Protocol of the Session on May 9, 2019

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Mal wieder die AfD mit einem SurfbrettchenAntrag. Da kommt ein Thema um die Ecke, da wird das Surfbrett aus dem Täschchen geholt, auf die Welle geworfen, und dann versucht man, darauf zu landen. – Guten Morgen! Dieses Thema beraten wir seit vielen, vielen Jahren, diskutieren wir seit vielen Jahren auch in diesem Haus. Schön, dass die AfD-Fraktion da jetzt irgendwie aufwacht. Aber eigentlich brauchen wir sie nicht zur Debatte – Punkt 1.

Punkt 2: Wenn ich mir anschaue, was passiert denn im Bundestag vonseiten der AfD? Es ist darauf hingewiesen worden, dass es ein Bundesgesetz ist, über das wir hier reden. Was passiert im Landtag von NordrheinWestfalen? – Nun, im Bundestag finden Sie, wenn Sie da mal nach den Drucksachen gucken, die Drucksache 19/6815, das ist die Beratung des Antrags meiner Fraktion im Bundestag, den Hauptstadtumzug fertigzumachen und tatsächlich alle Regierungsinstitutionen in Berlin

(Frank Zimmermann)

anzusiedeln. Da gab die AfD zu Protokoll, ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin,

dass die Reisekosten in Höhe von 8 Millionen Euro pro Jahr im Vergleich zu den Kosten eines Komplettumzugs gering seien. Allein die Bereitstellung der notwendigen Bürogebäude in Berlin würde viel höhere Kosten erfordern, und im Moment sei die Situation am Wohnungsmarkt angespannt. Man müsse auch daran denken, dass neben den Mitarbeitern auch deren Familien mitziehen würden.

Zitat Ende – und hat dem Antrag nicht zugestimmt.

Jetzt kommen Sie hier um die Ecke, stellen einen Antrag, und man kann nur sagen: Der ist mit heißer Nadel gestrickt. Er ist unglaubwürdig, und deshalb werden wir ihn ablehnen. – Im Übrigen bin ich der Auffassung, dass die Fraktion hier rechts außen zur Erhellung der dunklen Finanzquellen ihrer Partei beitragen sollte. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Frank Zimmermann (SPD) – Frank-Christian Hansel (AfD): Armselig! So armselig heute!]

Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Förster das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat haben meine Vorredner eigentlich schon alles zu dieser Debatte gesagt. Es ist merkwürdig, mit welchen Themen wir uns hier beschäftigen müssen. Denn es ist doch nun wirklich für uns Berlinerinnen und Berliner eine Selbstverständlichkeit, dass wir auch die Vollendung der Bundeshauptstadt in Berlin sehen und damit auch den Reisetourismus nach Bonn irgendwann aus der Welt geschafft wissen wollen. Das kann doch gar nicht in Frage stehen, ich glaube, da sind wir uns alle einig.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Gleichwohl, auch das gehört zur Wahrheit dazu: Wir kritisieren ja oftmals, dass das Land Berlin und der Senat eher zu viele als zu wenige Bundesratsinitiativen startet, und hier kann man auch nur eine starten, wenn man denn eine Aussicht auf Erfolg hätte. Es macht ja gar keinen Sinn, dass wir hier ins Leere laufen würden.

[Beifall bei der FDP]

Und das wird auch nicht an der Vorbereitung des Senats scheitern oder daran, wie gut oder schlecht die Vorlage ist, sondern insbesondere daran, dass es Partikularinteressen von großen Ländern wie Nordrhein-Westfalen gibt,

die quer durch alle Bundestagsfraktionen einen enormen Einfluss ausüben und auf der Bremse stehen, benachbarte Länder aber auch, z. B. Rheinland-Pfalz, weil man eben auch von Mainz schneller in Bonn ist als in Berlin. Auch das gehört mit zur Wahrheit dazu. Und das ist eben nicht so schwarz oder weiß, wie es die AfD darstellen will. Es gibt, das kann ich für die FDP sagen, permanent Bemühungen der Bundestagsabgeordneten, auf dem Bundesparteitag o. Ä., das entsprechend endgültig zu regeln. Wir wissen auch: Bonn als Bundesstadt geht es heute besser denn je. Es sind zahlreiche internationale Einrichtungen, UN-Einrichtungen dort. Die Einwohnerzahl ist gestiegen. Die Arbeitslosigkeit ist gering. Also, Bonn hat vom Strukturwandel durchaus profitiert. Es ist nichts Negatives entstanden. Bonn könnte guten Gewissens und voller Stolz auf die historische Tradition loslassen, und könnte sagen: Berlin, übernimm vollständig! Das ist gar keine Frage.

[Beifall bei der FDP]

Wir brauchen dann auch keine Hinweise von Armin Laschet, dass in Berlin ja alles überhitzt sei, dass das sozusagen ganz schlimm wäre, wenn wir nach Berlin umziehen würden. In dem Fall war wahrscheinlich Herr Laschet überhitzt. Wir können versichern, dass die Leute in Berlin durchaus willkommen wären und hier auch Platz und Verwendung finden würden.

Ansonsten muss man noch mal darauf hinweisen, dass wir insbesondere mit dem Reisezirkus ganz andere Probleme haben, die aber die AfD gar nicht anspricht. Anstatt z. B. Videokonferenzen u. Ä. zu nutzen, reisen ja jeden Tag Tausende Beamte hin und her. Allein, das hatten die Grünen mal kritisiert, meines Erachtens zu Recht, die Flugbereitschaft der Bundeswehr hat 800 Leerflüge im Jahr – was für ein ökologischer und klimapolitischer Unsinn, alleine dieser Reisezirkus an der Stelle. Das sei auch mal erwähnt.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Insofern bedarf es des Antrags der AfD nicht. Wir sollten weiterhin beharrlich in unseren Parteien dafür werben, dass der Regierungsumzug vollendet wird. Berlin bietet die Voraussetzungen dafür. Aber wir können es nicht mit der Brechstange über den Bundesrat bewerkstelligen, sondern sollten schon realistisch sein und sagen, wir müssen da um Mehrheiten werben. Die Zeit läuft in unsere Richtung und spricht auch für die Argumente, die ich gerade vorgetragen habe. Aber ansonsten ist das hier mal wieder AfD-Aktionismus, der uns in der Sache nicht weiterbringt. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

(Carsten Schatz)

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Grüne hat der Kollege Otto das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin ist schon ganz schön weit gekommen. Ich finde, das kann man hier auch nicht schlechtreden oder zu sehr kritisieren. Wenn man sich einmal anschaut, so steht in dem Bonn-Berlin-Gesetz: Der größte Teil der Ministerien bzw. der Beschäftigten soll in Bonn bleiben. Das ist nicht mehr so. Es sind zwei Drittel in Berlin, das heißt, die Zeit hat Berlin hier geholfen, und die Zeit hat auch der Bundesregierung geholfen, die offensichtlich festgestellt hat, dass es schlauer ist, die Ministerien an einem Standort zu konzentrieren. Dem kann man nur zustimmen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Burkard Dregger (CDU)]

Es ist so, dass wir uns hier, wie ich finde, ein bisschen zurückhalten sollen, die Organisationsform der Bundesregierung zu kritisieren, zu besprechen oder ihnen Ratschläge geben zu wollen. Wir haben hier eine Debatte über Regionalpolitik, über Strukturpolitik. Wir würden uns freuen, wenn sie alle hier wären, weil die Ministerialen auch Steuern bezahlen, weil es auch Leute sind, die hier vielleicht unsere Gemeinschaft, unsere Stadtbevölkerung bereichern können. Das ist alles richtig. Aber wie die Bundesregierung arbeitet, das muss man denen selbst überlassen. Da sollten wir als Landesparlament nicht an dieser Ecke ansetzen. Wir sollten vielmehr sagen, dass wir als Berlin bereit sind, dass die Bundesregierung ihre Ministerien hier vollständig ansiedelt.

Aber, ich glaube das greift auch zu kurz, wenn wir hier immer nur als Berlin reden. In dem Gesetz sind zum Beispiel extra auch Berlin und Brandenburg erwähnt, also die Region. Wir müssen auch bei diesen regionalpolitischen Erwägungen über die Stadt hinausgucken. BerlinBrandenburg ist die Hauptstadtregion. Das vergessen wir vielleicht manchmal an der Stelle. Es geht noch weiter. Wenn wir feststellen, dazu gibt es aktuelle Zahlen, dass ungefähr nur zehn Prozent der Bundeseinrichtungen in den ostdeutschen Ländern angesiedelt wurden, sieht man, dass es ein ostdeutsches Thema ist. Es ist ein Thema, wie die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland über die Länder insgesamt verteilt sind, insbesondere über die ostdeutschen Länder. Ich und unsere Fraktion schauen immer deutlich über die Stadtgrenzen von Berlin hinaus. Wir schauen nach Brandenburg, aber auch auf alle Ostländer, weil das wichtig ist, gerade im 30. Jahr nach der friedlichen Revolution.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wenn man auf die schaut, ist natürlich einiges zu bemerken und zu überlegen, zu kritisieren, was sich in dem großen Rahmen noch ändern muss. Genau in diesem Rahmen muss auch diese Frage gestellt werden, wie viel Bundesregierung nach Berlin und wie viel nach Brandenburg in den nächsten Jahren kommen soll. Dann ist die Frage, wie man dahin kommen soll, wenn man das möchte.

Es ist der falsche Weg, hier einen Antrag in das Parlament, in das Abgeordnetenhaus von Berlin, einzubringen und hineinzuschreiben, dass am 31.12.2024 alles erledigt sein soll. Wenn der Regierende Bürgermeister mit diesem Antrag oder Beschluss in den Bundesrat käme, würden alle ein wenig lächeln und sagen: Aha, dann mach doch mal, Herr Müller! Versuche es doch einmal! – Wenn Sie wissen, dass das Land Nordrhein-Westfalen von der Bevölkerungszahl her das größte Bundesland der Bundesrepublik ist, dann müssen Sie auch mit denen sprechen. Das heißt, wenn man sich mit anderen darüber unterhalten will, von denen man etwas haben möchte, dann kommt es auf Diplomatie an. Das ist vielleicht nicht Sache der AfD. Als Bündnis 90/Die Grünen wissen wir das aber. Die Koalition weiß das auch. Es kommt auf Diplomatie an. Da sind wir sehr optimistisch. Ich habe auch gar keinen Anlass zu der Annahme, dass der Senat, der jetzige, und selbst die davor, nicht auch schon an dieser diplomatischen Frage gearbeitet haben.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wir setzen hier auf den Senat. Die Wirtschaftssenatorin hat sich jüngst dazu erklärt in der Presse, in der Öffentlichkeit. Ich glaube, dass das der Weg ist. Ob wir das hier mit einem Antrag flankieren sollten, darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein. Das ist nicht ausgeschlossen, man kann es machen. Dass es mit diesem Antrag einen guten Fortgang nehmen könnte, das halte ich für ausgeschlossen und hält unsere Fraktion für ausgeschlossen. Deshalb würden wir den nicht annehmen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Europa und Bundesangelegenheiten, Medien sowie an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch hierzu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.5:

Priorität der Fraktion der FDP

Tagesordnungspunkt 10

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges bei der Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Landes Berlin (UZwG Bln)

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/1855

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung des Gesetzesantrages. In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP und jeder Kollege Luthe. – Bitte schön!

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Warum ist dieses Gesetz erforderlich und warum ist es uns wichtig, dass wir es zur Priorität unserer Fraktion gemacht haben? – Wegen Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes: Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden.

[Beifall bei der FDP]

Am 24. März dieses Jahres verkündete der Innensenator gemeinsam mit der Polizeipräsidentin stolz den Erfolg der größten Übung in Vorbereitung einer Terrorlage im Land Berlin seit vielen Jahren. Diese Übung in Steglitz sollte dann ausgewertet werden. Wir sollten und wollten daraus entwickeln, was denn notwendig ist, damit wir solche Lagen besser bewerkstelligen können. Ich will es Ihnen sagen, was notwendig ist einer solchen Lage, bei einer Geiselnahme, einer Terrorsituation, wie wir sie beispielsweise im Übrigen auch bei unseren französischen Freunden in Paris im Bataclan erlebt haben. In einer solchen Situation brauchen Sie eine saubere rechtliche Grundlage, um tatsächlich auch als Polizeibeamter tödliche Gewalt anwenden zu können, wenn Sie nicht unmittelbar selbst bedroht sind oder unmittelbar eine Bedrohung für einen Dritten vorliegt. Diese gesetzliche Grundlage fehlt bis zum heutigen Tag.

Wir müssen alle notwendigen Grundlagen für einen solchen Einsatz schaffen. Dazu gehört neben dem Personal und der Ausstattung eben auch die eindeutige Rechtsgrundlage. Ein Eingriff in das durch das Grundgesetz gewährleistete Grundrecht auf Leben steht immer unter dem Gesetzesvorbehalt. Das einschränkende Gesetz muss unter dem Kontext der Menschenwürde stets eindeutig sein. All das sind Voraussetzungen, die wir erfüllen müssen, um in das Grundrecht auf Leben eingreifen zu dürfen.

Das Grundrecht auf Leben funktioniert aber auch in beide Richtungen. Dem Staat ist es zwar einerseits untersagt, in dieses Lebensgrundrecht und damit in die Menschenwürde durch eigene Maßnahmen einzugreifen, wenn es nicht klar gesetzlich geregelt ist. Der Staat ist aber auch gehalten, jedes menschliche Leben zu schützen. Daher muss sich der Staat mit all seinen Organen schützend vor das Leben eines jeden einzelnen stellen. Staatliche Aufgabe ist es, alle Grundrechtsträger gleichermaßen zu schützen und dafür mit all seinen Organen, auch durch die Polizei zu sorgen.

[Beifall bei der FDP]

Genau dieser Aufgabe wird dieser Senat in vielen Bereichen leider nicht gerecht. Wenn wir einen Blick auf die polizeiliche Kriminalstatistik, die jüngste im Jahr 2018 werfen, stellen wir fest, dass entgegen der Kurzform, die der Innensenator daraus gemacht hat, Berlin nicht sicherer geworden ist, im Gegenteil. Die Zahl der sogenannten Opferdelikte, also die messbare Zahl der Opfer von Gewalt und Sexualdelikten in dieser Stadt, ist erneut um knapp 3 000 Fälle auf 81 263 Fälle, also um drei Prozent gestiegen. Einmal mehr ist Berlin unsicherer geworden.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Jedes Opfer einer Straftat muss danach damit leben, dass es der Staat nicht wirksam schützen konnte. Genau deswegen ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Staat in der Lage ist, alle Maßnahmen, die innenpolitisch möglich sind, zu ergreifen, um menschliches Leben zu schützen und auch die Bürger unserer Stadt zu schützen. Das erfordert eine gesetzliche Grundlage für den finalen Rettungsschuss.