Protocol of the Session on February 21, 2019

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die Debatte heute bisher eins gezeigt hat, dann, dass es richtig und notwendig ist, die Ereignisse in Hohenschönhausen ausführlich zu untersuchen und aufzubereiten. Es gibt von jedem Detail – wir haben es heute gehört – mindestens drei Varianten, und zwei davon müssen objektiv falsch sein. Das genau muss untersucht werden.

[Beifall bei der FDP und der AfD]

Insgesamt wird eindrucksvoll mit Nebelkerzen geworfen. Das ist dann bei einem Ausschuss, bei dem man unter Eid aussagen muss, vorbei, und zwar für alle Beteiligten. Das kann ja nur der Wahrheitsfindung dienen. Wenn die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen der Meinung sind, sie hätten mit ihren Argumenten die Wahrheit auf ihrer Seite, dann frage ich: Wovor haben Sie eigentlich Angst? Dann sind Sie doch auf der sicheren Seite mit einem Ausschuss.

(Steffen Zillich)

[Beifall bei der FDP und der AfD – Torsten Schneider (SPD): Sie haben uns missverstanden! Wir haben keine Angst!]

Das kommt öfter bei Ihnen vor, Herr Schneider, aber Sie haben sich mit der Materie auch nicht befasst, wie wir an Ihrer Rede gemerkt haben. Sie haben ja immer messerscharf am Thema vorbeigeredet, wie man feststellen musste.

[Beifall bei der FDP und der AfD]

In der aktuellen Ausgabe des „Cicero“ vom Februar 2019 ist ein wunderbares Zitat zu dieser vorherrschenden Nervosität enthalten, die im Augenblick durch die Gegend wabert. Ich darf das mal kurz zitieren – auf Hohenschönhausen bezogen –:

Dort spürt man die Nervosität, die immer noch herrscht, wenn man versucht, mit den unmittelbar Beteiligten zu sprechen, wenn man ihnen die Frage stellen will, wie es in Hohenschönhausen denn nun weitergeht. Sie sind, wie Berlins linker Kultursenator Klaus Lederer, der dem Stiftungsrat vorsitzt, entweder gar nicht mehr zu einer Auskunft bereit oder kurz angebunden.

Herr Senator Lederer! Was ist das eigentlich für ein Demokratieverständnis? Wenn Journalisten Fragen haben, sind sie zu beantworten. Und wenn Sie zehnmal gefragt werden, haben Sie zehnmal zu antworten. Und wenn Sie nicht antworten wollen, dann müssen Sie im Untersuchungsausschuss antworten. Anders geht es anscheinend nicht.

[Beifall bei der FDP und der AfD]

Wir haben im Übrigen immer noch zahlreiche ungeklärte Punkte. Herr Kollege Dr. Juhnke! Auch wenn Ihnen das banal erscheinen mag, wir haben noch einige Fragen, z. B. wer damals rechtlich für die Personalangelegenheiten zuständig gewesen ist.

[Zuruf von Dr. Robbin Juhnke (CDU)]

Das müsste mal geklärt werden, denn dazu gibt es ganz unterschiedliche Schreiben und Auslegungen. Auf der einen Seite – und diese Schreiben liegen ja auch vor – hat Klaus Lederer ständig darauf beharrt, er sei der Personalverantwortliche und nicht der Direktor von Hohenschönhausen. Der würde ständig seine Kompetenzen überschreiten, weil er Personalentscheidungen treffe. Und hinterher bei der Entlassung hat man ihm gesagt: Mein lieber Freund! Du hast gar nicht durchgegriffen. – Das kann doch wohl nicht wahr sein! Es kann nur eins von beiden stimmen.

[Beifall bei der FDP und der AfD]

Ich stimme auch bezüglich der Beantwortung von Anfragen zu. Herr Dr. Juhnke! Ja, die CDU hat 41 Anfragen eingereicht. Aber das war zu einem Zeitpunkt, wo dann immer drunter stand: Wegen der laufenden rechtlichen Auseinandersetzungen können sie nicht beantwortet werden. Insofern ist der Gewinn dieser Anfragen wegen des

Zeitpunkts, zu dem sie eingereicht wurden, nicht groß gewesen. Die Fragen müssen zwar beantwortet und bearbeitet werden, aber sie zu einem Zeitpunkt einzureichen, wo man einen lapidaren Satz als Antwort bekommt, ist strategisch nicht sinnvoll. Da hilft die Statistik dann auch wenig. Das tut mir in diesem Punkt leid.

[Beifall bei der FDP und der AfD]

Ich gebe Ihnen aber ausdrücklich recht: Die Tonart der Beantwortung – auch der letzten, sehr ausführlichen Fragen von Herrn Grasse und Herrn Juhnke – ist in der Tat kein Meisterstück im Umgang mit einem Parlament. Das offenbart fraglos auch ein gravierendes Fehlverhalten des Senats. Insgesamt sind das völlig unzulängliche Antworten. Da gebe ich Ihnen recht. Eine solche Beantwortung von Anfragen eines Parlaments ist unwürdig.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Christian Buchholz (AfD)]

Ich will auch gerne noch auf andere Themen hinweisen, die man mal untersuchen kann: Da beauftragt der Senat am Leiter der Gedenkstätte vorbei eine Untersuchung der Vorwürfe, die in Rede stehen. Im Übrigen nimmt niemand die Vorwürfe auf die leichte Schulter. Und auch in einem Untersuchungsausschuss – das müsste die Regierungskoalition eigentlich wissen – kann man – das können Sie in den anderen Untersuchungsausschüssen par excellence erleben – Namen schützen. Da werden Namen mit Buchstaben abgekürzt, oder es werden fiktive Namen gewählt. Man kann die Öffentlichkeit ausschließen. Man kann Bild- und Tonaufnahmen nicht zulassen.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Diese Instrumente zum Schutz von Persönlichkeitsrechten werden jedenfalls selbst bei hochrangigen Beamten des Verfassungsschutzes und des Landeskriminalamts ohne Probleme angewendet, sollen hier aber nicht möglich sein. In diesem Punkt verstehe ich die Welt nicht mehr.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Holger Krestel (FDP): Das weiß Herr Schneider alles nicht!]

Und das alles, obwohl einige der betroffenen Frauen öffentlich Interviews unter Angabe ihres Namens gegeben haben und unter ihrem Namen bei Veranstaltungen auftreten. Wenn die dann Persönlichkeitsrechte beanspruchen, ist das in der öffentlichen Abwägung schwierig. Ich finde es gut, wenn man sie gewährleistet. Ich sage aber auch: Persönlichkeitsrechte hat auch der Direktor Hubertus Knabe, und die wurden in der Öffentlichkeit sehr wenig beachtet.

[Beifall bei der FDP und der AfD]

Herr Kollege! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schlüsselburg zulassen?

Bitte schön, gerne!

Vielen Dank, Herr Kollege! – Sie haben eben abgestellt auf die Möglichkeiten in Untersuchungsausschüssen, die Öffentlichkeit auszuschließen, Personenrechte zu wahren und Inhalte zu schützen. Sie sind, wie ich auch, Mitglied im Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung des Breitscheidplatzattentats. Wir haben im Untersuchungsausschuss mehrfach beklagt, dass trotz des Ausschlusses der Öffentlichkeit und anderer Vorkehrungen, die getroffen wurden, immer wieder – wir wissen immer noch nicht von wem – Informationen und Details an die Öffentlichkeit durchgestochen wurden. Wie wollen Sie denn jetzt ernsthaft glauben, dass ausgerechnet in dem Untersuchungsausschuss, den Sie zu einer Einzelpersonalangelegenheit und zu Angelegenheiten, die teilweise die Intimsphäre von Frauen betreffen, dieser Schutz gewahrt sein soll?

[Zuruf von der AfD: Das fragt der Richtige aus der richtigen Ecke!]

Wir müssen ja immer erst einmal vom Normalfall ausgehen, dass es korrekt läuft. Wenn man das Argument, dass irgendetwas durchgestochen werden könnte, zum Maßstab macht, dann kann man künftig keinen Untersuchungsausschuss mehr einrichten. Das muss man dann auch ganz klar sagen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Man kann ja nicht immer vom Fehlverhalten von Menschen ausgehen; man muss erst einmal davon ausgehen, dass es korrekt läuft. Und das ist, glaube ich, die richtige Betrachtungsweise.

Ich wollte aber auf die Sondergutachterin des Senats, Rechtsanwältin Marion Ruhl, zu sprechen kommen, die die Untersuchung der Vorwürfe durchführen sollte. Auch da gibt es ganz unterschiedliche Versionen: Angeblich hat sie mit den Frauen gesprochen. Dann hat sie aber E-Mails mit Schilderungen der Vorfälle einfach so zusammengetippt, Rechtschreibfehler inklusive. Dann frage ich mich, wie qualitätsvoll entsprechende Untersuchungen sind, wenn man vor dem Hintergrund noch weiß, dass sie gleichzeitig auch die Anwältin war, die den Senat vertreten hat. Merkwürdig! Ein Gutachter hat unabhängig beide Seiten anzuhören. Das ist in dem Fall nicht passiert,

und dann noch den Senat vertreten – das geht ja nun gar nicht!

[Beifall bei der FDP]

Und im Übrigen – das zeigt auch, welche Angst, welche Nervosität Sie in dieser Angelegenheit haben müssen: Nach der Plenardebatte am 13. Dezember, wo Sie, Herr Senator Lederer, mit Ihrem Staatssekretär Wöhlert rausgerannt sind und hektisch diskutiert haben, kam am nächsten Tag das massive Drängen Ihrer Anwälte in Richtung Hubertus Knabe, er solle endlich einem Vergleich zustimmen, man müsse sich einigen, man müsse das Thema vom Tisch haben. Warum denn eigentlich, wenn Sie der Meinung sind, Sie hätten vor Gericht sowieso den ersten Platz belegt? Dann wäre doch alles, was Sie dort entsprechend vereinbart haben, ein Fall für den Rechnungshof! Dann hätten wir es ja gar nicht machen müssen. Ich frage mich wirklich, warum Sie darauf so massiv gedrängt haben.

[Beifall bei der FDP]

Insofern muss man vor dem Hintergrund auch noch einmal die Rolle von Frau Birthler beleuchten – Frau Birthler übrigens, wo Sie, Herr Senator Lederer, den Opferverbänden und den Mitgliedern des Abgeordnetenhauses mitgeteilt haben, sie sei gar nicht Mitglied der Findungskommission, es tauchten sechs Namen in einem von Ihnen unterschriebenen Schreiben auf – Sie werden vermutlich sorgfältig Ihre Post durcharbeiten –, Frau Birthler tauchte da nicht auf. Dieses eindrucksvolle Werfen mit Nebelkerzen, genau solche Themen zu verschweigen und zu wissen, dass die Personen Kritik hervorrufen werden, ist nicht die Methode, Vertrauen zu generieren, sondern wiederum ein Zeichen dafür, dass Sie da tricksen und täuschen. Und das ist genau das, was wir nicht wollen!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Auch stehen in der Untersuchung von Frau Birthler in Hohenschönhausen wechselnde Zahlen, mit wie vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sie gesprochen haben will. Das Verschweigen, dass dort durchaus auch Aussagen gemacht worden sind, die entlastend für den Gedenkstättenleiter waren – all das wird in der Öffentlichkeit nicht kommuniziert. Sich gerade bei Frau Birthler zu bedanken – Frau Birthler war diejenige, die es als Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen nicht geschafft hat, die stasibelasteten Mitarbeiter im Wachschutz und in der Verwaltung auszusortieren. Das hat der Nachfolger Roland Jahn machen müssen, und er hat massives Vertrauen dadurch bei den Opferverbänden gewonnen. Frau Birthler hat keinen Handschlag bei diesem Thema getan – und sie soll dann qualifiziert sein, das Thema aufzuarbeiten? – Herzlichen Dank! Das kann ja wohl nicht sein!

[Beifall bei der FDP und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Im Übrigen: Auch der Kulturwandel, den Frau Birthler immer intoniert – darum geht es in Wahrheit. Kultur

wandel in der Gedenkstätte heißt doch, dass Ihnen die bisherige Sicht auf die Geschichte dort nicht passt. Kulturwandel heißt künftig, dass die Befindlichkeiten des ehemaligen Gefängnisdirektors berücksichtigt werden, der schräg gegenüber wohnt und der noch immer massiv Führungen von Zeitzeugen dort stört, dass Sie berücksichtigen, dass die Stasi-Obristen ihre Meinung sagen können und dass es am Ende eben einfach so sein wird: Die einen haben es so gesehen, die anderen so – war doch gar nicht so schlimm! – Und genau dagegen sollten wir uns mit vereinten Kräften wehren.

[Beifall bei der FDP und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Georg Pazderski (AfD): Bravo!]

Vor dem Hintergrund kann man auch gerne fragen: Warum hat denn Hubertus Knabe bis heute Hausverbot in der Gedenkstätte als ehemaliger Direktor, sein Stellvertreter nicht und der Direktor des Stasi-Gefängnisses auch nicht? Merken Sie etwas? – Das zeigt doch, dass da grundsätzlich etwas nicht stimmen kann!

[Beifall bei der FDP und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Insofern gibt es jede Menge Aufklärungsbedarf jenseits der bereits genannten Punkte. Gerade wenn eben einige Leute nicht bereit sind, dem Parlament Auskunft zu geben, öffentlich Rede und Antwort zu stehen und sich auch der Wahrheit verpflichtet zu fühlen, dann kann das nur bedeuten, dass man einen Untersuchungsausschuss benötigt.

Nun hat es die CDU leider aus innerorganisatorischen Gründen nicht geschafft, auf unseren eingereichten Antrag zu antworten. Wir hätten ja gern, Herr Dr. Juhnke, auch qualifizierte Hinweise aufgenommen; niemand ist perfekt. Es kann immer noch besser werden, gar keine Frage. Da wir aber ein gemeinsames Interesse daran haben, diesen Ausschuss einzusetzen, wollen wir der CDU gern die Möglichkeit geben, die Qualifizierung nachzuliefern, und bitten deshalb um Vertagung des Antrags, um das gemeinsam abschließen zu können. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Kollege Wesener das Wort. – Bitte schön!