Protocol of the Session on June 6, 2019

[Zuruf von der FDP]

(Henner Schmidt)

[Sebastian Czaja (FDP): Doch!]

Ich kann Ihnen aus der Erfahrung, dass ich lange in der Opposition war, sagen: Wenn die Opposition kluge Vorschläge macht, dann kann man sich auch mit der Regierung einigen. Das habe ich zusammen mit meinen grünen Kollegen und Kolleginnen oft genug geschafft.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von Kurt Wansner (CDU) und Danny Freymark (CDU)]

Wenn Sie es nicht schaffen, liegt das an Ihren Vorschlägen, nicht an uns.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Für den Senat spricht jetzt der Senator Dr. Kollatz. – Bitte schön, Herr Senator!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich will mal mit einem Zitat beginnen, das aus dem Jahr 2011 stammt. Im Jahr 2011 hat ein wesentlicher Politiker in Deutschland gesagt: Das Breitbandnetz wird in Deutschland bis 2018 durch den Bund flächendeckend ausgebaut.

[Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Wir haben heute durch die digitale Partei FDP gehört, dass sie jetzt nicht mehr auf den Bund setzt, wie sie es damals getan hat, sondern auf das Land.

[Zuruf von Sven Heinemann (SPD)]

Die Aussage stammt von einem gewissen Herrn Rösler, den die FDP offensichtlich vergessen hat, den wir aber nicht vergessen haben. Wenn jetzt die Versäumnisse des Landes bei dem Ausbau des Digitalnetzes dargestellt werden, lässt das auf gewisse Lücken in der Wahrnehmung schließen. Ich glaube, man muss da die berühmte Kirche im berühmten Dorf lassen. Es ist richtig: Die Digitalisierung muss weiter vorangebracht werden. Man soll aber nicht so tun, als sei das ein Problem, das auf der Landesebene anzusiedeln sei. Gerade die FDP hat das als eine Bundesaufgabe reklamiert und damals auch die Lösung versprochen, auf die wir heute noch warten.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Zweitens ist es so – und das geht durch alle Redebeiträge durch, und das ist, glaube ich, auch etwas Wichtiges –, dass eigentlich, auch wenn das Thema hier offiziell nicht so lautet, immer über die öffentliche Infrastruktur geredet wird. Die Hoffnungen richten sich also auf den öffentli

chen Sektor. Die Hoffnungen richten sich nicht auf den privaten Sektor. Das war mal anders. Klar ist auch: Wir müssen das in zwei Segmente teilen. Das eine ist der Sanierungsbedarf, und das andere ist das, was getan werden muss, um neuen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Das tut dieser Senat übrigens mit ziemlicher Entschlossenheit.

[Zuruf von der CDU: Inbrunst!]

Der dritte Punkt: Einige von Ihnen hier im Abgeordnetenhaus haben sich, genauso wie ich, am Wahlkampf 2016 beteiligt. Es war so, dass vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus immer drei Infrastrukturthemen angesprochen wurden. Das eine: Bei den Bürgerämtern gibt es zu wenig Terminvereinbarungen. – Das ist ja eine Infrastruktur für Bürger. – Als zweiter Punkt wurde die Staatsoper genannt. Die ist noch immer nicht vollendet. Bei den Bürgerämtern geht es jetzt. Wenn man sich dort morgens einschaltet, kriegt man am selben Tag noch Termine. Man kann auch telefonisch meist am selben Tag noch Termine vereinbaren. Und ich will Sie durchaus auch einmal dazu einladen: Gehen Sie in die Staatsoper! – Sie sehen, sie spielt. Also auch diese wichtige kulturelle Infrastruktur ist bereitgestellt worden. Das war ein schwieriger Prozess.

Das dritte Thema war immer – und das ist ja das wichtigste Infrastrukturprojekt der ganzen Region: Wie geht es weiter beim Flughafen BER? Wann kriegt ihr den endlich hin? – Da ist gestern im Unterausschuss Beteiligungsmanagement dieses Parlaments dieses Thema diskutiert worden, und da hat auch ein Oppositionspolitiker interessanterweise gesagt: Sie scheinen sich dort ja nun irgendwie der Zielgeraden zu nähern! – Das ist alles noch nicht am Ende angekommen, aber es geht darum – und das zeichnet, glaube ich, auch diese Regierung, diesen Senat aus –, dass wir alles dafür tun, um uns durch diese Schwierigkeiten – die groß sind und teilweise in der Vergangenheit selbst verursacht wurden – durchzubeißen, um in einem zähen Prozess das Ziel zu erreichen, und auch alles dafür tun werden, dass das so klappt, wie es geplant ist.

Der vierte Punkt ist – das fand ich eigentlich persönlich ein bisschen enttäuschend: Der CDU-Beitrag heute war irgendwie schlecht gelaunt und leicht cholerisch. Wenn man unter die Forderungen, die Sie hier vorgetragen haben, einen Strich macht – und das können Sie doch –, wissen Sie, dass das, was Sie hier vorgetragen haben, völlig unfinanzierbar ist. Wenn es dann einmal etwas gibt, wo Sie trotz aller Versuche, demgegenüber blind zu sein, dass irgendetwas stattfindet – dann versuchen Sie, es schlechtzumachen. Das haben Sie z. B. beim Zentralen Omnibusbahnhof versucht. Das ist doch eine wichtige Strukturinvestition, und sie wird auch zeitnah abgeschlossen werden!

[Zuruf von Mario Czaja (CDU)]

(Anja Schillhaneck)

Und Sie erwähnen gar nicht, dass Sie hier im Abgeordnetenhaus gegen die Schulbauoffensive angetreten sind –,

[Zuruf von Mario Czaja (CDU)]

nämlich dagegen, dass wir versuchen, wesentliche Beiträge – z. B. 150 Millionen pro Jahr – über dieses Modell mit der HOWOGE zu finanzieren. Da haben Sie gesagt: Nein, das sollen wir nicht machen; das sollen wir über Haushalte finanzieren. – Sie haben aber bisher dem Hohen Haus vorenthalten, welche Verkehrsprojekte Sie dafür streichen wollen. Das hätten Sie ja heute tun können. – Also insofern ist es so: Das war leider nur schlecht gelaunt und leicht cholerisch. Tut mir leid; aber das ist nicht zielführend.

Fünftens: Die Bilder, die manchmal gestellt werden, sind falsch, und da ist es eben so: Wenn das Bild hier gestellt wird – das war etwas, was verschiedene Parteien gemacht haben: Es passt keiner mehr in den ÖPNV, in Berlin ist der ÖPNV schlecht und überfordert –, dann ist das, glaube ich, ein Thema, das wir uns in Berlin zu eigen machen sollten und das ja auch sonst immer abstrakt gesagt wird: Wir wollen eine Metropole sein. – Liebe Leute! Eine Metropole ist kein Ponyhof! Wer in London U-Bahn fährt, weiß, das praktisch zu den Peak-Zeiten am Nachmittag fast immer der Zugang zu U-Bahnstationen gesperrt wird; da kommt man dann nicht rein.

[Zuruf von Ronald Gläser (AfD)]

Und wer schon einmal in Tokio war und dort den ÖPNV nutzt, findet die Behauptung, die hier aufgestellt wird – da passt keiner mehr rein –, einfach völlig irre. Insofern ist es so, dass wir in einer wachsenden Stadt damit rechnen müssen und auch damit rechnen wollen, dass die ÖPNV-Auslastung steigt; das ist, glaube ich, sinnvoll.

[Zurufe von Mario Czaja (CDU) und Sebastian Czaja (FDP)]

Damit komme ich zu dem sechsten Thema: Natürlich kommen wir aus einer schwierigen Lage; das ist auch beschrieben worden. Wir brauchen eben in dieser Situation die mutigen und richtigen Entscheidungen für Prioritäten. Das bedeutet: Man kann nicht alles gleichzeitig machen. Wir brauchen die mutigen und richtigen Entscheidungen für die richtigen Systeme, und da ist es eben so: Fahrzeugpool im ÖPNV aufzubauen ist eine Entscheidung, an der ich übrigens entscheidend, glaube ich, mitgewirkt habe. Das ist schon revolutionär für Berlin.

Und dann ist es eben auch so: Zu den Prioritäten gehört dazu, auch den Schulbau zu machen und ihn so in Konstruktionen zu machen, dass wir dadurch die Baukapazitäten steigern – was wir ja gemacht haben. Das wollen ja einige von Ihnen nicht; das kriegen wir aber so hin.

Es ist richtig, dass wir langfristige und sektorbezogene Konzepte für die einzelnen Bereiche auflegen und auch wissen, dass wir da 10 bis 15 Jahre brauchen in den Hochschulen – das ist auch erwähnt worden – und in

anderen Teilen. Aber das machen wir. Dass wir den Bauunterhalt systematisch auf 1,2 Prozent pro Jahr ausweiten und in stark genutzten Gebäuden wie Schulen auf 1,32 Prozent, kriegen wir mit dem Haushaltsentwurf, der demnächst vorgelegt wird, wahrscheinlich für alle Bereiche im Land hin.

Für eine wachsende Stadt bedeutet das eben, dass wir diesen Weg mit prioritären Entscheidungen gehen müssen. Denn zu sagen, wir träumen von einer Stadt von fünf Millionen, richten uns darauf ein und stellen nachher fest, wenn das alles so nicht kommt, dann haben wir leider die Stadt finanziell ruiniert. – Das gab es einmal nach der Wende in Berlin, und das werden Sie mit diesem Senat nicht erleben.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Siebentens: Was haben wir getan? – Seit Anfang 2014 – da war übrigens noch die CDU daran beteiligt – war der Wendepunkt, wo wir versucht haben, die Investitionsmittel zu erhöhen, und wo wir es auch hingekriegt haben. Seitdem haben wir die Investitionsmittel deutlich im Prinzip sowohl bei den landeseigenen Unternehmen wie beim Land selber um etwa 70, 75 Prozent erhöht. Das heißt, wir investieren jetzt pro Jahr, wenn man den Haushalt und die landesweiten Unternehmen zusammenzählt, 4,6 Milliarden. Das soll weiter steigen, und wir haben jetzt die Situation, dass das bei unserem regionalen Bruttoinlandsprodukt 3,16 Prozent ausmacht – der Bundesdurchschnitt liegt nach den Zahlen bei 2,5 Prozent. Das heißt, die Zeiten, in denen man hier versuchen kann, relativ billig den Applaus dafür zu ernten, indem man sagt, das ist alles zu wenig, sind vorbei, und vielleicht kommt das auch einmal bei Ihnen an.

Der Landeshaushalt ist also geronnene Politik in Zahlen, und natürlich geht es dabei um das Leitbild „Konsolidieren und Investieren.“ Bei den Investitionen gibt es diese Fortschritte, und diese Fortschritte sind auch da und sind auch sichtbar. Dass wir noch immer einen Schuldenberg von 57 Milliarden haben und wir damit auch in Zeiten niedriger Zinsen umgehen müssen, blockiert, dass Ausgabenmittel frei sind, die wir vielleicht sonst anders einsetzen sollten. Das zeigt eben nur, dass das schwieriger ist, zeigt aber nicht, dass das unmöglich ist. Und wir haben eben gezeigt – gerade diese Koalition hat gezeigt – , dass wir mit intelligenter Kreditaufnahme in bestimmten Sektoren den Investitionshebel des Landes vergrößert und damit auch erfolgreich versucht haben, das Investieren weiter nach vorne zu schieben.

Es ist wichtig, dass wir uns dabei klarmachen, wo wir denn nun mit diesen Schwerpunkten sind, und ich habe ja gesagt, dass das Thema immer ist, dass wir 10 bis 15 Jahren bei Programmen brauchen. Sie stellen es so dar, als sei da überhaupt nichts passiert und wir da völlig am Anfang seien. Ich nehme jetzt einmal ein Beispiel aus einem ganz anderen Sektor: Seit 2011 sind ca. 60 000

(Senator Dr. Matthias Kollatz)

Kitaplätze in Berlin geschaffen worden. Natürlich und mit Recht kann man darüber reden, dass es besser wäre, dass wir da noch ein paar Tausend drauflegen; da sind wir auch dran. Aber dass das seit 2011 stattgefunden hat und dass das die erste wichtige Investitionsentscheidung für eine wachsende Stadt war – in einer Stadt, in der im Jahr 2009 noch mit öffentlichen Mitteln Wohnungen abgerissen worden sind –, zeigt doch, dass das ein sinnvoller politischer Wechsel war. Wer das nicht wahrhaben will, macht das wider besseres Wissen, und insofern freue ich mich da auf die Diskussion in den nächsten Monaten und Jahren.

Es ist dann das Thema angesprochen worden, dass die Brücken völlig vernachlässigt wären: Da ist es so, dass wir die Investitionsausgaben um 64 Millionen erhöht haben; wir haben dort jetzt insgesamt 170 Millionen zur Verfügung. Auch da kann man sagen, man kann noch mehr machen. Das versuchen wir auch; wir versuchen, dazu noch die GRW-Mittel einzusetzen. Insofern ist es so, dass wir da einen Investitionsaufwuchs von mehr als einem Drittel haben.

Wir haben die Situation, dass es gelungen ist, in den großen Krankenhäusern – die auch Leuchttürme für Berlin und für den so wichtigen Gesundheitssektor sind, der neben dem Hauptstadtcluster, glaube ich, der zweitwichtigste Wirtschaftssektor der gesamten Stadt ist – zu erreichen, dass die Investitionen die Abschreibungen deutlich übersteigen. – Das passt nicht in das Bild, das Sie stellen, ist aber schlichtweg die Wahrheit.

Und natürlich ist es so – und dazu gehört ein Stück weit Mut –, dass wir in den Kampf gegen die Klimakatastrophe mit solchen Themen wie dem Stadtwerk investieren –

[Georg Pazderski (AfD): Wo ist denn hier eine Klimakatastrophe?]

und auch mit modernen und anderen Verkehrsinfrastrukturen, die durchaus aus dem Fahrradthema mehr machen wollen, als wir in der Vergangenheit gemacht haben. … Wer der Auffassung ist und versucht, das so zu stellen, dass wir keine Straßenbahnen bauen sollten, sondern stattdessen U-Bahnen, hat das nicht verstanden. Wir müssen beides machen, und wer in andere Metropolen schaut, weiß das auch. Was findet denn in Barcelona statt? – Natürlich auch ein großer Ausbau von Straßenbahnen. Und dass es richtig ist, bei Straßenbahnen insbesondere einen deutlichen Schritt nach vorne zu tun, zeigt die Berliner Situation exemplarisch. Es ist im Übrigen auch richtig, weil wir tatsächlich eine Kostensituation haben, dass wir Straßenbahnen ungefähr in der Größenordnung von 10 bis 15 Prozent pro Kilometer herstellen können im Verhältnis zur U-Bahn.

Also, die solidarische Stadt wird durch das Jahrzehnt der Investitionen stark gemacht. Der Trumpf, den wir hierbei

ausspielen können, liegt in der Gestaltungsmacht über die Investitionen, die wir durchaus in den Diskussionen auch hier im Haus bei den öffentlichen Investitionen haben. Und da geht es um eine neuerrungene Rolle, dass die Hoffnungen tatsächlich auf die öffentlichen Investitionen gesetzt werden. Und im Unterschied zu dem, was die Opposition hier gesagt hat, sind wir in Berlin mit diesem Jahrzehnt der Investitionen, das wir ausgerufen haben, bei den Investitionen nicht mehr hintendran, sondern wir sind bei den umgesetzten Investitionen bereits überdurchschnittlich. Das heißt, es bietet uns die Chance, eine wachsende Stadt für alle zu bilden, in der alle einen Platz haben, die Offenheit der Stadt zu erhalten und den Wandel und dabei auch gerade den Wandel vor den ökologischen Herausforderungen zu gestalten. – Ich danke!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit hat die Aktuelle Stunde für heute ihre Erledigung gefunden.

Ich komme zur