Protocol of the Session on January 26, 2017

Im Wahlprogramm der Berliner CDU haben wir uns zum Ausbau der Kooperation mit der Berliner Kältehilfe bekannt und für die Würdigung ehrenamtlicher Helfer ausgesprochen. Das war und ist uns als Christdemokraten eine Herzensangelegenheit. Dies zeigt im Übrigen auch der Einsatz der CDU-Fraktion in der vorangegangenen Legislaturperiode für die Einsetzung eines Ausschusses für bürgerschaftliches Engagement.

Selbstverständlich müssen wir Obdachlosigkeit verhindern, Kältetote ohnehin. Dennoch kann die CDUFraktion dem dringlichen Antrag der AfD nicht zustimmen. Ich bin einigermaßen irritiert, dass Sie jetzt mit Dringlichkeit kommen, wo doch der Winter schon Monate anhält.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Sie sprechen im Antrag von Notstandskapazitäten der Berliner Kältehilfe. Was ist denn mit allen anderen Anbietern solcher Übernachtungsmöglichkeiten? Haben Sie die Initiative der Übernachtungshilfe überhaupt verstanden? Oder handelt es sich um einen Antrag für das Schaufenster?

Im Antrag ist bei Ihnen weiterhin die Rede von Obdachlosenhilfe, die weitestgehend privatisiert sei. Was ist denn mit den Kirchengemeinden, mit den Wohlfahrtsverbänden und den zahlreichen ehrenamtlichen Unterstützungen? Diese blenden Sie offenbar komplett aus. Diese haben unsere Anerkennung und unseren Dank verdient!

[Beifall bei der CDU und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Kein Hilfesuchender wird abgelehnt, gegebenenfalls wird überbelegt. Hiervon konnte ich mich letzte Woche bei einem Besuch der Berliner Stadtmission mit Führung durch die Räumlichkeiten überzeugen. Ebenso gibt es das Kältetelefon, das niemanden abweist.

Es gibt Menschen, die das Schicksal hart getroffen hat. Alle von Obdachlosigkeit betroffenen Menschen bedürfen unserer Unterstützung. Was allerdings ein großes Problem ist – damit komme ich gleich zum Schluss –, ist der fehlende Wohnraum in unserer Stadt. Ich beziehe mich auf gerne Frau Radziwill, die sagte: Die SPD hat jetzt durch die Koalitionsvereinbarung mit dafür gesorgt, dass die Wohnungslosenpolitik vorangetrieben wird. – Herzlichen Glückwunsch – Sie sind seit Jahrzehnten in Verantwortung im Bereich der Wohnungsbaupolitik –, dass Sie da endlich loslegen!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Stefan Förster (FDP)]

Wahr ist übrigens auch: SPD und Linke haben bis 2011 Tausende Wohnungen privatisiert und abgerissen – etwa in Marzahn-Hellersdorf. War das sozial? Bitte nicht mit der Haushaltslage kommen! Wer hier spart, zahlt am Ende doppelt.

Den Schaufensterantrag der AfD-Fraktion lehnen wir ab. Ich hoffe auf eine Fortsetzung der von Herrn Czaja eingeleiteten Politik durch die neue Senatorin Frau Breitenbach. Ich wünsche ihr hierbei viel Erfolg und werde mich im Sozialausschuss konstruktiv einbringen und das kritisch begleiten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Fuchs. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Werte Kolleginnen und Kollegen! Um es gleich mal zu sagen: Ich habe das Gefühl, dass Sie, die AfD-Fraktion, hier mit billigsten Mitteln versuchen, sich auf dem Rücken der Wohnungslosen unserer Stadt zu profilieren.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Anders kann man diesen Antrag leider nicht verstehen. Wäre Ihnen wirklich an der Veränderung der Situation gelegen, hätten Sie dem Hause ja eine qualifizierte und, Herr Vallendar, kreative Liste mit Objekten und Ansprechpartner vorgelegt, um noch mehr Plätze zu schaffen.

Auch finde ich doch sehr erstaunlich, dass für Sie ein Interview von Herrn Puhl am 7. Januar nötig war, um auf die doch recht schwierige Situation der Obdachlosen aufmerksam zu werden. Uns ist diese Situation schon länger bekannt, und genau aus diesem Grund steht die Kältehilfe auch explizit im Koalitionsvertrag. Nicht nur das: Es steht auch drin, dass die Koalition eine Wohnungslosenstatistik einführen wird, und zwar nicht, wie von Ihnen eingefordert, durch eine unstrukturierte, vor Ort durchgeführte Ermittlung. Ihre Methode würde uns leider nicht zu belastbaren Zahlen führen, und ich finde, dass diese ja wohl das Ziel sein müssen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

Aber fangen wir mal vorne an: Frau Senatorin Breitenbach hat bei Antritt ihres Amtes 566 Notschlafplätze übergeben bekommen. Allein das sind 284 weniger, als sich der alte Senat auf die Fahnen geschrieben hatte. Im Dezember kamen 130 Plätze dazu, sodass die Kältehilfe mit 686 Plätzen in das Jahr 2017 gestartet ist. Aktuell sind wir, wie schon erwähnt, bei 820.

Jetzt noch mal ganz kurz zur Erinnerung für Sie: Der Senat wurde am 8. Dezember vereidigt und hat dann seine Arbeit aufgenommen. Wenn wir jetzt bei 820 Plätzen sind, dann ist das ein deutliches Zeichen, dass sehr zügig und mit Plan daran gearbeitet wird, diese Situation zu verbessern.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Und es macht leider auch deutlich, dass dieser Antrag von Ihnen einfach nur der Versuch ist, Aufmerksamkeit zu erhaschen.

Als letzter Punkt: Sie schreiben vom Zwangsmittel des Verbringungsgewahrsams. Ich bin keine Juristin, aber es stellen sich mir da schon ein paar Fragen. Frau Auricht hat vorhin davon gesprochen, dass Sie die Bürger nicht gängeln möchten.

[Torsten Schneider (SPD): Sie wollen sie verhaften!]

Wer sind Sie, dass Sie einem Obdachlosen das Recht absprechen wollen, selbst zu entscheiden, wo er sich aufhalten möchte. Obdachlose Menschen haben das Recht auf Selbstbestimmung, so wie Sie und ich es auch haben, und wir werden einen Teufel tun, diese Rechte einzuschränken.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der AfD]

Wie soll sich nach so einem Vorgehen durch die Polizei das Verhältnis der Obdachlosen zur Berliner Polizei und auch zur Politik entwickeln? Glauben Sie allen Ernstes, dass ein wohnungsloser Mensch in Gefahr noch Hilfe bei der Polizei sucht, wenn er Gefahr läuft, gegen seinen

Willen woanders hingebracht zu werden? Und nur mal so als abschließende Frage: Wo wollen Sie die Menschen denn hinbringen?

Ich finde, dieser Antrag gehört in dieser Form nicht in dieses Plenum, erst recht nicht mit Dringlichkeit, und er sollte auch dementsprechend behandelt werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Torsten Schneider (SPD): Bravo!]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der FDP hat jetzt Herr Förster das Wort. – Bitte schön, Herr Abgeordneter!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem gerade meine Treptow-Köpenicker Kollegen Penn und Fuchs jeweils auf ihre eigene Art und Weise ihre Jungfernreden hier gut absolviert haben, will ich nun als Dritter im Bunde aus diesem Bezirk die Redeliste abschließen.

Es ist ein wichtiges Thema, gar keine Frage, aber es ist auch kein neues Thema, denn gebraucht werden keine neuen Konzepte. Konzepte – darüber sind schon genug Sätze gefallen – gibt es genug, und die sind auch bekannt. Die Umsetzung ist gefragt, und Berlin ist leider an dieser Stelle – das muss man so deutlich sagen – eben auch keine funktionierende Stadt. Das ist an dieser Stelle auch zu kritisieren.

[Beifall bei der FDP und der AfD]

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das Problem nicht erst am 8. Dezember 2016 begonnen hat – das ist richtig –, sondern davor gab es ja auch einen Senat, und dieser Senat hat dann eben auch bei der existenziellen Daseinsvorsorge versagt. Das Versagen der Verwaltung war wie bei den Flüchtlingen dort existenziell zu erkennen, und dafür trug dann auch ein CDU-Senator Verantwortung. Tut mir leid, das auch mal so deutlich auszusprechen!

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Das Problem war absehbar, und gleichzeitig gab es auch im Bereich der Obdachlosenhilfe keine Krisenstrukturen. Wir hatten so ein bisschen in jedem Jahr das gleiche Spiel. Man hat darauf gehofft, dass der Winter möglicherweise mild bleibt und sich das dann nicht so schlimm darstellt. Aber Berlin ist leider auch beim Thema Obdachlosigkeit eine wachsende Stadt, und die bisherigen Konzepte und Maßnahmen reichten nicht aus.

Im Übrigen sind auch die Bezirke hierbei in der Verantwortung. Das muss ich auch noch mal sagen. Natürlich

(Stefanie Fuchs)

ist das Land in der Pflicht, auch Vorgaben zu machen und die Kältehilfe zu koordinieren, aber nach meinem Eindruck wird das in den Bezirken sehr unterschiedlich ausgelegt. Es gibt Sozialstadträtinnen und Sozialstadträte, die sich sehr engagiert kümmern und auch versuchen, das Problem in ihren Bezirken in den Griff zu bekommen, aber andere verweisen nur mit dem Finger auf das Land Berlin. So geht es auch nicht. Wir müssen da gemeinsam Verantwortung tragen – im Land und in den Bezirken.

Was genauso wichtig ist und an dieser Stelle noch mal angesprochen werden muss: Wir brauchen statt Verwaltungsvorschriften lieber sinnvolle und menschliche Lösungen. Die Notübernachtungen sind ja auch größtenteils nur bis Ende März finanziert. Wir wissen nicht, wie das Wetter danach noch ist. Der politische Wille ist, glaube ich, bei allen gegeben, aber die Umsetzung klappt eben noch nicht, und das wird auch sozial zunehmend ein Problem, weil Frauen und Familien verstärkt von Obdachlosigkeit betroffen sind und die Hilfsstrukturen in diesen Bereichen auch nicht unbedingt für diese Klientel ausgelegt sind. Sie waren bisher eher auf alleinstehende Männer orientiert, und das ändert sich leider auch ein Stück weit.

Daher ist für uns auch klar: Bestehende Angebote sind weiterzuentwickeln, und neue Wege sind gefragt. Die öffentlichen Verwaltungen müssen sich auch fragen, inwieweit, wenn es wirklich größere Engpässe gibt, Landesgebäude und Ähnliches entsprechend zu öffnen sind. Hier geht auch aus Sicht der Freien Demokraten das AfDKonzept – oder die AfD-Anregung – in die falsche Richtung. Wir brauchen eigenständige und funktionierende Strukturen, anstatt Flüchtlinge und Obdachlose in irgendeine Konkurrenz zueinander zu bringen. Das wäre genau der falsche Weg.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Kollege Penn hat es gerade schon angeschnitten: Auch für uns Liberale ist Obdachlosigkeit neben einer Strukturfrage der Sozialpolitik auch eine der Wohnungsbaupolitik. Letzten Endes sind auch ausreichend Wohnraum und über die Stadt verteilter Wohnraum mit all seinen Infrastruktureinrichtungen, die dazu gehören, der beste Garant, dass sich dieses Thema etwas entspannt. Deswegen sind Bauen und die dazugehörige Infrastruktur bei diesem Thema kein schlechter Weg.

Was wir allerdings nicht in erster Linie brauchen, sind das ASOG oder der Einsatz polizeilicher Zwangsmittel. Das wäre auch für uns ein Irrweg. Kollegin Fuchs hat es gesagt: Man kann jemanden nicht in seinen Grundrechten derart einschränken, dass man ihn zwingen kann, irgendwohin zu gehen. Das ist der falsche Weg. Auch da gilt die Selbstbestimmung, und das ist auch ein liberales Prinzip.

[Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Also, der Ansatz, auf Prävention zu setzen – das heißt, die Vermeidung von Wohnungslosigkeit und die Schaffung neuer Wohnungen –, wäre der bessere Weg – oder jetzt auch das Bereitstellen von ausreichend Unterbringungsmöglichkeiten für die Obdachlosen, wenn sie diese entsprechend annehmen wollen.

Man muss auch noch mal deutlich sagen: Dass die Situation nicht ganz so schlimm ist, wie sie vielleicht hätte sein können, ist auch dem Engagement von vielen Berlinerinnen und Berlinern zu verdanken. Das ist bürgerschaftliches Engagement im besten Sinne. Die Freidemokratische Wohlfahrt hat z. B. eine Schlafsackpatenschaft für 40 Euro. Es gibt andere soziale Träger und Organisationen, die ähnliches tun. Es gibt aber auch ganz viele Leute, die sich privat engagieren und helfen, ohne dass sie zu einer Organisation gehören. Die sagen einfach: Ich will nicht, dass vor meiner Haustür und in meiner Nachbarschaft so ein Elend herrscht. – Jedem Einzelnen, jeder Berlinerin und jedem Berliner, der sich hier engagiert, ist ausdrücklich Dank zu sagen. Alles andere wird man jedenfalls nicht mit Anträgen erreichen können, die Schnellschüsse sind, sondern nur mit einem koordinierten Vorgehen. Ich hoffe, dass der Senat jetzt auch die entsprechenden Weichen stellt, dass wir im nächsten Jahr nicht noch einmal diese Debatte führen müssen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete Topaç das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die AfD fordert einen Notstandsplan zur Kältehilfe. Wenn man die Überschrift dieses Antrages liest, gewinnt man den Eindruck, dass die AfD-Fraktion tatsächlich ein Herz für Obdachlose hat. Wenn wir uns aber mal genau anschauen, was sie fordert, wird es gruselig, aber im Malen von Schreckensszenarien kennt sich die AfD bekanntlich aus. Auch hier enttäuscht sie uns nicht. Auch in diesem Antrag dürfen wir wieder von einer völligen Hilflosigkeit des Senats angesichts eines akuten Notstandes lesen. Schreckensszenarien, die nur beschworen werden, um ihre kurzsichtige und unmenschliche Politik durchzusetzen.