Protocol of the Session on October 31, 2019

Warum dieser Antrag? – Die übliche Unkenntnis der AfD über die Beschlusslage des Bundestags und die Aktivitäten anderer Parteien und Fraktionen kann es jedenfalls nicht sein, siehe die Bezugnahme auf die parlamentarische Historie des Mahnmalprojekts in der Antragsbegründung. Bleibt nur eine plausible Antwort – Frau Kittler scheint eine ähnliche These zu haben –: Die Berliner AfD betätigt sich mal wieder im politischen Trittbrettfahrertum, nur dass dieses Mal das Trittbrett so groß ist wie der Balken in ihrem Auge.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]

Nicht nur die Begründung, auch der Antragstext selbst ist zu mehr als seiner Hälfte ein politisches Plagiat. In den sage und schreibe ersten zehn Absätzen zitiert die AfD ausschließlich den Wortlaut der Initiatoren des Denkmalprojekts, die Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft und das von ihr beauftragte Konzeptpapier aus dem Jahr 2014. Übrigens, Herr Trefzer, die Publikation erfolgte mit freundlicher Unterstützung der Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters.

[Martin Trefzer (AfD): Mit Fußnote!]

Genau, die Fußnote. Da haben Sie sich einmal so richtig Mühe gegeben, Herr Trefzer!

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das machen wir mit jedem Antrag, Herr Kollege!]

Umso dankbarer bin ich dafür, dass es Union und SPD, aber auch allen anderen demokratischen Fraktionen im Bundestag mit dem geplanten Mahnmal ganz offensichtlich sehr viel ernster ist als der Berliner AfD, denn dieses Projekt ist nicht nur richtig und notwendig, sondern 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution auch zweifelsohne überfällig.

[Martin Trefzer (AfD): Na also!]

Die AfD hätte hier und heute deshalb eine Frage beantworten müssen: Warum soll das Berliner Abgeordnetenhaus etwas beschließen, das im Deutschen Bundestag im überfraktionellen Konsens schon längst so gut wie beschlossenen Sache ist?

[Frank-Christian Hansel (AfD): Damit es schneller geht, Herr Kollege!]

Geht es der AfD womöglich um eine gemeinsame Trägerschaft bzw. Beteiligung Berlins an der Organisations- und Rechtsform von Gedenkstätte und Dokumentationszentrum? Hat sie konkrete Vorschläge für den Ort, neue Ideen zum Realisierungsverfahren oder gar eine Vision zur Gestaltung des Mahnmals? Wie verhält sich die AfD zu grundlegenden konzeptionellen Fragestellungen, die diesen ebenso bedeutsamen wie komplexen erinnerungspolitischen Vorhaben inhärent sind,

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Das steht da nicht drin!]

etwa der Frage nach der Ein- und Abgrenzung des Themas, der Vielfalt der Opfergruppen oder der Positionierung eines solchen Gedenk- und Bildungsortes innerhalb der vielgestaltigen Erinnerungslandschaft? – Man weiß es nicht. In all diesen Punkten vermeldet der Antrag Fehlanzeige, denn das konnte die AfD ja bislang auch nicht von der Regierungskoalition oder der Initiative Mahnmal abschreiben.

Letztlich, Herr Trefzer, müssen Sie selber wissen, ob Sie mit dieser intellektuellen Komplettverweigerung dem Thema und vor allem den Opfern des stalinistischen Terrors sowie aller anderer Verbrechen, die im Namen des Kommunismus in Deutschland verübt worden sind, wirklich gerecht werden. Ich finde die plakative Art und Weise, mit der Sie sich auf deren Andenken zu setzen versuchen, einfach nur erbärmlich und pietätlos.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das sagt der Richtige!]

Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Jörg Stroedter (SPD)]

Vielen Dank! – Jetzt, nach der Aussprache haben Sie die Möglichkeit, nach § 65 GO zu einer persönlichen Bemerkung, Herr Wild. Ich verweise aber darauf, dass Sie, da Sie keine eigenen Ausführungen gemacht haben, diese nicht korrigieren müssen, Sie also lediglich Anwürfe gegen Sie zurückweisen dürfen.

Also ich setze fort.

[Regina Kittler (LINKE): Nein! – Paul Fresdorf (FDP): Wir wissen ja gar nicht, wo Sie waren!]

Die Linke ist die Partei, die in der direkten Tradition der SED steht.

Herr Wild! Die Anwürfe kamen von Ihrem Vorredner der FDP und nicht – –

Ich muss meinen Satz schon ausführen können!

Nein! Sie haben jetzt nicht die Möglichkeit zu einem Rundumschlag, sondern zu einer persönlichen Bemerkung. In unserer Geschäftsordnung ist festgelegt, welchen Charakter das hat.

[Hakan Taş (LINKE): Was mache ich jetzt? – Zuruf von Sabine Bangert (GRÜNE)]

Meine persönliche Bemerkung ist die, Frau Präsidentin, dass ich als Mitglied einer Partei hier herabgewürdigt werde, obwohl unsere Partei, da sie noch so neu ist, gar nicht die Verantwortung tragen kann,

[Regina Kittler (LINKE): Nein, Ihre Partei ist so alt!]

die Die Linke als Folge der Mauermörderpartei auf sich nehmen müsste. Deswegen, Frau Kittler: fest an die eigene Nase fassen! – Danke schön!

[Zurufe von Sabine Bangert (GRÜNE) und Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für kulturelle Angelegenheiten sowie an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.4:

Priorität der Fraktion der FDP

Tagesordnungspunkt 40 D

„Original Play“ in Berlin untersagen

Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/2276

in Verbindung mit

(Daniel Wesener)

lfd. Nr. 40 B:

Keine Chance für Kindesmissbrauch in Berliner Kitas

Dringlicher Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/2274

Den Dringlichkeiten hatten Sie bereits eingangs zugestimmt. In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP, und nun, Herr Fresdorf, haben Sie das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich mal folgende Situation vor: Sie sind mit Ihrem bis zu sechs Jahre alten Kind zu Hause, puzzeln vielleicht etwas, weil Sie Ihr Kind in der Freizeit fördern, da klingelt es an der Tür, und es steht ein wildfremder Mensch vor Ihnen, der sagt: Hallo! Ich würde mich jetzt sehr gerne mit Ihrem Kind auf den Boden wälzen, ein bisschen toben, mit ihm kuscheln, es berühren. Sie können in der Zeit einkaufen gehen. – Spätestens da würde sich bei Ihnen, denke ich, ein Störgefühl einstellen, und das hätte ich auch von den Kindertagestätten erwartet, die „Original Play“ angewandt haben.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Für den, der nicht weiß, was das ist: Der Gründer Fred Donaldson aus den Vereinigten Staaten kam auf die Idee, dass man mit fremden Kindern rumtoben und balgen sollte, um bei ihnen Ängste abzubauen. Das ist eine Methode, die in keiner Weise jemals wissenschaftlich untersucht worden ist. Er hat sich das ausgedacht. Er behauptet auch, er wäre Professor, hat aber nie eine Professur innegehabt. Er verkaufte diese Methode rund um den Globus. Es ist ein System, das den Anschein hat, so eine Art Pyramidensystem für mutmaßliche Päderasten zu sein. Man geht dort in die Lehre, was bedeutet, dass man zwei, drei Tage eine Veranstaltung besucht, bezahlt um die 250 Euro, und danach ist man als Lehrling befähigt, in eine Kita, in eine Einrichtung zu gehen, in der Kinder beschützt werden sollten. Dort kann man dann dieses Angebot machen. Das ist das, was für mich persönlich so unfassbar ist: Das sind Menschen, die Geld dafür bezahlen, mit fremden Kindern zu toben und zu balgen, die aber nie ein Führungszeugnis vorlegen müssen, da sie nämlich nicht regelmäßig mit den Kindern umgehen. Wer sich in Berlin regelmäßig mit Kindern beschäftigt, muss sofort ein Führungszeugnis vorlegen. Das ist wichtig und richtig so. Gerade diese Personen aber, die diesem mutmaßlichen Pyramidensystem für Pädophile angehören, müssen das nicht tun, und das ist erschreckend.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Beifall von Dennis Buchner (SPD), Jessica Bießmann (fraktionslos), Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Noch schlimmer ist, dass viele Eltern gar nicht wussten, dass dieses „Original Play“ in den Kindertagestätten angeboten wurde. Sie wussten nicht, dass fremde Menschen mit ihren Kindern gebalgt haben und sich dort tummelten. Eine Dimension des „Original Play“ sollte sein, dass Kinder die Fähigkeit erlernen, gute und schlechte Berührungen voneinander zu unterscheiden. Gute und schlechte Berührungen unterscheiden zu lernen bedeutet, dass es schlechte Berührungen gegeben haben muss, und das ist widerwärtig.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos), Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Mittlerweile hat die Senatsverwaltung die Empfehlung herausgegeben, es nicht mehr anzuwenden – schon vor einiger Zeit. Vor Kurzem hat sie es wiederholt. Das ist richtig so, und es ist auch wichtig, dass das getan wurde, Frau Scheeres. Wir fragen uns: Hat unser System, das Kinder vor einer Kindeswohlgefährdung beschützen soll, in diesem Fall funktioniert?

[Frank-Christian Hansel (AfD): Offensichtlich nicht!]

Wie sieht es aus: Wurden die Meldungen ernst genommen? Wie hat die Staatsanwaltschaft ermittelt? – Ich denke, ein grüner Justizsenator hat angesichts der Geschichte seiner Partei eine besondere Verantwortung, bei Themen, die mit Pädophilie zu tun haben, ganz klar Aufklärung zu leisten. Ich gehe davon aus, dass Senator Behrendt dem auch nachkommen wird.