zum Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP Drucksache 18/2148
Einsetzung einer Enquete-Kommission „100 Jahre (Groß-) Berlin 2.0 – zu einer Verwaltungs- und Parlamentsreform für das Berlin des 21. Jahrhunderts“
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung vom 11. September 2019 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 25. September 2019 Drucksache 18/2215
Den Dringlichkeiten haben Sie bereits eingangs zugestimmt. Ich eröffne die zweite Lesung des Gesetzesantrages auf Drucksache 18/2147. Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel 1 und 2 des Gesetzesantrags zum Landesabgeordnetengesetz und schlage vor, die Beratung der Einzelbestimmungen miteinander zu verbinden. – Widerspruch hierzu höre ich nicht. In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion, und hier der Abgeordnete Hansel. – Bitte schön!
Frau Präsidentin! Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Berliner Steuerzahler! Im Januar letzten Jahres haben wir einen interfraktionellen Antrag zur Einrichtung einer Enquete-Kommission für eine Parlaments- und Verwaltungsreform vorformuliert und ihn angeboten. Ziel waren ein transparentes parlamentarisches Verfahren mit unabhängigen Experten und eine Reform, die diesen Namen verdient. Eine Antwort darauf haben wir bis heute nicht erhalten. Wir sind mit diesem Antrag den ersten Schritt zu einer echten Reform von Parlament und Verwaltung gegangen, und bis heute sind wir überzeugt, dass ein effizientes Arbeiten in einem Parlament mit sechs Fraktionen vollkommen neu durchdacht und organisiert werden muss. Dennoch haben Sie in den Ausschüssen unsere Steilvorlage für eine Enquete-Kommission brüsk abgelehnt. Damit wurde die Chance vertan, für die nächste Legislaturperiode einvernehmlich eine umfassende Strukturreform auf den Weg zu bringen.
Was haben wir stattdessen bekommen? – Eine saftige Diätenerhöhung, die sich als Parlamentsreform tarnt. In Wahrheit ist das Ganze nichts anderes als ein unver
schämter eigenmächtiger Griff in die Staatskasse bei den verdoppelten Diäten und auch bei der Altersversorgung, deren Berechnungsbasis von nun 6 250 Euro ausgeht anstelle von bislang 3 900 Euro. Ich hatte in der letzten Sitzung bereits darauf hingewiesen, dass damit eine Grundversorgung in Höhe von 2 200 Euro nach neun Jahren Mitgliedschaft im Abgeordnetenhaus möglich ist. Unfassbar, wenn man weiß, wie hart und lange Menschen im echten Leben dafür arbeiten müssen, um 2 200 Euro Rente zu bekommen.
Lassen Sie mich noch einmal zu unserem Alternativangebot von vor einem Jahr kommen, das Sie – und zwar alle, die Sie hier als Machtkartell der Altparteien zusammensitzen – abgelehnt haben. Damals hatte ich hier ausgeführt und werde das kurz zitieren mit Erlaubnis der Präsidentin:
Schon die Tagesordnung einer Plenarsitzung zeigt, dass die vielen Themen nicht vernünftig abgearbeitet werden können. Stattdessen werden sie teilweise ohne Besprechung in die Ausschüsse verwiesen oder gleich vertagt.
Ein Teilzeitparlament, wie es unser Abgeordnetenhaus ist, wird den Herausforderungen unserer Zeit nicht gerecht.
Ich habe damals gesagt, 160 Abgeordnete sind eindeutig zu viel. 80 bis 100 dürften reichen. Es war keine Festlegung. Wir wollten diese Zahl anhand objektiver Kriterien berechnen lassen.
Wir haben das Problem erkannt und eine gemeinsame Lösung für mehr Effizienz eingefordert. Wir haben im Ältestenrat bei der Beschlussfassung regelmäßig auch dafür plädiert, zwei zusätzliche Plenartage im Jahr einzuplanen. Ich habe immer gesagt, als es darum ging in der Sommerpause, machen wir zwei Tage mehr. Da haben Sie immer gesagt, nein. Wir haben gesagt, wir machen das. Wir haben auch entsprechend abgestimmt im Plenum, als es darum ging. Wir hatten angeregt, doch den Freitag als zusätzlichen Plenumstag zum Donnerstag hinzuzunehmen. Von unserem Katalog an Ideen ist bis heute nur Ihre halbherzige Beschlussvorlage geblieben: Mehr Plenarzeiten, eine Diätenerhöhung, aber eben keine Verkleinerung des Parlaments, um die Mehrkosten wenn möglich aufkommensneutral zu kompensieren. Bezahlen
Und dafür gibt es einen Grund: Insbesondere Ihre Angst, dass Ihre Spielmasse der Versorgungsposten für Parteisoldaten verlorengehen könnte. Nur darum geht es Ihnen in dieser Frage.
Denn wenn Ihnen bei den nächsten Wahlen die Prozente wegbrechen und die Fraktionen schrumpfen – man sieht es in den anderen Bundesländern, die gerade Wahlen hatten, im nächsten Monat wird wieder gewählt –, wie schlecht stünden Sie denn da, wenn da noch zusätzlich Posten wegen einer Verkleinerung des Parlaments wegbrächen? – Dass Sie aus einer solchen vernünftigen Verkleinerung jetzt konstruieren, Herr Schneider, das letzte Mal, wir würden die Kontrollrechte des Parlaments einschränken, ist in erster Linie Unverfrorenheit. Allein die Tatsache, dass mehr Abgeordnete in einem Ausschuss sitzen, macht ja Entscheidungen nicht besser, sondern eher undurchsichtiger. Nicht umsonst gibt es immer nur einen fachpolitischen Sprecher pro Arbeitsbereich. Hinzu kommt: Die anderen Länderparlamente schaffen das auch mit deutlich weniger Abgeordneten, und da können Sie sich Ihre Verweigerungshaltung noch so viel schönreden: Sie überziehen, und zwar maßlos.
Kontrolldichte lässt sich nicht auf Masse der Kontrolleure reduzieren, sie kann auch ohne Riesenparlament der Kontrolleure stattfinden und sogar bei effizienten Strukturen verstärkt werden. Ich erkläre das mal gerne an dem Verfahren, wie wir es vorgeschlagen haben. Zum Beispiel die beiden Unterausschüsse des Hauptausschusses Bezirke und Beteiligungscontrolling hätten ein stärkeres Gewicht bekommen können und vielleicht auch müssen. Im Zuge einer echten Verwaltungsreform hätte die parlamentarische Begleitung der Bezirkspolitik auch im Abgeordnetenhaus neu geregelt werden können. Und wie wichtig der Beteiligungsausschuss ist – ich sehe gerade Herrn Stroedter nicht –, in dem die wesentlichen Kontrollfragen zur Unternehmenspolitik unserer landeseigenen Unternehmen mit Blick auf deren Investitionen besprochen werden, wissen Sie. Eine Aufweitung zu einem Vollausschuss wäre hier geboten. Ja, gerade diese beiden Ausschüsse müssten, will man die Kontrolldichte wirklich erhöhen, strukturell gestärkt werden. Aber dafür brauchen wir keine 160 Abgeordneten. Also hören Sie auf mit Ihrem durchschaubaren Gerede, wir würden die Kontrolldichte verringern. Das Gegenteil ist der Fall,
weil wir als Oppositionsfraktion – und ich betone noch mal: –, als einzige Oppositionsfraktion, die diesen Namen verdient, genau das als Hausaufgabe haben. Wo ist denn noch die Opposition? Wo ist denn die CDU und die FDP? Ein kurzer Blick in die nahe Vergangenheit: Sie, CDU und FDP, wollten einen Untersuchungsausschuss zur
Aufklärung des Skandals um den unwürdigen Rauswurf von Hubertus Knabe aus der Gedenkstätte Hohenschönhausen. Sie haben dazu einen Antrag eingereicht, wollten ihn aber dann nicht debattieren und wieder in der Versenkung verschwinden lassen. Sie haben gekniffen, erinnern Sie sich? Wir haben den Antrag dann auf die Tagesordnung gebracht und diesen Skandal hier im Parlament öffentlich diskutiert, und zwar genau so, wie es notwendig war. Denn Ihre CDU-Frau Grütters war an der Knabe-Entlassung sogar beteiligt und hat das unwürdige Spiel des Linkssenators Lederer mitgespielt. Knabe musste weg, weil den mitregierenden Kommunisten die ganze erinnerungspolitische Richtung in Hohenschönhausen ein Dorn im Auge ist. Denn die lautet: Nie wieder Diktatur, nie wieder Sozialismus!
Klar, das nervt die Linkssozialisten. Sie wollen die Erinnerung an die Unrechtspolitik der SED-Diktatur nach 30 Jahren endlich vergessen machen – wie übrigens heute auch der Bundestag, der mit den Stimmen von CDU und SPD die Stasiunterlagenbehörde abwickelt. Auch ein Skandal.
An diesem Beispiel sieht man, dass Sie sich lieber zusammen mit der Linken – ich rede hier von der CDU – ins weiche Diätenerhöhungsbett legen, statt eindeutig Farbe zu bekennen, Rückgrat zu zeigen und als bürgerliche Opposition mit uns zu den Bürgerrechtlern zu stehen.
Liebe Kollegen der CDU! Wer Spitzenleute in den eigenen Reihen hat, die wie in Brandenburg und SchleswigHolstein mit der Linken kooperieren wollen, verlässt den Boden der Demokratie.
Und wer seinen Kern aufgegeben hat – das erleben wir gerade beim dramatischen Niedergang der Sozialdemokraten –, wird irgendwann auch nicht mehr gewählt. Ich mache das ja immer als Zwischenruf: Einstellig werdet ihr werden, auch in Berlin!
Und weil Sie als Altparteien diesem traurigen Ergebnis ins Auge sehen müssen, nehmen Sie sich noch mal einen kräftigen Schluck aus der Pulle. Ich sage voraus:
Das wird Ihnen der Wähler nicht durchgehen lassen. Darum beantragen wir die namentliche Abstimmung zu diesem Gesetz, um zu dokumentieren, wer sich hier wie verhält. Wir werden nicht müde werden, darauf hinzuweisen: Sie erhöhen sich die Diäten, weil Sie aufgrund erwartbar schlechter Wahlergebnisse, Herr Schneider, künftige Abfindungsfälle in Ihren Abgeordnetenreihen haben, die dringend eine Finanzspritze brauchen. So sorgt man für die maroden Fußtruppen auf Kosten der Steuerzahler. Darum verweigern Sie sich jetzt der parlamentarischen Debatte über eine echte Parlamentsreform, die diesen Namen verdient hätte, wie wir sie mit Ihnen gemeinsam gerne diskutiert hätten. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Falls Sie sich wundern sollten, warum ich heute ausnahmsweise mit einem Zettel hier nach vorne gehe: Der Erkenntniswert ist schlicht. Das hat die AfD-Fraktion zur Parlamentsreform beantragt.
Eine Zeile! Das ist Ihr Anteil – neben Ihrer Phrasendrescherei in zwei Ausschusssitzungen und zwei Plenarsitzungen – an substanzieller Mitarbeit zu diesen ernsthaften Fragen, jenseits der Polemik. Das hat Sie demaskiert.