Das kann Sie ja noch nicht zufriedenstellen, nicht wahr? – Zum Mindestlohn: Auch der würde nicht weiterhelfen, lieber Herr Schneider. Warten Sie ab, zum Vergaberecht kommen wir ja noch.
Was auch bemerkenswert ist, und das sollten wir hier nicht vergessen: Berlin ist nach wie vor das größte Empfängerland im Länderfinanzausgleich.
Deswegen ist auch Ihr Auftritt, sehr geehrte Frau Senatorin Pop, gestern bei der „Abendschau“ bezeichnend, wo Sie fast schon mit Häme festgestellt haben, dass die exportorientierte Autoindustrie in Deutschland ein Problem habe. Nein, das ist auch unser Problem hier in Berlin!
Die Autoindustrie ist nach wie vor ein profitabler Industriezweig. Darauf sollte man nicht hämisch gucken und sagen: Jetzt habt ihr eure Hausaufgaben nicht gemacht! – Die erwirtschaften die Steuern, die als Länderfinanzausgleich teilweise auch nach Berlin fließen.
Jetzt reden wir über die Situation der kleineren und mittleren Unternehmen – darüber wurde noch viel zu wenig gesprochen. Wir haben hier in Berlin zwei wesentliche Stützen, was die wirtschaftliche Stabilität angeht, und dazu gehört auch die Bauindustrie. Da kommt man natürlich zum Mietendeckel; der ist nicht wegzudenken, wenn wir über Wirtschaftspolitik sprechen. Der Mietendeckel, der hier beschlossen werden soll, ist ein krasser Bremsvorgang,
Und was macht Frau Wirtschaftssenatorin? – Sie twittern: Habemus Mietendeckel! – Richtig wäre: Habemus wirtschaftlicher Wahnsinn!
[Beifall und Lachen bei der FDP, der CDU und der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]
Das wäre, sehr geehrte Frau Pop, die richtige Nachricht gewesen. In dieser Situation hatten wir aber keine Wirtschaftssenatorin, sondern offenbar eine Friedensrichterin in einem heillos zerstrittenen Haufen.
Normalerweise, wenn Sie den Amtseid wahrnehmen würden, hätten Sie diesen Koalitionären in den Arm fallen müssen, denn alle, die mit Wirtschaft in diesem Zusammenhang zu tun haben – nicht nur die Wirtschaftsverbände, auch die Unternehmen –, sind über das entsetzt, was da beschlossen wurde. Nicht zu Unrecht wird dann von hausgemachten Problemen, was die Konjunktur in Berlin angeht, gesprochen.
Ich zitiere – mit Ihrer Erlaubnis – nur eine für alle. Frau Dr. Schreiner von der Fachgemeinschaft Bau sagt:
Die Wohnungsbaugesellschaften sagen, dass im Sanierungsbereich 60 bis 90 Prozent der Vorhaben fallen gelassen werden. Wenn man – um nicht den Teufel an die Wand zu malen – annimmt, dass nur 50 Prozent der Aufträge dann nicht realisiert werden, dann haben wir es mit einem Umsatzverlust
denn die Bauindustrie besteht überwiegend aus kleinen und mittleren Unternehmen. Es ist verrückt: In diesen unsicheren Zeiten, wo wir froh sein können, dass wir diese KMU haben, erlauben wir uns ein solches Experiment. Das ist hausgemachtes Risiko ohne Not, Frau Wirtschaftssenatorin.
Wir haben ein weiteres Thema, das zweite Standbein, auf dem die stabile konjunkturelle Situation in Berlin – noch – beruht, und das ist der Tourismus. Ich würde sagen, da ist eine Willkommenskultur erforderlich und keine Verlautbarung vor allen Dingen von den Grünen, die sagen: Wir erobern unsere Stadt zurück durch Locals! – Das klingt wie finstere Reconquista.
Und dann kommen Sie noch mit irgendeiner ÖPNV- Zwangsabgabe, die Sie so schlecht berechnet haben, dass selbst die BVG gesagt hat: Leute, lernt erst mal rechnen, bevor ihr mit so einem Blödsinn kommt! – Tatsache ist: Bisher werden durch den Tourismus 50 Millionen Euro an Steuereinnahmen generiert. Nicht alles, und zwar der große Teil, kommt dem Tourismus zugute. Wir sind dafür, und das haben wir in den Haushaltsberatungen auch vorgeschlagen, dass das tatsächlich dem Tourismus zugutekommt, sowohl was die Steuerung als auch die Erhöhung der Sauberkeit der besonders frequentierten Bezirke angeht. Insbesondere müssen aber auch die Ordnungsämter der entsprechend frequentierten Bezirken gestärkt werden.
Wir reden dann auch über Kongressflächen. Wenn wir über Tourismus und Stärkung des Qualitätstourismus sprechen, worüber hier ja irgendwie Einigkeit bestehen sollte, dann gehören Kongressteilnehmer dazu, und dann bin ich schon entsetzt, wie – und ein weiteres Schweigen von Frau Senatorin – dann auf einmal ganz locker flockig das ICC unter Denkmalschutz gestellt wird, was ein faktisches Investitionshindernis für das ICC ist. Das kann nicht wahr sein.
[Beifall bei der FDP und der AfD – Katalin Gennburg (LINKE): So unterirdisch! – Zuruf von Daniel Wesener (GRÜNE)]
Frau Gennburg, von Ihnen erwarte ich keinen Zuspruch, und dass Sie sich wahrscheinlich darüber freuen, wenn das ICC in sich zusammenfällt, das glaube ich Ihnen sofort.
Wenn man es mit der Wirtschaft ernst meint, dann will man diese Kongressfläche auch nutzen. Sie wird nicht genutzt werden können, und Sie haben sie auch selber schon abgeschrieben.
Nun kommen wir mal zu den Dingen, die jetzt noch anstehen und wo ich noch Hoffnung habe, dass es etwas werden könnte. Das erwarte ich dann auch von der Wirtschaftsverwaltung. Wenn ein Investor ankündigt, ein Hochhaus in Friedrichshain-Kreuzberg zu bauen, und Amazon sich dort bereits als Ankermieter angemeldet hat, dann kann man nur eines sagen: Herzlich willkommen! Wann geht es los? – Das wäre die richtige Nachricht.
Das gleiche gilt für Karstadt am Hermannplatz. Da können Sie sich gleich wieder aufregen, Frau Gennburg, denn Sie wollen natürlich – und das haben wir ja nun alle verstanden, das ist ja auch Ihre Marke – die Erstarrung von Berlin. Nur dann fühlen Sie sich wohl. Aber so geht es nicht weiter. Das ist keine Dynamik.
Was wir brauchen – und da möchte ich Ihnen zur Seite springen, Frau Senatorin, denn das haben Sie zu Recht gesagt –, ist, dass wir Gewerbeflächen in Berlin ausweisen. Wir müssen auch Gewerbeflächen gegebenenfalls veräußern. Übrigens meine Frage: Würden Sie an Tesla im Zweifel dann auch Gewerbeflächen veräußern, oder sie nur zur Erbbaupacht vergeben wollen, was in den USA ein etwas unbekanntes Modell ist? – Das würde mich interessieren, und vielleicht können Sie in Ihrer Erwiderung darauf eingehen, wenn es überhaupt schon konkret wird.
Aber kommen wir zu Tesla: Mein herzlicher Glückwunsch geht nach Brandenburg, an Herrn Woidke und Herrn Steinbach, die das ja für sich reklamiert haben. – Sie schütteln schon den Kopf. Sie werden uns aufklären. Das ist übrigens ein interessantes Stück an Zusammenarbeit von Berlin und Brandenburg, von der politischen Führung mit dem gleichen Parteibuch, Herr Regierender Bürgermeister. Hochinteressant, was das für ein Konzert ist! Mehr Kakophonie kann man sich gar nicht vorstellen an der Stelle.
Aber ich will es nicht kleinreden. Das ist eine gute Nachricht, dass Tesla nach Berlin kommen will. Die Vorredner haben das zu Recht gewürdigt. Ja, es ist ein wichtiger Meilenstein, und es wäre wichtig für den Produktionsstandort Berlin, dass wir eine „Gigafactory“ hier ansiedeln – bei Berlin, muss man sagen. Das Erste, was natürlich gekommen ist und was mich schon glatt enttäuscht
hat, das ist die erste Kritik auf Seiten der Grünen: Warum werden denn da SUV gebaut? – Können Sie nicht einmal Ihren Neidkomplex unterdrücken, wenn es um 8 000 Arbeitsplätze geht? Können Sie das nicht einmal unterdrücken?
[Beifall und Heiterkeit bei der FDP, der CDU und der AfD – Holger Krestel (FDP): Dieser Neid zieht sich durch die DNA!]
Spannend wird natürlich sein, was in Berlin dann tatsächlich angesiedelt werden soll. Für das Design- bzw. Entwicklungszentrum sind mehrere Standorte genannt worden, natürlich auch sofort Tegel. Ich frage mich, wie oft Sie Tegel schon verplant haben, für das Stadion, jetzt für Tesla. Ich weiß nicht, wer als Nächstes kommt, der von Ihnen Tegel versprochen bekommt. Offenbar sind Sie von dem Konzept Urban-Tech-Republic selbst überhaupt nicht überzeugt, sonst würden Sie dieselbe Fläche nicht dreimal versprechen. Tempelhof wurde auch in das Gespräch gebracht. Ich finde, wir sollten seriös im Wirtschaftsausschuss darüber reden, welcher Standort geeignet ist. Insbesondere hängt das ja von den Fakten ab, die noch ausstehen, also zum Beispiel, was die geplante Größe dieses Entwicklungszentrums anbetrifft. Insofern wäre das eine seriöse Debatte, bevor man hier Standorte in die Debatte wirft, ohne zu wissen, was dort konkret angesiedelt werden soll.
Ich freue mich darüber, dass ich eine Zwischenfrage bekommen habe. Meine Vorredner wollten das ja nicht. Ich verstehe das gar nicht. Ich finde das doch ganz nett.