Schließlich weise ich auf die Ihnen vorliegende Konsensliste hin – und stelle fest, dass dazu kein Widerspruch erfolgt. Die Konsensliste ist somit angenommen.
Dann darf ich Ihnen noch mitteilen, dass der Regierende Bürgermeister ab 18.30 Uhr entschuldigt ist wegen der Teilnahme an einer Diskussionsveranstaltung zum Mauerfalljubiläum.
Ich darf Sie noch um Aufmerksamkeit bitten, bevor ich den ersten Tagesordnungspunkt aufrufe. – In wenigen Tagen ist der 9. November. Ein ambivalenter Tag in unserer Geschichte. Freude und Leid sind mit diesem historischen Tag verbunden. 1918 etablierte die damalige Revolution die erste Demokratie in Deutschland – dann die Nacht des 9. Novembers 1989, die gleichzeitig der letzte Tag der SED-Diktatur war. Das war auch Wendepunkt in der Geschichte unserer Stadt, unseres Landes, aber ebenso für die Befreiung unserer östlichen Nachbarn.
Es gab aber eben auch den 9. November 1938, den nationalsozialistischen Terror gegen Juden und deren Geschäfte wie auch Synagogen, den viele Bürgerinnen und Bürger fast teilnahmslos hinnahmen oder, was noch schlimmer war, aktiv unterstützten. Das war ein absoluter Tiefpunkt in der deutschen Geschichte einer einst humanistischen Gesellschaft, die stolz auf sich war.
Auch heute stellen wir wieder fest, dass sich ein mittlerweile offener Antisemitismus breitmacht und das jüdische Leben in unserem Land zunehmend infrage stellt. Es muss erschrecken, wie viele Menschen selbst heute noch – oder wieder – eine antisemitische Grundhaltung haben. Menschen offenbar, die ein Feindbild brauchen, um im Zweifel eigenen Frustrationen entgegenzutreten, vielleicht auch von erlebten Ungerechtigkeiten abzulenken, die ein Feindbild brauchen, um eigene Minderwertigkeitskomplexe zu kompensieren. Ihnen möchten wir sagen: Wir Demokraten dulden keinen Antisemitismus, aber auch keinen Rassismus in unserem Land, in unserer Stadt. Das müssen wir Demokraten auch durchsetzen.
Diese Lehre haben wir vor gar nicht so langer Zeit schon einmal gezogen. Das war nach den Morden des NSU.
Jetzt nach dem Anschlag auf die Synagoge von Halle stehen wir wieder da und sind überrascht über die Auswüchse rechtsextremistischen Terrors. So kann es sicher nicht weitergehen. So darf es nicht weitergehen. Wir müssen die Sicherheitsprobleme massiv angehen. So wie wir die Clankriminalität bekämpfen, so müssen wir auch rechtsextremistische Netzwerke unter Druck setzen; und das nicht auf dem Papier, sondern Tag für Tag in der Wirklichkeit und auch in den sozialen Medien.
Die Jüdinnen und Juden in der Synagoge von Halle haben Glück gehabt. Sie sind einem Massaker entkommen. Das wissen wir alle. Trotzdem gab es Verletzte und zwei Todesopfer, um die wir trauern. Auch ihr Schicksal dürfen wir nicht vergessen. Denn politisch motivierte Gewalt bedroht uns alle.
Wir wissen: Eine Demokratie, die nicht mehr die Minderheiten im Land schützt, die zerstört sich selbst. Deshalb ist es so wichtig, dass wir Demokraten aufstehen und strikte Grenzen ziehen. Je länger wir damit warten, umso stärker werden die Feinde unserer freien Gesellschaft. Das dürfen wir Demokraten auf keinen Fall zulassen.
Der 30. Januar 1933 sollte uns Mahnung genug sein. Einen 9. November 1938 darf es nie wieder geben, auch nicht in Ansätzen. Das sollte unser Anspruch auch in diesem Parlament sein. Nur wenn wir diesem Anspruch gerecht werden, kann der 9. November nicht nur ein Tag der Trauer und Erinnerung sein, sondern auch ein Tag der Freude über das Gelingen der Friedlichen Revolution. – Ich danke Ihnen!
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung. In der Runde der Fraktionen beginnt die Fraktion der SPD. – Herr Kollege Zimmermann, Sie haben das Wort. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben diese Aktuelle Stunde angemeldet, um zu zeigen, dass wir der organisierten Kriminalität in der Stadt den Kampf angesagt haben. Berlin geht besser koordiniert und kraftvoller gegen das organisierte Verbrechen vor, als das manchmal in der Vergangenheit der Fall war. Daran sehen Sie: Diese Koalition arbeitet intensiv und zunehmend erfolgreich für die innere Sicherheit in Berlin.
Die organisierte Kriminalität ist eine der schwersten Herausforderungen für den Staat. Sie arbeitet im Verborgenen, schafft Machtstrukturen, unterhöhlt das Vertrauen in die Durchsetzbarkeit von Regeln, enthält ein stilles oder offenes Drohpotenzial gegenüber dem Staat oder gegenüber Privaten. Unsere Sicherheitsbehörden begegnen diesen Gefahren mit ihren Spezialisten in den jeweiligen Dezernaten, ob es sich nun um Wirtschaftskriminalität handelt oder Schleuserbanden, um Umweltvergehen oder Drogenhandel.
Leider müssen wir aber eben auch zunehmende Bedrohung durch die sogenannte Clankriminalität feststellen, und die verlangt deshalb unsere besondere Aufmerksamkeit. Und auch wenn der Begriff Clankriminalität manchen zu unscharf oder ungenau erscheint – die Bezeichnung ist zweitrangig. Wer organisiert kriminell den Staat herausfordert, sei es die tschetschenische Mafia, seien es deutsche Rocker oder arabische Clans, bekommt es mit
Deshalb haben wir auf allen Ebenen den Druck und die Schlagzahl erhöht, um den Clans und der Öffentlichkeit zu zeigen: Wir sind gewillt, die Regeln durchzusetzen und wir werden sie durchsetzen.
Das Mittel der Wahl ist ein koordiniertes Vorgehen aller beteiligten Behörden, von Staatsanwaltschaft bis Gewerbeaufsicht. Und folgende Ergebnisse können wir bis jetzt feststellen: Die Beschlagnahmung von 77 Immobilien wegen des Verdachts illegaler Vermögensgeschäfte ist ein schwerer Schlag gegen kriminelle Strukturen. Sie hat bundesweit Aufmerksamkeit erregt. In diesem Zusammenhang wird gegen 21 Beschuldigte, überwiegend aus einer arabischstämmigen Großfamilie, wegen des Verdachts der Geldwäsche ermittelt. Darüber hinaus hat die Staatsanwaltschaft 60 Beschlagnahmen zur Sicherstellung von Mietgewinnen erwirkt, bei denen es sich mutmaßlich um kriminelle Gewinne handelt.
Danke schön! – All diese Verfahren laufen, und wir hoffen, dass sie erfolgreich abgeschlossen werden können.
Polizei, Zoll, Steuerfahndung und bezirkliche Aufsichtsämter gehen systematisch gegen diejenigen Ladenlokale, Shisha-Bars u. Ä. vor, die oft durch polizeibekanntes Publikum, ausgeprägtes Revierverhalten der Gäste, Rücksichtslosigkeit gegenüber Nachbarn und Passanten, zahlreiche Verkehrsverstöße im Umfeld u. Ä. gekennzeichnet sind. Diese wiederholten Razzien, vornehmlich in Neukölln, haben bereits zu zahlreichen Schließungen und Ermittlungsverfahren geführt. Dies sind entgegen mancher Behauptung keine Show- oder Symbolveranstaltungen. Dies ist im Gegenteil von zentraler Bedeutung, dass wir nämlich dauerhaft immer wieder staatliche Präsenz zeigen.
Staatsanwaltschaft, Polizei und das Bezirksamt Neukölln haben jeweils eine Taskforce eingerichtet, um möglichst viele dieser Verbundeinsätze zu organisieren, mit denen wir den Kontrolldruck dauerhaft hochhalten und mit konsequenten Strafermittlungen möglichst Verurteilungen erreichen wollen. Wir haben daneben zusätzlich eine Koordinierungsstelle organisierte Kriminalität beim Innensenator und seit diesem Jahr ein gemeinsames Analysetool aller Landeskriminalämter und des Bundes zur Unterstützung bei Ermittlungen wegen Clankriminalität. Auch auf Bezirksebene gibt es weitere Aktivitäten zum Aufbau von Verbundkontrollen, etwa in CharlottenburgWilmersdorf und in Tempelhof-Schöneberg.
Dass wir bis hierher – und wir ziehen heute ja nur ein Zwischenfazit – eine Reihe von Erfolgen erzielt haben, hat genau drei Gründe: Der erste Grund: Die neuen Instrumente im Strafrecht und im Strafprozessrecht erleichtern das Aufspüren von illegalem Vermögen, dem Hauptansatzpunkt zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität. Es ist die Beweiserleichterung bei Verdacht kriminell erlangten Vermögens. Wir haben damit noch keine Beweislastumkehr wie in Italien. Ob man die am Ende doch braucht, muss nach Abschluss der Verfahren und nach Evaluation entschieden werden. Das werden wir sehen. Und wir haben die selbständige Einziehung bei Vermögenswerten, ein wichtiges Instrument, das die Abschöpfung von Vermögen, das aus Straftaten herrührt, enorm erleichtert. Diese Reform des Rechts der Vermögensabschöpfung vor gut zwei Jahren hat den Ermittlern erst den Rechtsrahmen für die schärfere Gangart gegeben, und dieser wird ausgenutzt.
Zweiter Grund: Der Senat und die Sicherheitsbehörden in Berlin haben einen klaren Plan zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität. Staatsanwaltschaft und Polizei sind hochmotiviert, haben den Ehrgeiz entwickelt, diese Chancen wirklich zu nutzen, und sie werden darin unterstützt vom Innensenator,
der mit seinem Fünf-Punkte-Plan den Kampf gegen die Clans intensiviert, und auch vom Justizsenator, der weitere Vorschläge unterbreitet hat.
Ein dritter Grund: ein mutiger und entschlossener Bürgermeister von Neukölln, der in seinem Bezirksamt die Verbundkontrollen initiiert hat. Martin Hikel hat damit ein Neuköllner Modell entwickelt, das als Beispiel für andere Bezirke dienen sollte und hoffentlich auch dienen wird.
Am Ziel sind wir damit noch lange nicht. Wir brauchen eine langfristige Strategie, damit wir dauerhaft die Präsenz des Staates, die Kontrolldichte und den Ermittlungsdruck aufrechterhalten können. Dazu brauchen wir ganz sicher mehr Personal. Dafür haben wir einen erheblichen Stellenzuwachs bei der Polizei als auch bei der Staatsanwaltschaft, dort ausdrücklich für OK, vorgesehen. Wir dürfen gespannt sein, ob Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, das am Ende durch Zustimmung zum Haushalt unterstützen werden oder nicht.
Wir werden weiter zu überprüfen haben, ob wir schon genügend Instrumente an der Hand haben, um bei der organisierten Kriminalität die Spur des Geldes wirklich verfolgen zu können. Da muss man auch Fragen nach
weiteren Instrumenten stellen. Etwa: Brauchen wir erweiterte Kompetenzen beim Zollfahndungsdienst, um dort eine echte Finanzpolizei zu etablieren? – Eine Diskussion, die sicher im Bund zu führen ist. – Müssen wir vielleicht daran denken, die Notare stärker in die Pflicht zu nehmen, wie es der Justizsenator angeregt hat, um Ihnen nämlich mehr Auskunftspflichten bei Immobiliengeschäften aufzuerlegen und damit das Aufspüren weiter zu erleichtern? – Die Notarkammer hat dazu gesagt, dafür müsste wohl die Notarordnung geändert werden – Sache des Bundes. All das, auch die Frage der Beweislastregeln muss im Deutschen Bundestag geklärt werden, nicht hier.