Das ist die Priorität der FDP. In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP und hier der Kollege Förster. – Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Schön, dass wir heute mal über den Checkpoint Charlie reden. Im Ausschuss ist uns das bisher nicht so vergönnt gewesen. Kollege Evers kann ein Lied davon singen. Er hat es gestern noch einmal probiert, aber die Koalition hat bei Thema Checkpoint noch nicht ganz eine Linie gefunden. Aber heute kann jeder seine Position darstellen. Zur Transparenz gehört auch, dass wir wissen, wo jeder beim Thema Checkpoint Charlie steht.
Es lohnt sich nicht nur deshalb, darüber zu reden, weil der Checkpoint Charlie nur einen Steinwurf von unserem Parlament entfernt ist, sondern auch, weil er wohl der bekannteste innerdeutsche Grenzübergang ist, wo Weltgeschichte geschrieben wurde, wo sich amerikanische und sowjetische Panzer gefechtsbereit gegenüberstanden, wo spektakuläre Fluchtversuche stattfanden, wo das Maueropfer Peter Fechter unweit des Kontrollpunkts starb, aber wo nach der friedlichen Revolution und der deutschen Wiedervereinigung Millionen von Touristen herkamen, um sich den Checkpoint anzusehen.
Die Situation selbst ist aber alles andere als befriedigend, weder städtebaulich noch verkehrlich. Reisebusse halten kreuz und quer. Touristen laufen ohne Rücksicht auf den Verkehr über die Straße, kaufen dort an provisorisch aufgestellten Buden Souvenirs oder lassen sich mit als Grenzposten verkleideten Kleindarstellern fotografieren. Dazwischen geraten dann Taxis und der normale Straßenverkehr. Das ist alles ungeordnet und unbefriedigend. Ich glaube, in dieser Zustandsbeschreibung sind wir uns einig.
Nun kann man auch guten Gewissens fragen: Warum ist die letzten 25 Jahre nichts passiert? Und man kann durchaus vielleicht auch zu der Annahme kommen, dass es besser gewesen wäre, das Land Berlin hätte vor 25 Jahren, 1993, selber die Dinge in die Hand genom
men, geordnet und eine entsprechende städtebauliche Entwicklung vorangetrieben. Man kann durchaus die Frage stellen, aber es ist nun ein Stück weit verschüttete Milch. Wir haben heute dort private Eigentumsverhältnisse, und es ist doch geradezu aberwitzig, dass wir darüber nachdenken, für 100 Millionen Euro das Ding zurückzukaufen und dort selbst tätig zu werden – wo der Rahmen dessen, was wir machen können, sowieso vorgegeben ist. Wir sollten lieber Einfluss darauf nehmen, was dort gemacht wird, und weniger daran arbeiten, an dieser Stelle wieder Volkseigentum in die Hand zu bekommen.
Bei dem, was passiert, kann man in der Tat einige Punkte aufführen, die geklärt werden müssen: Als erstes muss die Authentizität des Ortes – ganz klar –, die städtebauliche Entwicklung den historischen Besonderheiten des Ortes Genüge tun, und es sollte vor allen Dingen auch die Umgebung des Checkpoint Charlie und die Grenzübergangsstelle Friedrichstraße so weit wie möglich in ihrer heute vorhandenen historischen Form erhalten bleiben. Dazu zählen die beiden haushohen, mittlerweile denkmalgeschützten Brandwände, die Bestandteil der Erinnerungskultur und des kollektiven Gedächtnisses sind. Den historischen Ort zu bewahren und diese entsprechenden Eigenschaften herauszustellen, ist unstrittig etwas, wofür es sich lohnt zu streiten.
Dann sollte man sich nach unserer Auffassung auch darauf konzentrieren, dass man bei der Bebauung maßvoll bleibt. Es gab einen Architektenwettbewerb, der ohne Ergebnis geblieben ist. Jedenfalls hat sich die Jury nicht dazu durchringen können, einen Entwurf auszuwählen. Auch das ist etwas Besonderes. Wenn man sich die fünf Entwürfe, die übriggeblieben sind, aber einmal anguckt, halten sich davon eigentlich nur zwei annähernd an die Vorgaben des Wettbewerbs. Der Entwurf von Sauerbruch Hutton ist der, der sich weitgehend an der alten Blockstruktur der Friedrichstadt orientiert, die Brandwände freihält, sich respektvoll an der vorhandenen Bebauung orientiert und sich mit der Höhe von maximal 37 Metern in die nähere Umgebung einpasst. Dann ist auch gegen eine Mischung von Wohnungen, Büros und Geschäften nichts zu sagen. Aber das muss sich an diesem Ort eben auch einpassen. Deswegen empfehlen wir die Weiterentwicklung mit diesem Entwurf von Sauerbruch Hutton.
Es ist klar, dass auch verkehrliche Fragen zu lösen sind. Ich hatte eingangs erwähnt, dass die Situation alles andere als befriedigend ist. Man sollte darüber nachdenken, eine direkte Straßenverbindung zwischen Mauerstraße und Zimmerstraße zu schaffen, um die chaotische Situation an der Kreuzung Friedrichstraße/Zimmerstraße zu entlasten. Aber man sollte bei einer möglichen Verkehrsberuhigung – darauf legt auch mein Kollege Henner
Schmidt großen Wert – nicht die Friedrichstraße als einzig verbliebene Nord-Süd-Verbindung lahmlegen, sondern eher darüber nachdenken, wie man in der Zimmerstraße einiges besser organisieren kann. Dabei muss aber der Wirtschaftsverkehr noch regelmäßig Zugang haben. Das ist an dieser herausragenden Stelle auch wichtig.
Last but not least sind wir wieder beim Thema Erinnerungskultur und Zeitgeschichte: Das von der Stiftung Berliner Mauer zu realisierende Museum zur Geschichte der deutschen Teilung, zur Geschichte des Kalten Krieges an diesem herausragenden Ort sollte natürlich auf Kosten des Investors umgesetzt werden. Dabei ist auf eine sachliche, faktensichere und geschichtsbewusste Darstellung zu achten und natürlich auch eine Sprach- und Darstellungsform zu wählen, die sich an dem internationalen Publikum orientiert, das dort verkehrt. Eine direkte Konkurrenz zum privaten Mauermuseum kann man dadurch auch vermeiden. Das setzt ja eher auf Emotion. Hier wird es um eine faktensichere Darstellung gehen.
Insofern kann man das alles gut miteinander verbinden. Städtebauliche Entwicklung, Verkehr und kulturelle Überlegungen müssen definiert werden. Da sind wir auch ganz klar dabei. Der Checkpoint Charlie hat eine bessere Entwicklung verdient als jetzt, aber dann bitte in privater Hand und nicht in öffentlicher, aber mit soliden Rahmenbedingungen, die auch der Geschichte des Ortes gerecht werden. – Herzlichen Dank!
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Herr Förster! Ich darf noch das Datum zu dem mit dazusagen, was Sie anfänglich mit den Panzern gesagt haben. Das war nämlich genau am 27. Oktober 1961, also vor knapp 57 Jahren, als die Welt den Atem anhielt und der Name und der Ort Checkpoint Charlie sich seither tief in den Gedanken der Berlinerinnen und Berliner und natürlich der Welt verankert hat. Es ist Teil der prägenden Trennungserfahrung unserer Stadt, genauso, kann man sagen, wie das Brandenburger Tor. Wir in der rotrot-grünen Koalition stellen uns dieser Aufgabe, die Sie in der Überschrift Ihres Antrags beschrieben haben, unter denkbar ungünstigen Ausgangsbedingungen. Herr Förster hat es schon gesagt, das Grundstück wurde 1992 unter CDU-Führung privatisiert. Das Einzige, was damals gut gemacht worden ist für das Land Berlin, war, dass im Kaufvertrag ein Gedenkort gesichert wurde. Der Investor wurde, noch bevor dort etwas entstehen konnte, insolvent, die nächsten Investoren genauso. Das heißt, zurzeit
ist das Grundstück demnach Bestandteil einer Insolvenzmasse. Der heutige Investor hat die Grundschulden im Volumen eines hohen zweistelligen Millionenbetrags erworben und möchte nun das Grundstück bebauen.
Was haben wir vorgefunden? – Wir haben § 34 Baugesetzbuch auf der einen Seite und auf der Ostfläche einen Bauvorbescheid. Wir haben uns das angeschaut und haben gesagt: Das wäre eine glatte Randbebauung ohne irgendeine Freifläche, und da haben wir gesagt, diese Bebauung trägt nicht unsere Vorstellungen für einen angemessenen Gedenkort Rechnung und wird diesem Gedenkort auch nicht gerecht. Der Senat hat nach unseren Vorgaben nachverhandelt und einen Letter of Intent mit dem Investor geschlossen. Dieser Letter of Intent, auch das darf ich hier mal sagen, weil es ja immer so in der Öffentlichkeit dargestellt wird, wir könnten da nicht reinschauen, ist selbstverständlich im Datenraum zur Einsicht für die Abgeordneten hinterlegt. In dem LoI setzen wir unsere Forderungen durch. Ich darf sie noch mal nennen: Es würde einen Museumsbau mit 3 000 Quadratmetern Fläche geben, ebenso eine Freifläche vor den Gebäuden als Erinnerungsort. Der Wohnungsbestand im Neubau wird im Rahmen des kooperativen Baulands errichtet. Mietwohnungen waren vorher nie vorgesehen, wir haben gesagt, dass es kommen soll. Die Senatoren Lederer, Kollatz, Senatorin Lompscher und die entsprechenden Staatssekretäre haben hier sehr gut für das Land Berlin verhandelt.
Zugegebenerweise – Herr Förster hat es schon gesagt –, wäre das Grundstück damals nicht veräußert worden, dann könnten wir heute alleine entscheiden, was dort passiert, völlig klar. Aktuell besteht noch ein Vorkaufsrecht, das lässt sich aber nicht ziehen, auch wenn öffentlich manchmal anderes gesagt wird. Der § 471 BGB heißt ganz klar – ich darf zitieren, Frau Vorsitzende –:
Das Vorkaufsrecht ist ausgeschlossen, wenn der Verkauf im Wege der Zwangsvollstreckung oder aus einer Insolvenzmasse erfolgt.
Und genau diese Lage haben wir hier. Kommt es zu keiner Einigung mit dem Investor, könnte die Zwangsversteigerung von ihm betrieben werden, um aus dem Erlös des Grundstücks die erworbenen Grundschulden zu kompensieren. Das Vorkaufsrecht kommt dann nicht zum Zuge, und wir bieten als Bieter unter vielen Bietern auf dem freien Markt gegen das Immobilienkapital aus aller Welt. Zudem – Sie wissen das, wir sind Haushaltsgesetzgeber und Sie kennen die Haushaltsordnung ganz genau – können wir nicht utopische Preise zahlen. Das geht nicht. Das Vorkaufsrecht ist zum Schutz der Berlinerinnen und Berliner. Deshalb: Wenn dort 200 Millionen oder 100 Millionen, wie es Herr Förster gesagt hat, aufgerufen werden, dann müssten wir dies auf den Tisch des Hauses legen, und dies für einen Erinnerungsort, den auch Trockland errichten kann und will.
Es ist sicher richtig, dass Investoren in unserer Stadt keine gemeinnützigen Unternehmen sind; völlig klar, das wissen wir alle. Aber das Unternehmen hat sich auf unsere Bedingungen eingelassen und will zu unseren Konditionen den stadtpolitisch gewünschten Bildungs- und Erinnerungsort bauen. Die Alternative hieße – das darf ich hier sagen – über kurz oder lang ein neuer Investor mit sicher noch größeren Verwertungserwartungen, den wir dann vor uns haben. Wer weiß schon, welcher Hedgefonds die Grundschulden dann unter Umständen erwerben würde. Eins ist klar: Dem Checkpoint Charlie wäre damit nicht geholfen. Nach den jetzigen Vereinbarungen sind der Gedenkort im Außenbereich, das Museum und der bezahlbare Wohnraum gesichert. Das sind für uns die festen Anker für eine gemeinwohlorientierte Entwicklung dieses Ortes. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal, da gebe ich dem Kollegen Förster recht, bin ich ausdrücklich dankbar dafür, dass dieser Antrag uns die Gelegenheit gibt, nachdem es uns in den Ausschüssen trotz verschiedener Versuche verwehrt blieb, über die Zukunft des Checkpoint Charlie zu einer Zeit zu debattieren, zu der die ganze Stadt die Augen auf diesen Standort richtet. Ich habe bis heute nicht verstanden, warum es nicht möglich gewesen sein soll, das im Stadtentwicklungsausschuss schon zu tun. Aber so haben wir den Anlass, das vor den Augen der Weltöffentlichkeit zu tun. Umso schöner!
Ich glaube, uns allen ist bewusst, das hat auch Frau Spranger noch einmal beschrieben, mit was für einem besonderen Ort wir es zu tun haben, mit was für einem identitätsstiftenden Ort, der losgelöst davon, dass dort alles, aber auch alles in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in die falsche Richtung gegangen ist – wenn man sich den heutigen Zustand vor Augen hält, ist das eine Würstchenbudenkultur, aber kein Gedenkort, der dort über die Jahre entstanden ist –, aber nichtsdestotrotz reicht die Kraft des Ortes aus, reicht die Erinnerung an die Geschichte des Checkpoint Charlie aus, um 4 Millionen Menschen pro Jahr an diesen Ort im Herzen Berlins zu bewegen. Frau Spranger, Sie haben es gesagt: Es ist insofern ein Ort wie das Brandenburger Tor. Man kennt ihn in der Welt. Und mit Verlaub: Würden wir mit dem Brandenburger Tor so umgehen, wie Sie es nun mit dem Checkpoint Charlie vorhaben? Ich habe da meine Zweifel.
Es ist ein Ort, dessen Nutzung ungelöst ist. Es ist ein Ort, an dem von Anfang an, beginnend mit der Veräußerung der Flächen – und das sage ich selbstkritisch – ein gewaltiger Fehler gemacht wurde. Der Verkauf dieser Grundstücke war ein politischer Fehler, den wir auf gar keinen Fall heute so wiederholen würden. Erster Punkt. – Zweiter Punkt: Wenn wir diesen Fehler heilen wollen, dann müssen wir uns darüber klarwerden – dafür ist diese Debatte der richtige Zeitpunkt und auch die Vertiefung in den Ausschüssen –, welche Optionen wir haben. Bei der Gelegenheit möchte ich auch darüber sprechen, welche Optionen wir möglicherweise aufgegeben haben. Sie sprachen über das Vorkaufsrecht, das in der Tat gesetzlich nicht auszuüben ist; das ist eine Bankversteigerung.
Sie haben auch das ursprüngliche Vertragswerk angesprochen, das dort einen Gedenkort vorsah. Mit Verlaub, bei Nichterfüllung sah dieses Vertragswerk auch ein Rückkaufsrecht vor. Ich möchte vom Senat hören, wie es um den Status dieses Rückkaufrechts bestellt ist, ob das Land Berlin es noch hat; und wenn nein, wann es verfallen ist, ob dieses Haus darüber informiert wurde, ob eine politische Debatte darüber stattfand, ob und zu welchen Bedingungen man möglicherweise auch diese vertragliche Regelung hätte in Anspruch nehmen können. Ich kann mich an keine Diskussion dazu in diesem Parlament erinnern, obwohl wir wissen, was für ein besonderer Ort der Checkpoint Charlie ist und für alle Zukunft bleiben wird, wenn wir nicht jetzt den nächsten historischen Fehler machen. Insofern würde ich mich jetzt im Widerspruch zum FDP-Antrag – aber er soll ja auch Anstoß sein und nicht einfach nur zur Nacherzählung animieren – schon auch kritisch damit auseinandersetzen wollen, ob dieser Ort überhaupt im privaten Eigentum würdig zu entwickeln ist.
Ich bin niemand, der Trockland große Vorwürfe machen will. Sie haben hervorragende Projekte in der Stadt verwirklicht, ohne jeden Zweifel, aber sie sind auch keine karitative Einrichtung. Wir wissen, welche Investitionen bis zu diesem Zeitpunkt schon getätigt wurden und erforderlich waren. Wir wissen auch, dass sie sich rentieren müssen. Und wir wissen, welche baulichen Dichten beispielsweise dafür erforderlich sind. Kollege Förster hat das im FDP-Antrag ja auch zutreffend umschrieben, 37 Meter Höhe sind an dem Standort alles andere als Berliner Traufhöhe. Da kommt es nicht nur auf Gebäudekanten an, sondern auf die bauliche Dichte insgesamt. Der Checkpoint Charlie wird trotz allen Bemühens – ich glaube, kein Architekturentwurf der Welt könnte es so lösen, dass die Identität des Checkpoint Charlie, seine städtebauliche Gestalt nicht bis zur Unkenntlichkeit verzerrt werden.
Das ist es, worüber wir uns Gedanken machen, wie wir im Sinne der Überschrift des Antrags die Authentizität des Ortes erhalten, wie wir dabei bleiben, dass auch in Zukunft 4 Millionen Gäste pro Jahr diesen Ort nicht nur
attraktiv finden, um an diesem Ort der Geschichte von Teilung, Widerstand und Freiheitskampf zu gedenken, sondern wie wir das auch in würdiger Art und Weise städtebaulich ausprägen und uns nicht in 10, in 20 Jahren fragen lassen müssen, wie das passieren konnte, was sich städtebaulich abzeichnet, wenn wir an der Stelle ausschließlich auf die Renditeinteressen eines privaten Eigentümers achten. Und das sage ich als Vertreter einer Partei, die nicht allzu verdächtig ist, kommunistischen Gedanken anzugehören,
sondern ich möchte ausdrücklich sagen: Hier geht es um einen Ort, an dem wir gemeinsam in der historischen Schuld stehen,