zum Beispiel die Energieschuldenberatung der Verbraucherzentrale. Und siehe da, wir sind in Kontakt mit Energieversorgern, liebe Opposition. Sogar die Linke redet mit privaten Unternehmen. Siehe da, es fruchtet,
es sind konstruktive Gespräche. Die Energieversorger werden handeln und werden hoffentlich dafür sorgen, dass auf Hilfeangebote verwiesen wird, die Rechnungen besser lesbar sind und allein schon dadurch Sperren vermieden werden.
Zweiter Punkt: Netzbetreiber sollen auf Sperren unmittelbar vor Wochenenden oder Feiertagen verzichten. Ich glaube, das erklärt sich von selbst. Wir haben ja auch bald wieder schöne Feiertage vor uns. Da ist es sicherlich nicht sehr schön, wenn man im Dunkeln sitzt oder elektrische Geräte nicht betreiben kann.
Dritter Punkt – hier muss ich leider ein bisschen Wasser in den Wein gießen –: Wir haben einen Punkt im Antrag und wollen, dass einkommensschwache Haushalte bei der Anschaffung energiesparender Haushaltsgeräte besser unterstützt werden. Das ist eine Maßnahme des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms. Mit dieser Maßnahme könnte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Einmal ist es klimapolitisch sinnvoll, dass man energieeffiziente Geräte anschafft und zum anderen spart man damit Energiekosten und gerät gar nicht erst in die Schuldenfalle. Das ist, wie gesagt, von diesem Haus beschlossen worden. Leider hat der Senat bisher keine Schritte zur Umsetzung unternommen. Das kann so nicht bleiben. Ich erwarte vom Senat, dass sich das ändert, wenn wir das hier beschlossen haben.
Nächster Punkt – da lobe ich wieder den Senat: Wir wollen einen Runden Tisch unter Beteiligung der zuständigen Senatsverwaltungen, der Grundversorger für Strom und Gas, der Betreiber der Strom- und Gasnetze, der Jobcenter, der Verbraucherzentrale usw. einrichten, um alle Akteure zusammenzubringen, die wirklich mit Energiesperren zu tun haben. Das ist auf einem guten Wege. Die Verbraucherzentrale lädt regelmäßig zu einem Fachforum Energiearmut ein, und ich danke dem Verbraucherschutzsenator dafür, dass er dafür die Federführung übernommen hat,
und dass es hoffentlich so weitergeht. Denn nur, wenn wir das mit allen Akteuren, oder Stakeholdern, wie man neudeutsch sagt, besprechen, glaube ich, haben wir eine gute Chance etwas daran zu ändern.
Letzter Punkt – der ist mir sehr wichtig: Wir haben die Energieschuldenberatung bei der Verbraucherzentrale in dieser Wahlperiode geschaffen. Wir werden sie mit diesem Haushalt weiter verstärken. Es gibt kaum eine erfolgreichere Institution, zumindest kenne ich kaum eine, die wir in dieser Wahlperiode geschaffen haben. Über 90 Prozent derjenigen, die dort Rat suchen, sind erfolgreich in dem Sinne, dass sie eine Strom- oder Gassperre vermeiden können. Wenn wir irgendwas verstärken
Ich hoffe sehr, dass es gelingt, mit diesem Beschluss und dessen Umsetzung die Zahl der Energiesperren in Berlin deutlich zu reduzieren. Wir werden dranbleiben und das regelmäßig mit Anfragen kontrollieren und hoffentlich die Situation nachhaltig verbessern. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Es ehrt Sie, dass Sie sich dieses Themas sehr intensiv annehmen, und das ist tatsächlich eine sehr konkrete und konstruktive Zusammenstellung von Ideen von Experten aus verschiedensten Kommunen und Bundesländern, die zusammengetragen wurden, seinerzeit unter Leitung des Beirats der Stadtwerke Berlin, dem ich zu dem Zeitpunkt auch angehörte. Das heißt, das sind die Ergebnisse dieses Symposiums.
Das Besondere an diesem Antrag ist, dass er eigentlich keinen Gesetzesstatus hat, dass kein Geld hinterlegt wird, dass kein Gesetz geändert wird, dass der Senat eigentlich gar nichts machen muss, mit der Ausnahme, an einem Runden Tisch zu sitzen und ein bisschen mit zu moderieren. Das ist natürlich inhaltlich ein bisschen schwach, das hätten wir uns anders vorgestellt.
Hier reden jetzt die Energiepolitiker, weil das eben aus den Stadtwerken resultiert, aus dieser Beiratssitzung. Eigentlich ist es ein sozialpolitisches Thema. Wir reden darüber, dass es Personen gibt, die auf eine gewisse Art und Weise das Vermögen über die eigene administrative Kompetenz verloren haben. Wir reden darüber, dass es Leute gibt, die nicht mehr rechtzeitig ihre Stromrechnung bezahlen. Strom ist ein Element der Daseinsfürsorge. Das ist aber mittlerweile auch die Telekommunikation, und Mobilität ist auch Daseinsfürsorge. So wie Strom, Mobilität und Telekommunikation von verschiedenen Dienstleistern angeboten werden, hat ein jeder die Verpflichtung, seine Verträge einzuhalten. Wir reden darüber, dass es Personen gibt, die es einfach nicht mehr schaffen, sich zu organisieren. Dann ist nicht die Frage, ob die Rechnung 24 Euro oder durch ein verbrauchsreduzierendes Gerät 23 Euro pro Monat beträgt, sondern diese Menschen schaffen es einfach nicht mehr. Das sind Personen, die unsere Unterstützung brauchen – nicht allein wegen der Stromrechnung, sondern sie brauchen eine umfassende Unterstützung dabei, Fuß zu fassen und Stabilität in ihr Leben zu bringen.
Wir wissen, dass 10 Prozent der Haushalte in Berlin überschuldet sind. Sich diesen zu nähern, ist unsere Pflicht und Verantwortung. – Meine sehr geehrten Damen und Herren von der rot-rot-grünen Koalition! Was Sie tun, ist an dieser Stelle zu wenig.
Nehmen Sie sich nicht das Filetstück Strom, weil alle Leute wissen, worum es geht, sondern sorgen Sie dafür, dass diesen Menschen geholfen wird! Unsere Anträge auf Verstärkung der Schuldnerberatung in den Jugendberufsagenturen, bei den Minderjährigen und Menschen unter 25 Jahren, haben Sie jedenfalls sang- und klanglos versenkt. Nichts machen Sie. Schuldnerberatung findet bei Ihnen in der Verstärkung nicht statt, das finde ich enttäuschend, das bedauere ich sehr. Viele Ideen aus unseren Diskussionen in den vergangenen Monaten sind aber sehr gut und auch in anderen Ländern schon vorgetragen worden. Eine Simplifizierung der bei Mahnungen verwendeten Sprache ist auch keine Rocket-Science und nichts, worüber wir politische Diskussionen führen müssen, sondern etwas, wo wir sagen: Das finden wir eigentlich alle in Ordnung, das möchten wir gern bewegen.
Dr. Efler hat es gesagt, es ist aber ein Element der Energiepolitik im Land Berlin – das ist deswegen recht putzig, weil wir uns eigentlich vorgenommen haben, Berlin umzubauen, unter anderem hin zur Solarhauptstadt Berlin. Darüber würde ich gern noch 20 Sekunden Zeit verlieren. Wie sieht das konkret aus? Künftig sollen ja – darüber ist gesprochen worden – diejenigen, die ein Haus bauen, verpflichtet werden, Solardächer zu installieren. Alle privaten Hausherren sollen also künftig Photovoltaik auf die Dächer packen. Somit haben sich der Senat und die Abgeordnetenhausverwaltung überlegt: Das machen wir im Übrigen mit den öffentlichen Gebäuden auch so. Das heißt, bei jedem Gebäude wird jetzt geprüft, wie viele Solaranlagen draufkommen. Da man ja die Stadtwerke geschaffen hat und die ein Monopolist sind, hat man entschieden, die Stadtwerke Berlin machen das jetzt auf allen öffentlichen Gebäuden. Und was machen Sie? – Sie sorgen dafür, dass auf den Dächern genau so viel Strom produziert wird, wie das Gebäude selbst verbraucht. Es wird keine Kubikstunde
oder keine Kilowattstunde – Danke schön! – mehr Strom produziert, als das Gebäude selbst verbraucht. Das heißt, im Zweifel werden nur 10 Prozent der Dachfläche verwendet, weil man herausgefunden hat, dass das Einspeisen in das öffentliche Netz wirtschaftlich gar nicht attraktiv ist und außerdem einen viel zu großen Administrationsaufwand verursacht. Wenn wir sagen, wir wollen die Stadt Berlin umbauen – alle Privaten werden gezwungen, Solardächer zu bauen, aber die öffentliche Hand zieht sich zurück und sagt: „nur maximal das, was das Gebäude selbst verursacht“, ist das natürlich Solarwende Mini.
Das ist eigentlich peinlich und nichts, wovon die Senatorin nichts wüsste, sondern ausdrücklich mit ihrem Einverständnis und auf ihre Befehle hin so gemacht worden. Insofern haben wir da noch ein bisschen was zu tun.
Die CDU jedenfalls hat vor Kurzem ein tolles umweltpolitisches Programm verabschiedet. Die CDU steht für eine Klimawende zur Verfügung. Wir haben ein Konzept, mit dem wir sagen: Man muss nicht quatschen, man muss machen. Mit der CDU gelingt es. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Schultze-Berndt! Sie haben jetzt zum Schluss über etwas ganz anderes geredet, aber dazu meine Antwort: Mir würde es schon reichen, wenn die CDU-Fraktion zu den Beschlüssen zurückkommt, die man in der Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ gefasst hat. – Sie erinnern sich? Da waren Sie noch nicht dabei. – Die CDU ist weit von energiepolitischem Fortschritt entfernt. Stimmen Sie dem Masterplan Solarcity zu! Das ist ein guter Ansatz. Bisher höre ich dazu, ehrlich gesagt, gar nichts, um das einmal vorsichtig zu sagen. Sie stehen eigentlich bei allen Energiefragen nur auf der Bremse. Sie mussten heute für Ihren energiepolitischen Sprecher Frank Henkel einspringen. Ich habe jetzt aber nichts Neues gehört.
Lassen Sie uns jetzt einmal über die Gas- und Stromsperren reden! Vattenfall ist so ein Lieblingskonzern der CDU-Fraktion. Übrigens: Sie denken immer, das ist die Privatisierung. Das ist aber immer noch ein schwedischer Staatskonzern, das hat sich noch nicht geändert. Ich sage Ihnen jetzt einmal etwas zu den Zahlen: Im Jahr 2018 sind insgesamt 124 606 Briefe mit Ankündigungen von Stromsperren verschickt worden – 124 606 Schicksale, die daran hängen, Herr Schultze-Berndt. Das ist nicht irgendein Thema, sondern das betrifft viele.
Im Januar 2018 waren 12 021 Haushalte betroffen, im Februar immer noch 9 677, im März über 12 000, im Mai über 12 000. Schlussendlich haben im Jahr 2018 insgesamt 18 877 Haushalte tatsächlich den Strom abgestellt bekommen. Man muss sich einmal vorstellen, was das bedeutet: ohne Strom. Das ist wie in der Steinzeit, um das einmal so deutlich zu sagen. Für das Jahr 2019 erwarten wir ähnlich hohe Zahlen. Das ZDF berichtete über knapp 300 000 temporäre Stromsperren deutschlandweit. In der
heutigen Zeit ist eine Stromsperre ein starker Einschnitt in das Leben der betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Künftig wird die Stromversorgung noch wichtiger. Immer mehr Prozesse, immer mehr Alltagssituationen sind direkt oder indirekt von einer guten Stromversorgung abhängig. Deshalb legt die Koalition heute den Antrag „Energiearmut bekämpfen: Strom- und Gassperren vermeiden“ auf.