Protocol of the Session on March 7, 2019

Im Land Berlin gelten seit Langem Nutzungsbeschränkungen für Pestizide und Ausnahmegenehmigungsverfahren. Das Pflanzenschutzamt Berlin tut seine Arbeit, hat ein klar umrissenes Aufgabengebiet und stellt bereits regelmäßig Informationsmaterial für die Bevölkerung und die Verwaltung im Land Berlin bereit. Die Frage ist: Kommt es wirklich überall an? Nimmt es jeder schon wahr?

Mit unserem Koalitionsantrag „Berlin wird pestizidfrei“ fordern wir weitere Maßnahmen. Ob wir weitere Instru

mente wie z. B. die Verordnung zur Durchführung des Pflanzenschutzgesetzes im Land Berlin ändern und neue Gesetze aufstellen müssen, um ein pestizidfreies Berlin zu erreichen, werden wir anhand der im Antrag geforderten Berichte prüfen. Dort, wo im Land Berlin unmittelbar Einfluss genommen werden kann und durch die politische Ebene auch genommen wird, wird Berlin schneller pestizidfrei werden und deshalb auch unabhängig von den Entscheidungen des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, das die Zulassung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat bis zum Jahresende verlängert und einen halbherzigen Plan für den Glyphosatausstieg auf Bundesebene hat. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir heute handeln.

So gesehen ergreifen wir verantwortungsvolle Politik hier im Land für Menschen und Natur. Dafür danke ich erst mal besonders meinem Kollegen von der Fraktion der Grünen. Wir sehen hoffentlich in den Ausschüssen nachher noch weiter. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass wir gemeinsam auch mit dem einen oder anderen aus der Opposition das Gute vorantreiben, das hier auch notwendig ist. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Daniel Buchholz (SPD)]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Schmidt. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ganz offensichtlich sind wir uns ja einig, dass grundsätzlich gilt, dass Pestizide in diesem Land vermindert werden sollen. Das ist erst mal eine Feststellung, die alle Fraktionen betrifft, auch unsere.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Dr. Turgut Altug (GRÜNE)]

Man muss aber dann sagen, was man tatsächlich stattdessen will. Und man muss dann auch stärker die Anwendung differenzieren. Auf jeden Fall kann man eine vernünftige, durchdachte Umweltpolitik nicht nur nach dem Bauchgefühl machen, ich möchte das jedenfalls nicht tun.

Ein Beispiel für Umweltpolitik nach Bauchgefühl ist in diesem Antrag der ausführliche Exkurs zum Thema Glyphosat, den Frau Platta in ihre Rede aufgenommen hat, der Ihren Antrag letztlich auch entwertet. Wenn man sich in diesem Hause bei anderen Debatten – ich denke da an Klimawandel – immer wieder auf die ganz große Mehrheit der Wissenschaft bezieht, dann muss man auch in diesem Fall die ganz große Mehrheit der Wissenschaft anerkennen, und die sagt nun mal – ich zitiere Wikipedia mit Erlaubnis der Präsidentin –:

(Marion Platta)

Im Vergleich mit anderen Herbiziden weist Glyphosat … eine geringere Mobilität, eine kürzere Lebensdauer und eine niedrigere Toxizität … auf.

Was Sie da vertreten, ist also eine absolut obskure Minderheitsmeinung der Wissenschaft.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Wir reden hier aber über den Umgang mit Wildkräutern bzw. Unkraut auf Grünflächen und versiegelten Pflasterflächen in der Stadt, nicht in der Landwirtschaft. Da ist erst mal festzuhalten: Es gibt Stellen, an denen man Unkraut bekämpfen muss, nämlich da, wo es Pflasterung zerstört, wo es Risse in Gebäuden verursacht, wo es Bahngleise unsicher macht.

[Beifall bei der FDP]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Altug?

Ja, gerne!

Bitte, Dr. Altug, Sie haben das Wort!

Herr Kollege Schmidt! Wissen Sie, dass es mehrere Gerichtsverfahren in den USA gegen die Firma Bayer bezüglich Glyphosat gibt?

[Zuruf von Stefan Förster (FDP)]

Es gibt ein Gerichtsverfahren, das jetzt in mehreren Stufen ist, das weiß ich. Ich habe mich aber nicht auf Geschworenengerichte in Amerika bezogen, sondern auf den Stand der Wissenschaft. Für mich ist die Wissenschaft wichtiger als das, was sich freie Geschworene in Amerika so einfallen lassen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Danny Freymark (CDU)]

Ich hoffe, dass Sie dieses Thema, wenn Sie auch bei anderen Themen – – Wir haben die Debatte im Haus, wo Leute immer wieder Wissenschaft hinterfragen. Machen Sie sich an dieser Stelle nicht unglaubwürdig, denn das ruiniert Ihnen alle anderen Debatten!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Danny Freymark (CDU)]

Ich habe eben gesagt, man muss tatsächlich Wildkräuter, Unkraut, wie immer man es nennt, an manchen Stellen bekämpfen. Sie sagen im Antrag, für die Ausbringung von Chemie muss zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass mechanische und biologische Verfahren unmöglich anzuwenden sind. Sie wissen natürlich, das ist eine Hürde, die nie überschritten werden kann, weil man es einfach nicht beweisen kann, dass etwas völlig unmöglich ist. Sie wissen aber hoffentlich auch, dass chemische Verfahren manchmal doch das Mittel der Wahl mit der geringsten Umweltbeeinträchtigung sind und man es sich deshalb nicht so einfach machen kann. Statt chemische Verfahren grundsätzlich abzulehnen, sollte die konkrete Abwägung der einzelnen Umweltbeeinträchtigungen im konkreten Fall im Vordergrund stehen. Deshalb geht dieser sehr allgemeine Antrag fehl.

[Beifall bei der FDP]

Als Alternative benennen Sie z. B. mechanische Verfahren. Was heißt denn das? – Das händische Zupfen des Unkrauts, auch wenn das Herr Freymark angesprochen hat, ist da keine ernsthafte Alternative. Das ist eine körperlich anstrengende Niedriglohntätigkeit, für die wir nun hoffentlich nicht Hunderte von Menschen in dieser Stadt einsetzen wollen.

Dann nennen Sie thermische Verfahren. Ich erinnere mich, wir hatten in diesem Hause mal einen FDP-Fraktionsvorsitzenden, Dr. Martin Lindner, der hat hier vor dem Haus in der Niederkirchnerstraße mit dem Flammenwerfer das Unkraut abgeflammt. Wenn unser Martin Lindner gewusst hätte, dass er damit der Vorreiter umweltfreundlicher Unkrautbeseitigung nach Definition der Koalition ist, wäre er sicher sehr überrascht, aber auch da war die FDP mal wieder offensichtlich den anderen voraus.

[Heiterkeit und Beifall bei der FDP]

Wenn man über Pflanzenzerstörung spricht, Kollege Buchholz, Abflammgeräte, Infrarotgeräte mit bis zu 1 000 Grad, Heißdampf zum Verbrühen der Pflanzen, das sind auch nicht alles ganz besonders pflanzenschonende Verfahren.

[Paul Fresdorf (FDP): Ganz schön brutal!]

In dem Antrag fehlt aber vor allem eine allgemeinere Perspektive. Herr Dr. Altug hat zu Recht gesagt, dass es eigentlich um Insektenschutz und Artenschutz geht. Deshalb sollte man noch mal die Vogelperspektive einnehmen und sagen: Erst mal muss man überhaupt die Versiegelung von Boden zurückbauen; wo keine Pflasterung ist, gibt es auch keine Wildkräuter, die Pflasterung kaputt machen können. Wir müssen auch die Wildkräuter an den verschiedensten Stellen in der Stadt akzeptieren, sie wachsen, wie sie eben von Natur aus wachsen. Wir müssen akzeptieren, dass einzelne Wiesen und Grünstreifen im natürlichen Zustand bleiben. Wir brauchen mehr Dachbegrünung, um die Wildkräuterflächen zu vermehren. Wir müssen insgesamt mehr Wildkräuter zulassen,

denn das ist der eigentliche Hebel, damit mehr Artenschutz passiert und sich die Artenvielfalt wieder erhöht.

Wo trotzdem noch Unkraut bekämpft werden muss, ist es sinnvoll, dann sehr lokal nach selektiven Kriterien Maßnahmen anzuwenden und zu priorisieren, z. B. nach ihrem ökologischen Fußabdruck. Es kann manchmal auch sinnvoll sein, punktuell doch Chemie anzuwenden.

[Beifall bei der FDP]

Das Grundanliegen des Antrags, weniger Pestizide insgesamt, weniger Wildkräuterbekämpfung insgesamt, ist richtig, aber ich finde den Antrag zu schmalspurig, zu sehr aus dem Bauch heraus, zu wenig auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauend, zu wenig differenziert.

[Zuruf von Dr. Turgut Altug (GRÜNE)]

Deshalb ist er in dieser Form noch nicht zielführend. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz und mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Betriebe. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4:

Berliner Gesetz für den Übergangszeitraum nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Berliner BrexitÜbergangsgesetz – BerlBrexitÜG)

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien vom 20. Februar 2019 Drucksache 18/1680

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/1518

Zweite Lesung

Ich eröffne die zweite Lesung der Gesetzesvorlage. Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung und die Paragrafen 1 bis 3 der Gesetzesvorlage und schlage vor, die Beratung der Einzelbestimmungen miteinander zu verbinden. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Eine Beratung ist nicht vorgesehen.

Der Fachausschuss empfiehlt einstimmig – bei Enthaltung der AfD-Fraktion – die Annahme der Gesetzesvorlage. Wer der Gesetzesvorlage Drucksache 18/1518 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die CDU, die FDP.

Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Das sind die AfD-Fraktion und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist dieses Gesetz beschlossen.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, darf ich auf der Besuchertribüne Gäste aus dem größten kommunalen Parlament der Schweiz begrüßen. Es handelt sich um eine Delegation des Gemeinderats der Stadt Zürich unter Leitung des Präsidenten des Gemeinderats, Herr Martin Bürki. – Herzlich willkommen im Abgeordnetenhaus von Berlin!