2011 war eigentlich das gesamte Desaster bekannt. 2011 hat auch eine damalige Polizeivizepräsidentin Koppers von den Umständen erfahren. 2011 hatte ein Herr Kandt von den Umständen erfahren. Und dann mussten von 73 Schießständen 62 ad hoc geschlossen werden. Wer trägt denn die Verantwortung dafür? Wie wird denn im Rahmen der Verantwortung gehandelt? Ich habe gerade zwei Personen genannt. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen laufen immer noch. Und eine Person, gegen die Ermittlungen laufen, ist kürzlich zur Generalstaatsanwältin befördert worden. Es gab gegen beide kein Disziplinarverfahren, und das erklären Sie mal irgendeinem Staatsdiener hier in dieser Stadt. Das versteht kein Mensch.
Dann haben wir die letzten – man kann schon sagen – Jahre im Innenausschuss interfraktionell, parteiübergreifend daran gearbeitet, und ich bin auch sehr froh darüber, dass es gelungen ist, einen Entschädigungsfonds einzurichten. Ein Entschädigungsfonds, der übrigens den qualifizierten Dienstunfall oder zumindest den Dienstunfall nicht beamtenrechtlich mitbelangt! Das ist gut. Es ist auch gut, dass man hier versucht, unbürokratisch und nicht an engsten Vorschriften entlang zu handeln. Nicht gut ist, dass wir im Mai eine Bewertungskommission hatten und dass bis heute nicht ein einziger Cent geflossen ist. Wir haben über 760 Betroffene; wahrscheinlich sind es insgesamt 1 600, die sich noch melden werden. Wir haben mittlerweile 13 verstorbene Beamte, und es ist noch nicht ein einziger Cent geflossen. Darüber hinaus ist es wirklich unsäglich – das sage ich ganz deutlich –, wenn dann noch eine Debatte darüber entbrennt, ob denn Angehörige von bereits Verstorbenen überhaupt anspruchsberechtigt sind. Das ist unsäglich, das geht so nicht. Hier müssen Sie unmittelbar und sofort handeln.
Wenn dann ein Sprecher der Senatsverwaltung, ein Herr Pallgen, sagt: „Was denn noch?“, nachdem der Entschädigungsfonds beschlossen wurde, dann ist das mehr als ein Schlag ins Gesicht.
Ich komme zurück auf das Thema Vertrauen. Glauben Sie, dass es Vertrauen schafft, wenn ein Senator sein LKA anzeigt? Glauben Sie, dass man Vertrauen genießt, wenn auf einmal 47 Übergriffe auf Polizeivollzugskräfte verschwinden? Glauben Sie, dass es Vertrauen gibt, wenn kurz vor einem Termin 80 Beamte ausgeladen werden? Glauben Sie, dass es Vertrauen schafft, wenn der Senatssprecher sagt: Was denn noch? – Ich glaube es nicht.
Lieber Herr Senator Geisel! Werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht und versuchen Sie, das Vertrauen, das Sie verspielt haben, wiederaufzubauen! Sollte Ihnen das nicht gelingen, dann sollten Sie Ihre Konsequenz daraus ziehen! – Ich danke Ihnen!
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Es gibt bei diesem Thema nichts zu beschönigen, und es gilt, hier auch nicht lange darum herum zu reden. Es handelt sich hierbei um ein über Jahre fortgesetztes Amtsversagen durch wechselnde politische Verantwortlichkeiten hindurch – und das zu Lasten von Polizisten und Polizistinnen, die ohnehin regelmäßig überall dort ihren Kopf für uns alle hinhalten müssen, wo viele andere ihn einfach einziehen. Deswegen eignet sich diese Angelegenheit in der Tat auch eigentlich nicht zum politischen Streit. Das haben bisher drei Redner gesagt, aber sie haben sich alle nicht daran gehalten. Wir sind hier alle in der Verantwortung.
Da habe ich denn auch ein Problem mit dem Unterton in Ihrem Antrag, Herr Dregger. Lassen Sie mich deshalb etwas Grundsätzliches sagen; über die Details Ihres Antrags können wir gerne im Ausschuss reden. Als müssten Sie uns in dieser Frage zum Jagen tragen! Ausgerechnet Sie! „Endlich nachkommen“, fordern Sie. Das ist dann schon ziemlich befremdlich, wenn Sie nun versuchen, aus den auch eigenen Versäumnissen in der Vergangenheit in der aktuellen Debatte nun noch politisch Kapital für sich zu schlagen, indem Sie sich hier zum Schutzpatron aller Polizistinnen und Polizisten stilisieren. Heute machen Sie die Angelegenheit zu Ihrer Priorität; den betroffenen Beamten hätte es mehr gedient, wenn Sie das bereits in der letzten Legislaturperiode – in den Jahren 2012 und 2013 – zu Ihrer Priorität gemacht hätten, als Sie in der politischen Verantwortung waren.
Bereits damals waren die Probleme bekannt – und auch schon Jahre zuvor, wie die aufgetauchten Gutachten belegen. Sie kaprizieren sich immer nur auf Frau Koppers,
die seit 2011 Bescheid gewusst haben soll. Ja, auch die war in der Verantwortung, offenbar aber als einzige.
Hat irgendeiner von Ihnen einmal bei dem damaligen Innensenator im Außendienst, dem unmittelbaren Dienstvorgesetzten von Frau Koppers, dem Kollegen Henkel, nachgefragt: Was ist da los in den Schießständen? – Keiner von Ihnen, auch nicht Sie, Herr Dregger! – Nein, ich will das jetzt zu Ende führen. –
Auch nicht 2013 – zwei Jahre später –, als die ersten Stände geschlossen werden mussten! Sie haben geduldig zugeschaut, wie sie sukzessive vom Netz genommen wurden. Gucken Sie in der Parlamentsdokumentation – 2011 bis 2016 – nach! Nicht eine einzige Frage aus Ihrer Fraktion, bis schließlich nur noch elf Schießstände übrig waren; dann kam die Taskforce. Erst am 28. April 2016, ein knappes halbes Jahr vor Ende Ihres Urlaubs in Regierungsverantwortung, hat Ihr Innensenator in einer Plenarsitzung verkündet, er habe nun diese ominöse Taskforce eingerichtet, die Abhilfe schaffen solle. Dann waren es auch nicht Sie, sondern die Grünen, die die Gesundheitsgefährdung der Polizisten thematisiert haben, und Christopher Lauer von den Piraten, der damals im Plenum nachgefragt hat.
Eine politische Entscheidung in dem Sinne zu treffen, wie sie nun in Ihrem Antrag von uns eingefordert wird, davor haben Sie sich gedrückt. Stattdessen haben Sie die Verantwortung abgeschoben und sich hinter einem Gutachten versteckt, das Sie bei der Charité in Auftrag gaben: Damit solle die Kausalität zwischen dem Einsatz in den Schießständen und den offenkundigen Erkrankungen belegt werden. Wenn denn dann der Nachweis erbracht worden sei, dass ihre Erkrankungen im Zusammenhang mit den Schießständen stünden, dann sollten die betroffenen Kollegen einen Schadensersatz erhalten. – Keinem Betroffenen war damit geholfen. Vielmehr musste Ihnen schon damals klar gewesen sein – das erste Gespräch mit den Gutachtern wird Ihnen das auch deutlich gemacht haben –, dass ein solcher Nachweis im Einzelfall bei der Vielfalt der Krankheitsbilder und der Komplexität ihrer möglichen Genese nur schwer zu belegen sein würde. Das kann und das wird eine solche Studie nicht leisten. Wir werden es erleben, wenn die Studie auf den Tisch kommt. Offensichtlich ist Ihnen das mittlerweile auch geflüstert worden. In Ihrem Antrag fordern Sie ja nun, der Senat möge jenseits der laufenden Charité-Studie alle wissenschaftlichen Erkenntnisse einholen und Experten laden und befragen.
Das brauchen wir nicht. Aus diesem Grund haben wir im letzten Jahr die Kulanzregelung geschaffen und den Ausgleichsfonds eingerichtet, um so unbürokratisch wie möglich – auch ohne Nachweis der direkten Kausalität – Entschädigungen zahlen zu können. Die Entscheidung
darüber trifft eine unabhängige Kommission. Die Zuteilung ist nicht an Bedingungen gebunden. Den Beamten bleibt der Klageweg offen, und auch die Angehörigen der leider verstorbenen Kollegen bekommen die ihnen zugestandene Summe. Zu einer solchen Regelung im Interesse der Polizistinnen und Polizisten hatten Sie weder den Mut noch die Kraft – und offensichtlich auch nicht den politischen Willen. Also bleiben Sie uns vom Hof mit solchen Anträgen! – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da hat sich jemand wirklich Mühe gegeben, und wahrscheinlich hat er Hilfe gehabt. – Das kann man sagen, wenn man den Antrag der CDU-Fraktion liest. Man könnte ihm auch einfach zustimmen. Die FDP-Fraktion jedenfalls wird das hier tun.
Der komplexe Vorgang, der unter der Bezeichnung Schießstandaffäre in die Berliner Stadtgeschichte – leider in unrühmlicher Art und Weise – eingehen wird, beschäftigt uns bereits die ganze Wahlperiode. Der Berliner Senat – insbesondere der Innensenator, teilweise aber auch der Justizsenator – hat es geschafft, die ganze Stadt an den Rand dessen und darüber hinaus zu führen, was nicht nur für die Betroffenen, sondern für jeden rechtstreuen Bürger Berlins hier noch erträglich ist.
Ich möchte im Übrigen die zahlreichen Betroffenen – auch im Namen der FDP-Fraktion – herzlich begrüßen, die oben auf der Tribüne sitzen.
Ich möchte hier insbesondere etwas zu der strafrechtlichen Aufarbeitung des Vorgangs bei der Staatsanwaltschaft, die ja die Herrin jedes Strafverfahrens ist, sagen. Die Berliner Staatsanwälte stehen unter hohem Arbeitsdruck, aber offensichtlich stehen sie auch unter einem gewissen politischen Druck. Man sollte doch meinen, dass Verfahren jeder Art abhängig von der Gemeinschädlichkeit der Tat sowie von dem Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit mit gleichmäßigem Nachdruck geführt werden.
Gleichwohl müssen wir hier erleben, dass die strafrechtlichen Ermittlungen mit einer ausgeprägten Nonchalance geführt werden. Es gibt dort allzu offensichtlich einen unbegrenzten Zeitvorrat, und dies, obwohl es – wir
durften das ja heute schon hören – um ganz erhebliche gesundheitliche Schäden und auch um Todesfälle geht.
Betroffene hatten, weil sie sich nicht mehr anders zu helfen wussten, diese Strafanzeigen gestellt. Da es nun bei den Berliner Polizeibeamten um die natürlichen Partner der Staatsanwaltschaft geht – Polizeibeamte sind ja sogenannte Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft –, hätte man meinen sollen, dass die Ermittlungen mit der gebotenen Intensität und Geschwindigkeit geführt werden würden. Nichts dergleichen geschah, und das ist genauso skandalös wie der Vorfall selbst.
So musste der Justizsenator mehrere Male öffentlich dazu aufgefordert werden, endlich mit den Ermittlungen zu beginnen, nachdem er uns hier im Haus mehrere Male erklärt hat, man müsste ja noch prüfen, ob und was dort zu ermitteln wäre. Das gipfelte dann in einer Sitzung dieses Hauses, in der in Aussicht gestellt wurde, Anzeige wegen Strafvereitelung zu erstatten, denn bei dem inzwischen anstehenden Umbau eines Schießstandes stand die Gefahr der Beweismittelvernichtung im Raum. Diese wurde danach im letzten Moment
noch abgewendet, indem man den Schießstand schnell noch vor dem Umbau untersuchte und hoffentlich Beweise sicherstellen konnte.
Des Weiteren hören wir, dass bis jetzt noch nicht einmal die anzeigeerstattenden Geschädigten bzw. deren Zeugen verhört worden sind. Man ermittelte eben lieber intern, wie uns gesagt wurde, was auch immer das heißen soll. Vielleicht wäre hier wieder die Anzeige des Verdachts der Strafvereitelung nötig. Man kann ein Verfahren nicht so lange hinschleppen. Das sieht nicht nur die nicht rechtskundige Öffentlichkeit so, das hört man – wohlgemerkt unter der Hand – auch von Mitarbeitern aus dem Hause des Fachsenators, bis die Menschen uns so nach und nach verlassen.
Wenn man andererseits hier in Berlin so kuriose Fälle sieht wie die Veröffentlichung eines Berliners über den geschönten Lebenslauf der Pressesprecherin des Berliner Senats, die sich daraufhin beleidigt gefühlt hat, was die Ermittlungsbehörden – –
Das führte sofort zu einer Hausdurchsuchung verbunden mit der Beschlagnahmung sämtlicher Computer, wobei