Protocol of the Session on March 7, 2019

(Frank-Christian Hansel)

[Beifall von Emine Demirbüken-Wegner (CDU)]

Die Integrationslotsinnen und Integrationslotsen und die Stadtteilmütter öffnen Wege in diese Gesellschaft, in die Schule, in die Kita, in die Behörden, in die Erwerbsarbeit, in das Gesundheitssystem. Sie sind sozusagen die Mittlerinnen und Mittler zwischen Mehrheits- und Minderheitsbevölkerung.

Es ist keine besonders neue Erkenntnis, dass Integration kein einseitiger Prozess ist, in dem sich die einen den anderen anpassen, sondern Integration ist ein Prozess, der die gesamte Gesellschaft umfasst. Integration verlangt auch, dass sich die Mehrheitsgesellschaft verändert, damit so etwas wie gemeinsame Weiterentwicklung der Gesellschaft möglich ist. Diese Gesellschaft tut es ja auch. Seit der ersten Anwerbung von Arbeitskräften in den Fünfzigerjahren hat sich in diesem Land verdammt viel verändert und auch verdammt viel zum Guten. Gucken Sie auf Ihren Speiseplan, dann wissen Sie das.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Sehr gut!]

Und weil das so ist, ist es umso wichtiger, dass wir die Wege für Menschen, die neu zu uns kommen, offenhalten, möglichst schnell Teil unserer Gesellschaft werden zu können, und zwar gleichberechtigte Teile mit vollen Partizipations- und Teilhabemöglichkeiten. Dazu sind die Integrationslotsinnen und Integrationslotsen und die Stadtteilmütter ganz wichtige Wegbereiterinnen und Wegbereiter und längst schon mehr als Helferinnen und Helfer. Deswegen müssen wir auch herauskommen aus der Situation, dass sie entweder nur über Arbeitsmarktmaßnahmen finanziert sind oder über ein Programm über gering entlohnte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, wie wir es jetzt haben. Das ist immer noch auf einer sehr niedrigen Eingruppierungsebene. Tatsächlich leisten die Beschäftigten, die Stadtteilmütter und die Integrationslotsinnen und -lotsen deutlich mehr. Deswegen ist es so wichtig, dass wir für sie ein Berufsbild kreieren, das dann auch tatsächlich beschreibt, wie eine solche Ausbildung aussehen muss, und auch beschreibt, wie eine vernünftige Bezahlung aussehen kann. Das heißt aber auch, dass wir eine Professionalisierung dieser Arbeit brauchen.

[Lachen bei der AfD]

Da können Sie lachen, wie Sie wollen. Sie haben sowieso keinen Verstand und keinen Begriff davon, was Integration ist.

[Zuruf von Stefan Franz Kerker (AfD)]

Ausgrenzung ist das Einzige, was Sie verstehen. Vielleicht tut es Ihnen auch ganz gut, hier einfach ausgegrenzt zu sein. Es ist jedenfalls besser für alle Menschen mit Einwanderungsgeschichte, wenn Sie möglichst weit wegbleiben.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Mit dem Landesrahmenprogramm für die Integrationslotsinnen und Integrationslosen haben wir in Berlin schon

einen wichtigen Schritt getan, nämlich möglichst viele von ihnen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen zu überführen, sie vernünftig zu qualifizieren – aber das ist eine Qualifikation unterhalb eines vollen Ausbildungsberufes.

[Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

Und wenn man sich anguckt, was sie alles wissen müssen, um ihre Arbeit gut machen zu können: Sie müssen wissen: Was sind die Grundzüge der Sozialgesetzgebung?

[Gunnar Lindemann (AfD): Mauermörder!]

Was sind die Grundzüge der Gesundheitsversorgung? Was sind die Grundzüge der Bildung? Was sind die Grundzüge des Verwaltungsaufbaus? –, um überhaupt Behördenbegleitung machen zu können, – –

[Zuruf von Christian Buchholz (AfD)]

Sie haben keine Ahnung: Halten Sie die Klappe!

[Zuruf von der AfD: Halt’ doch selber die Klappe!]

Sie müssen wissen, welche Wege sie gehen müssen, um in der Schule zum Erfolg zu kommen, welche Wege sie gehen müssen, um in der Kita zum Erfolg zu kommen. Dort sind die Lotsinnen und Lotsen wichtig. Deswegen brauchen wir ein vernünftiges Berufsbild,

[Gunnar Lindemann (AfD): Mauermörder!]

und deswegen ist dieser Antrag so wichtig.

Kleinen Moment bitte, Frau Abgeordnete Schubert!

Die können ruhig kreischen – ich bin lauter!

Frau Schubert! Ich habe jetzt das Wort, nicht mehr Sie. – Herr Lindemann! Lassen Sie bitte diese Begrifflichkeit in diesem Hause fallen! Ich möchte das hier nicht noch einmal hören! – Frau Schubert! Jetzt haben Sie wieder das Wort!

Mir ist das wurscht, was die kreischen! – Was, glaube ich, noch ganz wichtig ist, was wir noch aufnehmen müssen, ist, dass wir auch Lotsinnen und Lotsen für das Gesundheitswesen brauchen. Wir haben die Gemeindedolmetscherinnen und Gemeindedolmetscher; das ist wichtig. Aber viele der jetzigen Lotsen dürfen nicht mit zu Arztbesuchen. Das ist aber extrem wichtig, weil es eine interkulturelle Begleitung gerade auch bei der medizinischen Versorgung braucht.

Deswegen ist diese Überlegung, ein Berufsbild zu schaffen, ein Ansatz, die Einsatzbreite der Lotsinnen und Lotsen, der Stadtteilmütter noch zu erweitern und die Möglichkeiten der interkulturellen Öffnung gerade auch im Gesundheitswesen noch zu verstärken. Wir wissen, dass Menschen mit Einwanderungsgeschichte, gerade wenn sie älter werden, wenn sie möglicherweise sogar dement werden, besondere Unterstützung brauchen, auch im muttersprachlichen Bereich, damit sie eine ordentliche Gesundheitsversorgung bekommen, nämlich die, die sie genauso wie alle anderen brauchen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Dr. Nicola Böcker-Giannini (SPD) und Dr. Susanna Kahlefeld (GRÜNE)]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Seibeld. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Schubert! Ich hatte gehofft, ich werde, wenn ich Ihnen zuhöre, klüger, was Sie uns mit diesem Antrag eigentlich sagen wollen. Das ist leider nicht so.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP] ]

Die Überschrift klingt durchaus verheißungsvoll – so habe ich den Antrag auch gelesen. Sie haben selber gesagt, die Integrationslotsinnen und -lotsen sind die ehemaligen Stadtteilmütter: Wenn Sie uns in der Historie zurückschauen lassen, dann war die Idee ursprünglich, dass Menschen mit Migrationshintergrund in ihren Kiez hineinwirken, zu Familien, die wir vom Staat her nicht erreichen, um Integration zu betreiben. Das ist ein guter und richtiger Ansatz, der sich in Berlin tausendfach bewährt hat.

Wenn Sie allerdings jetzt, jedenfalls habe ich es so verstanden, die Integrationslotsen auch in staatliche Aufgaben bringen wollen: Was ist das dann? Eine Abkehr von diesem Konzept? Und wenn es eine Abkehr von diesem Konzept ist, dann sagen Sie es, und dann schreiben Sie es rein! Dann muss man darüber reden, ob das vernünftig ist oder ob es nicht vernünftig ist.

[Katina Schubert (LINKE): Ich will ein Berufsbild für sie kreieren!]

Offenbar ist die Überschrift für diesen Antrag: Wir wollen den Integrationslotsinnen mal etwas Gutes tun! – Das ist grundsätzlich ehrenwert und lässt sich auch hören, allein: Ich habe gar nicht verstanden, was Sie Ihnen Gutes tun wollen. Da schmeißen Sie alles durcheinander: Menschen mit akademischem Abschluss, Menschen mit Berufsabschluss, Menschen mit Schulabschluss, Menschen ohne Schulabschluss – und allen soll der Einstieg

in den ersten Arbeitsmarkt ermöglicht werden. Ja, natürlich, aber: Wie wollen Sie das im Bereich der Integrationslotsen machen? Wie stellen Sie sich das mit dem Berufsbild vor?

Mein Highlight dieses Antrags ist der Satz – und ich darf zitieren, Frau Präsidentin: Stattdessen

soll der Senat in Verhandlungen mit den dafür in Frage kommenden Akteuren treten.

Und dabei geht es um die Frage, ob Integrationslotsinnen in den Jobcentern tätig sind. – Liebe Kollegen von der Koalition! Wenn Sie nicht einmal wissen, wer die Akteure sind, mit denen Sie darüber reden wollen oder mit denen der Senat darüber reden will: Was wollen Sie uns denn mit diesem Antrag sagen?

Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder es hat Sie nicht interessiert oder es war mangelnder Fleiß, was Sie hier zu Papier gebracht haben. Und ich weiß noch gar nicht, was schlimmer wäre.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Nichtsdestotrotz ist das Thema richtig, und die Überschrift hatte mich, wie gesagt, hoffen lassen, dass durchaus etwas Gutes dabei rauskommt. Lassen Sie uns das Ganze im Ausschuss beraten! Lassen Sie uns vielleicht eine Anhörung dazu machen! Vielleicht kann man es noch so verbessern, dass am Ende etwas Brauchbares dabei rauskommt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Dr. Böcker-Giannini. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Seibeld! Dann versuche ich jetzt auch noch mal zu erklären, was wir mit dem Antrag eigentlich bezwecken, und dann können wir mit Sicherheit im Ausschuss noch mal darüber diskutieren. Mit dem vorliegenden Antrag unterstützen wir als Koalition – und Frau Schubert hat es gerade schon gesagt – die herausragende Arbeit der derzeit 211 Integrationslotsinnen und -lotsen im Land Berlin und entwickeln die Tätigkeit der Lotsen als qualifiziertes Berufsbild weiter. Damit wären wir Vorreiter für ganz Deutschland.

Die Arbeit der Integrationslotsinnen und -lotsen ist vielschichtig. Das zeigt die Aussage einer Geflüchteten aus dem Iran, veröffentlicht im Newsletter des Integrati

(Katina Schubert)

onsbeauftragten – ich zitiere mit dem Einverständnis der Präsidentin:

Ohne die Integrationslotsinnen hätte ich nicht gewusst, wo ich mit meiner behinderten Tochter hingehen muss und wer für welche Themen zuständig ist. Ich musste mit der Integrationslotsin zum Sozialamt, zum Jobcenter, zum Wohnungsamt und noch anderen Ämtern und bekomme außerdem wegen der Situation meiner Tochter viele wichtige Briefe, die ich mir übersetzen lassen muss.

So vielschichtig wie die Arbeitsinhalte der Integrationslotsinnen und -lotsen sind auch ihre Ausbildungen. – Frau Seibeld! Das haben Sie gerade bereits gesagt. Einige haben einen Schul- oder Berufsabschluss, andere haben keinen formalen Bildungsabschluss. Aber genau deshalb, sehr geehrte Frau Seibeld, fordern wir in unserem Antrag, modularisierte und damit passgenaue Qualifizierungsmaßnahmen für alle Lotsinnen und Lotsen zu entwickeln und ihnen genau so eine berufliche Perspektive zu eröffnen.