Protocol of the Session on November 14, 2019

Ich hoffe im Übrigen, dass die Bundesregierung den schönen Worten auch Taten folgen lässt und uns deutlich unterstützt. Schöne Taten sind ja selten zu sehen bei der Bundesregierung. Viele haben gesagt: Schauen Sie sich an, was in Paris passiert! – Ja, die französische Regierung investiert in Paris 5 Milliarden Euro in Start-ups. Wir wären schon mit der Hälfte zufrieden, wenn die Bundesregierung sich bewegen würde. Woanders sind ja ganz andere Geldsummen unterwegs. Wir schaffen es aber aus eigener Kraft, mit unseren Start-ups, mit unseren Gründungen. Ich zitiere den EY-Report, der halbjährlich erscheint, über das Start-up-Geschehen und Investitionen in Start-ups: Wir haben im ersten Halbjahr 2019 über 2 Milliarden Euro Venture-Capital nach Berlin geholt. Zwei Milliarden Euro waren es im gesamten letzten Jahr, jetzt schon im ersten Halbjahr. Wichtig ist das vor allem als Signal, dass das Vertrauen der Investoren in den Standort Berlin ungebrochen ist – trotz Ihrer Schlechtrederei und Zuzugssperren, die Sie uns verhängen wollen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich freue mich, dass sich beim nachhaltigen Wachstum ein Drittel der Berliner Start-ups im Green-Tech-Bereich verorten, also in Zukunftsbranchen, und aktiv gegen die Klimakrise arbeiten. Mit grünen Geschäftsmodellen lässt sich also Geld verdienen. Das sehen wir inzwischen auch bei der Industrie, die in Verbindung mit der Digitalisierung, mit 3D-Druck auch einen neuen Platz in der Stadt gefunden hat und weiter wachsen wird.

Gleichzeitig stehen wir vor immensen wirtschaftlichen Herausforderungen, die wir nicht alle selbst beeinflussen können. Strukturwandel hat manche Schattenseiten, auch in Berlin. Wohlstand und Teilhabe müssen aus unserer Sicht auch diejenigen erreichen, die nicht am Digitalboom teilhaben können. Der zweite Punkt – nehmen Sie dabei auch zur Kenntnis, dass der Blick über den eigenen Tellerrand hilfreich ist –: Die Mietenexplosion bedroht nicht nur den sozialen Zusammenhalt, sondern auch die wirtschaftliche Dynamik in unserer Stadt. Wenn Lohnsteigerungen durch Mieterhöhungen aufgefressen werden, ist das schlecht für die Binnennachfrage und die Gesamtwirtschaft.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Bezahlbare Lebenshaltungskosten sind auch ein wichtiger Standortfaktor. Davon hat Berlin lange profitiert, das hat uns nach vorn gebracht. Deswegen ist es auch wirtschaftspolitisch richtig, neu zu justieren, dass wir den Mietenmarkt entschlossener regulieren und die Mieten in

Berlin stabilisieren für die Menschen, die hier wohnen, und für die Menschen, die zuziehen. Das macht im Übrigen Kalifornien – nicht gerade verschrien als das Herzland besonders sozialer Politik –,

[Georg Pazderski (AfD): In den USA schon! Die sind hoch verschuldet!]

das machen andere Städte in Europa und in den USA, bis hin zu New York. Wir sehen, dass durch die Niedrigzinsphase der letzten Jahre die Flucht in das sogenannte Betongold verursacht wird,

[Ronald Gläser (AfD): Kein Flüchtling ist illegal!]

dass in Immobilien investiert wird, was die Preise unglaublich in die Höhe treibt, womit alle Städte zu kämpfen haben, wobei sie eigene Wege suchen, um mit den Themen umzugehen, die wir sicherlich nicht allein beeinflussen können. Wie andere globale Unsicherheiten: durch die Handelspolitik der US-Regierung beispielsweise, durch den immer noch drohenden Brexit. Da kann man auch sehen, welchen Schaden rechte Populisten anrichten:

[Georg Pazderski (AfD): Grüne richten mehr Schaden an! – Zuruf von der FDP]

Zuerst geben sie sich wirtschaftsfreundlich, und zum Schluss beschädigen sie die gesamte Weltwirtschaft,

[Carsten Ubbelohde (AfD): Das machen Sie schon!]

was uns alle Geld kosten wird.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Frau Senatorin! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Swyter von der FDP zulassen?

[Zuruf von der FDP]

Wir klären das gern im Ausschuss, Herr Swyter und ich, dort sehen wir uns ja öfter.

Das ist also ein Nein?

Ja! – Die globale Klimakrise erfordert die ökologische Transformation unserer Wirtschaft. Ich habe gerade schon ausgeführt, dass man mit grünen Geschäftsmodellen inzwischen Geld verdienen kann.

(Bürgermeisterin Ramona Pop)

[Heiko Melzer (CDU): Da ist Herr Müller direkt gegangen!]

Wer heute in strategische Zukunftstechnologien investiert, kann sich Wettbewerbsvorteile verschaffen. Von diesen strategischen Entscheidungen hängt also beides ab: die Sicherung unserer Lebensgrundlagen und der zukünftige Wohlstand. Auf diesen Pfad sollten wir uns machen.

Unsere wirtschaftspolitische Strategie und der Erfolg beruhen auf zwei Säulen. Die erste Säule, das sind vor allem die Menschen, die Unternehmer und Unternehmerinnen, die Berliner und Berlinerinnen, Alteingesessene, neu Zugezogene – sie alle tragen zum Erfolg, den wir hier erleben, bei. Wissen ist die Ressource des 21. Jahrhunderts, Berlin ist inzwischen zu einem Magneten für Talente aus aller Welt geworden. Unser Aufschwung basiert nicht auf Erdöl oder schweren Maschinen, unser Aufschwung ist menschengemacht – der Aufschwung von Menschen, die hergezogen sind oder hier leben, von ihren Ideen, von ihren Visionen. Diesen Menschen haben wir es zu verdanken.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Kurt Wansner (CDU): Furchtbar!]

Wir erleben Zeiten, in denen wir die Wirtschaftsordnung neu justieren müssen, in denen den Worten soziale Marktwirtschaft, sozialökologische Marktwirtschaft nicht überall Geltung verschafft wird. Gerade in diesen Zeiten, ich habe es schon gesagt, ist es gelungene Wirtschaftspolitik, wenn eine Stadt lebenswert, grün und kulturell spannend ist. Es ist gelungene Wirtschaftspolitik, wenn Universitäten und Hochschulen jedes Jahr Zehntausende Absolventen hervorbringen. Es ist gelungene Wirtschaftspolitik, wenn wir nach Jahrzehnten des extremen Individualismus – manche sagen „Neoliberalismus“ – der sozialen Marktwirtschaft, von der wir eigentlich alle Anhänger sein sollten, wieder Geltung verschaffen. Das heißt, wir wachsen, wir wachsen aber gemeinsam. Es ist eben – und unter anderem besonders wichtig – gelungene Wirtschaftspolitik, wenn wir unsere offene Gesellschaft in ihrer Vielfalt verteidigen und uns für unser Miteinander in Vielfalt starkmachen, wenn wir als Demokratinnen und Demokraten gegen Nazis und Populisten auf die Straße gehen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir arbeiten in meinem Haus mit meinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen hart daran, die richtigen Weichen zu stellen. Das tun wir auch mit Berlin Partner, unserer Wirtschaftsfördergesellschaft. Wenn hier wieder von der Oppositionsseite aus alles schlechtgeredet wird, kann ich nur sagen, auf den Empfängen und Sommerfesten sind Sie alle dabei, wenn es darum geht, die Schnittchen zu essen, aber die Arbeit der Leute machen Sie schlecht. Das wird man auch wahrnehmen. Ich finde es falsch, die

Arbeit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hier in dieser Art und Weise schlechtzumachen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Marc Vallendar (AfD): Wie ist das denn mit der Trennung von Amt und Mandat bei Ihnen?]

Wir unterstützen Start-ups bei der Gründung und in ihrer Wachstumsphase zusammen mit der IBB Bet, die schon einige Unternehmen von Weltrang wie Babbel beispielsweise hervorgebracht hat. Wir bringen eine Digitalisierungsstrategie auf den Weg und werden die kleinen und mittleren Unternehmen, die Ihnen am Herzen liegen, mit der Digitalagentur unterstützen. Wir machen effektive Standortpolitik ganz im Wortsinne von Standorten. Die Versprechen von Wissenschaft und Forschung sind besonders wichtig. Das sehen wir in unseren elf Zukunftsorten. Ich freue mich sehr, dass Siemens der elfte Zukunftsort dieser Stadt geworden ist, wo wir genauso vorgehen werden, um Arbeitsplätze zu schaffen und Innovationen auf den Weg zu bringen.

Wir wollen Gewerbeflächen sichern und auch dem Problem von Mietenexplosionen bei Gewerbemieten entgegentreten. Wir entwickeln neue Gewerbehöfe gemeinsam mit der WISTA und starten im Bundesrat Initiativen zum Gewerbemietrecht. Wir haben als Senat das Jahrzehnt der Investitionen auf den Weg gebracht und sind auf dem guten Weg, diese Mittel auch auszugeben. Nicht nur die 5 Milliarden Investitionsmittel im kommenden Haushalt, sondern auch das, was unsere Unternehmen hier in der Stadt investieren, trägt dazu bei, dass in den kommenden Jahren die Bauwirtschaft genügend zu tun hat und die Auftragsbücher gut gefüllt sind.

Wir unterstützen Handel und Gastgewerbe mit dem neuen Tourismuskonzept und setzen auf Qualitätstourismus und nachhaltigen Tourismus. Wir unterstützen den Messe- und Kongressstandort.

[Zuruf von Markus Klaer (CDU)]

Sobald das Parlament den Haushalt freigibt, werden wir uns auch beim ICC auf den Weg machen, die Ausschreibung auf den Weg zu bringen und die Schadstoffsanierung vorzubereiten, aber dafür muss der Haushalt erst mal in diesem Hause beschlossen werden, die Mittel freigegeben werden. Wir werden die Messe Berlin für die Zukunft weiter aufstellen.

Wandel bedeutet eben nicht, wie Sie es so oft darstellen, zwischen Ja und Nein zu entscheiden. Der Wandel bedeutet nämlich eigentlich im besten Sinne, sich für einen neuen Weg zu entscheiden,

[Markus Klaer (CDU): Das machen Sie doch nicht!]

für neue Mobilitätsmessen, die Innovationen, neue Mobilitätskonzepte und ressourcensparende Mobilität in den Mittelpunkt zu stellen. Dafür sind Großstädte prädestiniert und Berlin natürlich der ideale Standort, um sich auf

(Bürgermeisterin Ramona Pop)

einen solchen Weg zu machen. Mobilität in Großstädten ist eines der wichtigsten Themen, auch wirtschaftlich.

Insofern ist die Entscheidung von Tesla, hier in die Region zu kommen, folgerichtig getroffen worden. Ich sage explizit Region. Ich habe vor einem Jahr gemeinsam mit Minister Steinbach aus Brandenburg eine Strategie auf den Weg gebracht, nicht mehr das Gegeneinander, sondern das Miteinander der Region zu fördern, bei Ansiedlungen gemeinsam zu arbeiten, die aufgrund der Verdichtung in der Stadt beispielsweise mehr Fläche brauchen, als wir befriedigen können. Deswegen profitiert die gesamte Region von dieser Entscheidung von Tesla,

[Zuruf von Markus Klaer (CDU)]

weil wir hier mit BMW und Daimler zwei Konzerne in der Stadt haben, sowohl mit ihrer klassischen Fertigung als auch mit ihren Joint-Ventures im gesamten neuen Digitalbereich, die gesamte NOW-Flotte beispielsweise.

Wir sind mit Stadler und Bombardier Standort von großen Mobilitäts- und Eisenbahnherstellern. Wir haben mit den neuen Mobilitätssparten von VW, BMW und Daimler alles in der Stadt, was für vernetzte Mobilität notwendig ist. Deswegen ist die Region Berlin-Brandenburg so wahnsinnig attraktiv für diese Ansiedlung, die auch für Berlin natürlich großen Gewinn bringen wird, mit dem neuen Design- und Innovationszentrum, das wir auf den Weg bringen werden. Mit Verlaub, es ist gut für die gesamte Region, und es ist ja nicht so, dass die Ansiedlung irgendwo in der Lausitz oder der Prignitz stattfindet, sondern direkt am Berliner Stadtrand. Darüber kann man sich auch mal freuen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Beifall von Christian Gräff (CDU)]

Diese Ansiedlung ist in einer Perlenkette von neuen Ansiedlungen und Erweiterungen sicherlich nicht die letzte, zeigt aber eine neue Qualität: dass wir in Berlin ein neues Kapitel aufgeschlagen haben, wenn man sich die letzten anderthalb Jahre anschaut. Letztes Jahr an meinem Geburtstag Ende Oktober haben wir Siemens gefeiert, die Ansiedlung des Campus. Wir haben Sony Music zurück nach Berlin geholt, was wichtig ist für die Kultur und Kreativwirtschaft in dieser Stadt. SAP erweitert hier um Hunderte von Arbeitsplätzen und nun Tesla. Das ist eine ganz neue Perlenkette von Unternehmensansiedlungen komplett neuer Qualität. Wir haben ein neues Kapitel der Berliner Wirtschaftsentwicklung aufgeschlagen. Ich wünsche mir, dass alle erfolgreich weiter mit daran arbeiten und die Stadt nicht in Grund und Boden motzen. Berlin hat das Beste nämlich noch vor sich. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 2: