Protocol of the Session on September 27, 2018

Wir kommen auch dazu, dass es eben nicht reicht, über das Vergangene zu schwadronieren und sich dafür feiern zu lassen, sondern wir reden ja darüber, dass Berlin trotz allem noch einen gewaltigen Aufholbedarf hat. Wir sind immer noch im letzten Drittel. Oder wollen Sie sich damit abfinden und sagen, wir sind gut unterwegs? Nein, wir sind immer noch im letzten Drittel bei allen wesentlichen wirtschaftlichen Kenndaten dieser Republik.

Zweitens: Wir müssen dafür sorgen, dass auch die Weichen für die Zukunft richtig gestellt werden. Dann gucken wir uns mal an: Was sagt denn z. B. die IHK dazu? Die ist ja nun nicht verdächtig, eine Widerstandsorganisation gegen Ihre Regierung zu sein.

[Heiterkeit von Paul Fresdorf (FDP)]

Was sagt denn die IHK? – Die haben eine Umfrage gemacht und gesagt: Durchgängig schlechte Noten! Ob es Gewerbeflächen, Verwaltung, Fachkräftemangel betrifft, durchgängig schlechte Noten! – Damit müssen Sie sich doch beschäftigen. Sie müssen doch Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass wir ein offenes Klima haben, dass wir Flächen zur Verfügung stellen und eine funktionierende Infrastruktur gewährleisten.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Christian Buchholz (AfD)]

Und das geht nur, indem wir dafür die Rahmenbedingungen schaffen oder die Bürokratie – verdammt noch mal – sofort abschaffen.

Ein, zwei allgemeine Anmerkungen möchte ich schon machen. Ihre Anträge haben oft den Geist von Planwirtschaft. Besonders deutlich wird es immer dann, wenn Sie von der bloßen Gewinnmaximierung sprechen. In der Privatwirtschaft gehört Gewinnerzielungsabsicht dazu, und das ist auch richtig so.

[Beifall bei der FDP und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Das ist der Motor für Innovation. Innovation entsteht doch nicht in Stadtwerken oder städtischen Töchtern, sondern sie entsteht in privaten Unternehmen. Das sind die Treiber für Innovation. Die muss man fördern und ihnen das ermöglichen und nicht Gewinnabsicht verteufeln. Das tun Sie aber.

[Zuruf von Carsten Schatz (LINKE)]

Das tun Sie in mehreren Entschließungsanträgen. Das ist ein ganz falsches Klima. Letztes Mal habe ich schon angesprochen, dass mich immer wieder entsetzt, dass Sie sich ausdrücklich gegen CETA, das Freihandelsabkommen mit Kanada, TTIP mit den USA aussprechen.

[Beifall von Dr. Michael Efler (LINKE) und Nicole Ludwig (GRÜNE) – Zuruf von Katalin Gennburg (LINKE)]

Wir sind angewiesen auf Export. Wir haben das gerade in den Vorreden gehört, wir haben 15 Milliarden Exporterlös, und Sie sprechen sich gegen ein Freihandelsabkommen aus und das in dieser Zeit, Hand in Hand mit Trump, mit den gleichen Argumenten. Wie peinlich ist das? Mir wäre es peinlich.

[Beifall bei der FDP]

Genauso peinlich, wenn Sie vom Industriestandort Berlin reden, dann sich noch für irgendeinen Masterplan feiern lassen und dann, wenn es um ILA geht, um die wichtigste Luftmesse in Deutschland und Europa, diese Messe in Zweifel stellen, ob wir sie denn überhaupt brauchen. Schade! Natürlich brauchen wir sie. Da braucht es ein Bekenntnis, und zwar von links bis rechts.

[Beifall bei der FDP]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Schillhaneck?

Bitte!

Vielen Dank, Herr Kollege! – Sagen Sie, wenn Sie von Freihandelsabkommen sprechen, halten Sie es denn für angemessen, wenn Abkommen, die in hochgradig undemokratischer Art und Weise hinter verschlossenen Türen mit marginaler Transparenz sowohl gegenüber den Bürgern und Bürgerinnen als auch ihren gewählten Vertretern und Vertreterinnen ausgehandelt und abgeschlossen werden sollen,

[Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

wenn die den Freihandel bestimmen sollen, den Sie hier gerade hochhalten? Erlauben Sie mir eine kurze Bemerkung: Ich glaube, das ist nicht das Problem von Herrn Trump. Wie stehen Sie zur Demokratiefrage?

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der LINKEN und der AfD]

Dieses Freihandelsabkommen ist unter Federführung der Europäischen Union ausgehandelt worden. CETA hat mit Trump nichts zu tun.

[Heiterkeit bei der AfD]

Da wurden Verfahren vereinbart, wie man Streitigkeiten im Freihandel beilegen kann.

[Zurufe von der AfD]

Deswegen stehe ich zu dem Freihandelsabkommen. Und ich stehe auch dazu, dass wir TTIP brauchen. Gerade wegen Trump brauchen wir TTIP.

[Beifall bei der FDP]

Ansonsten wird es einen Zollkrieg geben, unter dem auch Berlin leiden wird. Frau Schillhaneck! An der Stelle ist Demokratiegefasel völlig fehl am Platz.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Ich glaube, Sie wissen nicht, wovon Sie reden!]

Wir brauchen auch eine Willkommenskultur für Unternehmen in dieser Stadt.

[Heiterkeit bei der AfD]

Und diese Willkommenskultur fehlt. Wir müssen Flächen für produzierendes Gewerbe vorhalten. Wir müssen auch Flächen im S-Bahnring vorhalten. Ich bin schon entsetzt, dass für den Google-Campus erst mal lange gekämpft werden musste, damit er sich in Friedrichshain-Kreuzberg ansiedeln darf, und dann wird der Google-Campus auch noch besetzt. Kein Wort vom Bezirksamt FriedrichshainKreuzberg dazu! Stattdessen kämpft dieser Stadtrat wegen eines Plakats gegen einen Investor und verliert auch noch. Wie peinlich ist das? – Peinlich ist das.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von der LINKEN]

Da wäre ein Bekenntnis erforderlich, auch für alle anderen Unternehmen, die Sie ja noch anwerben wollen.

Wir brauchen selbstverständlich Flächen für produzierendes Gewerbe. Insofern ist Marzahn, das ehemalige KnorrGelände, wieder eine vertane Chance, jetzt ein kruder Kompromiss, leider wieder verursacht durch die Linkspartei und durch die zuständige Senatorin. Das ist jetzt ein Mischgebiet mit Gewerbe und Wohnen. Ich habe jetzt gerade in Niederschönhausen letzte oder vorletzte Woche mitbekommen, wie problematisch solche Mischgebiete sind. Sie sind nicht geeignet für produzierendes Gewerbe, weil produzierendes Gewerbe mit Emissionen und Verkehr verbunden ist. Das verträgt sich nicht mit Wohnen. Man muss sich auch bekennen zur Wirtschaft, zu Industriestandorten, sonst wird das nichts, sonst werden das nur Luftnummern auf bunten Powerpoints zum Masterplan.

[Beifall bei der FDP – Frank Jahnke (SPD): Und was ist mit Tegel?]

Wesentliche Voraussetzungen sind: Eine Infrastruktur, Verkehr, das wurde angesprochen, Breitband, wurde auch angesprochen. Und das muss natürlich zur Chefsache gemacht werden. Da ist es nicht befriedigend, wenn dauernd auf das Ping-Pong-Spiel verwiesen wird: auf Telekom, auf den Bund und wieder auf das Land Berlin. Das

muss zur Chefsache gemacht werden. Das ist viel wichtiger, als irgendetwas zur Chefsache zu machen, Stadtwerke zu errichten, völlig deplatziert, sondern der wesentliche Fokus müsste sein, dass wir eine Infrastruktur schaffen, die für Start-ups wie für die Industrie gleichermaßen die Zukunft zum Produzieren sichert und den Dienstleistungen angeboten wird.

[Beifall bei der FDP]

Da kann ich nur sagen: Nehmen Sie den Weckruf des Start-up-Verbandes ernst! Sie haben zu Recht darauf hingewiesen: Platz 78 für Berlin beim Breitbandausbau ist inakzeptabel. Wir brauchen eine digitale Ausbauagenda. Da sollte man nicht beleidigt und eingeschnappt reagieren, ihnen noch irgendeine Parteimitgliedschaft vorwerfen, sondern tatsächlich sagen: Ja, ich habe verstanden, wir machen eine Digitalstrategie.

Es ist auch merkwürdig, wenn ich jetzt höre, das fiel jetzt auch bei einer der Vorreden, digitale Agentur, Digitalagentur, wenn gleichzeitig die Berliner Verwaltung nicht in der Lage ist, ihre Prozesse zu digitalisieren und das E-Government umzusetzen. Die eigentliche Beratung brauchen Sie selbst. Da brauchen Sie noch nicht andere zu beraten.

[Beifall bei der FDP]

Es ist auch merkwürdig, wenn Start-up-Unternehmen in der ganzen Welt und in Europa und in Deutschland mit Sitz in Berlin Regierungen und Verwaltungen überall woanders beraten, nur nicht in Berlin. Berlin ist damit beschäftigt, mühsam die Umsetzung des E-GovernmentGesetzes mit vielen Bezirksämtern zu verhandeln. Das ist nicht so, wie Berlin funktionieren kann. Wir brauchen dort eine digitale Verwaltung. Dann kann Berlin, und das ist die Chance, die wir in Berlin wirklich haben, auf das Know-how der Start-up-Unternehmen zurückgreifen, die in Berlin angesiedelt sind. Schade, dass das nicht getan wird, eine vertane Chance!

[Beifall bei der FDP]

Wir reden über Bürokratieabbau, wir haben viel zu viel Bürokratie, und Sie sind dabei, das beim Vergaberecht noch komplizierter zu machen. Wir brauchen ein verschlanktes Vergaberecht. Unsinnige Vorgaben müssen abgeschafft werden wie z. B. Geschlechtervorgaben in bestimmten Branchen, die diese gar nicht erfüllen können.

[Vereinzelter Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Wir müssen so schnell wie möglich Aufträge erteilen können und nicht mit unnötigen Fragen den ganzen Prozess aufhalten.

Das Gleiche gilt auch beim Thema Tourismus, das wurde heute noch gar nicht angesprochen. Im Wirtschaftsausschuss wird es von den Sprechern der Linksfraktion immer dergestalt angesprochen, welch gewaltige Belastung

diese Stadt durch Tourismus zu befürchten hat. Wir brauchen ein klares Bekenntnis zum Tourismus. Wir freuen uns, dass es Tourismus gibt. Wir sollten etwas dafür tun, dass Tourismus auch weiter in dieser Stadt gefördert wird, denn das bringt immerhin 200 000 Arbeitsplätze und noch mehr. Also bitte ein klares Bekenntnis zum Tourismus! Auch dieses steuerungsintensive Tourismuskonzept ist zumindest ein Anfang. Selbst hinter das fällt der Sprecher der Linksfraktion zurück und sagt: Nein, das ist zu belastend.