Protocol of the Session on January 12, 2017

[Beifall bei der CDU und der AfD]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Zimmermann das Wort. – Bitte schön!

Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dregger! Wenn Sie sagen, wenn wir Videoüberwachung am Breitscheidplatz gehabt hätten, wären wir bei der Terrorbekämpfung besser gewesen, dann will ich Sie daran erinnern, dass wir alle gemeinsam der Auffassung sind, dass wir im Vorfeld zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung Maßnahmen brauchen, um Terroranschläge zu verhindern, und nicht, sie stattfinden zu lassen und hinterher aufzuzeichnen. Das ist, glaube ich, das vorrangige Ziel, das wir gemeinsam haben müssen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir eine bessere Vernetzung von Datenbeständen, wir brauchen einen Austausch in der Kommunikation zwischen Bund, Ländern und dem Schengen-Raum, wir brauchen Präsenz der Polizei vor Ort, wir brauchen Maßnahmen, um präventiv und vorbeugend die Sicherheit zu erhöhen, und dann kann man ergänzend und flankierend auch über weitere Maßnahmen nachdenken. Aber so, wie Sie es darstellen, als sei das eine Conditio sine qua non, also die Voraussetzung, dass man Terror überhaupt wirksam bekämpfen könne, ist es absurd, Herr Dregger.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Marcel Luthe (FDP)]

Dass wir keine Rechtsgrundlage am Ende der letzten Wahlperiode bekommen haben, liegt ausschließlich und allein daran, dass Ihr Innensenator eine solche Vorlage viel zu spät in den Senat eingebracht hat, sie folglich viel zu spät in das Parlament gekommen ist und es aus Geschäftsordnungsgründen gar keine Chance mehr gegeben hat, sie vernünftig unter Einhaltung der Geschäftsordnung zu beschließen. Das war der Grund, warum es damals nicht zustande gekommen ist. Das war Ihr Fehler, nicht unserer.

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN]

Kommen wir aber zu dem Thema Videoüberwachung, bevor wir zu den anderen schrägen Aussagen von Ihnen, Herr Dregger, kommen. Wir haben ja noch einen Tagesordnungspunkt zum Thema Abschiebung – Verfassungsschutz solle abgebaut werden, Abschiebung solle nicht stattfinden und diese Märchen. Ich weiß nicht, wo Sie das gelesen haben, aber ich habe jetzt nicht die Zeit, das zu korrigieren. Das machen wir in der übernächsten Rederunde. Ich komme zum Thema Videoüberwachung. Videoüberwachung auf neuralgischen Plätzen in der Stadt

ist unter bestimmten Voraussetzungen nach geltendem Recht sogar möglich.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Natürlich!]

Es kann als zusätzliches Instrument zur Verbrechensbekämpfung unter bestimmten Voraussetzungen eingesetzt werden, und genau das ist das Ergebnis der Klausur des Senats und auch des Sicherheitspakets der Koalition, dass der Senat gemeinsam mit der Polizei in Überlegungen eintritt, wo wir dieses Instrument zusätzlich einsetzen können. Wir haben uns darüber verständigt, dass wir es tatsächlich erweitert nutzen wollen. Dazu gibt es eine Vereinbarung, und das werden wir im Rahmen des geltenden Rechts, so wie das möglich ist, prüfen und dann auch einsetzen.

Ich plädiere für eine weite Auslegung des ASOG. Ich plädiere vor allen Dingen dafür, dass wir das, was der Bund macht, nicht missachten. Der Bund hat im Bundeskabinett beschlossen – es kommt nun in den Bundestag –, für seinen Bereich im Bundesdatenschutzrecht eine leicht veränderte Rechtsgüterabwägung vorzunehmen. An dem einen Punkt, Herr Dregger, würde ich Ihnen sogar zustimmen, dass man aufgrund von aktuellen Entwicklungen auch in der Lage sein muss, Rechtsgüter ein Stück neu zu justieren. Das tut der Bund für sein Datenschutzrecht. Das bedeutet, dass es, wenn es denn in Kraft tritt, auch für Berlin auf Plätzen für private Veranstaltungen gelten wird, und es bedeutet eine etwas stärker gewichtete Bedeutung der Integrität, der körperlichen Unversehrtheit gegenüber der informationellen Selbstbestimmung. Es wäre sehr hilfreich, wenn Bund und Länder zu einer ähnlichen bis vergleichbaren, am liebsten gleichen Rechtsgüterabwägung kämen, denn es ist schwer einsehbar, dass man auf Bundesrecht zu der einen und aufgrund des Landesrechts zu einer anderen Schlussfolgerung kommt. Auch deshalb hat der Senat jetzt beschlossen, dass wir für diese neuralgischen Plätze, dann, wenn dort Veranstaltungen oder größere Ereignisse stattfinden, das ermöglichen wollen, weil wir dem Schutz der körperlichen Integrität eine etwas größere Bedeutung beimessen. Lassen Sie uns also bitte nicht mit gegenseitigen Schuldzuweisungen, warum dies und jenes nicht gehe, reagieren, sondern schauen, wie wir ein Höchstmaß an Sicherheit durch verschiedene Maßnahmen erreichen!

Wer hier die bessere Sicherheitspolitik insgesamt macht, Herr Dregger, das ist noch sehr die Frage – d. h. für mich ist es nicht die Frage, die werden wir machen.

[Lachen bei der AfD]

Ich kann Ihnen aber auch etwas zeigen, was das untermauert. Sie sagen – und auch Herr Graf hat es heute Vormittag gesagt –, wir hätten eine verfehlte Sicherheitspolitik in unserer Konzeption im Koalitionsvertrag.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Wenn man sich die langfristige Kriminalitätsentwicklung von 1997 bis jetzt anschaut – wer war verantwortlich? –

CDU, SPD, CDU! –, dann ist die Kriminalität in zehn Jahren Rot-Rot kontinuierlich gesunken.

[Zurufe von Marcel Luthe (FDP) und Karsten Woldeit (AfD)]

In der Zeit danach, unter der Verantwortung eines CDUSenators, ist sie wieder kontinuierlich gestiegen. So viel zu der grundsätzlichen Frage von Kapazität und Kompetenz in Sicherheitsfragen. Es spricht nicht unbedingt alles von vornherein für Sie, Herr Dregger. Lassen Sie uns konstruktiv Sicherheitspolitik betreiben! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Kollege Vallendar das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Terroranschlag am Breitscheidplatz kommt nun auch wieder das Thema der Videoüberwachung auf die politische Agenda. Bedauerlich, dass die Politik immer erst dann zum Handeln bereit scheint, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, wie man auch im Nachgang zum Terroranschlag gesehen hat, wo auf einmal sämtliche Weihnachtsmärkte mit Betonpollern gesichert wurden, obwohl dem vergangenen Senat spätestens seit Nizza die Gefahr dessen längst bekannt gewesen sein musste. Man kann nur mutmaßen, warum die politisch Verantwortlichen nicht gehandelt haben. Vielleicht scheuten sie die Kosten? Vielleicht wollte man die Bevölkerung ganz nach de Maizières Maxime nicht verunsichern? – Wir wissen es nicht. Vorausschauende, weitsichtige Politik sieht wahrlich anders aus, und derartige Versäumnisse der Politik können manchmal sogar tödliche Folgen haben.

Nichtsdestotrotz ist der Ansatz der CDU-Fraktion, nunmehr Videoüberwachung zu fordern, notwendig und richtig. Die AfD-Fraktion wird daher diesen Gesetzentwurf dem Grunde nach, mit einigen Änderungsvorschlägen, unterstützen.

Warum ist die Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen zwingend geboten, und zwar auch die feste Videoüberwachung, nicht nur die vorübergehende? – Lassen wir den Anschlag am Breitscheidplatz kurz Revue passieren. Der zu diesem Zeitpunkt nicht bekannte Attentäter Anis Amri steuerte einen Lkw in eine Menschenmenge und konnte danach sogar entkommen, weil keine Polizei in der Nähe war, die den Täter neutralisieren konnte. Unmittelbar nach dem Anschlag fragte die Polizei die Berliner Bevölkerung nach Videoaufnahmen und Fotos – nach privaten –, mit völlig unklarem Ausgang, ob derartige

Aufnahmen überhaupt existierten bzw. der Täter darauf zu erkennen war.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Das gehört zu den normalen Fahndungsmaßnahmen!]

Zunächst erwischte die Polizei sogar den falschen Tatverdächtigen. Gehen wir einmal davon aus, dass der Attentäter Anis Amri seinen Pass nicht zufälligerweise im Führerhaus hinterlegt hätte: Die Polizei hätte demnach keine Ahnung gehabt, wer der Fahrer des Lkw gewesen ist. Bis Fingerabdrücke und DNA-Spuren ausgewertet gewesen wären, wären mehrere Tage vergangen. Dem Täter wäre womöglich eine Flucht über Italien hinaus noch gelungen; das ist mehr als nur wahrscheinlich. Fassen wir also zusammen: Weil der Platz nicht videoüberwacht war, konnte keine unmittelbare Fahndung ausgeschrieben werden. Wertvolle Stunden vergingen.

Aber selbst eine Videoüberwachung hilft einem nicht, wenn man von den Grünen regiert wird.

[Beifall und Lachen bei der AfD – Zuruf von Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Der grüne Justizsenator von Hamburg, Till Steffen, verhinderte zwölf Stunden lang die Öffentlichkeitsfahndung nach Anis Amri.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Das stimmt nicht!]

Man würde meinen, dafür müsse er wirklich gute und fundierte Gründe gehabt haben. Hatte er nicht! Er verhinderte die Fahndung, weil er Hasskommentare auf Facebook fürchtete. Nein, das ist keine Satire! Hier haben wir ein Paradebeispiel dafür, wie verblendete grüne Ideologie aktiv und vorsätzlich die Fahndung nach einem Terroristen sabotierte.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Roman Simon (CDU) – Zurufe von Dr. Wolfgang Albers (LINKE) und Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Grüne und Linke haben ein verqueres Verhältnis zur Polizei und zur inneren Sicherheit, das von einem grundsätzlichen Misstrauen geprägt ist. Das sieht man nicht nur an der Nafri-Debatte der Bundesvorsitzenden der Grünen, das zeigt auch die Aussage des Kollegen Lederer zur Videoüberwachung – Zitat:

Wir wollen nicht für die Propaganda von Terroristen die TV-Infrastruktur zur Verfügung stellen.

[Beifall von Anne Helm (LINKE)]

Dieser Satz ist genauso naiv wie gefährlich.

[Zuruf von Carsten Schatz (LINKE)]

Er zeugt davon, dass der Kollege Lederer keine Ahnung hat. Moderne Videotechnik mit Gesichtserkennung hätte den Täter identifiziert, und, als er vor der Kamera am Bahnhof Zoo posierte, sofort die Einsatzkräfte alarmiert. Anis Amri hätte die Stadt nicht mehr verlassen können.

(Frank Zimmermann)

[Beifall bei der AfD – Stefan Franz Kerker (AfD): Bravo!]

Nicht die Videoüberwachung hilft der Propaganda von Terroristen, sondern Ihre Aussage, Herr Lederer, denn jeder Terrorist lacht über derartige Politiker, die die Videoüberwachung in dem Fall ernsthaft ablehnen.

Die einzige Partei, welche Ansätze von Vernunft in der Debatte erkennen ließ, war die SPD.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Doch diese lässt sich nun wie ein Esel vor den Karren der Grünen und der Linken spannen

[Heiterkeit von Holger Krestel (FDP)]

und verwässert die ohnehin mageren Pläne des Innensenators zur Videoüberwachung weiter.

Bürgermeister Müller ist nicht da. – Sehr geehrter Innensenator Geisel! Sehr geehrter Kollege Zimmermann! Verehrte SPD! Ich kann Ihnen verzeihen, wenn Sie sich von dieser Chaosgruppe links von Ihnen

[Carsten Schatz (LINKE): Das sind zwei! – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]