Protocol of the Session on January 26, 2017

(Thorsten Weiß)

Ich glaube, in einem sind wir uns einig: Cannabis kann Gefahren für die Gesundheit bringen, das bestreitet hier keiner. Aber völlig klar ist doch auch: Verbote ändern weder was am Konsumverhalten, noch helfen Sie den Menschen, wenn sie Probleme mit Drogen haben.

[Heiko Melzer (CDU): Die Freigabe doch auch nicht!]

Im Gegenteil, die Politik der Repression richtet Schaden an. Sie ist schon lange gescheitert.

[Beifall bei der LINKEN]

Ich liefere Ihnen gerne ein paar Argumente. Erstens: Wir brauchen uns nichts vorzumachen: Ob man es verbietet oder nicht, Cannabis ist verfügbar und wird konsumiert. Schauen Sie in die Niederlande, da gibt es das Zeug legal zu kaufen. Der Konsum ist dort auch nicht höher.

Zweitens: Strafbarkeit ist kontraproduktiv. Sie schreiben es selbst in der Begründung ihres Antrags, liebe CDU:

Mehr als 100 000 jährlich gegen Konsumenten eingeleitete Verfahren führen zu einer hohen Zahl an Geld- und Haftstrafen, zu Problemen in Schule, Ausbildung und Beruf …

Genauso ist es. Die Verbotspolitik schafft für Suchtkranke noch mehr Probleme, als sie ohnehin schon haben. Das ist kompletter Irrsinn, deswegen brauchen wir die Liberalisierung in der Drogenpolitik.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Die Aufklärung werden wir stärken. Wir werden die Suchtpräventionsfachstelle ausbauen. Das sind nur zwei Punkte aus dem Koalitionsvertrag. Natürlich ist die Liberalisierung nicht das einzige, was wir tun, sondern wir tun noch viel mehr.

Drittens: Die Kriminalisierung richtet sich auch gegen alle, die gelegentlich konsumieren, dabei gesund sind und ihr Leben auf die Reihe bekommen. Ich vermute, davon gibt es auch hier im Haus einige, und zwar fraktionsübergreifend.

[Heiterkeit bei den GRÜNEN]

Viertens: Jugendschutz muss sein, Gesundheitsschutz muss sein, völlig klar. Aber gerade das funktioniert nicht auf dem Schwarzmarkt. Da bekommt auch der Zwölfjährige sein Gras. Wir müssen deshalb dem illegalen Handel die Grundlage entziehen, um den Markt zu beeinflussen, um ihn zu regulieren.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Deshalb ist es ein guter erster Schritt, dass die Koalition hier ein Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene entwickeln wird.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

Wir können die Diskussion in den Ausschüssen gerne weiterführen, aber ich kann Ihnen jetzt schon sagen: Dass wir nichts ändern, so wie Sie es wollen – daraus wird nichts. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Fresdorf das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ein Linker von Liberalisierung spricht – und nach mir kommen die Grünen, die sich gleich gegen Verbote aussprechen –, da muss man ja hellhörig werden.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Parteien wie die Grünen, die jetzt auf einmal gegen Verbote sind, eine Partei von Veggieday und Heizpilz, da verstehe ich die Skepsis der CDU, insbesondere bei dieser Frage, da es ja um die Legalisierung einer bisher verbotenen Substanz geht.

Was mich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, bei diesem Antrag aber vor allem umtreibt, ist Ihre Begründung. Jugendschutz und Gruppenzwang sind mit Ihre Hauptargumente, mit denen Sie dort gegenargumentieren.

[Zuruf von Dr. Ina Maria Czyborra (SPD)]

Schauen wir uns diese einmal an! Wie wohl allgemein bekannt ist, hat jede der hier vertretenen Parteien auch eine Jugendorganisation. Mir tut sich da die Frage auf, wie es da wohl so mit dem Jugendschutz und dem Gruppenzwang gehalten wird bei gemeinsamen Gelagen mit Fuji und Wodka Red Bull und ob da die Mutterpartei auch ordentlich durchgreift und das durchsetzt.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Fragen Sie mal den Abgeordneten Freymark! – Zuruf von Ülker Radziwill (SPD)]

Was schlagen Sie da vor, um das zu gewährleisten?

Sie sagen, Cannabis sei eine Einstiegsdroge, deren Genuss den Weg zu anderen – harten – Drogen ebnet. Uns tun sich da andere Fragen auf: Treibt das Verbot Cannabiskonsumenten nicht gerade in die Schattenbereiche unserer Gesellschaft? Werden sie nicht nur deshalb mit anderen Drogen konfrontiert, weil sie sich an Drogendealer wenden müssen?

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Niklas Schrader)

Nein! – Kommen die gesundheitlichen Probleme von hochgezüchteten Pflanzen, und könnten sie durch einen legalen Verkauf verhindert werden? Welche Rahmenbedingungen müssten gesetzt werden, um eine Legalisierung überhaupt umzusetzen? Ab welchem Alter sollte so ein Genuss denn freigegeben sein? Wie sollte der Verkauf organisiert werden, über Apotheken, über Coffeeshops oder ganz anders? – Lassen Sie uns all das im Ausschuss diskutieren! Wir freuen uns auf eine ergebnisoffene Diskussion und werden im Ausschuss für Gesundheit eine Anhörung zu diesem Thema beantragen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Grüne nun der Kollege Lux!

Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die einbringende Fraktion hat den Anlass genannt, weshalb wir über die Legalisierung von Cannabis reden: Der Deutsche Bundestag hat einstimmig beschlossen, das Sozialgesetzbuch zu ändern, mit der Folge, dass Cannabisprodukte erstattungsfähig sind, da die Krankenkassen Cannabisprodukte erstatten, wenn der Arzt sie verschreibt. Dazu wird eine Cannabisagentur gegründet, die sozusagen die Produktionseinführung kontrolliert, damit Cannabis kontrolliert wird und nicht unter den Bedingungen des Schwarzmarkts, wie wir sie meist im Cannabisbereich haben, zum Schmerzpatienten gelangt.

Ich finde, das ist ein sehr wichtiger Schritt, und er sollte auch nicht durch die Büttenreden von AfG und auch Teilen der CDU delegitimiert werden. Es ist ein sehr wichtiger Schritt für die Schmerztherapien, denn klar ist, dass in manchen Bereichen von schmerzvollen Erkrankungen, insbesondere bei Multipler Sklerose, die Anwendung und der Konsum von Cannabis die einzig mögliche Therapieform ist, die zu dem gewünschten Erfolg führt. Ich kann Ihnen sagen, ich habe zu Beginn meiner Abgeordnetenkarriere häufiger ältere Personen getroffen, die gesagt haben, sie hätten es nicht hinbekommen, Cannabis verschrieben zu bekommen. Sie leiden unter starken Schmerzen, sie sind im Endstadium von bestimmten Krankheiten, und sie würden sich wünschen, Cannabis konsumieren zu können, um damit ihre Schmerzen zu lindern. Es waren einige Leute. Sie haben davon berichtet, wie schwer es ist, diese Therapie zu gewinnen, obwohl der ärztliche Rat da eindeutig war und sich dafür ausgesprochen hat.

Für ähnliche Fälle tun wir gerade etwas. Wir tun gerade etwas dafür, dass Menschen, die schwer erkrankt sind, die Schmerzen haben, sich nicht mehr in jedem Einzelfall vor den Gerichten durchkämpfen müssen, um schmerzlindernde Mittel zu bekommen, sondern dass die Gesellschaft, dass der Staat sagt: Hier können wir ein bisschen mehr freigeben, weil wir wissen, dass es gute Folgen haben kann, dass damit Schmerzen geheilt werden können. Ich will jetzt nicht das Wort „historisch“ bemühen, aber es ist trotzdem ein historischer Schritt, dass auch die CDU-Fraktion, die sonst Cannabis als bekämpfenswertes Teufelszeug immer wieder in die Ecke gestellt hat, sich zu diesem Schritt bekannt hat und mitgegangen ist, um zu sagen, dass Cannabis als Schmerzmittel weiter ausgedehnt werden muss, dass mehr Menschen Cannabis konsumieren sollen, wenn sie schmerzhafte Erkrankungen haben.

Insofern finde ich es gut, dass wir in diesem Zusammenhang auch noch einmal darüber reden können, dass Schmerzen nicht nur chronisch auftreten, sondern auch in Akutfällen vorhanden sein können, bei denen es geboten erscheint, als Schmerzmittel diese Form zu nehmen. Denn wenn Sie kaum Alternativen haben, dann ist es geboten, auch einmal Cannabis zu konsumieren.

Wovor Sie jetzt warnen, dass es zu Genusszwecken missbraucht oder eingesetzt wird, das ist verfrüht. Wollen Sie diesen Cannabiskonsumenten, die darauf zurückgreifen werden und diese Anwendung nutzen, um ihre Schmerzen zu lindern, jetzt schon sagen: Ihr steht alle unter dem Verdacht, es zu Genusszwecken zu machen? Ihr steht unter dem Verdacht, das meinen minderjährigen Kindern – wie Herr Dregger hier eingeführt hat – zu geben? –

Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass wir uns zu der Freigabe von Cannabis als Schmerzmittel bekennen sollten. Ob nicht eine kontrollierte Abgabe von Cannabis, wie sie viele internationale Länder vormachen, an mündige erwachsene Konsumentinnen und Konsumenten, die ihr Risiko einschätzen können, genauso wie sie es bei den schlimmeren Drogen Alkohol und Nikotin – das ist Fakt – auch tun, ob wir nicht sagen sollten: Ja, soviel Freiheit gestehen wir ihnen zu. – und kommen deshalb in eine neue Zeit einer besseren Drogenpolitik.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Ha, ha!]

Wenn dafür diese rot-rot-grüne Koalition steht, dann ist das gut. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. – Es wird die Überweisung federführend an den Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung und

mitberatend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, Digitale Verwaltung, Datenschutz, Informationsfreiheit und zur Umsetzung von Artikel 13 Abs. 6 GG sowie § 25 Abs. 10 ASOG und an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Die Tagesordnungspunkte 21 bis 23 stehen auf der Konsensliste. Der Tagesordnungspunkt 24 in Verbindung mit dem Tagesordnungspunkt 25 war Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter der Nr. 3.2.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 26:

Sofortige Wiedereinsetzung der Ermittlungsgruppe „GE Ident“

Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/0092

In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion. Für die Fraktion spricht Herr Woldeit. – Bitte schön, Sie haben das Wort!