Eine Bundeserhebung der Daten nutzt uns nichts. Wir sind hier in Berlin. Mir nutzen die Zahlen über Zwangsehen in Hintertupfingen nichts; ich will sie hier für Berlin haben und nicht in Hintertupfingen oder auf Bundesebene.
[Frank-Christian Hansel (AfD): Jetzt kommen wieder tolle Zitate von irgendwelchen Leuten! Mann, Mann!]
Ja! Wie von Ihren Fraktionen in unterschiedlichen Landtagen oder von Abgeordneten, die dem Deutschen Bundestag angehören, und das ist die Realität, und das müssen Sie endlich mal wahrnehmen!
[Franz Kerker (AfD): Sagt ein Sozialist! Nach 30 Jahren nichts gelernt! – Gunnar Lindemann (AfD): Mauermörder!]
Machen Sie sich mal lieber darüber Gedanken, auch Sie, Herr Parlamentarischer Geschäftsführer! Vielleicht können Sie mal genau hinschauen, was Ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen Landtagen, aber auch hier in Berlin, im Berliner Abgeordnetenhaus, bis jetzt von sich gegeben haben. Wenn Sie Schwule anscheinend als heilbar krank bezeichnen.
[Franz Kerker (AfD): Noch nicht mal Namen kennt er! – Anja Kofbinger (GRÜNE): Natürlich! Sollen wir Ihnen die Namen aufschreiben?]
[Frank-Christian Hansel (AfD): Den sollte man gar nicht mehr auftreten lassen! – Franz Kerker (AfD): Er kann doch nicht als Moralapostel dastehen!]
Meine Damen und Herren! Es hat jetzt das Wort Frau Dr. Jasper-Winter, und ich würde auch gerne verstehen, was sie zu sagen hat. – Bitte, Sie haben das Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht kommen wir zur Sache zurück. Ich persönlich habe keinen Zweifel daran, dass jeder und jede Einzelne von Ihnen Zwangsverheiratungen als das ansehen, was sie sind, nämlich ein Verbrechen an der Selbstbestimmung der oftmals sehr jungen Opfer.
[Beifall bei der FDP – Beifall von Kurt Wansner (CDU), Bettina Jarasch (GRÜNE) und Anja Kofbinger (GRÜNE)]
Insofern hat es mich eigentlich gefreut, dass der Antrag hier vorliegt und wir diese Problematik heute besprechen. Allerdings finde ich, dass der Antrag zu kurz springt, und vor allem hilft er den betroffenen Frauen, aber auch jungen Männern nicht unmittelbar. Und das erstaunt doch ein wenig, denn über drei Seiten begründen die Antragsteller die Dringlichkeit und Notwendigkeit, in diesem Bereich tätig zu werden. Es wird davon gesprochen, dass fundamentale Frauenrechte täglich mit Füßen getreten werden. Es wird davon gesprochen, dass Zwangsverheiratung Tötung und Vergewaltigung in nichts nachstehen. Und die einzige Konsequenz, die Sie daraus ziehen, die Ihnen einfällt: Es soll eine Studie angefertigt werden, die dann auch wahrscheinlich erst Ende des Jahres 2020 vorliegt. Das reicht nicht und wird dem Anliegen, dem dringenden Anliegen, nicht gerecht!
Richtig ist zwar, dass wir eine verbesserte Datenlage brauchen, allerdings bräuchten wir sie zunächst nur auf Bundesebene, um dort einen aktuellen und repräsentativen Überblick zu erhalten, um sie dann auch auf Berlin runterzubrechen.
Insofern ist es an der Stelle nicht richtig, auf Berlin allein abzustellen. Der entscheidende Punkt ist jedoch, und da, liebe Frau Auricht, meine ich, dass wir uns nicht erst später über Maßnahmen unterhalten müssen, sondern dass wir den Mädchen und Jungen schnell helfen. Ganz nebenbei: Die Broschüre des Berliner Arbeitskreises gegen Zwangsverheiratung haben Sie wortwörtlich zu Rate gezogen. Die gibt Ihnen auch genau auf diese Frage Antworten. Ich frage mich, warum Sie da nicht weitergelesen haben. Vielleicht ist das auch gar nicht Ihr wirkliches Interesse.
Der Arbeitskreis gegen Zwangsverheiratung sagt, dass es ein vergleichbar gutes Hilfsangebot gibt und nennt dann insbesondere Online-Beratungen von Papatya und auch Zufluchtsorte wie Frauenhäuser. – Liebe Kollegin Çağlar! Ja, mir geht es auch um Maßnahmen. Mir geht es auch darum, dass diese Angebote im Haushalt vernünftig ausfinanziert sind. Aber zuletzt mussten wir gegen Ihren Senat das Onlineangebot von Papatya erst einmal finanziell absichern und retten. Wir mussten Anträge stellen, damit dieses Angebot – das ist einhellige Meinung –, das sehr gute Arbeit gerade für junge Leute leistet, überhaupt ausreichend finanziert wird und im Haushalt vorgesehen ist. Frau Vogel und ich haben Anträge zum Haushalt gestellt.
Auch bei den Frauenhäusern brauchen wir vom Senat mehr Engagement. Die Istanbul-Konvention gibt vor, dass wir ausreichend Plätze in Frauenhäusern vorhalten müssen. Das ist übrigens auch wichtig für die Opfer von Zwangsverheiratung. Doch die sechs, bald sieben Frauenhäuser sind einfach zu wenig. Ich finde, wir müssen die rechtlichen Vorgaben, die es in Berlin gibt, auch umsetzen. Da ist der Senat in der Pflicht, das endlich zu tun. Das ist auch ein Thema hier, gegen die Zwangsverheiratung vorzugehen und Zuflucht zu bieten.
Leider lässt sich auch ansonsten kein schlüssiges Konzept des Senats gegen Zwangsverheiratung erkennen. Wir haben im Ausschuss gehört, dass wir an die Wurzel des Themas herangehen und an Schulen präventiv arbeiten müssen. Da passiert leider viel zu wenig. Die Jugendämter sind heillos überlastet und können nicht reagieren. Die Lehrerinnen und Lehrer haben keine konkreten Handlungsanleitungen, was zu tun ist. Zu guter Letzt: Wir wissen nicht, an welchen Schulen Kinder nach den Ferien nicht wieder zur Schule kommen. Wir haben viele Probleme und mögliche Lösungen. Der Antrag vermittelt aber hier leider nicht eine Lösung. Ich habe den Eindruck, Sie wollen eher in der Öffentlichkeit wirken als konkret am Problem arbeiten. Ich meine, wir sollten die konkreten Themen angehen und hier ein durchdachtes Konzept gegen Zwangsverheiratung erarbeiten.
Die SPD-Fraktion hat eine Zwischenbemerkung angemeldet. – Frau Abgeordnete Çağlar, Sie haben das Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau JasperWinter! Wir haben alle diesen Antrag für die Onlineberatung eingebracht. Das war also parallel, nicht nur aufgrund der Opposition. Ich möchte an dieser Stelle betonen: Dieses Projekt ist ein kofinanziertes Projekt gewesen, wo Berlin bei der Finanzierung von Anfang an dabei war. Die Bundesfördermittel werden zum Ende des Jahres auslaufen. Alle anderen Bundesländer, die noch dabei waren, sind ausgestiegen. Wir als Berlin haben das sozusagen abgefangen. Deswegen möchte ich an dieser Stelle betonen: Dieses Projekt ist uns besonders aus Berliner Sicht wichtig, und das ist der Grund, wieso wir dieses Projekt verlängert und unterstützt haben.
Liebe Frau Kollegin! Was ist das für ein Armutszeugnis, wenn wir erst im Ausschuss das sehr gute Angebot, das es gibt in der Stadt, mühevoll retten müssen? Was für ein Armutszeugnis eines rot-rot-grünen Senats, an der Stelle sich erst einmal vorführen zu lassen von der Opposition und Rot-Rot-Grün. Im Entwurf waren keine ausreichenden Mittel vorgesehen. Das, finde ich, geht an diesen Kernaufgaben, die wir an dieser Stelle haben, an den Angeboten, so was von vorbei. Ich finde es wirklich traurig.