Protocol of the Session on September 27, 2018

Aber letztlich ist doch das, was durchdringt in dieser ganzen Debatte – und was auch von der herrschenden Meinung so gesehen wird – die Tatsache, dass mit einer solchen Volksbefragung und einer Äußerung, einer Meinungsäußerung der Befragten – hier dem Staatsvolk – das Staatsvolk Staatsgewalt ausübt. Wenn es Staatsgewalt ausübt, hier in Form der gemeinsamen Willensbildung, dann ist das im Grunde auch immer zu respektieren. Deshalb braucht man für eine konsultative Volksbefragung auf jeden Fall auch eine Verfassungsänderung. Und das ist in Ihrem Antrag überhaupt nicht berücksichtigt. Das halte ich für ein schweres Defizit.

Ich will nur noch eines sagen – ich habe es vorhin schon angedeutet –: Die Tatsache, dass sie hier zehn verschiedene Tage zur Auswahl stellen, zeigt schon, dass das Instrument so, wie Sie es anstreben, an der Stelle kaum tauglich wäre.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Angeordneten Woldeit?

(Martin Trefzer)

Ja – bitte!

Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Vielen Dank, Herr Kollege! Ich muss mich ein bisschen wundern, inwieweit Sie die Staatsgewalt des Volkes gerade ein Stück weit relativieren und in diesem Zusammenhang auch eine Verfassungsänderung erwähnen. Wenn ich mich richtig erinnere – Bitte korrigieren Sie mich! –, steht in unserem Grundgesetz, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Also was meinen Sie mit Ihren Ausführungen?

[Beifall bei der AfD]

Dass die Staatsgewalt vom Volke ausgeht, das braucht man, glaube ich, nicht vertieft zu erörtern. Das ist selbstverständlich. Tatsächlich ist es aber so, dass die Staatsgewalt an dieser Stelle durch eine bestimmte Meinungsäußerung, durch eine Handlung durch das Staatsvolk unmittelbar ausgeübt wird.

[Dr. Michael Efler (LINKE): Das sind die Regeln!]

Die Unmittelbarkeit ist der entscheidende Faktor an der Stelle.

[Karsten Woldeit (AfD): Gesetzgeber sind immer noch wir!]

Ja, natürlich, Herr Kollege! Trotzdem übt an dieser Stelle das Volk dann unmittelbar Staatsgewalt aus.

[Karsten Woldeit (AfD): Das ist eine Willensbildung!]

Ja! – Das sind unterschiedliche Argumente an dieser Stelle. Das weiß ich auch. Die herrschende Meinung kommt aber zu diesem Schluss, und ich schließe mich dem auch an.

Ich komm noch mal kurz darauf zurück, zehn Tage zur Auswahl zu stellen. Da zeigt sich eigentlich, dass dieser Ansatz nicht tauglich ist. Stellen Sie sich vor, Sie bekommen jetzt die Antwort zu diesen zehn Tagen, und die liegt irgendwo bei einer Zustimmung von 6 Prozent bis 22 Prozent! Was soll das Ergebnis einer solchen Befragung an dieser Stelle sein,

[Karsten Woldeit (AfD): Ein Votum!]

mit zehn unterschiedlichen Voten? Das zeigt, dass dieses Vorgehen nicht tauglich ist. Deshalb glaube ich, dass Ihr Antrag im Ausschuss auch keine besonderen Chancen auf Zustimmung hat. – Vielen Dank für Ihr Zuhören!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Dregger jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die AfD-Fraktion legt hier einen Verfahrensvorschlag vor, wie wir bei der Frage, ob und gegebenenfalls welchen neuen Feiertag das Land Berlin benötigt, möglicherweise zu einem Ergebnis kommen. Dazu zunächst einige rechtliche Hinweise, dann einige Hinweise zur Geeignetheit und grundsätzliche Erwägungen.

Die Verfassung von Berlin kennt als Instrumente der direkten Demokratie die Volksinitiative, das Volksbegehren und den Volksentscheid. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Verfassung sind diese Formen der direkten Demokratie abschließend geregelt. Das, was Sie vorhaben, wenn es denn in irgendeiner Weise einen verbindlichen Charakter haben sollte, würde eine Änderung der Verfassung von Berlin erfordern. Ich entnehme auch Ihrer Antragsbegründung, dass es Ihnen darauf ankommt, weil Sie nämlich schreiben, Sie wollen sicherstellen, dass die Bürger wissen, dass am Ende des Prozesses ihr Votum auch gehört wird. Wenn Sie also diese Verbindlichkeit wollen, dann müssen Sie die Verfassung von Berlin ändern. Andernfalls ist das, was Sie vorhaben, eine Meinungsumfrage, aber in keiner Weise ein bindendes Votum.

Zweiter Aspekt ist die Geeignetheit. Sie legen möglicherweise zehn oder noch mehr denkbare Ereignisse als Feiertagsvorschlag vor. Aber was wird das voraussichtliche Ergebnis einer solchen Befragung sein? – Kein klares Bild! Und dann wird womöglich dennoch eine Entscheidung gefällt werden, bei der ich Ihnen voraussage, dass sich 90 Prozent der Befragten nicht in der Entscheidung wiederfinden, weil ihr Votum nicht berücksichtigt wird. Dies liegt daran, dass Sie zehn oder mehr Alternativen zur Diskussion stellen wollen. Ich halte dieses Vorgehen deshalb nicht für geeignet.

[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Drittens die Frage: Was ist das eigentlich für ein Vorgehen? – Sie wissen nicht, welches historische Ereignis Sie als Feiertag würdigen wollen. Sie können damit auch nicht begründen, ob es einen Bedarf dafür gibt, und ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist, eine verantwortungsvolle Diskussion zu führen.

Erinnern wir uns an den Feiertag 17. Juni 1953, der ja vor der Wiedervereinigung der Tag der Deutschen Einheit und gesetzlicher Feiertag war! Da wurde ja nicht diskutiert, ob dieser Tag oder neun andere Feiertag sein könnten, sondern da ging es um ein ganz spezifisches Ereignis. Genauso war es am jetzigen Tag der Deutschen Einheit,

dem 3. Oktober 1990. Und so war es auch bei der Diskussion zum einmaligen Feiertag des Reformationstags im letzten Jahr, wo nämlich auf Betreiben der CDUFraktion dieses Haus beschlossen hat, einen einmaligen Feiertag, den Reformationstag zu würdigen anlässlich des 500. Jahrestags der Reformation am 31.10.1517 mit dem Thesenanschlag Luthers.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Trefzer?

Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Dregger! Wir sind schon weiter an der Stelle. Sie hatten gesagt, dass es voraussichtlich kein eindeutiges Ergebnis gäbe. Haben Sie in unserem Antrag zur Kenntnis genommen, dass wir fordern, dass Mehrfachnennungen möglich sein sollen – also nicht nur eine Stimme, sondern eben mehrere Stimmen? – Danke!

Ja, ich kann gerne kurz darauf eingehen: Das habe ich gelesen. Aber ich habe eben auch gelesen, dass Sie sagen, dass am Ende des Prozesses das Votum der Menschen gehört werden soll. Und dagegen habe ich deutlich gemacht, dass die Verfassung des Landes Berlin diesen verbindlichen Weg nicht vorsieht, den Sie vorschlagen – da müssten wir über eine Verfassungsänderung diskutieren; das können wir gerne tun –, und zweitens, dass es nicht geeignet ist, derart viele Alternativen zur Verfügung zu stellen, weil es dann kein Votum geben wird. Davon können Sie ja ausgehen. Das heißt: Wenn Sie dann dennoch eine Entscheidung fällen, nehmen Sie die Leute nicht mit – ich wiederhole mich.

Um zurück zum letzten Punkt zu kommen: Was ist denn eine verantwortungsvolle Diskussion? – Mich stört eine Diskussion, wo keiner der Beteiligten weiß, warum er eigentlich einen Feiertag vorschlägt. Da könnte man ja auch mehr Freibier vorschlagen oder mehr Gehalt für alle Berlinerinnen und Berliner. Natürlich ist das populär und stößt auf Zustimmung. Aber ich würde doch erwarten, dass wir, wenn wir einen wirklichen Feiertag vorhaben, ein Konzept entwickeln, was wir eigentlich mit diesem Feiertag erreichen wollen. Erreichen wir etwas Sinnstiftendes für unser Land? Schaffen wir es, dass wir Identität mit unserem Land schaffen, dass wir die Menschen in diesem ja durchaus gespaltenen Land zusammenführen? Oder ist es einfach ein Vorschlag der Beliebigkeit? – Das stört mich, und ich glaube nicht, dass dieses Vorgehen, das Sie vorschlagen, zu einem gewünschten Ergebnis

führen wird. Und deswegen sind wir da nicht besonders aufgeschlossen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat der Abgeordnete Dr. Efler das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! – Zunächst einmal, Herr Dregger, muss ich mit Erstaunen feststellen, dass ich voll und ganz mit Ihrer Rede übereinstimme – ich hoffe, das schadet Ihnen jetzt nicht.

Ich möchte mich zunächst ausdrücklich bei der AfDFraktion für diesen Antrag bedanken, weil Sie damit exemplarisch deutlich gemacht haben, wie wenig Sie eigentlich von direkter Demokratie und Bürgerbeteiligung verstehen.

[Beifall bei der LINKEN]

Sie haben davon wirklich keine Ahnung, und ich will, bevor ich das an einem Zitat verdeutliche, noch einmal sagen: Dieser Antrag wirkt auf mich total dahingeschmiert und holprig. Sie verwechseln die Begriffe, in der Begründung steht „Volksabstimmung“, im Text selber „Volksbefragung“. Aber ich will – mit Genehmigung der Präsidentin – einmal ein Zitat vorlesen, das es ganz gut auf den Punkt bringt, warum ich diese Form der Volksabstimmung oder Volksbefragung ablehne:

Es ist eine undemokratische Zumutung, amtlich das ganze Volk zu einer unverbindlichen Meinungsäußerung aufzufordern. Wenn sich der Souverän äußert, dann entscheidet er auch … Die Volksbefragung ist kein Rechtsinstitut für eine demokratische Verfassung … In der Demokratie ist das Volk der Souverän … nicht Orakel und nicht Hampelmann.

Diese Worte sind aus dem Jahr 1958 vom damaligen Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU im Deutschen Bundestag, dem späteren Bundestagspräsidenten Rainer Barzel. Ich finde, er hat hundert Prozent recht mit dieser Aussage.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD, der CDU und den GRÜNEN]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Burkard Dregger)

Später! Ich möchte erst ausführen. – Denn Sie wollen ja, dass die Berlinerinnen und Berliner am Tag der Europawahl über die Festlegung eines gesetzlichen Feiertags abstimmen. Gleichzeitig soll dieses Ergebnis konsultativ sein. – Das ist eine Karikierung seiner selbst, und das ist sowohl ein Problem für die direkte Demokratie und auch für das Parlament. Denn wenn die Befragung nur als Richtschnur dient, dann wird der Souverän nicht ernst genommen. Wenn sie aber für verbindlich erklärt wird, dann ist das Parlament unter Druck, seinen Willen nicht mehr frei bilden zu können. Das passt einfach vorne und hinten nicht zusammen, und deswegen verwischen Sie auch die Begriffe.

Wenn wir uns einmal die Erfahrungen mit Volksbefragungen ansehen, dann kann man einfach nur sagen: Wir haben sehr negative Erfahrungen im In- und Ausland mit konsultativen Befragungen. Das beste Beispiel ist die Abstimmung über den Brexit: Die Brexit-Abstimmung war eine Volksbefragung. Sie ist von Herrn Cameron aus machtpolitischen Gründen durchgesetzt worden. Er wollte damit eine innenpolitische Blockade auflösen, und er wollte die Verhandlungsposition Großbritanniens gegenüber der EU verbessern. Beides ging granatenmäßig in die Hose: Cameron ist Geschichte, und die Briten haben jetzt den Salat. Ich spreche nicht dagegen, dass man über den Brexit abstimmen kann. Das finde ich grundsätzlich gar nicht falsch; das sehen bestimmt viele anders. Aber in der Form, wie es gemacht worden ist, ist es hochproblematisch. Und mit diesem Instrument würden Sie dem Senat ein machtpolitisches und taktisches Instrument geben – völlig egal, welchem Senat, der hier gerade an der Regierung ist. Ich will nicht, dass der Senat oder auch das Abgeordnetenhaus über so eine Möglichkeit verfügen.

Das war übrigens schon immer meine Position, auch lange bevor ich hier ins Abgeordnetenhaus gewählt worden bin. Auch der Landesverband von „Mehr Demokratie“, der sich in solchen Fragen besser auskennt als Ihre Fraktion, lehnt die Einführung von konsultativen Volksbefragungen ab.

Wenn jetzt aber doch eine solche Volksbefragung für sinnvoll gehalten wird, dann kommt es auf das Wie an. Dazu wurde schon einiges gesagt. Was Sie vorschlagen, ist einfach ein Blankoscheck für den Senat: Der Senat soll alleine kraft eigener Wassersuppe, sage ich mal, diese Volksbefragung durchführen. Sie haben sich keine Gedanken über eine Rechtsgrundlage gemacht. Ich stimme ausdrücklich Herrn Dörstelmann und Herrn Dregger zu: Ein solches Instrument braucht eine Rechtsgrundlage, mindestens eine gesetzliche Grundlage. Ich glaube auch, dass es nicht ohne Änderung der Landesverfassung geht. Wie wollen Sie unter den zehn verschiedenen Varianten abstimmen? Welcher Vorschlag ist denn eigentlich angenommen? Gibt es ein Quorum? Gibt es eine Stichab

stimmung? Wer ist abstimmungsberechtigt? Wie wird über die Vorschläge informiert? Darf der Senat informieren?

Das mögen für Sie alles bürokratische Lappalien sein. Aber in einer rechtsstaatlichen Demokratie, in der ich leben möchte, sind das elementare Verfahrensfragen, die man vorher klären muss, die man nicht einfach der Exekutive überantworten darf.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]